Protokoll der Sitzung vom 13.07.2006

Wenn man die „Antworten“ auf die Anfrage sieht, will ich zunächst auf das eingehen, was Kollege Holler gesagt hat. Wir haben im Sozialausschuss einen relativ ausführlichen Bericht darüber gehört, warum keine Zahlen vorliegen. Das werfen wir von der FDP der Landesregierung nicht vor – das sage ich ganz offen –, weil das Land keine rechtliche Handhabe hat, diese Zahlen von den Kommunen zu evaluieren und zu erheben. Das muss man klar feststellen.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Wir brauchen keine potemkinschen Dörfer aufzubauen. Das geht nun einmal nicht. Da gibt es keine rechtliche Handhabe. Frau Ministerin, auf der anderen Seite gibt es Antworten, die mehr Hoffnung ausdrücken, als auf validen Fakten zu beruhen. Sie schreiben z. B. – da musste ich lachen –,

(Michael Denzin (FDP): Das ist schon sehr belastbar!)

es werde ein Betreuungsschlüssels von 1 : 150 für ALGEmpfänger über 25 Jahren und einer von 1 : 75 für solche unter 25 Jahren angestrebt. In der Antwort heißt es, es könne davon ausgegangen werden, dass es auch so sei, weil es um die Personalausstattung in der Vermittlung gehe und eine Priorität im Rahmen der kommunalen Aufgabe bestehe. Es ist wohl mehr Wunsch der Vater des Gedankens.

(Beifall des Abg. Michael Denzin (FDP))

Wir wissen von vielen Kommunen, dass dieser Schlüssel nicht eingehalten wird. Wir wissen aus vielen Kommunen – ob ARGE oder Optionskommune –, dass in diesen Bereichen wirklich nicht die Priorität auf die Vermittlung gelegt wird. Das hat vielfach unterschiedliche Gründe. Das hat einerseits den Grund, dass die Kommunen – wie Kollege Holler es sagte – am Anfang hauptsächlich mit der Auszahlung der Mittel beschäftigt waren. Jetzt geht es darum, die Struktur neu zu finden.

Meine Damen und Herren, es gibt eine gesetzliche Vorgabe, und diese Vorgabe wird in vielen Fällen nicht eingehalten. Frau Ministerin, ich glaube, Sie wissen auch, dass es in vielen Fällen nicht so ist, wie wir uns das alle gemeinsam wünschen.

Ich glaube, wir können unter diese ganze Diskussion jetzt einmal einen Schlussstrich ziehen. Wir wissen, dass vieles nicht richtig läuft. Wir werden die nächsten Monate dazu verwenden müssen, Daten zu evaluieren und zu erfahren, wie die Wirklichkeit in den Kommunen aussieht und der Wettbewerb zwischen beiden läuft. Aber dafür wird es noch eine Zeit brauchen, denn wir wissen aus dem Ausschuss, dass es jetzt erst einmal darum geht, die Programme, die zur Datenverarbeitung benutzt werden, anzupassen.

Das ist nun einmal eine Sache,die die Kommunen aus sich heraus machen. Man muss ehrlich sagen: Das ist nicht optimal gelaufen. – Ich frage mich teilweise schon, was die Spitzenorganisationen der Kommunen – ob Städtetag oder ob Landkreistag – in diesem Bereich gemacht haben, denn es wäre auch ihre Aufgabe gewesen, das zu koordinieren, damit es einen vergleichbaren Datensatz gibt.

(Michael Denzin (FDP):Aber auch an der Bundesanstalt!)

Herr Denzin hat völlig Recht. Bei der Bundesanstalt gibt es Versäumnisse.Es wird noch Monate dauern,bis wir diese Zahlen vorliegen haben.Wir sollten nicht weitermachen und sagen, welche Zahlen wir dort vermuten. Es gibt Indizien, in welche Richtung die Diskussion geht. Wir als FDP sind der festen Überzeugung, dass die Optionskommunen die bessere Variante sind. Das beweist sich an verschiedenen Stellen. Aber wir werden so lange abwarten müssen, bis wir veritable Zahlen haben. Das wird die nächsten Monate dauern. Bis dahin sollten wir diese Diskussion verschieben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Frau Ministerin Lautenschläger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass das Thema Hartz IV noch nicht abgeschlossen ist, dass dort vieles noch im Fortgang von Gesetzesvorhaben zu verändern ist, ist sicher vielen im Raum klar. Wir sind noch nicht an dem Punkt, den die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe bringen sollte.

Nichtsdestotrotz will ich deutlich machen, die Zusammenführung war richtig. Wir hatten aber von Anfang an einige Probleme,gerade bei der Ausweitung von Strukturen. Wenn es darum geht, dass wir sehen, es sind heute wesentlich mehr Bedarfsgemeinschaften, als damals erwartet wurden, muss man daran erinnern, dass wir damals

mit dem Existenzgrundlagengesetz einen anderen Gesetzesvorschlag eingebracht hatten, der im Bundesrat angenommen worden war.Wir haben uns aber leider – so ist es nun einmal in Vermittlungsausschüssen – zum Schluss auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigen müssen, um überhaupt eine Zusammenlegung dauerhaft hinzubekommen.

Heute beklagen viele, dass es da eine massive Ausweitung gegeben hat.Das wird zum Teil unter dem Stichwort Missbrauch diskutiert. Tatsächlich war es so, dass man im Gesetz Möglichkeiten geschaffen hat, die sehr deutlich in Anspruch genommen wurden.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das habe ich immer gesagt. Sie wissen, dass es von Ihrer Seite, zum Teil auch von der ehemaligen Bundesregierung vor allem unter dem Thema Missbrauchsbekämpfung lief. Aber wir räumen mit diesem Fortentwicklungsgesetz heute Punkte aus, wo vorher die Türen weit aufgesperrt wurden,und es ist schwierig,diese Grundsatzdinge wieder zurückzudrehen.

Wenn ich an das Thema Unterhaltsrückgriff und vieles andere in der Diskussion des vergangenen Jahres erinnere, dann waren hier im Haus einige, die gesagt haben, das gehe alles nicht und sei nicht machbar. Danach haben wir mit der großen Koalition einen vernünftigen Kompromiss hinbekommen, um Auswirkungen wieder zurückzudrehen und Einschränkungen vorzunehmen, wo vorher die Bundesregierung unter Rot-Grün noch massive Auswirkungen vorgenommen hatte.

(Petra Fuhrmann (SPD): Wer hat gesagt, das sei nicht machbar? Was für ein Unsinn! Wir nicht!)

Ich will sehr deutlich machen – und komme im Detail noch zur Anfrage –, dass mit dem Fortentwicklungsgesetz nicht alles gelöst ist, was wir uns wünschen. Deswegen haben wir als Land Hessen im Bundesrat einen Entschließungsantrag eingebracht, bei dem z. B. bei der Gleichstellung zwischen Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen noch ein großer Nachholbedarf besteht.

Es wird gerade keine Gleichstellung erreicht. Optionskommunen haben z. B. auf Arbeitsmarktdaten keinen Zugriff, wie das die Arbeitsgemeinschaften heute schon bei der Zurverfügungstellung von Arbeitsplätzen haben. Bei offenen Stellen können Optionskommunen nicht auf die Daten der Bundesagentur für Arbeit zurückgreifen. Die Arbeitsgemeinschaften können es. So stellen wir uns keine Gleichberechtigung im Wettbewerb vor. Deswegen muss dieser Punkt ausgeräumt werden.

(Beifall bei der FDP)

Ich hätte mir gewünscht, dass wir bei der Trägerschaft noch eine freie Wahl hätten.Aber das war – das muss man schlichtweg zugestehen – schon im Koalitionsvertrag nicht umsetzbar. Wir halten es trotzdem für richtig und wollen, dass dieser Wettbewerb unterschiedlicher Möglichkeiten – wie wir vor Ort damit umgehen – auch in Zukunft stattfindet. Kollegin Fuhrmann, vor allem der Kollege Bocklet – das muss ich dazu sagen –, scheint tatsächlich im Ausschuss die Informationen nicht entgegengenommen zu haben. Herr Kollege Holler hat darauf hingewiesen.

(Zuruf des Abg. Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es ist nämlich ein tatsächlicher Unterschied, wenn es darum geht, welche Fragen zu beantworten sind, in welcher

Trägerschaft es gemacht wird und welche Handlungsmöglichkeiten das Land hat. Interessanterweise haben Sie heute nur über die Optionskommunen gesprochen. Viele der Fragen, die Sie gestellt haben, können auch die Arbeitsgemeinschaften nicht beantworten.

(Petra Fuhrmann (SPD): Sie haben auch nicht zugehört, Frau Ministerin!)

Herr Kollege Bocklet hat vor allem von den Optionskommunen gesprochen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Dann schauen Sie nicht mich dabei an!)

Dann schaue ich nur noch den Kollegen Bocklet an,aber der hört noch nicht einmal zu. – Das Problem ist, auch die Arbeitsgemeinschaften konnten diese Fragen nicht beantworten, weil sie bisher keine vernünftigen Datengrundlagen haben. Das Land Hessen hat als einziges Bundesland schon im Dezember letzten Jahres mit der Bundesagentur immerhin verabreden können, wie wir in Zukunft Vergleiche sicherstellen wollen. Wir haben Probleme, die dort zusammenkommen. Die will ich erwähnen. Die Bundesagentur arbeitet mit dem System A2LL. Es passiert schlichtweg, dass Daten eingegeben werden und danach leider nicht mehr dargestellt werden können, weil sie sozusagen bei der Eingabe verschwinden – Daten, die händisch vor Ort ordentlich eingegeben wurden, sind danach nicht mehr abrufbar. Das ist das eine Problem.

Das zweite Problem ist – das ist nicht die Schuld der Optionskommunen, was ich sehr deutlich sagen will –, dass ein Softwarehersteller, mit dem die kommunale Familie zusammenarbeitet, noch nicht in der Lage ist, die Schnittstelle zwischen kommunalen Programmen und A2LL so zu gestalten, dass Daten weitergeleitet werden können, die bereits erfasst worden sind. Dadurch liegen viele statistische Daten, die wir uns heute wünschen, schlichtweg noch nicht vor.

(Margaretha Hölldobler-Heumüller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das funktioniert doch in Fulda!)

Nein, diese Daten kann Fulda genauso wenig liefern wie die Arbeitsgemeinschaften. Die sind bei allen fort. Es fehlen bestimmte Schnittstellen, und es kommt darauf an, wann diese Softwarefehler behoben sind. Selbstverständlich bleibt es zwischen Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen unterschiedlich, wie genau etwas von welchen Vorgängen schon erfasst ist. Das sehen Sie, wenn Sie in die Große Anfrage hineinschauen, auch beim Thema Zusatzjobs. Das ist bei einigen sehr genau erhoben.Aber – das ist freiwillig – das hat der Gesetzgeber so gemacht. Bestimmte Daten müssen erhoben werden, aber nicht alle, die möglicherweise für einen Landtag von Interesse sind.

Deswegen haben wir uns auf ein Grundgerüst geeinigt. Dieses Grundgerüst wollen wir miteinander vergleichen. Dann wird es bei Optionskommunen wie bei Arbeitsgemeinschaften sehr unterschiedliche Aspekte geben, wo der eine gut und der andere schlechter sein wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem Sie, Herr Bocklet! Ich lasse es Ihnen auf Dauer so nicht durchgehen, dass Sie im Ausschuss einen ausführlichen Bericht zu der eigentlichen Problematik bekommen, sich dann hierhin stellen und so tun, als hätte es diesen Bericht nicht gegeben, und noch so tun, als hätten die Arbeitsgemeinschaften besser als die Optionskommunen die Daten liefern können.

(Zuruf des Abg. Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das ist schlichtweg falsch. Sie haben die Tabellen in der Großen Anfrage bekommen – immer jeweils für beide. Es konnten beide diese Daten, die Sie wünschen, nicht liefern. Dazu gehört es, dass es Kommunen bzw. Arbeitsgemeinschaften sind, an die wir diese Fragen schicken müssen. Das Land Hessen hat keine Möglichkeit, das entsprechend verpflichtend zu klären. Wir haben aber eine Vereinbarung getroffen, wie wir Daten erheben und, wenn die Softwarehersteller die Schnittstellen geliefert haben, wie wir die gemeinsam besprechen werden. Es kann nicht sein, dass Sie dauerhaft diese Informationen im Hessischen Landtag ausblenden, nur weil Sie an dieser Stelle eine andere Ideologie verfolgen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Ich will auch sehr deutlich machen: Der Grundsatz der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe war ein besseres Fördern und Fordern. Jetzt, wo die Kommunen und die Arbeitsgemeinschaften sich über dieses besser Fördern und Fordern und nicht nur auf Abwicklung von Fällen einstellen, geht meine Kritik ganz klar an den Bund. Inzwischen ist dort das Geld für die Eingliederungshilfe gesperrt. Durch den Haushaltsausschuss des Bundestages ist ein Sperrvermerk angebracht worden – das ist ein wichtiger Punkt –, weil im letzten Jahr die Mittel nicht verausgabt werden konnten. Wir alle wissen, wenn eine Behörde komplett aufgebaut wird, können nicht alle Mittel sofort abgerufen werden können.

Aber logischerweise werden die Maßnahmen im nächsten Jahr anlaufen, und das Fördern wird dann endlich stattfinden, so, wie wir alle es in diesem Landtag immer diskutiert haben.

Ich bitte die Kollegen von der SPD-Fraktion, mit ihrem zuständigen Minister darüber zu reden – auch wir werden das so machen –, dass diese Mittel wieder freigegeben werden.

Zu welchem Ergebnis führt es denn, wenn die Mittel für die Eingliederungshilfe dort gesperrt bleiben? Plötzlich können sowohl die Arbeitsgemeinschaften als auch die optierenden Kommunen – das ist völlig gleich; die Hilferufe kommen aus allen Bereichen – keine Maßnahmen mehr durchführen, weil die Mittel, die ihnen zugesichert waren, in den Budgets jetzt mit einem Sperrvermerk versehen sind. Uns erreichen Meldungen wie folgende: Wir haben hier 28 Ausbildungsverträge und können jetzt Maßnahmen mit den Jugendlichen durchführen. Aber dummerweise geben sie uns die Mittel für September nicht frei, und wir wissen nicht, wie es weitergehen soll. – Das halte ich für den absolut kritischen Punkt.

(Beifall bei der CDU)

Wenn das fortgesetzt wird, heißt es am Ende des Jahres, sie hätten die Mittel gar nicht gebraucht. Die andere Seite wird behaupten, dass die Kommunen und die Arbeitsgemeinschaften nicht fördern. Das darf nicht sein.Vielmehr müssen diese Mittel freigegeben werden, und das, was den Arbeitsgemeinschaften und den Optionskommunen zusteht und auch zugesagt wird, muss tatsächlich in das Prinzip Fördern und Fordern einfließen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Es wäre schön, wenn der gesamte Landtag – nicht nur die Fraktionen der CDU und der FDP – unterstützen würde,

dass der Bundestag und der zuständige Minister diese Mittel freigeben.Darauf kommt es nämlich tatsächlich an, wenn wir über Fördern und Fordern sprechen, nicht aber darauf, wie schnell wer welche Daten geliefert hat, die Sie zusätzlich haben möchten. Ich bin gern bereit, weiter darüber zu reden, wenn die Schnittstellenproblematik von den Softwareherstellern behoben ist. Es ist aber viel wichtiger, dass die praktische Umsetzung funktioniert und dass das, was Ziel dieses Gesetzes war – das ist gerade das Instrument des Förderns und Forderns –, umgesetzt wird.

Frau Ministerin, die vereinbarte Redezeit ist zu Ende.

Lassen Sie mich noch einen Punkt erwähnen.Dann werde ich schnell zum Schluss kommen. – Bei einem der wichtigen Punkte, die wir in unserem Entschließungsantrag im Bundesrat noch einmal deutlich gemacht haben, geht es darum, dass viele Schnittstellen schlichtweg nicht bereinigt worden sind. Wir sind der Auffassung, dass bei der Ausbildungsplatzvermittlung die Bundesagentur für alle zuständig ist, egal ob SGB-II- oder SGB-III-Empfänger. Wir wollten diese Änderung und haben das zusammen mit vielen Ländern im Bundesrat deutlich gemacht.