Protokoll der Sitzung vom 22.11.2006

(Michael Boddenberg (CDU): Wollen wir einmal über die Verhältnisse in den Neunzigerjahren reden?)

Das war das Argument des Ministerpräsidenten. Vielleicht haben Sie das heute Morgen nicht verstanden. Ich habe dieses Argument nur aufgegriffen.

Ich will nur deutlich machen: Unter Rot-Grün haben wir in den Länderfinanzausgleich Summen abführen müssen, die viel höher waren als die Summen, die heute gezahlt werden müssen. In Ihrem ersten Regierungsjahr mussten Sie insgesamt 2,8 Milliarden c in den LFA zahlen. Der Anteil Hessens am Länderfinanzausgleich ist zurückgefahren worden und bewegt sich auf einem Stand, der unter dem der Jahre 1999 und 2000 liegt. Das sind keine erfundenen Zahlen.

Ich will noch etwas zur Verschuldung sagen, weil der Finanzminister und der Ministerpräsident behauptet haben, bezüglich der Pro-Kopf-Verschuldung stehe Hessen relativ gut da. Das stimmt zwar, aber das hat etwas damit zu tun, dass in den Regierungsjahren zuvor über lange Zeit eine solide Haushaltspolitik betrieben wurde. Wenn man Hessen mit den übrigen westdeutschen Ländern vergleicht, dann fällt eines auf: Hessen lag bis zum Jahre 2002 bei der Pro-Kopf-Verschuldung unter dem Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer. 2003 ist dieses Verhältnis gekippt. Die FDP hatte vier Jahre lang daran mitgewirkt, dass die Ausgaben entsprechend gesteigert worden sind.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Wir stehen auf Platz eins in Deutschland!)

Unter Ihrer Regierungsverantwortung ist das Verhältnis gekippt. Hessen hat mittlerweile unter den westdeutschen Flächenländern eine überdurchschnittlich hohe ProKopf-Verschuldung. Das macht doch alles deutlich.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Nein, Herr Kollege Milde. Ich habe Sie als einen wenigstens teilweise soliden Menschen kennengelernt, aber hier haben Sie nicht recht.

Ich will ein Wort dazu sagen, wo wir bezüglich der Verschuldung im nächsten Jahr enden werden. Wir werden nach dem Finanzplan – es wird wahrscheinlich durch die Steuereinnahmen etwas besser – Ende 2007 rund 33 Milliarden c Schulden haben. Das ist eine unglaubliche Summe,die allein auf Sie zurückgehen wird.Fast 30 % der Verschuldung des Landes Hessen haben Sie in Ihren Regierungsjahren angehäuft.

Ich will noch ein Stichwort aufgreifen: die Kommunen. Wir erheben noch einmal die Forderung, dass der Anteil an den Steuermehreinnamen, der den Kommunen aus dem Jahre 2006 zusteht, rund 100 Millionen c, in den Kommunalen Finanzausgleich eingestellt wird. Das Gleiche gilt für das Wohngeld. Auch da wollen Sie wieder 35 Millionen c mitnehmen. Die Kommunalen Spitzenverbände haben das dargestellt. Diese 35 Millionen c gehören aber in den Kommunalen Finanzausgleich für das Jahr 2007.

Die Änderungen der Umlagegrundsätze, die Sie bei der Kreisumlage vorgenommen haben, sind beim Städtetag und beim Städte- und Gemeindebund auf erhebliche Kritik gestoßen. Herr Finanzminister, Sie müssen sich insbesondere den Vorwurf machen lassen,dass Sie diese Fragen nicht diskutiert haben. Es gibt eine Stellungnahme der kommunalen Seite, die verhältnismäßig hart ausgefallen ist. In ihr heißt es, dass die Aussagen der Kommunalen Spitzenverbände in der Gesetzesbegründung nur eingeschränkt wiedergegeben wurden und dass die Anhörun

gen, die bisher stattgefunden haben, diese Bezeichnung nicht verdienen. Das ist eine verhältnismäßig harte Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes.

Ich möchte zusammenfassen, weil ich den Kollegen die eine oder andere Minute schenken will. Wir konnten uns ja schon in der ersten Lesung austauschen. Man muss insgesamt sagen, der Haushalt für das Jahr 2007 wird der Lage nicht gerecht. Er gibt keine Beschäftigungsimpulse, weil die Investitionen zurückgeführt oder gestrichen werden. Er stellt einen finanzpolitischen Offenbarungseid dar.Trotz Steuermehreinnahmen in Höhe von 1,4 Milliarden c wird die Verfassungsgrenze gerissen. Das ist eigentlich ein Skandal. Dafür müssten Sie die politische Verantwortung übernehmen, Herr Finanzminister. Das machen Sie aber nicht. 2008 wird das der hessische Wähler für Sie vollziehen. Er wird Sie von der Regierung ablösen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung, Frau Kollegin Erfurth, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor der Kollege Milde mit seinen Lobpreisungen beginnt

(Norbert Schmitt (SPD): Milde Sorte!)

ja, Milde Sorte –, muss ich Ihnen sagen, Herr Finanzminister, dass Sie ein schlechtes Beispiel abgeben.

(Michael Boddenberg (CDU): Ich möchte wissen, was Sie sagen, wenn er einmal das Gegenteil tut!)

Das würde mich überraschen. Aber im Abgeben schlechter Beispiele sind Sie richtig gut, Herr Finanzminister.

Statt an der Aufarbeitung des strukturellen Defizits im Landeshaushalt zu arbeiten, erklären Sie die steigenden Steuereinnahmen zu Ihrem persönlichen Erfolg und entbinden sich damit quasi selbst von der Pflicht, über weitere Konsolidierungsmaßnahmen nachzudenken. Das ist schon eine „besondere“ Leistung angesichts der bisher veranschlagten Mehreinnahmen. Wir haben gehört, die Einnahmen werden wahrscheinlich noch steigen. Bei den bisher veranschlagten Mehreinnahmen von 1,1 Milliarden c nur ganze 20 Millionen c in die Reduzierung der Nettokreditaufnahme zu stecken, ist eine „beachtliche“ Leistung.

Sie verkaufen Landesvermögen, um nicht noch weitere Kredite aufnehmen zu müssen, und mieten die Gebäude zurück. Das ist eine Zahlentrickserei, die das Landesvermögen schmälert und künftige Regierungen über Jahrzehnte durch Mietzahlungen bindet. Den Kommunen haben Sie dieses Verhalten in der HGO verboten.Diese dürfen, Sie können es in § 109 HGO nachlesen, für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendiges Vermögen nicht verkaufen. Das wird ihnen aus gutem Grund verboten.Auch hier geben Sie aber ein schlechtes Beispiel ab. Sie tun das, was Sie anderen verbieten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Nachdem die Opposition Sie nun lange genug damit genervt hat, dass Sie die Verfassungsgrenze der Neuverschuldung nicht einhalten, und Sie im Haushaltsgesetz 2006 noch erklärt hatten,die Einhaltung der bis dahin gültigen Verfassungsgrenze sei objektiv nicht möglich, haben Sie sich jetzt wohl zur Flucht nach vorn entschlossen. Sie haben die Verfassungsgrenze der Verschuldung zum 60. Geburtstag des Landes Hessen umdefiniert und auch die Zuweisungen für Investitionen, die an die Kommunen weitergegeben werden,in diese Grenze einberechnet.Damit haben Sie den Hessinnen und Hessen zum 60. Geburtstag des Landes weitere 421,9 Millionen c Schulden geschenkt.Auch das ist eine „reife“ Leistung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Vielen Dank!)

Offen bleibt für mich die Frage, welches Ereignis diese Umdeklarierung ausgelöst hat und wie sich die Neuregelung auf die Kommunen auswirkt. Diese Antwort bleiben Sie schuldig. Auch insofern geben Sie ein schlechtes Beispiel ab: Neudefinition anstelle von Handeln.

Herr Finanzminister, Sie lassen kaum eine Gelegenheit aus, zu beklagen, dass der Länderfinanzausgleich den hessischen Haushalt über Gebühr belaste und dass es uns hier in Hessen wunderbar ginge, wenn wir diese Zahlungen nicht leisten müssten. Ich nehme an, auch der Kollege Milde wird uns das wieder erklären.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Nein, der Kollege Williges erklärt es!)

Der Kollege Kaufmann hat Ihnen gestern schon nachgewiesen, dass diese Argumentation nicht stichhaltig ist. Ich kann mir das an dieser Stelle also sparen.Was mich an der ganzen Sache aber ärgert: Sie zündeln am Gedanken der Solidarität. Der Funke ist durchaus schon übergesprungen.Auch insoweit geben Sie ein schlechtes Beispiel ab.

Der Städte- und Gemeindebund hat nämlich Ihre Argumentation im Verhältnis 1 : 1 übernommen und erklärt, wenn die kreisangehörigen Gemeinden keine Kreisumlage zahlen müssten, dann ginge es ihnen ganz prima, und die Kreise sollten doch bitte ihre Hausaufgaben machen und in die Pötte kommen.In der aktuellen Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes zum Finanzausgleichsgesetz heißt es wörtlich – ich zitiere –,

... dass die Zahlungen, die die Städte und Gemeinden an Kreisumlage geleistet haben, ihre jahresbezogenen Fehlbeträge in jedem einzelnen Fall bei Weitem überstiegen haben.Mit anderen Worten:Es hätte keine hessische Stadt oder Gemeinde einen unausgeglichenen Haushalt, wenn die Verpflichtung zur Zahlung der Kreisumlage nicht bestünde.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das kommt einem bekannt vor!)

Das kommt einem sehr bekannt vor. Da haben Sie wirklich ganze Arbeit geleistet, ein schlechtes Beispiel abzugeben, Herr Weimar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es bleibt als letztes Ihrer schlechten Beispiele der Umgang mit dem Kennzahlensystem.Wir haben das schon im letzten Jahr kritisiert, und da sind wir durchaus auf einer Linie mit den Kolleginnen und Kollegen von der FDPFraktion.Ich möchte beispielhaft das Produkt Nr.5 des Finanzministeriums herausgreifen. Es beschäftigt sich mit

der Planung und der Aufstellung des Landeshaushalts. Es beschäftigt sich mit der Steuerung des Haushaltsvollzugs, der Sicherung des Haushaltsausgleichs, der Rechnungslegung und der Vorbereitung und Erstellung der Finanzplanung.Als politisches Ziel wird in diesem Produkt Folgendes definiert: „eine solide Finanzpolitik in Verantwortung gegenüber den heutigen und kommenden Generationen“. – Das ist so herrlich unkonkret, dass es nicht falsch sein kann.

Bei den Kennzahlen zur Leistungswirkung finde ich Folgendes: „Verschuldungsquote im Ländervergleich“. – Das ist sicher eine interessante Aussage. Man kann sie für geeignet halten, um Vergleiche zu ziehen.Aber ob sie geeignet ist, um als Kennzahl im Haushalt etwas zu erfassen und irgendetwas zu bewirken, das bezweifle ich. Bei diesem Produkt hätte ich als Ziel eigentlich die Verpflichtung erwartet, einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen. Dieses Ziel habe ich aber vergeblich gesucht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der FDP)

Bei der Kennzahl zur Prozessqualität finde ich den denkwürdigen Satz: „rechtzeitige Übersendung der Regierungsvorlage vor Einbringung in das Parlament“. – Bisher habe ich geglaubt, das sei selbstverständlich. Ich musste lernen, das muss man in Kennzahlen für die Prozessqualität fassen.

Mein Fazit: Das Ziel ist unbestimmt, die Kennzahlen sind ungeeignet. Herr Finanzminister, wenn ich Ihr Bild von dem Schiff aus der Einbringungsrede noch einmal aufgreifen darf: Sie steuern ohne Kompass im Nebel.Auf die Zustimmung der GRÜNEN könne Sie daher nicht hoffen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Roland von Hunnius für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, Herr Minister, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie uns über Ziele reden. Die Frau Kollegin hat dieses Thema gerade angerissen. Die Fachziele sind nicht konkret, sie sind nicht quantifiziert, sie sind nicht befristet und somit nicht kontrollierbar. Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Frau Kollegin Erfurth.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Herr Kollege, es gab vorher keine Ziele. Sie wissen, dass das Zielsystem erst eingeführt worden ist.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU):Also!)

Die Regierung hat im vergangenen Jahr genauso schlechte Ziele gehabt.Ich komme gleich noch zu unseren Änderungsanträgen. Die sind von Ihnen bedauerlicherweise alle abgelehnt worden.

Das Oberziel ist leider auch nicht besser als die Fachziele.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Das Oberziel besteht aus drei Sätzen, in denen man es geschafft hat, alle Fachziele verbal zu integrieren. Das sagt aber nichts Neues aus. Oberziel und Fachziele sind identisch.Alle sagen nichts aus.

(Beifall bei der FDP)