Protokoll der Sitzung vom 22.11.2006

Der Bereich der Justiz genießt weiterhin hohe Priorität. Im Haushalt 2007 ist das sichtbar. Das ist gut für den Rechtsstaat, das ist gut für Hessen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Beuth. – Als nächstem Redner erteile ich Herrn Justizminister Banzer das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich für die faire Diskussion des Haushalts des Justizressorts. Es tut der Justiz auch gut, wenn sie nicht im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzungen steht. Justiz braucht etwas Abgehobenheit aus dem parteipolitischen Streit.

(Norbert Schmitt (SPD): Harte Kritik an Dr. Wagner!)

Die Aufgabenstellungen, die Sie zu Recht an die dritte Gewalt richten, sind Leistungsfähigkeit und Bürgernähe der entscheidenden Gerichte. Das sind Kriterien, die Sie immer erheben werden. Gerade gegenwärtig, bei all den Belastungen, die Sie angesprochen haben, haben wir eine positive Tendenz feststellen können.

Wie misst man die Qualität und die Leistungsfähigkeit der Gerichte? Für den Bürger kommt es darauf an, dass er schnell Entscheidungen bekommt. Deswegen ist es berechtigt, Laufzeiten und Verfahrenszeiten anzuschauen und dabei festzustellen, ob die Justiz die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger erfüllt.Wir können dabei auf ein erfolgreiches Jahr 2006 zurückblicken.

Die durchschnittliche Verfahrensdauer in den Verwaltungsgerichten hat sich von 20,8 Monaten im Jahr 2000 auf inzwischen 10,6 Monate im ersten Halbjahr 2006 praktisch halbiert.

Bei dem vorläufigen Rechtschutz – der für den Bürger im Einzelfall noch wichtiger ist, weil er eine schnelle Entscheidung will – haben wir noch im Jahr 2000 eine durchschnittliche Laufzeit von 3,6 Monaten feststellen müssen.

Im ersten Halbjahr 2006 haben wir eine durchschnittliche Laufzeit von 1,5 Monaten. Das zeigt sich jetzt auch vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens. Es hat zwar zu einer leichten Steigerung der Geschäftstätigkeit bei den Verwaltungsgerichten geführt, konnte aber, wie die Zahlen sagen, ganz gut aufgefangen werden.

Bei der Finanzgerichtsbarkeit hat man auch oft das Vorurteil langer Laufzeiten. Hier konnten wir die Verfahrenszeiten noch einmal reduzieren.Jetzt sind nur noch 3,6 Monate für ein durchschnittliches Verfahren zu erwarten.

In der Sozialgerichtsbarkeit – das ist einer der Punkte, bei denen wir den Atem anhalten, weil wir infolge der HartzIV-Reform, aber auch infolge vieler anderer Diskussionen mit ständig steigenden Eingangszahlen zu rechnen haben – können wir mit einem dicken Dankeschön an die beteiligten Sozialgerichte konstatieren, dass wir im Jahr 2004 eine durchschnittliche Verfahrensdauer von 16,37 Monaten mitgebracht haben. Im Jahr 2005 konnten wir diese auf 15,02 Monate senken und im Jahr 2006 bei erheblicher Belastung noch einmal auf 14,91 Monate reduzieren. Auch beim Landessozialgericht konnten wir die Laufzeiten von 16 auf 14 Monate reduzieren.

Ein Bereich, der sich der liebevollen Anteilnahme des gesamten Landtags erfreut, nämlich die Staatsanwaltschaften, kann eine bemerkenswerte Reduzierung der durchschnittlichen Dauer der Ermittlungsverfahren vorweisen:Sie lag im Jahr 2002 bei 3,6 Monaten und liegt jetzt bei 2,8 Monaten. Bei den amtsanwaltschaftlichen Ermittlungen haben wir sogar einen Rückgang von 2,8 Monaten auf 2,0 Monate im ersten Halbjahr 2006, also fast eine Halbierung.

Das sind bemerkenswerte Zahlen. Wenn Sie sich dabei noch vergegenwärtigen, dass bei den Staatsanwaltschaften die Eingangszahlen seit dem Jahr 2002 von 313.000 auf 354.000 gestiegen sind,gibt es wirklich Grund,sich bei den Richtern und Richterinnen sowie bei allen Beschäftigten der Gerichte in Hessen zu bedanken. Dort wird ein toller Job geleistet.Vieles,was hin und wieder so durchschwingt, auch als Reflex auf die Unabhängigkeit des Richters, die ja auch die Gestaltbarkeit seiner Arbeitszeit umfasst, sollte deswegen überprüft werden. Man kann hier nicht sagen, dass aus dieser Freiheit des Richters kein entsprechend verantwortliches Agieren folgt, sondern wenn man das anschaut – wachsende Eingangszahlen bei stabil gebliebenem Personalbestand, schnellere Urteile, höhere Leistungsfähigkeit –, ist das schon eine beachtliche Leistung, auf die wir alle stolz sein sollten, weil es auch ein Standortfaktor ist. Die hessische Justiz ist ein positiver Standortfaktor für Hessen.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich hat das etwas mit der IT-Unterstützung zu tun, und da muss ich jetzt, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Schutz nehmend, die da besonders engagiert arbeiten, schon sagen: Es ist ja gang und gäbe, sich mit Rheinland-Pfalz zu vergleichen, aber nicht im Zusammenhang mit IT und Justiz. Wenn Sie dahin schauen, werden Sie unterschiedliche Philosophien erleben und feststellen, dass das Konzept, wie wir es in Hessen haben, zukunftsfähig ist, dass das die elektronische Akte zulässt, dass das den elektronischen Rechtsverkehr zulässt und dass das die Frage der elektronischen Signatur, also der Sicherheit des Rechtsverkehrs, regelt und löst. Da wird man, ohne dass ich jetzt das gutnachbarliche Verhältnis zu Rheinland-Pfalz gefährden will, noch einiges vor sich haben, bis

Rheinland-Pfalz das richtige Konzept entdeckt hat. Die Idee, die jetzt besteht, sich ein bisschen von den bundesweiten Entwicklungsverfahren abzukoppeln, scheint mir eher in die falsche Richtung zu gehen.

Also der Hintergrund ist sicherlich auch der IT-Bereich, aber ich glaube schon, dass wir es vernünftig verstanden haben, dort Schwerpunkte in der Ausstattung mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, mit Richtern und Richterinnen zu setzen, wo es sinnvoll und nötig ist. Insoweit bin ich dem Finanzminister und der CDU-Landtagsfraktion sehr dankbar, dass es möglich ist, in diesen schwierigen Zeiten und unter dieser hohen Belastung richtige Schwerpunkte zu bilden und dafür zu sorgen, dass man ganz behutsam an den Stellen etwas tut, an denen Unterstützung notwendig ist. Deswegen bin ich froh, dass wir 18 zusätzliche Stellen im Rahmen der Wirtschaftsstrafverfolgung im Haushalt 2007 verwalten und damit den Wirtschaftsstandort Hessen gestalten können.

Ich glaube eben,dass die Organisation,die wir für den Bereich der Wirtschaftsstrafsachen bei der Staatsanwaltschaft gefunden haben, das kostengünstigere Verfahren gegenüber dem Verfahren der Schwerpunktstaatsanwaltschaft ist, bei dem wir den gesamten Verwaltungs- und organisatorischen Bereich aufbauen und mitfinanzieren müssen, während wir so, wie wir das jetzt mit der Eingreifreserve und den entsprechenden Abteilungen für Korruption organisiert haben, eine sehr flache und sehr schlanke Struktur aufgebaut haben.

Wir müssen uns – deswegen wird das auch ein Schwerpunkt im nächsten Jahr sein – um die Vermeidung von Haftentlassungen kümmern. Wir wollen versuchen, dort flexibler zu sein, wo Krankheitsfälle, Schwangerschaften oder andere Dinge eintreten, die zu Personalausfällen führen, indem wir versuchen, eine Unterstützungsreserve für Richterinnen und Richter, für Staatanwältinnen und Staatsanwälte aufzubauen. Das ist gar nicht so einfach, weil ein Richter,sobald er Richter auf Lebenszeit ist,nicht mehr versetzbar ist. Wie man dann die Frage der Personalbewirtschaftung vernünftig lösen kann, ist ein besonderes Problem. Wir sind dankbar, dass wir hier zukünftig noch etwas mehr Spielraum haben werden.

Ein Problem ist sicherlich der Rechtspflegerdienst, und ich bin ganz froh, dass wir dort mit 50 Stellen den Bereich der Gerichtsvollzieher reformieren und dafür sorgen können, dass Rechtspfleger, die inzwischen als Gerichtsvollzieher tätig werden, sich entscheiden können, ob sie Gerichtsvollzieher bleiben oder als Rechtspfleger zurückgehen wollen. Wir können ansonsten den Rechtspflegerdienst weiter aufbauen, und damit haben wir die Möglichkeit, Dinge, die nach der neuesten Bundesgesetzgebung als durch Rechtspfleger zu gestaltende Aktivitäten angesehen werden, die bisher Richter gemacht haben, auch Rechtspflegern zu übergeben.Auch dies wird ein weiterer Beitrag zur Effizienzsteigerung in der hessischen Justiz sein.

Ich glaube also, dass im Bereich der Rechtsprechung, der Gerichtsbarkeit sehr gute Akzente gesetzt sind und dass wir das Jahr 2007 erfolgreich organisieren können.

Im Strafvollzug werden wir noch gemeinsam unseren Spaß haben. Ich glaube auch, dass es der Sache dient, wenn man das in aller Ruhe und Gründlichkeit diskutiert. Wir werden in den nächsten Wochen ein Symposium haben. Wir werden uns auch Konzepte im Ausland anschauen und versuchen, wirklich den besten Weg zu finden.

Herr Justizminister, darf ich auch Sie darauf hinweisen, dass die angemeldete Redezeit abgelaufen ist?

Jawohl. – Vor allem werden wir versuchen, Dinge, die im ideologischen Grabenkampf überhaupt nicht gut gedeihen, pragmatisch zu lösen. Die Frage ist wirklich, ob Sicherheit und Resozialisierung Gegensätze sind.Wenn Sie die Reaktion der Bevölkerung beobachtet haben, als ein Verbrecher auf das Dach der Justizvollzugsanstalt gestiegen ist – da bestand keine Fluchtgefahr, sondern es ging eigentlich um Symbolik und andere Fragestellungen –,haben Sie gesehen, wie sensibel die Öffentlichkeit auf diese Fragestellungen reagiert. Ein Rechtsstaat muss auch auf diese Positionen und Grundeinstellungen der Bevölkerung Rücksicht nehmen.

Natürlich weiß ich, dass im Jugendstrafvollzug – sonst gäbe es kein Jugendstrafrecht – eine besondere Betonung des Erziehungsgedankens notwendig ist. Dass aus dieser Erziehungsidee auch Konsequenzen folgen, liegt auf der Hand.Wir werden dazu auch die entsprechenden Schwerpunkte in diesem Gesetz finden und mit Ihnen diskutieren. Es wird auf jeden Fall einen Gewinner geben, und das wird nicht, sage ich einmal vorsichtig, die Kasse des Finanzministers sein, von wegen Schäbigkeitswettbewerb, sondern es wird der Jugendstrafvollzug sein, der durch die Diskussion und den Wettkampf der Konzepte profitieren wird, sodass ich glaube, dass in Hessen – wir sind bisher mit unserem einheitlichen Jugendstrafvollzugskonzept führend – auch künftig die besondere fachliche Kompetenz im Jugendstrafvollzug deutlich werden wird.

Man kann sagen, das Jahr 2006 war ein erfolgreiches Jahr für das Justizressort,für die Gerichte,für die dritte Gewalt in Hessen. Es spricht nichts dagegen, dass der Haushalt 2007 die Voraussetzungen dafür schafft, im Jahr 2007 mindestens so erfolgreich zu sein. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Justizminister.

Jetzt rufe ich

Einzelplan 06 – Hessisches Ministerium der Finanzen –

auf. In Verbindung damit rufe ich

Einzelplan 17 – Allgemeine Finanzverwaltung –

und

Einzelplan 18 – Staatliche Hochbaumaßnahmen –

auf. Gleichzeitig rufe ich Tagesordnungspunkt 36

Antrag der Fraktion der FDP betreffend Verwendung steigender Einnahmen – Drucks. 16/6229 –

sowie Tagesordnungspunkt 37 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend Kennzahlensystem – Drucks. 16/6230 –

Zunächst erteile ich Herrn Abg. Schmitt für die SPDFraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der entscheidende Webfehler des Haushalts unter finanzpolitischen Gesichtspunkten ist sicherlich, dass einmal mehr die Verfassungsgrenze nicht eingehalten wird, und dies, obwohl es ganz erhebliche Steuermehreinnahmen gibt, nämlich nach dem Haushaltsplan, der bisher vorliegt, 1,1 Milliarden c.

(Zuruf des Ministers Volker Bouffier)

Nein, Herr Innenminister, das ist nicht beruhigend.

(Minister Volker Bouffier: Bedrückend!)

Bedrückend,da haben Sie recht.– Nach dem,was der Finanzminister angekündigt hat, werden wir über die Planungen hinaus vielleicht noch einmal 300 Millionen c Steuermehreinnahmen haben, also im Jahr 2007 insgesamt mit 1,4 Milliarden c Steuermehreinnahmen rechnen können. Das ist eine Steigerung von über 10 %. Das ist sehr schön, aber der entscheidende Webfehler des Haushalts ist, dass trotz dieser ungeheuren Steuermehreinnahmen und trotz der Tatsache, dass wiederum Vermögensveräußerungen in Höhe von über 400 Millionen c geplant sind, der Haushalt die Verfassungsgrenze nicht einhalten wird.Wir sehen das als einen entscheidenden Mangel an.

Herr Finanzminister, wahrscheinlich sind wir von der Verfassungsgrenze, wenn diese Steuermehreinnahmen kommen,etwa 100 Millionen c weg.Das sind Summen,die wir unter Rot-Grün mehrmals hintereinander mit Haushalten und auch mit Haushaltssperren und der Frage des Sparens bewegt haben. Deswegen kann man Sie nur auffordern: Schließen Sie diese Lücke. Legen Sie dem hessischen Parlament in der dritten Lesung einen verfassungsgemäßen Haushalt vor.

Einen weiteren Punkt möchte ich ansprechen. Der Hessische Ministerpräsident hat in der Debatte heute Morgen davon gesprochen, dass der Länderfinanzausgleich auch ein gewisses Kriterium dafür sei, wo sich Hessen bewege, wie stark Hessen sei, und er hat gesagt: Hessen wird wahrscheinlich 2006 das Land sein, das den höchsten Betrag in den Finanzausgleich einzahlen wird.

(Michael Boddenberg (CDU): Ja!)

Das wird so sein, Herr Boddenberg. – Ich will aber einmal den Blick auf den Finanzplan richten. Da sind die Ausgaben der letzten Jahre für den Länderfinanzausgleich aufgeführt. Hier gibt es einen interessanten Punkt. Im Jahr 1999 hat das Land Hessen rund 2,5 Milliarden c in den Länderfinanzausgleich abgeben müssen. 1999 war das Jahr, in dem zumindest im ersten Teil noch Rot-Grün an der Regierung war. Diese Summe liegt, auch wenn wir jetzt im Jahr 2006 mit 2,1 Milliarden c mehr ausgeben müssen als geplant – für das nächste Jahr sind rund 2 Milliarden c geplant –, immer noch höher als die Ausgaben in den Länderfinanzausgleich unter der jetzigen Regierung.

Wenn die Schlussfolgerung des Ministerpräsidenten von heute Morgen richtig ist, dass die Höhe der Zahlung in den Finanzausgleich ein Zeichen dafür ist, wo Hessen steht, dann muss ich sagen, Hessen ist in den letzten Jahren ganz erheblich zurückgefallen – dank Ihrer Politik. Das ist ebenfalls schlimm.

(Michael Boddenberg (CDU): Wollen wir einmal über die Verhältnisse in den Neunzigerjahren reden?)