Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

Nachdem die CDU mittlerweile ohnehin schon wesentliche Bestandteile unseres Gesetzentwurfs übernommen hat, bleibt sie aufgefordert – liebe Kolleginnen und Kollegen der Mehrheitsfraktion –, endlich den großen Sprung zu wagen und das gesamte Gesetz der FDP zu übernehmen.

(Beifall bei der FDP)

Dann hätten wir statt eines Flickwerkes nämlich ein Gesetz aus einem Guss und einen Konsens auf breiter Basis. Alle Kritikpunkte am CDU-Gesetzentwurf, die eben die Kollegin über 15 Minuten vor uns ausgebreitet hat – das geht von der Diskriminierung des Zugangs der Handwerksmeister über die Benachteiligung Studierender mit Kindern,über die Diskriminierung der ausländischen Studierenden und damit die Behinderung der Internationalisierung bis hin zur Behinderung der Doktoranden und Masterstudierenden –, sind im FDP-Gesetzentwurf bereits adäquat gelöst.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Hört, hört!)

Wesentlicher Unterschied zwischen dem FDP-Gesetzentwurf und den Vorstellungen der CDU – auch nach Ihren angekündigten Änderungen – bleibt jedoch die Frage der Autonomie der Hochschulen, über die Erhebung von Studiengebühren selbst zu entscheiden und damit deren Finanzautonomie erheblich zu steigern. Die CDU hat aller

dings zur Ablehnung dieses von uns gemachten Vorschlages bislang kein einziges bedeutendes Argument ins Feld geführt. Die vielfach vorgeschobene Formel – Übernahme der sogenannten politischen Verantwortung für die Einführung von Studiengebühren – erscheint nicht mehr als eine fadenscheinige Schutzbehauptung.

(Beifall bei der FDP)

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, politisch sagen auch wir mit unserem Gesetzentwurf ganz klar und explizit Ja zur Einführung von Studiengebühren. Aber es ist in der Anhörung ganz deutlich geworden, wenn die Hochschulen frei über die Einführung und vor allem über die Höhe der Studiengebühren entscheiden können, dass die Verbindung zwischen aus diesen Studiengebühren erfolgten Einnahmen, den Maßnahmen, die mit den Studiengebühren letztendlich verfolgt werden sollen, und dem Hochschulprofil klar zutage treten wird.

(Beifall bei der FDP)

Das hat HIS erläutert. Ich darf ein weiteres Zitat anfügen. Wenn Sie sich die Stellungnahme des CHE – eines sehr angesehenen Instituts, das Sie häufiger zur Beratung in Hochschulfragen hinzuziehen – einmal ansehen, können Sie folgende Äußerung von Herrn Müller in der mündlichen Anhörung lesen:

Ich glaube, eine Hochschule, die keine Argumente liefern kann, warum und wofür sie Gebühren braucht, sollte keine einführen. Die Hochschule muss sich überlegen, welche Nutzen zutage treten, wer davon profitiert – es gibt gute Argumente dafür. Danach sollte die Hochschule entscheiden, ob Gebühren sinnvoll sind, wofür, in welcher Höhe, für welche Phase.Letztendlich hält die Hochschule den Kopf für diese Entscheidung hin.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen sollte man da auch die Flexibilität lassen. Es mag Sinn ergeben, eine Höchstgrenze zu definieren, wo immer sie auch liegen mag.

Aber die Hochschule muss die Freiheit haben, etwa zu bestimmen, das erste Semester als Schnuppersemester beitragsfrei zu lassen oder für bestimmte Fächer weniger als für andere zu verlangen. Es gibt verschiedene Indikatoren, das zu berechnen, ob das nach der Nachfrage, nach den Einkommenserwartungen, nach den Kosten des Studiengangs geht. Das sind ganz unterschiedliche Voraussetzungen. Da muss die Hochschule differenzieren können, kein anderer. Das kann man nicht einheitlich vorgeben.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen sehr deutlich, dass viele der von Frau Sorge dargestellten Probleme – sie hat z. B. die Sozialpädagogen und deren Einkommen erwähnt – mit solch einem flexiblen System auf der Stelle von den Hochschulen selbst gelöst werden könnten.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, das bedeutet: Hochschulautonomie – gerade weil Sie das immer wieder betonen – bedeutet, dass der Staat den Rahmen setzt und dann die Hochschulen innerhalb dieses Rahmens frei agieren lässt, und nicht die von Ihnen geplante Detailsteuerung.

Ferner zeichnet sich unser FDP-Gesetzentwurf gegenüber dem der CDU dadurch aus, dass die Punkte Qualitätsgarantie, respektive Qualitätskontrolle, sowie die sozi

ale Ausgewogenheit eingearbeitet sind. Qualität: Wer zahlt, muss auch eine verbesserte Leistung erhalten. Sonst bekommt er sein Geld zurück.

(Beifall bei der FDP)

Hinter diesen Punkt werden wir als FDP nicht zurückgehen.Wir haben in der Anhörung ein dickes Lob hierfür erhalten: Der FDP-Vorschlag sei bundesweit der konkreteste zu dem Thema Qualitätskontrolle.

(Florian Rentsch (FDP):Wie immer!)

Wir freuen uns auch darüber, dass die CDU angekündigt hat, sie wolle diese oder eine ähnliche Regelung übernehmen.

Liebe Kollegin Kühne-Hörmann, ich kann Ihnen aber sagen, dass Sie, wenn Sie unser System, wie wir es in dem Gesetzentwurf ausgearbeitet haben, einfach kopieren, auch sämtliche Bedenken, die die Vertreter der Hochschulen in der Anhörung zu diesem Punkt geäußert haben, ganz leicht zerstreuen können.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Wir wollen auch kein Copyright!)

Das liegt allein daran, dass wir erstens die Hochschulen zur Steigerung der Qualität verpflichten. Wir sagen, dass die Regelstudienzeit von den Studierenden eingehalten werden können muss. Betreuung und Beratung sind zu intensivieren. Ich meine, das ist eine pure Selbstverständlichkeit, wenn man für ein Studium Geld verlangt.

Der zweite Schritt ist die Einrichtung einer Qualitätskommission. Diese Kommission hat die Aufgabe, Mängel in der Hochschulverwaltung und in der Studienorganisation festzustellen sowie – das ist wichtig – Maßnahmen zu empfehlen, wie diese Mängel abgestellt werden können. Das heißt, die Kommission empfiehlt Maßnahmen. Der Hochschule steht es aber frei, diesen Vorschlägen zu folgen oder die Abstellung der Mängel auf einem anderen Weg anzugehen.

Erst in einem dritten Schritt, nämlich dann, wenn die von der Kommission festgestellten erheblichen Mängel trotz der Möglichkeit, sie zu beseitigen, nach drei Semestern noch nicht abgestellt sind, kann die Qualitätskommission die verbindliche Rückerstattung der Studiengebühren beschließen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Sie mir in der ersten Lesung vorgeworfen haben, ein solches System funktioniere nicht, und es sei mit einer riesigen Klagewelle zu rechnen, das bedeutet aber auch, dass keiner der Studierenden einen Anspruch darauf hat, dass die Qualitätskommission die Rückerstattung beschließt.Aber wenn sie die Rückerstattung beschlossen hat, ist klar, welche Studierenden einen individuellen Anspruch darauf haben, ihr Geld zurückzubekommen, weil die Hochschule nicht die Leistung erbracht hat, die sie versprochen hatte.

(Beifall bei der FDP)

Zu dem dritten Punkt, der unseren Gesetzentwurf vorzugswürdig macht.Die soziale Ausgewogenheit und damit die Verfassungsmäßigkeit erreichen wir in dem FDP-Gesetzentwurf durch eine Kombination aus auf sozialen Gründen beruhenden Befreiungstatbeständen, Stipendien und Darlehensansprüchen. Bei uns haben die Studierenden einen Anspruch auf einen moderat verzinsten Kredit bei der Landestreuhandanstalt. BAföG-Empfän

ger sollen – das haben wir Ihnen bereits in der letzten Woche vorgetragen – den Kredit zinsfrei erhalten.

Das bedeutet – das räume ich unumwunden ein –, dass auch wir, die FDP-Fraktion, aus der Anhörung gelernt haben. Die Darlehen für BAföG-Empfänger sollen zinslos sein. Entgegen dem, was Kollege Siebel und Frau Sorge hier vorgetragen haben, halte ich aber diese Änderungen an unserem Gesetzentwurf für ausreichend, um ihn verfassungsfest zu machen.

Ich teile Herrn Schmehls und Herrn Wielands Argumentation nicht,sondern gebe stattdessen Prof.Steinbergs Argumenten den Vorzug, der anhand der ständigen Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs die Auffassung klar widerlegt hat, dass es sich in Art. 59 der Hessischen Verfassung um ein Regel-Ausnahme-Verhältnis handelt. Vielmehr sind Satz 1 und Satz 4 in Art. 59 als Einheit zu betrachten.

Das heißt, es geht nicht um ein formales Verhältnis, also ob wir erst „unentgeltlich“ hinschreiben müssen und dann definieren, wem wir doch Geld abnehmen können, oder ob wir sagen, diese und jene seien wirtschaftlich nicht leistungsfähig. Nein, Herr Kollege Siebel, da Sie jetzt den Kopf schütteln: Es geht um die Ratio des Gesetzes. Die Ratio des Gesetzes ist laut ständiger Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs: freie Fahrt dem Tüchtigen.

(Beifall bei der FDP)

Das bedeutet aber auch – in der Anhörung ist das deutlich gemacht worden –, dass die Art und Weise, wie man dem Tüchtigen freie Fahrt garantiert, in den Ausgestaltungsspielraum des Gesetzgebers fällt. Wir glauben, dass wir durch diesen Dreischritt – Befreiungstatbestände, Stipendien und zinslose Darlehen für BAföG-Empfänger – genau die Ausgestaltung erreichen,die sicherstellt,dass wirtschaftlich nicht leistungsfähige, aber tüchtige Studierende ihr Studium ohne jegliche Hürde aufnehmen können.

Die Studierenden werden nach unserem Gesetzentwurf zum Zeitpunkt der Studienaufnahme nicht belastet. Es geht lediglich darum, dass die Absolventen in einer Art solidarischem Akt die Studienbeiträge nach der Berufsaufnahme, wenn sie wirtschaftlich leistungsfähig sind, rückwirkend erstatten.

Dabei haben wir eine weitere Maßnahme eingebaut: Es werden nicht nur besonders befähigte Studierende, die einen sehr guten Abschluss hinlegen, von der Rückzahlung des Studienbeitragsdarlehens freigestellt, nein, wir deckeln auch das Gesamtvolumen von Studienbeitragsdarlehen und BAföG-Darlehen bei 15.000 c. Aufgrund der variabel gestalteten Kappungsgrenze liegt die zurückzuzahlende Kreditsumme letztendlich bei maximal 9.000 bis 12.000 c. Alles in allem ist das ein ausgewogenes, in sich kohärentes System.

Liebe Kollegin Sorge, ich kann mir allerdings an dieser Stelle nicht verkneifen, Ihnen wieder vorzuhalten, dass Sie die Ängste der Studierwilligen sehr stark schüren und damit einem leider bei Ihnen mittlerweile üblichen Politikschema folgen.

(Beifall bei der FDP)

In diesem Land muss nach dem System, das ich Ihnen eben geschildert habe, kein einziger Studierender mehr als bisher während seines Studiums arbeiten. Es ist vielmehr so, dass sich aufgrund der Qualitätsverbesserungen, die durch die Einführung der Studiengebühren an den Hochschulen zu erwarten sind, die Studienzeiten eher

verkürzen werden und dass durch die nachgelagerte Rückzahlung der Studiendarlehen auch die Chancengleichheit gesichert ist – bei gleichzeitiger Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten zur Rückzahlung, über die der Absolvent nach dem Abschluss seines Studiums verfügt.

Lieber Kollege Siebel, eine weitere Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen. Sie haben in den letzten Wochen, z. B.in der Presseerklärung vom 9.September,immer wieder mit der Studie des Bildungsmonitors 2006 argumentiert.Allerdings verschweigen Sie, wenn Sie den Bildungsmonitor des Instituts der deutschen Wirtschaft hier zitieren, dass gerade dieses Institut das FDP-Modell regelrecht einfordert. Herr Kollege Siebel, ich zitiere aus der Studie:

Erforderlich ist eine Stärkung der Nachfrageorientierung, verbunden mit einem Ausbau der Hochschulautonomie und einer sozial verträglichen Erweiterung des privaten Finanzierungsanteils.

Hört, hört.Widersprüchlicher, als die SPD an dieser Stelle argumentiert, kann man es wahrlich nicht gestalten.

(Beifall bei der FDP – Michael Siebel (SPD): Das ist der FDP-Begriff von Sozialverträglichkeit! So kennen wir euch!)

Fazit: Sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die CDU wäre in unseren Augen sehr gut beraten, den FDP-Gesetzentwurf als Konzept aus einem Guss in Gänze zu übernehmen, statt jetzt einen Flickenteppich der Änderungen zu weben. Insbesondere die Autonomie der Hochschulen bei der Erhebung von Studiengebühren und die Qualitätsgarantie sind für uns als FDP-Fraktion elementar. Um Ihnen dies zu ermöglichen, beantrage ich für meine Fraktion eine dritte Lesung des Gesetzentwurfs.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Frau Abg. Kühne-Hörmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute in zweiter Lesung über den Gesetzentwurf der CDU-Fraktion für ein Gesetz zur Einführung von Studienbeiträgen an den Hochschulen des Landes. Die CDU-Fraktion hat sich in den vergangenen Wochen nicht nur im parlamentarischen Verfahren mit dem Gesetzentwurf intensiv beschäftigt, sondern sie hat auch zahlreiche weitere Gespräche geführt und damit zur Versachlichung der teilweise sehr emotional gehaltenen Debatte beigetragen.