Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

Ein Satz zur Videoüberwachung, die in Ihrem Antrag ebenfalls angesprochen wird.Wir kritisieren nicht, die Videoüberwachung zielgerichtet in kritischen Infrastrukturen einzusetzen.Die gesetzlichen Grundlagen hierfür sind längst geschaffen. Der Datenschutz ist hierbei kein Hindernis. Er greift lediglich regelnd ein und sorgt für eine vernünftige Ausgestaltung. Es wird aber trotz Videoüberwachung keine hundertprozentige Sicherheit geben. Die Videokameras hätten die versuchten Anschläge in Koblenz und in Dortmund nicht verhindern können.Aber sie haben sehr wohl dazu beigetragen, dass die Tatverdächtigen identifiziert wurden und dass wertvolle Beweismaterialien gesichert werden konnten.

Wir müssen aber aus den Vorgängen in Koblenz und Dortmund lernen, dass wir, wenn wir Videoüberwachung einsetzen, noch einiges an der Qualität der Videoaufzeichnung nachzubessern haben. Eine generelle Ausweitung der Videoüberwachung auf den öffentlichen Raum lehnen wir ab. Wir halten das für nicht demokratieverträglich. Es bringt auch nicht mehr Sicherheit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir hören allenthalben, dass immer mehr und überall Videoüberwachung gefordert wird. Dann müssen Sie aber letztlich auch das Personal zur Verfügung stellen, das dieses Material auswertet. Es macht nämlich keinen Sinn,Videoaufzeichnungen zu sammeln und auf Halde zu legen, sie aber nie auszuwerten. Da gibt es einen Nachholbedarf, z.B.im Bereich des Frankfurter Flughafens.Ich lese Ihnen einmal vor, was in der „Frankfurter Rundschau“ dazu stand:

Am Flughafen Frankfurt werden Eingänge mit Videokameras überwacht und keine Bildaufzeichnungen gemacht. Zwar gibt es in den Terminals und in den Außenbereichen hunderte von Kameras, doch diese dienen vor allem der Kontrolle der Betriebsabläufe.

Wenn man schon aus den Anschlägen von Koblenz und Dortmund Überwachen per Videoaufzeichnung lernen will, dann muss man die Videoüberwachung auf dem größten deutschen Flughafen, dem Frankfurter Flughafen, so organisieren, dass man die Aufzeichnungen nachher auswerten und gegebenenfalls als Beweisstücke sichern kann.

Als Fazit der Debatte möchte ich sagen, dass man ruhig analysieren muss, was man machen sollte. Man darf nicht alles machen, sondern nur das, was vertretbar ist. Wenn

man in diesem Bereich eine Entscheidung trifft, dann sollte man sich von einem Gedanken Jeffersons leiten lassen – zumindest wird ihm dieser Spruch immer zugeschrieben –, der lautet: Diejenigen, die Freiheit zugunsten der Sicherheit aufgeben, werden am Ende keines von beiden haben und verdienen es auch nicht.

Herr Kollege Frömmrich, Sie müssen zum Schluss kommen.

Für die Kolleginnen und Kollegen, die Jefferson nicht glauben, will ich den Bundesinnenminister zitieren, der neulich in einer „dpa“-Meldung mit den Worten zitiert wurde, man könne die Prinzipien des Rechtsstaats und des Völkerrechts nicht verteidigen, indem man sie aufgebe oder teilweise außer Kraft setze. – Recht hat der Bundesinnenminister.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Rudolph für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein wichtiges Thema, aber nur fünf Minuten Redezeit. Wir versuchen trotzdem, es so abzuhandeln, dass es der Sache gerecht wird.

Spätestens seit den versuchten Zuganschlägen muss uns bewusst sein: Auch Deutschland kann das Ziel des islamistischen Terrorismus sein. Diese Gefahr ist als nicht gering anzusehen. Ich will aber gleich zu Beginn hinzufügen: Auch mit Videoüberwachung und anderen Maßnahmen hätten wir solche Anschläge nicht verhindern können.Die Videoüberwachung hat zur Ergreifung der Täter geführt, was gut ist und was wir nicht in Abrede stellen wollen. Aber es soll nicht der Eindruck entstehen, nur mit härteren und schärferen Gesetzen, wie sie insbesondere in der Sommerpause von unionsgeführten Bundesländern gefordert wurde, würde man alle Probleme lösen. Nein, so einfach ist das nicht.

Aus der Sicht der sozialdemokratischen Partei und Fraktion sagen wir: Wir brauchen mehr Präventivbefugnisse für das Bundeskriminalamt, wenn länderübergreifende Gefahren vorliegen. Es gab in der Vergangenheit mehr ablehnende Tendenzen der Länder – Stichwort: Föderalismus. Deswegen haben wir uns sowohl auf der Bundesals auch auf der Länderebene dafür entschieden, eine Antiterrordatei einzurichten, die es allen Sicherheitsbehörden unseres Landes ermöglicht, schnell und effizient Erkenntnisse auszutauschen. Dies ist notwendig.

Die aktuellen Fahndungsergebnisse zeigen auch, dass wir dabei insbesondere auch auf eine gute Zusammenarbeit mit ausländischen Sicherheitsdiensten angewiesen sind. Diese Koordination muss verstärkt werden.Wir brauchen dazu auch Ermittler wie Internetspezialisten, die mit der Sprache, Kultur und Mentalität potenzieller Terroristen vertraut sind, um Anschläge zu verhindern.

Auf die Einzelheiten zur Errichtung der Antiterrordatei können wir hier aus Zeitgründen nicht eingehen. Aber wichtig ist dabei: Diese Antiterrordatei kann ein wesentliches Element der Verbesserung der Arbeit der Sicherheitsbehörden von Polizei und Nachrichtendiensten, gerade auch im Hinblick auf den Austausch von Daten über Terroristen sein. Dabei sind rechtsstaatliche und Aspekte des Datenschutzes zu beachten, ohne dass man gleich vonseiten der CDU sagt: „Datenschutz hat da gar keine Rolle zu spielen“, sondern wir müssen sehr genau hinschauen, wie wir das bewerten.

Wir sehen von unserer Seite noch Diskussionsbedarf in einigen unionsgeführten Ländern, die die Forderung erheben, eine Öffnungsklausel zur Einbindung weiterer Polizeidienststellen über die Landeskriminalämter hinaus zu ermöglichen. Das muss dem Gesetzgebungsverfahren in Berlin vorbehalten werden. Deswegen denke ich, dass das der richtige Weg und der richtige Ansatz ist, der in Berlin von den Innenministern des Bundes und der Länder besprochen wurde.

Zur Videoüberwachung. Herr Kollege Frömmrich hat es angesprochen. Wir müssen uns davor hüten, zu glauben, mit einer flächendeckenden Videoüberwachung würden wir alle Probleme lösen, wir würden Terrorismus verhindern. Nein, Videoüberwachung – das war bisher immer unsere Position – ist ein notwendiges Instrument zur Verbrechensbekämpfung, sie ersetzt aber nicht andere Maßnahmen. Selbst der Präsident des Bundeskriminalamtes hat dieser Tage gesagt: Die flächendeckende Videoüberwachung macht keinen Sinn und ist nicht zielführend.

(Zuruf des Abg.Armin Klein (Wiesbaden) (CDU))

Dort, wo es Menschenansammlungen gibt – sei es an Bahnhöfen, Flughäfen oder ähnlichen öffentlichen Einrichtungen – ist es gut und sinnvoll.Wenn es dort noch Ergänzungsbedarf gibt, dann sollten wir dort auch Ergänzungen vornehmen. Die Videoüberwachung hat immerhin dazu geführt, dass die Täter schnell haben ermittelt werden können.

Meine Damen und Herren, wir müssen uns bei allen Diskussionen immer wieder fragen: Können wir die terroristischen Anschläge verhindern? Können wir das Gefährdungspotenzial reduzieren? – Wir können sicherlich davon ausgehen,dass das Gefährdungspotenzial in Deutschland nicht vergleichbar mit dem Gefährdungspotenzial in den USA, in England oder auch in Israel ist. Gleichwohl haben wir den Auftrag und die Verantwortung, dort Veränderungen, auch von der Gesetzeslage vorzunehmen, wenn wir es für richtig und notwendig erachten.Aber wir müssen das Notwendige tun und bestehende Gesetze ohne Aktionismus und Populismus der Gefahrenlage anpassen. Dort, wo es notwendig ist, müssen Gesetzesänderungen vorgenommen werden.Aber eine hundertprozentige Sicherheit, wie es der eine oder andere Politiker gelegentlich vorgaukelt, kann letztlich keine gesetzliche Regelung bieten. Wir brauchen vor allem eine Diskussion mit Augenmaß.

Meine Damen und Herren, wir stehen zur Antiterrordatei. Sie kann ein wirksames Instrument zur Gefahrenabwehr gegen alle extremistischen Bedrohungen sein. Die abschließenden Detailregelungen werden im Gesetzgebungsverfahren beschlossen.Wir brauchen aber auch eine gesteigerte Wachsamkeit nicht nur der Sicherheitsbehörden, sondern aller Bürgerinnen und Bürger.Wir brauchen eine Präsenz der Sicherheitskräfte. Wir dürfen deshalb auch keine Polizeikräfte abbauen. Wir brauchen eine

schnelle Verfügbarkeit über die Daten von verdächtigen Personen.

Wir müssen ebenfalls darüber reden – auch das steht in dem Antrag der CDU –, ob das Ausländerrecht verändert werden muss. Da warne ich vor allzu schnellen Schlussfolgerungen. Sogenannte Schläfer hat man bisher noch nicht mit Mitteln des geltenden Ausländerrechts erfasst. Wir brauchen aber eine andere und bessere Integrationspolitik. Dies halte ich in der Tat für erforderlich. Da haben Bund und Länder eine gemeinsame Aufgabe, sicherlich auch in Hessen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg.Michael Bod- denberg (CDU))

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Herr Boddenberg, das Thema Integration ist zu wichtig, um es mit so einer billigen Zwischenbemerkung abzuhandeln.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Das war keine Zwischenbemerkung!)

Wir müssen uns der offenen Diskussion stellen. Zur Aufklärung gravierender Straftaten müssen Mautdaten genutzt werden können.Das ist überhaupt keine Frage.Deswegen stehen wir diesem Diskussionsprozess offen gegenüber. Wir müssen Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass extremistische und terroristische Straftaten entstehen, und um die Täter verfolgen zu können.

Aber eines ist klar: Wir sollten in der Bevölkerung keine Hysterie erzeugen. Wir sollten den Menschen auch nicht etwas versprechen, was wir nicht umsetzen können. Deswegen sagen wir: Es ist der richtige Weg, in Berlin eine Antiterrordatei einzurichten. Das Weitere wird im Gesetzgebungsverfahren zu beobachten sein. Wir sind der Auffassung, es ist zwischen dem Bund und den Ländern gut und richtig austariert. Deswegen können wir letztlich zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Hahn das Wort.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist ganz interessant, und ich möchte sagen: gut, dass die drei Kollegen, die vor mir gesprochen haben, sich vom Prinzip her mit dem einverstanden erklärt haben, was die Innenministerkonferenz vor wenigen Tagen am 4. September beschlossen hat. Es wäre auch unglaubwürdig, wenn irgendeiner von uns in Fundamentalopposition zu dieser Beschlusslage der IMK geht und nunmehr meint, dass er innerhalb kürzester Zeit seine Meinung um 180 Grad dreht, weil jeder aus vorherigem Tun mitverantwortlich ist – sei es als Mitglied in Landesregierungen oder in Bundesregierungen oder als ehemals Verantwortliche in der Bundesregierung, wie die GRÜNEN.

Sie wissen, dass die Liberalen als Hüter der Freiheit das wissen und kennen, was Kollege Frömmrich zum Thema Jefferson gesagt hat, dass man die Freiheit nicht durch totale Sicherheit schützt, weil dann nämlich die Freiheit weg ist.Man muss immer einen Kompromiss schaffen – ich will es einmal übersetzen –: auf der einen Seite die Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat stärken, was wir mit Datenschutz und anderen Dingen übersetzen, und auf der anderen Seite den Staat in die Lage versetzen, dass er die Rechte und insbesondere auch den Einzelnen vor Dritten schützt. Diese Waage ist immer wieder auszutarieren.

Die hessische FDP-Fraktion wie auch die Konferenz der Fraktionsvorsitzenden der Liberalen sind der Auffassung, dass die Beschlusslage der IMK diese Balance gehalten hat. Man kann nicht, wie noch vor einigen Jahren, reflexartig – das war in meiner Partei auch einmal ein bisschen in gewesen – jede neue Technik erst einmal ablehnen, bevor man nachher feststellt, dass sie doch funktioniert. Deshalb bin ich sehr stolz darauf, dass es die hessischen Liberalen und diese Fraktion waren, die in der letzten Legislaturperiode gemeinsam mit der Union und dem Innenminister Volker Bouffier in einer Vielzahl von Punkten diese Waage in das Gesetz hineingeschrieben hat.Videoüberwachung ist eines der Themen.Ich erinnere daran, dass noch vor Jahren andere reflexartig gesagt haben, dass das ganz schlecht sei. Spätestens seit den Ereignissen, die wir auf den Bahnhöfen in unserer Republik erleben mussten, ist dieser Reflex weg. Das ist gut so.

Ich bin Kollegen Rudolph sehr dankbar dafür, dass er das Thema Maut angesprochen hat, weil das auch so eine reflexartige Veranstaltung ist. Sie ist es übrigens auch in meiner Partei noch bis in den Sommer hinein gewesen. Man hat erst einmal gesagt: Das muss nicht sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich jedenfalls stelle mir einen liberalen Rechtsstaat nicht als Nachtwächterstaat vor. Wenn ein schweres Verbrechen begangen worden ist – wir haben das in unserem Bundesland erlebt – und die Chance besteht, mit vorhandenen Daten das schwere Verbrechen aufzuklären, dann ist die Antwort nicht nur der hessischen Liberalen, sondern aller Fraktionen im Deutschen Bundestag und in den Landtagen, dass natürlich mit einem richterlichen Vorbehalt die Möglichkeit bestehen muss, dass der Staatsanwalt die Daten auch beschlagnahmt.

(Beifall bei der FDP und des Ministers Volker Bouffier)

Das ist der Unterschied zwischen einem Nachtwächterstaat, der nicht reagiert, und einem Staat in dem der Staatsanwalt, – ich sage es noch einmal ganz bewusst – bei schweren Straftaten, nicht bei einem Ladendiebstahl, diese Möglichkeit hat. Deshalb hoffe ich, dass relativ flott eine entsprechende Änderung des Mautgesetzes in den Deutschen Bundestag eingebracht wird.

Auch hier sage ich ein bisschen partei- und fraktionsübergreifend: Ich glaube, diejenigen, die derzeit dagegen sind, sind nicht die Innenpolitiker. Dagegen sind auch nicht die Fraktionsvorsitzenden, sondern komischerweise die verkehrspolitischen Sprecher. Ich finde, die sollten sich um die Regulierung des Verkehrs kümmern und bei diesem schwierigen Thema nicht in die Arbeit der Innenpolitiker einmischen.

(Beifall der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

Ich will mich nicht in die Arbeit der Verkehrspolitiker einmischen. Ich weiß, dass unsere Verkehrspolitiker in Berlin

zurzeit sowieso ein Problem haben, das mit der DB zu tun hat. Da wird die Maut gleich noch mit hineingemischt.

Letzte Bemerkung. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, natürlich hat Dr. Ingo Wolf, der Innenminister der nordrhein-westfälischen Landesregierung, Recht, dass er Protokollnotizen gemacht hat.Aus der Diskussion weiß ich – so wurde mir jedenfalls berichtet –,dass das ein Thema aller Innenminister gewesen ist. Diejenigen,die das Gesetz zu schreiben und zu verabschieden haben, müssen aufpassen, dass die Kante zwischen der Polizei auf der einen Seite und dem Verfassungsschutz auf der anderen Seite ganz klar weitergezogen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist in unserem Lande nicht nur geschichtlich wichtig, sondern das hat auch damit zu tun, wie effektiv der Verfassungsschutz letztlich arbeiten kann.Wenn wir eine Datei haben, in der alles steht und auf die jeder Zugriff hat, ist nicht die Folge, dass wir nachher mehr Sicherheit und mehr Daten haben, sondern dass wir weniger Daten haben,weil nämlich dann die Verfassungsschutzorgane dort nichts mehr hineinschreiben können.

Es gibt eine Reihe von Bedenken. Wie gesagt, hat diese Dr. Ingo Wolf für Nordrhein-Westfalen zu Protokoll gegeben, hinter denen die FDP-Landtagsfraktion in Hessen steht.Meine sehr verehrten Damen und Herren,trotzdem ist es ein Schritt in die richtige Richtung. Wir müssen immer wieder neu die Mechanismen und das Handwerkszeug für die Polizei austarieren. Das ist mit diesem Kompromiss gemacht worden. Es ist ein Mehr an Sicherheit. Aber es ist auch ein Mehr an Freiheit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Bouffier das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Ich begrüße für die Landesregierung ausdrücklich den Antrag der CDU-Fraktion.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das überrascht uns jetzt!)