Protokoll der Sitzung vom 22.11.2006

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Michael Bodden- berg (CDU): Wie viele Anrufe haben Sie pro Tag? Habt ihr Daten? Habt ihr die Hotline schon abgeschaltet? – Ministerpräsident Roland Koch: Der Sturm war so groß,dass sie das Telefon abgeschaltet haben! – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Sie haben Steuermehreinnahmen von über 1 Milliarde c.

(Minister Karlheinz Weimar: Wie viele Anrufe ha- ben Sie denn? Beantworten Sie das doch einmal!)

Von diesen Steuermehreinnahmen von über 1 Milliarde c nehmen Sie insgesamt 6,5 Millionen c für neue Lehrerstellen. Das sind 1,3 Promille.

(Minister Karlheinz Weimar: Wir wollen dem gern nachgehen!)

Herr Al-Wazir, gestatten Sie Zwischenfragen?

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich gestatte eine Zwischenfrage und kann dem Herrn Boddenberg nur wünschen,dass es eine sinnvolle ist!)

Das werden wir gleich sehen. Herr Boddenberg, bitte.

Herr Al-Wazir, da Sie das Thema „Unterrichtsgarantie plus“ angesprochen hatten: Wie viele Anrufe haben Sie denn bei den GRÜNEN? Ich glaube, darüber haben wir beim letzten Mal geredet. Vielleicht können Sie mir auch gleich in Prozent ausrechnen, wie viel das von den täglich gehaltenen Unterrichtsstunden betrifft.

(Norbert Schmitt (SPD): Reden Sie mit den Elternbeiräten! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Norbert Schmitt (SPD): Das war keine sinnvolle Frage!)

Herr Al-Wazir, bitte.

Ich habe wenigstens etwas trinken können. Insofern hatte die Frage ihren Sinn.

Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir unser Telefon für zwei Wochen schalten.

(Michael Boddenberg (CDU): Wie viele waren es denn? Wie viel Prozent?)

In diesen zwei Wochen hatten wir am Tag ungefähr zehn Anrufe.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Herr Boddenberg, passen Sie auf: ohne dass wir über 200.000 c Steuergeld für Werbung für diese Nummer ausgegeben haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Michael Bodden- berg (CDU):Wie viele Stunden pro Tag?)

Aber obwohl Sie über 200.000 c Steuergeld als Werbung für Ihre Nummer ausgegeben haben, haben bei uns Leute angerufen und gesagt: „Ich habe gerade beim Kultusministerium angerufen, aber die nehmen mich nicht ernst.“ Darüber sollten Sie einmal nachdenken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) – Michael Boddenberg (CDU): Beeindruckende Kampagne!)

Ihr Grundproblem ist doch, dass Sie im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ über 1.000 Lehrerstellen gestrichen haben. Wenn Sie sagen, dass Sie im Gegenzug für die verbleibenden Lehrerinnen und Lehrer die Arbeitszeit erhöht haben, so ist das richtig.Allerdings wissen Sie auch, dass es das Problem bei Krankheit eher vergrößert, weil dann auch jeweils eine Stunde mehr ausfällt. Aber das nur nebenbei.

(Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Herr Ministerpräsident, ich glaube, dass Sie sich überlegen müssen, ob es nicht Sinn machen würde, diesen Fehler, den Sie Ende 2003 begangen haben, zu korrigieren, anstatt immer mehr Geld in Vertretungsverträge von Professionellen – allerdings dann nur für das Schuljahr und immer wieder unterbrochen – und immer wieder Geld in Vertretung durch Laien – Stichwort „Unterrichtsgarantie plus“ –, jedenfalls zum Teil, zu stecken. Wir haben das jedenfalls beantragt. Sie können diese Streichung im Haushaltsausschuss zwischen der zweiten und der dritten Lesung rückgängig machen und das machen, was eigentlich Sinn macht, nämlich Unterricht durch professionelle Lehrkräfte erteilen zu lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich schlage Ihnen vor, ein Sofortprogramm Schule zu machen und jeder Schule 50 c pro Schüler und Schülerin und Jahr zur freien Verfügung zu geben.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das haben Sie in Ihrer Regierungszeit nicht gemacht!)

Wir schlagen Ihnen vor, das, was Sie Ganztagsschule nennen und was in Wahrheit pädagogische Mittagsbetreuung ist, für alle zu machen, die sich dafür bewerben, und wirkliche Ganztagsschulen zu etablieren. Herr Ministerpräsident, wir schlagen Ihnen vor, dass Sie bei der Qualitätsverbesserung noch einmal zusätzliches Geld einsetzen. Ich sage ausdrücklich: inklusive Prioritätensetzung, weil wir alle unsere Anträge und Änderungsanträge für Mehrausgaben durch Mehreinnahmen oder Minderausgaben im Haushalt decken werden. Das können Sie sehen, sobald unsere Anträge eingebracht sind.

Herr Ministerpräsident, wir glauben, dass die Erhebung von Studiengebühren in der Art und Weise, wie Sie sie hier mit Ihrer absoluten Mehrheit durchgesetzt haben, falsch ist.Wenn Sie hören, dass wir jetzt bei der ersten Bilanz der Einschreibungen der Erstsemester an hessischen Hochschulen einen Rückgang haben, dann kann ich nur hoffen, dass das nicht schon die ersten Auswirkungen der Ankündigung der Einführung von Studiengebühren im Jahre 2007/2008 sind.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist aber so! – Andrea Ypsilanti (SPD): Natürlich, klar!)

Herr Ministerpräsident, Sie werden in der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember zu entscheiden haben, ob Sie dem Bildungspakt, der bundesweit zusätzliche Studienplätze vorsieht, mit Ihren Kollegen Ministerpräsidenten zustimmen. Dazu braucht es mehr Geld. Deswegen haben wir nicht nur beantragt,auf die Studiengebühren zu verzichten und den Hochschulen das ausfallende Geld aus dem Haushalt zu geben, sondern wir werden beantragen, für den Ausbau von Studienplätzen 19 Millionen c zusätzlich bereitzustellen.Denn wenn wir den Bildungspakt, den Frau Schavan vorgeschlagen hat, ernst nehmen, braucht es zur dritten Lesung in diesem Haushalt noch deutliche Veränderungen bei dem Wissenschaftsetat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sehr verehrte Damen und Herren, wir schlagen Ihnen bei der Kinderbetreuung ein Konzept vor, das wir BIBER 0 – 10 genannt haben,als Abkürzung für:Bildung,Betreuung, Erziehung aus einem Guss für Kinder von null bis zehn Jahren.Denn wir finden ausdrücklich richtig,was die Landesregierung in ihrem Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0 bis 10 Jahren aufgeschrieben hat. Aber wir

finden es ausdrücklich falsch, dass außerhalb von Modellprojekten das, was dort richtig steht, nicht gemacht wird. Deswegen schlagen wir Ihnen vor, dass wir dafür Geld im Landeshaushalt hinterlegen und aufhören mit der Trennung in Kinder unter drei Jahren, Kinder von drei bis sechs Jahren, Vorschule, Grundschule, sondern dass wir mit Bildung, Betreuung und Erziehung aus einem Guss Ernst machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir schlagen Ihnen außerdem zu den Stichwörtern BAMBINI und beitragsfreies drittes Kindergartenjahr vor: Freiheit für die Kommunen statt goldener Zügel.

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir schlagen Ihnen also vor, dass Sie die Zweckbindung im Kommunalen Finanzausgleich für den Bereich Kinderbetreuung, die Sie nur für das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr eingeführt haben, auf den Bereich Kinder insgesamt erweitern und es den Kommunen überlassen, ob sie das erste Kindergartenjahr oder das dritte Kindergartenjahr beitragsfrei stellen wollen, ob sie dieses Geld in Qualitätsverbesserung investieren wollen oder ob sie dieses Geld z.B.in die Betreuung von unter dreijährigen Kindern investieren wollen. Wir schlagen Ihnen vor, den Kommunen freie Hand zu geben, weil die am besten wissen, wo das Geld gebraucht wird.

Dabei ist auch von Ihnen unbestritten, dass die Beitragsfreiheit des dritten Kindergartenjahres natürlich von jeder Kommune umgesetzt wird, wenn sie nur dafür Geld bekommen kann. Das ist völlig klar.Aber dass damit kein zusätzliches Geld für diesen Bereich zur Verfügung gestellt wird,sondern nur Elternbeiträge ersetzt werden,das ist Ihnen auch wohl klar. Deswegen schlagen wir Ihnen vor, in diesem Bereich Freiheit für die Kommunen einzuführen, statt den goldenen Zügel zu verwenden, den Sie früher immer so heftig kritisiert haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir schlagen Ihnen vor, das wir unter dem Motto „Weg von Öl und Atom“ Ernst machen mit der Energiewende in Hessen. Ich finde es geradezu einen Skandal, dass wir gestern in erster Lesung einen Nachtragshaushalt eingebracht bekommen haben, in dem das Geld für erneuerbare Energien reduziert statt aufgestockt wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Das ist angesichts des Ölpreises, angesichts Ihres DübelDilemmas, angesichts dessen, was wir momentan auf dem Energiemarkt erleben,

(Norbert Schmitt (SPD): Ganz schön übel mit dem Dübel!)

ein Beweis dafür, dass die hessische CDU hinter dem Mond lebt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Clemens Reif (CDU):Wo ist der Mond?)

Der Mond ist da, wo Sie denken, dass die Erde eine Scheibe ist. Herr Reif, ungefähr da ist der Mond für die hessische CDU.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir schlagen Ihnen vor, 20 Millionen c zusätzlich für die hessischen Verkehrsverbünde zur Verfügung zu stellen, damit die angekündigten Fahrpreiserhöhungen und Streckenstilllegungen wegen der von diesem Ministerpräsidenten maßgeblich betriebenen Reduzierung der Regionalisierungsmittel nicht Realität werden.

Wir schlagen Ihnen zum Stichwort Zwangsverband Kultur – Herr Ministerpräsident, davon haben Sie heute nicht geredet – eine Alternative vor, die ausdrücklich sagt: Ja, wir brauchen für die Stadt Frankfurt eine gewisse Finanzierung des Landes,weil es aus historischen Gründen,weil die einen einmal Fürsten hatten und die anderen einmal freie Reichsstadt waren, schwer erklärlich ist, warum es in manchen Städten Staatstheater und Landesmuseen gibt und in der größten Stadt Hessens nicht. Ja, wir brauchen ausdrücklich eine gewisse Mitfinanzierung. Aber es ist ausdrücklich falsch, nur den engen Bereich des Ballungsraumgesetzes und des Planungsverbandes zur Mitfinanzierung heranzuziehen.

Vielmehr sollten wir einen großen Wurf machen: in Zukunft Drittelfinanzierung von Land, Sitzstadt und Kommunalem Finanzausgleich. Das würde unter dem Strich bedeuten, dass die Kommunen, die im Gebiet des Ballungsraumgesetzes liegen, deutlich weniger zahlen müssten, als im Kulturzwangsverband vorgesehen würde. Wenn man sieht, wie groß der Kommunale Finanzausgleich insgesamt ist und um welche Summen es geht, dann weiß man, dass es kaum von Gewicht für die einzelne Kommune ist; aber insgesamt ergibt es eine deutliche Summe. Die vorgeschlagene Lösung würde dazu führen – wir bitten, ernsthaft darüber nachzudenken –, dass wir nicht nur das Problem für Frankfurt lösen würden, sondern dass wir auch der Ungerechtigkeit in einem gewissen Maß entgegenstehen würden, indem die Stadt Kassel, der es finanziell nicht so gut geht und die für ihr Staatstheater ungefähr die Hälfte bezahlt,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Offenbach erst!)