Sie tun so,als hätten die GRÜNEN dafür gesorgt,dass die sich in der Nähe des Flughafens ansiedeln, der dort erst seit 80 Jahren ist. Das ist doch albern, Herr Ministerpräsident.
Man mag zur Notwendigkeit des Ausbaus des Frankfurter Flughafens stehen, wie man will, aber hier solche Reden zu halten ist für jemanden, der einmal gesagt hat, dass er etwas hinkriegen wolle – und der bis jetzt nichts hingekriegt hat –,wirklich unter aller Würde,und es ist auch unter der Würde eines Ministerpräsidenten.
Von unserer Seite hat sich niemand auf die Nordwestbahn festlegt. Die Festlegung erfolgte durch den CDU-Landesvorsitzenden Roland Koch.
Wenn Sie nicht in der Lage waren, zu sehen, dass sich nebendran eine Chemiefabrik befindet, dann ist das nicht unser Problem, Herr Ministerpräsident, sondern Ihr ganz persönliches Problem.
Ich will zum Haushalt und zu der generellen Frage, wie viel Geld wir wofür ausgeben, sagen: Wir haben glücklicherweise Steuermehreinnahmen. Im Entwurf des Landeshaushalts für das nächste Jahr stehen 1 Milliarde c an Steuermehreinnahmen,und es ist wahrscheinlich,dass wir noch mehr einnehmen werden. Wenn ich mir allerdings betrachte, dass im Entwurf dieses Landeshaushaltes trotz bereits prognostizierter Steuermehreinnahmen von über 1 Milliarde c die Nettoneuverschuldung – ich betone: im Entwurf – fast gleich bleibt, dann zeigt das, wie sehr Sie in den beiden Vorjahren dafür gesorgt haben, dass Vermögen verschleudert worden ist, um das strukturelle Defizit zu überdecken.
Herr Ministerpräsident, wenn man nach siebeneinhalb Jahren, die man an der Regierung ist, über 40 % der Gesamtschulden des Landes Hessen seit 1946 zu verantworten hat, dann kann das wirklich niemand in diesem Lande begrüßen. Die Tatsache, dass über 2 Milliarden c an Vermögenswerten verschleudert worden sind – Stichwort: „Leo I“, „Leo II“ –, ohne einen Gegenwert dafür zu bekommen, außer dass das strukturelle Defizit zweier Haushaltsjahre überdeckt wurde, zeigt, wie dramatisch die Situation des Landes immer noch ist.
Dass die Steuermehreinnahmen erst im Haushaltsjahr 2007 fließen, ist kein Zufall. Es gehört zu den großen Eigentümlichkeiten der Zusammensetzung dieses Landtags, dass die Wahl im Jahre 2003 von der CDU mit einer Kampagne gegen Steueränderungspläne der damaligen Bundesregierung mit absoluter Mehrheit gewonnen worden ist. Hauptpunkte dieser Steueränderungspläne, gegen die Sie damals – leider erfolgreich – polemisiert haben, waren unter anderem Kürzungen bei der Eigenheimzulage, bei der Pendlerpauschale und Ähnlichem. Es gehört zu den Eigentümlichkeiten der Politik und auch zu dem Problem der Glaubwürdigkeit der Politik,dass Sie als Verhandlungsführer der Großen Koalition gemeinsam mit Peer Steinbrück all die Kürzungen, die Sie damals thematisiert und so erfolgreich bekämpft haben, dass die CDU in Hessen die absolute Mehrheit bekam, höchstpersönlich in das Gesetzblatt geschrieben haben. Den Erfolg sieht man an den Steuermehreinnahmen, die im nächsten Jahr fließen werden. Man kann zwar sagen: „Okay, was kümmert mich mein dummes Geschwätz von gestern“, aber wenn Sie sich die Frage stellen, warum die Politik insgesamt unter einem Verlust der Glaubwürdigkeit leidet, dann lautet die Antwort: Das hängt auch damit zusammen, dass diejenigen, die im Jahre 2003 behauptet haben, die Abschaffung der Eigenheimzulage sei eine Katastrophe, sie am Ende selbst abgeschafft haben und die Steuermehreinnahmen jetzt als Ergebnis ihrer Politik feiern. Das ist ein generelles Problem des politischen Systems in der Bundesrepublik Deutschland.
Vielleicht kommen Sie in einer stillen Stunde – möglicherweise angesichts des Besuchs, den Sie in der letzten Woche gemacht haben – zu der Erkenntnis,dass Ihnen ein bisschen Reue guttun würde, Herr Ministerpräsident.
Sehr verehrter Herr Ministerpräsident, ich will trotzdem noch einmal auf die generelle Frage eingehen, wie es mit den Finanzen aussieht. Es ist schade, dass der Herr Finanzminister gerade nicht da ist.
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Er versäumt nichts! – Gegenruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD): Es ist eigentlich ungehörig, dass der Finanzminister nicht hier ist! In einer Haushaltsdebatte ist das nicht üblich!)
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))
Herr Irmer, Sie sind doch ein Freund deutscher Sprichwörter.Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.
Folgendes zum Stichwort Vermögensverkauf. Gestern hat das Finanzministerium eine Presseerklärung herausgegeben, in der es heißt: Leo II erfolgreich abgeschlossen; 36 weitere Gebäude des Landes sind verkauft. – Ich möchte Ihnen an einem Beispiel deutlich machen,was hier gerade stattfindet. Es wird das Gebäude des Statistischen Landesamtes verkauft. Das steht in der Anlage zu dieser Presseerklärung unter Nr. 34.
Das Gebäude des Statistischen Landesamtes befindet sich in Wiesbaden in der Rheinstraße. Jeder kann es sich betrachten. Der Beginn der Bebauung in diesem Gebiet hat im Jahr 1828 stattgefunden. Im Jahre 1843 wurde dieses Gebäude für 64.000 Gulden an die herzogliche Generaldomänendirektion verkauft. Im Jahre 1855 wurde es an den Landessteuerfiskus verkauft und wurde als Geschäftslokal der herzoglichen Landesregierung betrieben. Es hat sich dann in unterschiedlichen Nutzungen befunden, inklusive Preußisches Behördenhaus, 1945 Beschlagnahme durch die amerikanische Besatzung, Verwendung als Truppenunterkunft, seit 1954 Nutzung als Hessisches Statistisches Landesamt. Dieses Gebäude befindet sich also seit dem Vormärz in öffentlichem Besitz.
Es hat die Paulskirchenrevolution in öffentlichem Besitz erlebt. Es hat den Deutsch-Französischen Krieg in öffentlichem Besitz überlebt. Es hat die Reichsgründung in öffentlichem Besitz erlebt. Es hat den Ersten Weltkrieg in öffentlichem Besitz überstanden. Es hat die Ausrufung der Republik im öffentlichen Besitz überstanden.
Es hat die Beschlagnahme durch die Amerikaner im öffentlichen Besitz überstanden. Dieses Gebäude hat aber Karlheinz Weimar und Roland Koch nicht überlebt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das macht Ihnen vielleicht klar, was hier gerade passiert. Hier findet ein Ausverkauf statt, der ohne Beispiel in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist.
Herr Finanzminister,wenn Sie dann nebenbei sagen:„Wir haben wegen neuer Pläne in Frankfurt aus dem Paket drei Gebäude herausgenommen“, dann sage ich Ihnen: Was wäre denn passiert, wenn Sie die Gebäude für 30 Jahre Mietvertrag jetzt gleich mitverkauft und zurückgemietet hätten und die neuen Pläne im nächsten Jahr entstanden wären? Was hätten wir denn dann gemacht?
Herr Finanzminister, was hätten wir denn dann gemacht? Hätten wir dann die drei Gebäude leer stehen lassen und hätten 30 Jahre lang Miete bezahlt? Meine Damen und Herren, was hier stattfindet, ist der größte Irrsinn, seit es öffentliche Gebäude gibt.
Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn wir alle, die wir hier gerade diese Debatte führen und die wir in der nächsten Plenarsitzung des Hessischen Landtags den Verkauf dieses Pakets beschließen werden, schon nicht mehr im Plenarsaal des Hessischen Landtages präsent sein werden, werden unsere Nachfolgerinnen und Nachfolger noch Miete für diese Verträge bezahlen müssen, die diese Landesregierung abschließt. Das kann doch nicht richtig sein.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Lieber Schulden machen! Was ist denn das grüne Gegenprogramm? Habt ihr keines? – Michael Boddenberg (CDU):Antrag zum Geldausgeben!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben uns in der Haushaltsklausur unserer Fraktion, so wie die anderen Fraktionen auch, mit dem Haushalt beschäftigt und werden im Gegensatz zu den beiden anderen Oppositionsfraktionen unsere Anträge zur dritten Lesung einbringen.
(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Vermögensteuer einführen, Grundwasserabgabe einführen, den Menschen ins Portemonnaie greifen!)
(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Was denn? Was ist denn mit der Grundwasserabgabe, Herr Al-Wazir? – Michael Boddenberg (CDU): Das haben wir doch schwarz auf weiß!)
Ja, wir sind der Meinung, dass wir wieder eine Gewässerschutzabgabe einführen wollen,Herr Hahn,weil wir einen seriösen Haushalt und keine Milchhähnchenrechnung vorlegen wollen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ach, wie schön! – Michael Boddenberg (CDU): Subventionierte Waschmaschinen! – Zuruf des Abg. Rafael Reißer (CDU))
Wir haben uns eingehend mit dem Haushalt beschäftigt. Herr Hahn, wir haben seriöse Vorschläge für Minderausgaben und Mehreinnahmen gemacht. Ich gebe zu, an einem Punkt ist unser Vorschlag für Mehreinnahmen auch ein Vermögensverzehr, wenn wir nämlich vorschlagen, 2,3 % des Grundkapitals der Fraport zu verkaufen.Allerdings gebe ich zu bedenken, dass das ein Vermögensverzehr ist, den wir nachher nicht sofort für 30 Jahre zurückmieten müssen. Herr Finanzminister, das ist doch ein gewisser Unterschied.
(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das war ein Witz, jetzt müsst ihr lachen! Das haben sie gar nicht verstanden! – Gegenruf der Abg.Andrea Ypsilanti (SPD): Was ist denn los heute Morgen? Haben Sie schlecht geschlafen?)
Ich glaube, dass wir mit unseren Haushaltsvorschlägen, wenn Sie sie sich genau betrachten, durchaus deutlich machen, dass es möglich ist, auch angesichts der angespannten Finanzsituation des Landes eine deutlich andere Politik in diesem Land zu machen.
(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) – JörgUwe Hahn (FDP): Bitte? Ihr habt ein Benehmen, das ist unerhört! Frau Fuhrmann hat „Kotzbrocken“ zu mir gesagt, damit Sie es wissen, Herr Präsident! – Michael Boddenberg (CDU): Ihr Beitrag zur Etikette!)
Wenn Herr Hahn sich beruhigt hat, kann ich fortfahren. – Ich glaube, dass es durchaus möglich ist, in diesem Haushalt andere Akzente zu setzen.
Dann komme ich zur Bildung. Herr Ministerpräsident, wenn Sie sich angesichts der Situation, die wir an den hessischen Schulen haben, hierhin stellen und sich für Ihre Bildungspolitik loben, dann sage ich Ihnen: Es wird Ihnen damit so gehen wie mit Ihren groß angekündigten Projekten, von denen Sie denken, Sie ernten Dankbarkeit, und für die Sie am Ende – Stichwort „Unterrichtsgarantie plus“ – zu Recht einen Sturm der Entrüstung geerntet haben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Michael Bodden- berg (CDU): Wie viele Anrufe haben Sie pro Tag? Habt ihr Daten? Habt ihr die Hotline schon abgeschaltet? – Ministerpräsident Roland Koch: Der Sturm war so groß,dass sie das Telefon abgeschaltet haben! – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))