Protokoll der Sitzung vom 13.09.2006

Das nimmt Ihnen doch auch die Bevölkerung nicht mehr ab. Die Bevölkerung ist doch schon längst von der Atomkraft weg. Sie sieht die Probleme nicht nur im Hinblick auf den Betrieb, sondern genauso im Hinblick auf die Endlagerung.Wenn ich dann immer wieder von der CDU höre: „Sie haben es doch mit verhindert, dass es zu einem Endlager in Gorleben gekommen ist“, dann muss ich sagen: Unter Rot-Grün ist erst einmal der Versuch gemacht

worden, den sichersten Standort zu finden. Wir wollen nicht den Atommüll irgendwo einfach unter die Erde bringen, da wir wissen, dass der Atommüll länger gelagert werden muss, als die menschliche Zivilisation alt ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was wird denn kommen, wenn die Atomkraftwerke weiter am Netz bleiben? Der atomare Abfall wird weiterhin massiv zunehmen. Das, was wir über den Atomausstieg eingegrenzt haben, wird wieder geöffnet. Das heißt, es wird mehr hoch problematischer, hoch radioaktiver Abfall entstehen. Dabei weiß keiner, ob dieser Abfall wirklich über so viele 100.000 Jahre sicher gelagert werden kann.

Meine Damen und Herren, mit dem Festhalten an der Atomkraft will die hessische CDU die Strukturen der Energieversorgung zementieren. Ich sage Ihnen auch: Jeder Tag des Weiterbetriebs der alten Atomkraftwerke stärkt den Monopolisten RWE und behindert den Wettbewerb, gerade den Wettbewerb mit den erneuerbaren Energien,

(Axel Wintermeyer (CDU): Blödsinn! Es ist einfach falsch, was Sie sagen!)

die den großen Stromproduzenten seit einiger Zeit schon Konkurrenz machen.

Dass die CDU ihre Hand schützend über die Monopolistin hält, entlarvt doch auch die Sonntagsreden von Herrn Ministerpräsidenten Roland Koch und Herrn Minister Rhiel, wenn es um die Strompreisentwicklung geht. Sie verhindern durch den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke eine massive Investition in die erneuerbaren Energien und damit auch die Reduktion von klimaschädlichem Kohlendioxid durch den Einsatz dieser Energien.

Meine Damen und Herren, wir GRÜNEN fordern von SPD und CDU auf Bundesebene die Fortführung des Atomausstiegs, und wir wollen, dass der Atomreaktor Biblis A spätestens im Jahr 2008 endgültig vom Netz geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber eines ist auch ganz klar: Auch die erneuerbaren Energien sind nicht umsonst zu erhalten.Auch da muss investiert werden. Wir halten es für notwendig, hier die Mittel bereitzustellen.

(Dr.Walter Lübcke (CDU):Was haben Sie denn investiert?)

Deshalb möchte ich an dieser Stelle eine Kritik nicht unterdrücken. Sie geht in Richtung der Kollegen der SPD. Wir können es nicht nachvollziehen, dass jetzt in den Beratungen zum Bundeshaushalt für das Jahr 2007 die Mittel für Solarenergie und Biomasse um 6 Millionen c gekürzt werden sollen. Das kann nicht sein. Wir haben eine riesengroße Nachfrage in diesem Bereich – seit Juni gibt es einen Förderstopp – und zahlreiche Anträge, die nicht beschieden werden können, weil die Mittel für das Jahr 2006 nicht ausreichen. Dann kann man doch nicht die Mittel im Haushalt 2007 um 6 Millionen c kürzen und auf der anderen Seite den Unionsministern Glos und Schavan noch mehr Millionen für die Atomforschung und die Kohleforschung geben. Meine Damen und Herren, das ist der falsche Weg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich appelliere hier an die hessische SPD und die Bundestagsabgeordneten der SPD, sich massiv dagegen zu wenden; denn es kann nicht nur bei einer Ankündigung für

eine Solaroffensive in Hessen bleiben, sondern es müssen auch die notwendigen Mittel kontinuierlich bereitgestellt werden, damit die Menschen die Chance haben, diese Mittel abzurufen und damit die erneuerbaren Energien auszubauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir fordern aber auch die CDU auf, endlich auf den Irrweg Atom zu verzichten und endlich zu erkennen, dass die Zukunftsfähigkeit unserer Energieversorgung rein bei den erneuerbaren Energien liegt, begleitet von Energieeffizienz und Energieeinsparung. Das sind unsere Chancen, die wir nutzen müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

Dann kann ich auch nicht verstehen, wenn Herr Kollege Heidel immer wieder auf die Atomkraft in Biblis setzt. Dabei weiß er ganz genau, dass der Wirkungsgrad unter 36 % liegt und die Wärme in keiner Weise genutzt wird. Das ist keine effektive Energieversorgung, das ist Energieverschwendung mit einem hohen Sicherheitsrisiko.

Meine Damen und Herren, jeder Euro, der jetzt noch in die maroden Atomkraftwerke oder auch in die Kohlekraftwerke gesteckt wird, ist verlorenes Geld und verzögert die dringend notwendige Energiewende. Statt zu erkennen, dass eine zukunftsfähige Energieversorgung nicht mit Atomkraft funktionieren kann, setzt die CDU auf Fehlinformationen. Das haben wir heute wieder gehört. Herr Lenhart, ich bin nicht per se gegen die Jäger, aber Sie haben hier erhebliches Jägerlatein verbreitet, nicht nur in dem verbalen Angriff gegen die Kollegin Ypsilanti.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein Zweiender! – Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Ein Böckchen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ruft Abg. Jürgen Frömmrich in den hinteren Reihen des Plenarsaals etwas zu.)

Lieber Fraktionsvorsitzender, würdest du mir bitte zuhören? – Ich würde das gerne an drei Fehlinformationen darstellen. So behauptet Herr Christean Wagner, Fraktionsvorsitzender der CDU, in einer Presseerklärung am 05.09., alle großen Industrienationen wollten keinen Atomausstieg und würden sogar neue Atomkraftwerke bauen. Fakt ist aber: Wo es vorher kein Atomkraftwerk gab, braucht man auch keinen Atomausstieg zu beschließen. Kein EU-Land, das bisher auf Atomkraft verzichtet hat – hier nenne ich Österreich, Italien und Dänemark –, plant ernsthaft den Einstieg in die Atomkraft.Belgien und Schweden wollen wie Deutschland aussteigen.

(Zuruf von der CDU)

Auf Finnland kommen wir später. – Ähnliches plant auch die spanische Regierung. Auch nach der Erweiterung verzichtet die Mehrzahl der EU-Mitgliedstaaten auf die Nutzung der Atomkraft. Das heißt, nicht Deutschland geht einen Sonderweg, sondern allein Finnland und Frankreich,

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

und dies auch nur – darüber haben wir hier auch schon gesprochen –, weil der finnische Atomreaktor Olkiluoto mit

einem geringen Wirkungsgrad von unter 36 % zu einem Dumpingpreis angeboten wurde.Das zeigt uns doch auch: Offensichtlich ist die Atomenergie nur dort konkurrenzfähig,wo Subventionen in erheblicher Höhe zugeschossen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Zweite Fehlinformation. Die CDU kritisiert, dass durch das Abschalten der Atomkraftwerke in Deutschland bis zum Jahr 2015 zusätzliche CO2-Emissionen von 18 Millionen t erfolgen. Aber sie verschweigt, dass bereits mit den erneuerbaren Energien 84 Millionen t CO2 reduzieret werden konnten. So hat auch die Enquetekommission im Jahr 2000 festgestellt: Atomkraft ist eine keine nachhaltige Energie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich versuche, es kurz zu machen. – Die dritte Fehlinformation bezieht sich auf die Importabhängigkeit. Ich denke, es wurde vorhin sehr deutlich gemacht, dass wir von Uran zu 100 % importabhängig sind, und die Ressourcen liegen auch in politisch instabilen Ländern.

(Axel Wintermeyer (CDU): Zum Beispiel USA oder Kanada?)

Außerdem wird der Uranhunger groß sein.

Legen Sie endlich Ihre atomaren Scheuklappen ab, sonst werden Sie auch Ihr Ziel von 15 % bis zum Jahr 2015, das Sie sich selbst gesteckt haben,nicht erreichen.Wir werden uns dafür einsetzen, sobald wir Regierungsverantwortung übernehmen können, dass eine wahrhaft zukunftsfähige Energiepolitik auch in Hessen und auf der Bundesebene betrieben wird. – Danke schön.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zu einer Kurzintervention hat Herr Lenhart das Wort.

Frau Hammann, zu Uran aus unsicheren Ländern ließe sich viel sagen. Ich lasse das einfach einmal stehen. Bei einer Kurzintervention besteht die Zeit dafür nicht.

Ich will nur einmal klarstellen: Wir sind ganz klar für erneuerbare Energien.

(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann tut doch etwas!)

Wir sind auch für Solarenergie, die Arbeitsplätze schafft, die die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt beschleunigt, die die Technik voranbringt. Wir sind für deren Export, aber wir sind auch dafür, dass sie dort eingesetzt wird, wo sie produktiv ist, und das geht einfach nicht in Hessen, sondern im Südgürtel.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind dafür, aber sie soll produktiv sein.

(Norbert Schmitt (SPD): Das Zitat ist gut! Das macht Ihre Denkweise klar!)

Ich sage auch noch etwas zum Thema „Schrottreaktor“. Dieser Begriff kann so nicht stehen bleiben. RWE hat in den letzten Jahren in beide Reaktoren in Biblis 1 Milliarde c investiert. Es hat sie investieren können, nachdem 1999 eine andere Landesregierung da war. Sie haben das verhindert, und das muss an dieser Stelle klar gesagt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich sage noch einmal: Wir sind für den Energiemix. Wir sind für erneuerbare Energien, und wir nehmen sie ernst. Wenn selbst die Verbände der Betreiber der erneuerbaren Energien sagen, dass wir 50 % bis 2050 hinbekommen – gut, da machen wir mit. Aber es gibt noch die anderen 50 %. Das verschweigen Sie. Sie drücken sich um die Antwort.Wir haben die Alternative aufgezeigt.

(Beifall bei der CDU)