Ferner haben wir die Zahl der Schulen mit dem Gütesiegel Hochbegabtenförderung auf jetzt 90 Schulen erweitert.
An den beruflichen Schulen haben wir in den Vollzeitbildungsgängen verpflichtende Praktika eingeführt, um die Kontakte der Schülerinnen und Schüler zu den Betrieben zu verbessern,damit ihre Einstellungschancen zu erhöhen und ihnen die Möglichkeit zu geben, über diese unmittelbaren Kontakte zu Ausbildungsstellen zu kommen.
Unser umfassendes System der Qualitätsentwicklung erhält einen weiteren Regelbaustein. Nach einjähriger erfolgreicher Erprobungsphase wird in diesem Schuljahr der externe Schul-TÜV durch Schulinspektoren landesweit eingeführt – für alle 2.000 Schulen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,Sie sehen,in allen Teilbereichen der Schulpolitik geht es in Hessen voran. Das zahlt sich selbstverständlich aus, obwohl Veränderungsprozesse in der Bildung gelegentlich dauern können.Wir können aber bereits jetzt Erfolge feststellen. Im Ergebnis der PISA-Studie 2003 lag Hessen in allen Testbereichen im Aufwärtstrend. Das bedeutet, dass das Land Hessen nicht mehr deutlich unter dem Mittelwert der OECD-Studie abschneidet, sondern genau im Mittelfeld liegt – mit all den Optionen auf die Zukunft.
Beim landesweiten Mathematikwettbewerb steigen die Leistungen der Schülerinnen und Schüler Jahr für Jahr, und die Leistungsspanne zwischen den Besten und den Schlechtesten wird dadurch geringer, dass die Schwächsten bessere Leistungen zeigen, weil wir die sozial Benachteiligten entsprechend fördern.
Bei den Haupt- und Realschulprüfungen zeigt sich das gleiche Bild:eine schmalere Leistungsspanne als Ergebnis einer stärkeren Förderung der schwächeren Schüler. Das lässt sich insbesondere bei der Lesefähigkeit zeigen.
Ganz besonders freue ich mich über das Ergebnis der SchuB-Klassen. Ich freue mich darüber, dass inzwischen rund 22.000 Kinder die Vorlaufkurse besucht haben. In besonderer Weise freue ich mich darüber, dass nicht mehr 21 % der Hauptschüler die Schule ohne Abschluss verlassen, sondern dass es nur noch knapp 15 % sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Maßnahmen gerade für schwächere Schülerinnen und Schüler zeigen in Hessen Wirkung.
Ich will nicht verschweigen, dass das in dem „Bildungsmonitor 2006“ der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft schlicht ignoriert wird. Alle Entwicklungen, alle Fortschritte der vergangenen Jahre werden dort verschwiegen. Das hat seinen Grund darin, dass die Studie auf Zahlen aus den Jahren 2003 und 2004 beruht. Aber nicht nur deswegen ist die Aussagekraft gering. Der „Rheinische Merkur“ hat, wie ich finde, zutreffend wie folgt kommentiert:
Was Schülerinnen und Schüler tatsächlich lernen, wie gut sie auf Studium und Ausbildung vorbereitet sind, lässt sich alleine mit Zahlen nicht bewerten.
Die Opposition in diesem Hause hat in früheren Jahren Ansätze, wie sie dieser Statistik zugrunde liegen, als „Ökonomisierung der Schule“ gebrandmarkt und dagegen polemisiert. Heute versucht sie, genau diese Ansätze
(Norbert Schmitt (SPD): Was haben Sie früher getan? Sie haben immer solche Studien herangezogen! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wir haben das bei Ihnen abgeschaut!)
Wer aber – wie ich – in Südafrika die Gegensätze in der Gesellschaft und im Bildungswesens kennen gelernt hat und sich dann die Diktion Ihres Antrags betrachtet, der kann nur sagen: „Mir wird übel“, oder er fängt an zu lachen. Was von beidem ich tue, suche ich mir heute noch aus.
Die Studie ist methodisch fragwürdig. Sie betrachtet nur den Input, also das, was in die Bildung hineingesteckt wird. Sie betrachtet aber nicht – wie es seriöse Bildungswissenschaft zurzeit macht – die Resultate. Moderne Bildungsstudien nehmen die Ergebnisse zur Kenntnis und prüfen diese aufgrund ihrer Evaluationserfahrung. Das wird hier überhaupt nicht geschildert. Wenn Olaf Köller, der Chef des IQB in Berlin, schreibt: „Viele Annahmen darüber, was ein gutes Bildungssystem ausmacht, sind hoch normativ und ohne empirische Grundlage“, ist das ein hoch wissenschaftlicher Satz; gleichwohl ist das unter Wissenschaftlern der größtmögliche Verriss einer Studie.
(Zuruf des Abg. Michael Siebel (SPD) – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sollten Fakten nennen!)
Wir lassen uns davon nicht beirren. Alle ernst zu nehmenden Studien zeigen,dass es mit dem hessischen Schulsystem aufwärtsgeht. Ich habe Zahlen und Fakten genannt. Diese Zahlen und Fakten dokumentieren die Schicksale einzelner Schülerinnen und Schüler, die zu einem Abschluss gekommen sind, die unterstützt und durch Erziehungsmaßnahmen gefördert werden können und eigene Leistungen erzielt haben.
Es ist nachgewiesen worden, dass unsere Konzepte schon nach kurzer Laufzeit einen Ertrag bringen. Das ist der Grund dafür, dass wir diese Maßnahmen konsequent ausbauen und dass die Schülerinnen und Schüler landesweit – nicht nur im Rahmen weniger Projekte – davon profitieren. Wenn wir so weitermachen, bin ich mir allerdings sehr sicher, dass wir auf dem schweren Weg zum Bildungsland Nummer eins nicht nur einen klaren Kurs beibehalten, sondern dass wir dieses Ziel schrittweise auch erreichen. Alle Fundamente dafür sind gelegt. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Als nächster Redner hat sich Herr Walter,Vorsitzender der SPD-Fraktion, zu Wort gemeldet. Die Frau Ministerin hat die vereinbarte Redezeit um fünf Minuten überzogen. Daraus ergeben sich 25 Minuten Redezeit. Herr Walter, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie mögen etwas erstaunt darüber sein, dass auf die – wie ich es einmal nenne – turnusmäßige Schuljahresanfangsregie
rungserklärung der Frau Ministerin heute nicht die bildungspolitische Sprecherin der SPD antwortet, sondern der Fraktionsvorsitzende.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wahrscheinlich unterstellen Sie, dass es dafür einen besonderen Grund gibt.
Ich will Ihnen ganz offen sagen: Ja, das stimmt; denn seit ungefähr drei Wochen haben wir eine ganz besondere Situation. Vor drei Wochen hat nämlich das Institut der deutschen Wirtschaft den Bildungsmonitor 2006 veröffentlicht. In diesem Bildungsmonitor ist unser Land Hessen im Bundesvergleich auf den vorletzten Platz abgesunken.Was den Vergleich der Hochschulen betrifft, ist es sogar auf den allerletzten Platz abgerutscht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Übrigen gibt es das ganz aktuelle Ranking der „Wirtschaftswoche“.In diesem Ranking sind wir bei der Schüler-Lehrer-Relation in dem Zeitraum von 2002 bis 2006 das Schlusslicht im Vergleich aller Bundesländer.
Liebe Frau Kultusministerin, anstatt die von Jahr zu Jahr übertragbare Regierungserklärung mit ihrer Beschönigung der Situation zu hören, hätten wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten erwartet, dass Sie heute auf die aktuellen Zahlen eingehen, die beschreiben, wie schlecht es um das Bildungssystem in unserem Land bestellt ist.
Im Übrigen wissen wir, wie das mit den Studien ist: Eine Studie, die zu solchen Ergebnissen kommt, ist eine Studie, die nicht gut gemacht ist. Das ist die Antwort, die unsere Kultusministerin regelmäßig gibt.
Dann gab es einen sehr entlarvenden Satz, der folgendermaßen lautet: Die sollten doch einmal auf die Ergebnisse schauen. – Dieser Satz fiel im Zusammenhang mit den SchuB-Klassen.
Liebe Frau Kultusministerin, eines der zentralen Ergebnisse dieses Bildungsmonitors ist – das wird auch der Kern meiner Rede sein –, dass wir bei der Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die die Schule ohne Abschluss verlassen, auf Platz zwölf stehen. Es gibt nur noch zwei Länder in Deutschland, die in diesem Bereich schlechtere Zahlen aufweisen als unser Bundesland Hessen. Diese Zahl bedeutet, dass wir zu den Ländern gehören, die die größte Zahl von Schülerinnen und Schüler aufweisen, die die Schule ohne Abschluss – ich sage: ohne Lebenschancen – verlassen. In Hessen sieht es daher mit am schlechtesten in der ganzen Bundesrepublik aus.
Andere haben an anderer Stelle in diesem Hause bei Gelegenheit den Satz geprägt: Regieren muss man nicht nur wollen, regieren muss man auch können. – Liebe Frau Kultusministerin, Sie können es nicht. Die Leidtragenden sind die Kinder in unserem Land.
Wenn die Zahlen der deutschen Wirtschaft auch nur annähernd stimmen, bedeutet das, dass Hessen nicht auf dem Weg zum Bildungsland Nummer eins, sondern auf dem Weg zum Bildungsnotstandsland Nummer eins ist.
Frau Kultusministerin, wir hätten erwartet, dass Sie dies heute ansprechen. Daraus, dass Sie Probleme und Misserfolge in unserer Bildungslandschaft nicht wahrnehmen wollen, folgt, dass Sie auch nicht bereit sind, über die Ursachen zu reden.Wenn man nicht sagt: „Wir haben in unserem Land Probleme“, entwickelt sich eine gedankliche Blockade,sodass man nicht fragt:Was muss man denn tun, um diese Situation zu verändern?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich deshalb nach der Lyrik der Kultusministerin einmal über die Realitäten an den hessischen Schulen reden und mit einer Frage beginnen.
Diese Frage würde man in anderen Bereichen – auch außerhalb der Politik – an den Anfang stellen, weil sie für die Bewertung der Politik zentral ist: Was ist die Aufgabe der Bildungspolitik in unserem Land? Was sind die Ziele und Kernaufgaben unserer Schulen?
Herr Kollege, diese Frage klingt banaler, als sie ist. Erst wenn man sich über die Ziele verständigt hat – in den Schulen nennt man das „Evaluation“, in anderen Bereichen „Controlling“ –, kann man folgende Fragen untersuchen: Sind wir auf dem richtigen Weg? Welche Schritte haben wir auf dem Weg zu diesem Ziel bereits geschafft, und was steht noch aus?
Das Problem bei dieser Zielbestimmung ist, dass man daran gemessen werden kann. Dieses Sich-Messen-Lassen ist etwas, was die Frau Kultusministerin scheut. Das haben wir heute wieder an der Art und Weise gemerkt, wie Sie über die Vergleichstests reden.