Protokoll der Sitzung vom 22.11.2006

(Beifall bei der SPD – Minister Karlheinz Weimar: Ihr seid doch dagegen! – Zurufe von der CDU)

Bei dem zweiten Schritt geht es um die Selektion nach der 4. Schulklasse. Dieser Selektion werden wir ein Ende machen – mit den Eltern, nicht gegen die Eltern. Wir betreiben das nämlich ganz unideologisch. Wir lernen aus der PISA-Studie. Wir sind der Auffassung, dass, wenn 25 von 25 Kultusministern der EU sagen: „Das ist falsch, was ihr in Deutschland macht“, etwas dran sein könnte und dass der Bildungsexperte namens Boddenberg vielleicht unrecht hat.

(Beifall bei der SPD – Gerhard Bökel (SPD): Daran könnte etwas sein!)

Wir wollen auch nicht, dass die Selektion – dieses geschlossene System, das Ihnen ideologisch den Weg weist – nach dem Abschluss der Schulzeit stattfindet. Deshalb sind wir gegen die Einführung von Studiengebühren.Herr Ministerpräsident, Ihre Argumentation, dass man mithilfe von Studiengebühren das Studium attraktiver macht, ist, wenn es um Ironie geht, ganz interessant.Wir alle wissen, dass wir in Zukunft mehr und nicht weniger Akademikerinnen und Akademiker in unserem Land brauchen. Deshalb ist es wiederum in sozialer und ökonomischer Hinsicht Unsinn, wenn breiten Schichten der Bevölkerung der Weg in die Universitäten verschlossen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Union, wenn wir Sozialdemokraten in diesem Haus regieren werden, werden wir die Studiengebühren wieder abschaffen.

(Beifall bei der SPD – Dr.Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): Das sieht der SPD-Bundesvorsitzende anders!)

Das war das Thema soziale Gerechtigkeit. Der zweite Bereich ist die Infrastruktur in diesem Lande. Zu dem Thema Flughafen: Sie sagen selbst, das sei ein wichtiges Infrastrukturprojekt.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Nein, Herr Boddenberg, ich habe mir Ihr Wahlprogramm von 1999 noch einmal angeschaut. Ich verstehe, dass Sie an dieser Stelle sehr nervös sind;

(Michael Boddenberg (CDU):Ach, es geht so!)

denn dort sind die Jahre 2006 und 2007 erwähnt. Tatsächlich haben Sie bei diesem wichtigen Projekt eine Bauchlandung hingelegt. Niemand in diesem Lande weiß mehr, ob der Flughafen tatsächlich ausgebaut werden kann. Das Problem Nachtflugverbot ist ungelöst. Das Problem Ticona ist ungelöst. Der Landesentwicklungsplan steht auf tönernen Füßen. Das Erörterungsverfahren muss neu aufgerollt werden.

Wenn eine Landesregierung ein solches Projekt durchsetzt, braucht sie vor allem eines: Sie braucht das Wissen und die Qualifikation, um mit einem so schwierigen Verfahren umzugehen. Das haben Sie nicht. Große Begriffe an die Wand zu schreiben ist das Einzige, was Sie können. Tatsächlich können Sie, zum Nachteil unseres Landes, ein solches Verfahren handwerklich nicht umsetzen.

(Beifall bei der SPD)

Zu Straßenverkehr und Mobilität. Was momentan in unsere Straßen investiert wird, ist zu gering.

(Lachen und Zurufe von der CDU – Lachen des Minister Karlheinz Weimar)

Meine Damen und Herren, bitte.

(Minister Dr. Alois Rhiel: Jetzt haben Sie sich dis- qualifiziert! – Zurufe von der CDU)

Herr Minister Rhiel, Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich würde Ihnen allen, wie Sie hier sitzen, anbieten, diesen Satz in Ihren Wahlkreisen zu sagen, wo die Leute die Straßen mit den Schlaglöchern haben.

(Clemens Reif (CDU): Das müssen gerade Sie sagen! – Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Rhiel, ich bin sicher, Sie würden nicht lachen, und Sie, Herr Wagner, würden nicht lachen, sondern alle würden sagen: Es muss etwas in den Straßenbau investiert werden.

(Beifall bei der SPD – Minister Dr. Alois Rhiel: Mein Gott! – Zurufe von der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte doch. Herr Kollege Milde, das Wort hat wieder ausschließlich Herr Walter.

(Zurufe der Abg. Michael Boddenberg und Gott- fried Milde (Griesheim) (CDU))

Dann bleibe ich bei dem Thema, weil der Herr Wirtschaftsminister nach wie vor der Auffassung ist, dass das ein bisschen anders ist. Ich kenne in diesem Land sehr viele Bereiche. Wenn wir zusammen dort hinfahren und erzählen – –

(Minister Dr. Alois Rhiel: Sie haben es doch her- untergefahren!)

Sie können immer sagen: Vor 15 Jahren war es einmal anders. – Wenn wir zusammen in diese Bereiche fahren und den Menschen dort sagen – meine Position –: „Es muss mehr in die Straßen investiert werden“, und Sie den Menschen dort sagen: „Das ist überhaupt kein Problem“, dann werden Sie in der Region ausgebuht. Herr Minister, halten Sie sich mit dieser Ad-hoc-Kritik eher ein bisschen zurück.

Eine Mobilität endet nicht bei Straßen.Mobilität hat auch etwas mit Schienen zu tun. Auch in diesem Bereich verschläft die Landesregierung notwendige Entwicklungen, die z. B. etwas mit dem notwendigen Ausbau des Frankfurter Flughafens zu tun haben. Wir reden über zusätzliche ICE-Strecken. Wir haben erfahren, dass nur etwas in Frankfurt zur Westtangente gemacht worden ist. Das ist alles wichtig. Nur, wir alle kennen die Planungszeiten von solchen Verfahren. Die Landesregierung glaubt, im Jahre 2015 ihr Programm „Staufreies Hessen“ umgesetzt zu ha

ben. Sie werden das Programm „Staufreies Hessen“ nicht umsetzen, wenn Sie sagen: Wir warten darauf, dass diese notwendigen zusätzlichen Verbindungen vom Himmel fallen. – Was wir jetzt nicht planen, wird in 15 Jahren nicht gebaut sein. Sie verschlafen in unserem Land eine Entwicklung.

(Beifall bei der SPD)

Zum Bereich Wirtschaft. Herr Ministerpräsident, dies hat eine ganze Menge mit dem Bereich Wirtschaft zu tun. Unser Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main – das spreche ich jedes Jahr an – ist nun einmal die wichtigste Wirtschaftsregion in diesem Land.Wir werden im Vergleich zu anderen nationalen Ballungszentren und insbesondere zu europäischen und übereuropäischen Wettbewerbern zunehmend schwächer. Was hat diese Landesregierung mit ihrem Ballungsraumgesetz getönt? Was sollte alles passieren?

(Andrea Ypsilanti (SPD): Murks!)

Im Jahr 2000 verabschiedet – wir sind mittlerweile am Ende des Jahres 2006. Was haben wir? Wir haben eine Wirtschaftsförderungsgesellschaft mit 25 Aufsichtsräten und einem Budget von 4 Millionen c.Wahrscheinlich waren die Kosten, die innerhalb der Regierung für die Erstellung dieses Gesetzes mit all den Anhörungen aufgewendet wurden, höher als der Betrag, den diese Wirtschaftsförderungsgesellschaft für die Wirtschaftsförderung zur Verfügung hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Mittlerweile hören wir von der Stadt Frankfurt, dass sie genau unserer Auffassung ist und sagt: Es ist zwar ganz nett, was die da sagen, aber wir wollen eine Wirtschaftsförderung, und deshalb machen wir unsere eigene Wirtschaftsförderung. – Herr Ministerpräsident, Sie wissen, dass Sie mit dieser Aussage der Stadt Frankfurt – das sind Ihre Parteikollegen – und Ihren Vorstellungen für unseren Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main komplett gescheitert sind.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, die Fraktionsredezeit ist abgelaufen.

Ich komme gleich zum Schluss.

Vom Kulturzwangsverband hört man nicht mehr allzu viel. Wir hatten hier ein grundsätzliches Thema erörtert und dazu gesagt: Das ist ein ganz wichtiges Thema für den Raum Frankfurt/Rhein-Main. – Jetzt haben wir eine Mediation.Aber wir haben nicht einmal absehbar irgendeine Lösung von einem Thema, das eigentlich von allen als Problem anerkannt worden ist.

Herr Ministerpräsident, wir haben Ihnen seit Jahren gesagt: Ihr Entwurf des Ballungsraumgesetzes geht nicht nur zu kurz,es geht in die völlig falsche Richtung.– Sie haben nicht den Mut zu einem wirklichen Schritt für die Zukunft dieses Ballungsraumes.

Unsere Vorstellung: weg mit diesen ganzen Gremien, Zusammenfassen der Landkreise und des Regierungspräsidiums, Herabzonen der Aufgaben auf die Kommunen, wo

es möglich ist. Und all das, was in der Zentrale des Regionalkreises erledigt werden soll, kann zusammengefasst dort erledigt werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer den Ballungsraum konkurrenzfähig machen will, der muss einen solchen Regionalkreis wollen, der muss den Mut haben, diesen Regionalkreis zu wollen, und gegen Widerstände auch in den eigenen Reihen durchsetzen.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zum Schluss.Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Politik dieser Landesregierung ist sozial ungerecht, wirtschaftlich erfolglos, und sie ist Kultur von vorgestern. Herr Ministerpräsident, Sie haben ein Land übernommen,das an der Spitze der deutschen Bundesländer stand, und haben es nach unten geführt.

(Lachen des Abg. Clemens Reif (CDU))

Sie haben unser Land schwächer gemacht. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen, dass unser Bundesland Hessen wieder an die Spitze der deutschen Bundesländer kommt. Wir wollen, dass der Slogan „Hessen vorn“ wieder in ganz Deutschland einen guten Klang hat. Wir wollen, dass Hessen wieder zum Vorbild in Deutschland wird. Die allererste Voraussetzung dafür ist, dass Sie, Herr Ministerpräsident Koch, Ihr Amt verlieren und dass Sozialdemokraten wieder in diesem Hause regieren.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat der Herr Ministerpräsident das Wort.

Herr Landtagspräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist nicht ganz unfair, wenn man sagt, dass das heute Morgen im Verhältnis zu vielen anderen Reden, die Sie in der Vergangenheit gehalten haben, sicherlich nicht die stärkste war.

(Beifall bei der CDU – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU):Der wird halt nervöser! – Gegenruf des Abg. Michael Siebel (SPD): Sie spüren das schon gar nicht mehr!)

Jetzt wollen wir einmal als einen objektiven Grund akzeptieren – und möglicherweise gute Besserung wünschen –, dass Sie es im Hals haben.

(Heiterkeit bei der CDU)