Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ravensburg hat angekündigt, dass es wahr wird. Die Worte sollen in Taten umgesetzt werden. – Ich bin gespannt, ob die CDU in den nächsten Tagen oder Wochen endlich einmal ein Konzept für die frühkindliche Bildung auf den Tisch legt.
Denn auf dieses Konzept warten wir schon lange. Es wurde vorhin schon von den Vorrednerinnen der FDP und der GRÜNEN mitgeteilt. Sowohl die SPD als auch die GRÜNEN und die FDP haben bereits vor über eineinhalb Jahren fundierte Konzepte für die frühkindliche Bildung vorgelegt. Dabei ging es nicht nur um die vorschulische Erziehung, sondern um Bildung von Anfang an.Von der Landesregierung und der CDU haben wir seit fast zwei Jahren immer nur Absichtserklärungen vorgetragen bekommen. Sie haben aber immer noch kein Konzept auf den Tisch gelegt. Ich hoffe, die Ankündigung von Frau Ravensburg wird dazu beitragen, dass die CDU endlich einmal aus ihrem Tiefschlaf bezüglich der frühkindlichen Bildung erwacht.
Wir wollen eine breite parlamentarische Diskussion über ein Thema entfachen – das ist auch dringend erforderlich –, das bundesweit längst eines der zentralen gesellschaftspolitischen Themen ist. Die frühkindliche Bildung ist ein wesentlicher Baustein zu mehr Chancengleichheit und für bessere, unabhängig vom Elternhaus erreichbare Bildungschancen.
Auch wenn sich das von der FDP vorgelegte Konzept und das in dem Entschließungsantrag der FDP-Fraktion vorgestellte Modell der Kinderschule in wesentlichen Punkten von dem von der SPD geforderten Konzept der verbindlichen Vorschule für alle fünfjährigen Kinder und dem Konzept zur frühkindlichen Bildung unterscheidet, werden wir heute keinen Änderungsantrag einbringen. Wir werden diesem Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zustimmen, um dabei deutlich zu machen, dass wir dieses Thema für eines der Themen halten, zu denen
wir keine ideologisch geprägten Debatten führen wollen. Dafür ist dieses Thema viel zu wichtig und zu sensibel.
Unsere Zustimmung zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der FDP bedeutet allerdings nicht, dass wir unser von der SPD vorgelegtes Konzept nicht mehr vertreten. Wir halten es nach wie vor für das bessere. Welches Konzept letzten Endes zum Zuge kommen wird, hängt aus meiner Sicht auch davon ab, ob es endlich einmal gelingen wird, die Blockadehaltung der CDU aufzubrechen. Weiterhin wird es davon abhängen, wie finanzierbar und wie schnell organisatorisch umsetzbar ein solches Konzept ist.
Ich habe den Eindruck, dass das FPD-Konzept im Vergleich zu unserem Konzept noch Defizite aufweist. Was die Finanzierbarkeit anbelangt, haben wir konkrete Umsetzungsvorschläge gemacht. Finanzierungsvorschläge stehen bei der FDP noch aus. Ich habe auch Bedenken, was die Organisation im Kindergarten mit der kurzfristigen Bereitstellung von Grundschulpädagogen in ausreichendem Maße anbelangt.
Wir haben für uns nie in Anspruch genommen, dass unser Konzept das allein Seligmachende ist.Wir haben von Anfang an betont, dass wir es für ein pragmatisches, finanzierbares und kurzfristig realisierbares Konzept halten. Deshalb haben wir unser Konzept von Anfang an unter diese Maxime gestellt: Es sollte realisierbar und finanzierbar sein.Was uns auch sehr wichtig war: Es sollte auf eine breite Akzeptanz bei Eltern, Erzieherinnen, Pädagogen und Kommunalpolitikern stoßen. Mit unserem Vorschulkonzept haben wir im vergangenen Jahr hessenweit eine breite Diskussion mit unterschiedlichen Interessengruppen geführt. Wir haben sehr viele Anregungen und teilweise Kritik mitgenommen.Wir haben diese Anregungen in unser Konzept eingearbeitet. Ich wünsche mir, dass wir im Landtag über die unterschiedlichen Konzepte reden, von der CDU jetzt einmal etwas auf den Tisch bekommen und uns dann entscheiden, welches das ist, was unter diesen Maximen kurzfristig hessenweit umsetzbar ist.
Es bedarf endlich eines tragfähigen Konzeptes, auch um von dem hohen Einschulungsalter von 6,8 Jahren in Deutschland herunterzukommen. Deshalb muss frühkindliche Bildung in Hessen endlich den Stellenwert bekommen, den sie in anderen Ländern schon längst hat. Sie muss elementarer Bestandteil von bildungs- und familienpolitischen Reformen werden.
Dies bedeutet nicht – das will ich ausdrücklich betonen –, dass wir damit Eltern aus der Verantwortung für Bildung und Erziehung ihrer Kinder entlassen wollen. Wir wollen vielmehr einen gemeinsamen Bildungs- und Erziehungsauftrag von Kindertagesstätten, Schulen und Eltern. Damit wollen wir den Erziehungsauftrag von Eltern stärken. Deshalb ist für uns im Rahmen eines solchen Konzeptes auch ein Curriculum oder ein Bildungs- und Erziehungsplan – wie man das auch immer nennen mag, das halte ich für nachrangig – Bestandteil eines Konzeptes zur frühkindlichen Bildung.Von Landesseite sollten die Vorgaben
gemacht werden. Es sollten Vorgaben sein, die den einzelnen Einrichtungen erlauben, ihre jeweiligen Konzepte gemeinsam mit Eltern und Pädagogen noch auszuarbeiten und vorzulegen, wie sie gedenken, diese Eck- bzw. Rahmendaten von Landesseite mit Leben zu füllen und dann in ihrer jeweiligen Einrichtung umzusetzen.
Ich halte diese einheitlichen Bildungsstandards für Kindertagesstätten für wichtig, um den Einrichtungen einerseits Orientierung zu geben, ihnen aber gleichzeitig auch Raum für spezifische Schwerpunktsetzung zu lassen. In einem Bildungs- und Erziehungsplan sollten auch Kernkompetenzen festgeschrieben werden, die für die Entwicklung von ganz kleinen Kindern, von Null- bis Fünfjährigen, von großer Wichtigkeit sind. Damit deutlich wird, dass es bei den Kernkompetenzen nicht nur um kognitives Wissen geht,
nenne ich die Bereiche persönliche, emotionale und soziale Entwicklung, den Bereich Kommunikation und Sprache, eine Sprachförderung – wie es vorhin schon gesagt wurde – nicht nur für ausländische Kinder, sondern auch für die vielen deutschen Kinder mit Sprachverzögerung und Sprachstörungen. Weiterhin nenne ich die Bereiche Kreativität, Bewegung, Experimentierfreude und Neugierde, nicht zuletzt Konfliktlösungsstrategien und Lernmethoden. Dies sind Elemente, die zum Teil in guten Kindertageseinrichtungen schon praktiziert werden.Aber es gibt Einrichtungen, die davon sehr weit entfernt sind. Dies hängt zum einen vom Personal ab, zum anderen hängt es von Rahmenbedingungen ab.Wenn wir also Forderungen bezüglich einer Höhergewichtung der Bildung und der Erziehung in Kindergärten stellen, dann müssen wir auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass in den Einrichtungen diesen Forderungen nachgekommen werden kann.
In einer Einrichtung mit 25 Kindern in einer Gruppe ist dies nun einmal sehr schwierig. Deshalb müssen wir dazu stehen und bereit sein, zu sagen, was uns Bildung kostet und was wir uns eine Verbesserung der Qualität kosten lassen wollen.
Ich möchte einen weiteren wichtigen Punkt anführen, der bereits angesprochen wurde: die Kooperation von Schulen und Kindergärten. Auch dies muss festgeschrieben werden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese Kooperation zum großen Teil von dem guten Willen der Schulleitung und der Leitung von Kindertagesstätten abhängt.
Ich wünsche mir aber, dass wir hessenweit verbindliche Strukturen schaffen,dass diese Zusammenarbeit von Kindertageseinrichtungen und Schulen, auch durch Freistellung von Lehrerinnen und Erzieherinnen, verbindlich festgeschrieben wird.
Ich sage immer gern, es bedarf nicht nur einer besseren Vorbereitung von Kindern auf die Schule, sondern es bedarf auch einer Veränderung der Schule. Schulen können auch einiges von Kindergärten lernen, wenn es darum geht, frühe Bildung kindgerechter und angstfreier zu gestalten.
Es erscheint ganz wichtig, dass der schulische Leistungsdruck nicht auf die Kindergärten verlagert wird. Der Kindergarten muss daher nach wie vor eine Einrichtung bleiben, in der Kinder gefördert werden, in der Kinder spielerisch lernen. Ob als Vorschule, als Kinderschule oder als Bildungsgarten, ist nachrangig. Mir geht es darum, für dieses Thema zu sensibilisieren und deutlich zu machen, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen sollten, um unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu gestalten und nicht nur davon zu reden. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Hartmann, zu Anfang muss ich Ihnen sagen, Sie müssen sich irgendwie entscheiden. Sie müssen sich entscheiden, ob Ihnen das Konzept des verbindlichen Übergangs in ein spezielles Jahr wichtig ist oder ob die Flexibilität wichtig ist, ob der Bildungs- und Erziehungsplan im Vordergrund steht oder die strukturellen Konsequenzen. Sie können aber nicht einfach sagen, Sie seien in Prinzip mit der FDP und den GRÜNEN einig. Das sind etwas unterschiedliche Konzepte. Sie müssen sich schon entscheiden und positionieren. So einfach, wie Sie sich das eben gemacht haben, geht das nicht.
Frau Hartmann, wenn Sie am Anfang gesagt haben, bei der CDU-Fraktion oder im Regierungsprogramm sei kein Konzept vorhanden, dann glaube ich eher, es ist nicht Ihr Konzept. Es ist ein anderes Konzept.Aber da ist ein Konzept enthalten, das mit dem, was die Kommission erarbeitet hat, eine ganze Menge zu tun hat. Es ist weitgehend deckungsgleich mit dem, was die Kommission erarbeitet hat, die sich aus beiden Bereichen zusammengesetzt hat.
Ich glaube, die Diskussion muss schon etwas ernsthafter sein. Sie muss davon ausgehen, dass wir landauf, landab überall, wo wir Vorträge von Hirnforschern hören, die bei Tagungen wie noch nie gefragt sind, etwas über die Lernfenster erfahren, die kleine Kinder im Kindergartenalter, aber auch vorher und in der Grundschule haben. Diese Lernfenster sind weit auf und übersteigen die Institutionen. Diese Lernfenster sagen uns, man kann nicht einfach null bis drei, drei bis sechs und sechs bis zehn sagen
ich möchte den Gedanken gerne fortführen –, sondern es gibt Bereiche, in denen das Sprechen, das Kommunizieren, das Einführen vieler sozialer wie auch kognitiver Kompetenzen gelernt und eingeübt werden können. Das lässt sich nicht primär in Jahresabschnitte strukturieren, sondern wir müssen erst einmal die Konsequenzen aus dem ziehen, was uns die Hirnforschung im Blick darauf sagt, was im Gesamtzeitraum im Rahmen eines Prozesses gelernt werden kann. Wir können den Prozess nicht auseinander hacken. Das ist das ganz Entscheidende.
Meine Damen und Herren, das haben auch die Untersuchungen untermauert, ob das PISA ist, ob das IGLU ist. Sie haben die Bedeutung der vorschulischen Bildung untermauert, von allem, was mit Lern- und Forschungsfreude zusammenhängt. Frau Kollegin Hartmann, dahin geht Ihre Frage offensichtlich, ich ahne so etwas. Sie haben offensichtlich Texte, die aus der Kommissionsarbeit entstanden sind; denn Sie haben eben die richtigen Kompetenzen genannt. Sie haben gesagt, es ist notwendig, dass individuelle Lernmöglichkeiten entfaltet werden. Sie haben gesagt, es ist notwendig, dass Sprache und Kommunikation entwickelt werden im Rahmen des frühkindlichen, des vorschulischen sowie des schulischen Lernens, dass experimentierendes Lernen Platz greift, dass Kinder einmal versuchen können, kniffeln können und etwas herausbekommen können, dass sie dafür Anregungen bekommen, dass sie dafür Provokationen bekommen, das in dieser Weise zu lernen. Kinder lernen zu diesem Zeitpunkt oft erstmals in ihrem Leben, im Bereich des Musischen und des Ästhetischen etwas zu gestalten, etwas zu empfinden. Sie lernen etwas im Bereich von Körper und Bewegung,aber auch Körperbeherrschung.All das gehört in das vorschulische und das schulische Lernen.
Dass sie lernen, ein Verständnis für andere aufzubauen, auch wenn sie nicht die Chance haben, etwa mit Geschwistern zu Haus aufzuwachsen, dass sie Rücksichtnahme lernen, dass sie so etwas wie Einfühlungsvermögen, Mitfühlvermögen, Empathie lernen, das gehört zum frühkindlichen Lernen hinzu, genau wie der Umgang mit Konflikten, die jeden Tag irgendwann auftauchen und die bewältigt werden können und bewältigt werden sollen. Das muss gelernt werden.
Das heißt, die frühkindliche Erziehung im Elternhaus, im Kindergarten und in der Grundschule ist ein Prozess.Wir haben es zu tun mit Lernen,mit Anregungsmöglichkeiten, auch mit Kompensation für das, was möglicherweise zu Hause nicht geleistet werden kann, aber auch in Kooperation der unterschiedlichen Einrichtungen. Das muss voranstehen. Wir müssen und wir wollen zunächst dies definieren und ableiten: Was sollen konkret Kinder im Alter von null bis zehn Jahren lernen? Sie werden noch im Sommer – es wird Ihnen wieder nicht passen, dass dann tatsächlich etwas schwarz auf weiß vorliegt – erleben, dass zu diesem Bildungs- und Erziehungsplan etwas vorliegen wird.
Das heißt, dass die „Eroberung der Welt“ dann gefasst wird und auch deutlich gemacht wird, was wir davon erwarten. Wir erwarten in der Tat, dass sich daraus ableitet: Was kann im Kindergarten im Sinne eines Kerncurriculums stattfinden? Das ist mit Sicherheit ein Begriff, der im Kindergarten nicht gerne gesehen wird. Wir werden uns
einen anderen ausdenken müssen. Aber was ist das, was der Kindergarten von diesem Bildungs- und Erziehungsplan 0 bis 10 tatsächlich als Aufgabe übernehmen kann?
Dazu wird es in der Tat notwendig sein, dass wir Vereinbarungen zwischen den Trägern schließen. Dazu ist die große Bereitschaft da. Dieses Thema hat in diesem Haus auch schon öfter an diesem Pult stattgefunden.Meine Damen und Herren, sowohl die kommunalen als auch die freigemeinnützigen, als auch die kirchlichen Träger sind grundsätzlich bereit,mit uns konkret über eine solche Trägervereinbarung nachzudenken und auch zu verhandeln, indem wir gemeinsam, unter Beteiligung beider Häuser, des Sozialministeriums wie des Kultusministeriums, festhalten wollen, worauf sich die Träger verpflichten, was in diesen Einrichtungen der Kindertagesstätten gemeinsam gelernt wird und wo die Profile offen bleiben, was die Träger dieser Einrichtungen natürlich auch brauchen und wollen.
Von dort aus wie von den Bildungsstandards her ist auch zu beschreiben, was die Aufgabe der Grundschule ist, welche Lehrpläne daraus zu entwickeln sind, aus den Kenntnissen der Hirnforschung heraus und aus einer Abstimmung zwischen Kindergarten und Schule, was der jeweilige Teil von diesen Aufgaben übernimmt, wozu er sich verpflichtet, wozu er sich aber auch nachdrücklich, nachweisbar verpflichten muss, dass er dies auch einlöst.
Nun ist die entscheidende Frage in diesem zunächst inhaltlich zu bestimmenden Feld, eine Struktur nachrangig hinter dem zu behandeln, was inhaltlich zu bestimmen ist, zunächst einmal voranzustellen, dass man einen Prozess beschreibt, der keine strukturellen Grenzen hat, und dass man dies dann bestimmten Einheiten zuordnet. Da ist die Kernfrage: Wollen wir es uns erlauben, in der Mitte der beiden bisherigen Einrichtungen ein Jahr zu definieren, das separat betrachtet wird und in das Kinder im Alter von fünf Jahren per definitionem hineingehören, egal ob es am Kindergarten oder an der Grundschule angegliedert ist?
Dazu sage ich mit allem Bedacht: Nein, wir können nicht zwischen die Strukturen, die wir jetzt schon haben, eine weitere Ministruktur einbauen, sondern wir müssen den Gesamtprozess im Blick behalten. Wir dürfen ihn nicht segmentieren in einen Bereich der Betreuung der Dreiund Vierjährigen, der vorschulischen Bildung für die Fünfjährigen und dann der Schule für die Sechs- bis Zehnjährigen. Wir brauchen einen bleibenden Prozess, der dann in die Strukturen einzupassen ist, die wir bisher haben.