Protokoll der Sitzung vom 23.11.2006

Herr Kollege Kaufmann, wenn die Sache nicht so ernst wäre, könnte man sagen: Das Übel mit dem Dübel – er verschwand in der Wand.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP und der SPD – Norbert Schmitt (SPD): Da hat er recht!)

Ich will es wirklich nicht auf die lächerliche Seite ziehen, dazu ist das Problem viel zu ernst. Ich erkläre für die FDP ganz klar und deutlich, was an diesem Pult von unserer Fraktion wiederholt gesagt worden ist: In Fragen der Sicherheit darf es keinen Rabatt geben, und mit uns gibt es keinen Rabatt.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Elisabeth Apel (CDU))

Ich will noch einen Punkt aufgreifen, den Sie von den GRÜNEN in Ihrer Pressemeldung angesprochen haben. Es geht um die Diskussion darüber,wer in Zukunft für die Atomaufsicht zuständig ist. Da sind wir dezidiert anderer Meinung als die GRÜNEN, die öffentlich gesagt haben, Atomaufsicht soll Sache des Bundes werden. Ich habe große Bedenken, was die Unabhängigkeit von Umweltministern à la Trittin und weiteren betrifft. Hier bin ich sehr vorsichtig. Deshalb sind wir der Meinung, dass die Kompetenz der Atomaufsicht weiter Ländersache bleiben muss. Ich sehe hier einen Widerspruch in Ihrer Argumentation. Als wir die Reaktorsicherheitskommission eingesetzt haben, haben Sie vehement dagegen argumentiert, im Haushalt Geld dafür einzusetzen. Jetzt schlagen Sie eine Rolle rückwärts, indem Sie fordern, der Bund müsse dafür zuständig sein. Das kann man Ihnen so nicht abnehmen.

Frau Kollegin Hammann, ich hänge noch ein Argument an: die Diskussion um die am Standort Biblis in einer Fertiggarage zwischengelagerten abgebrannten Brennelemente. Wer so mit Sicherheitsfragen umgeht, der hat verwirkt, an anderen Stellen mit erhobenem Finger auf andere zu zeigen.

(Beifall der Abg.Nicola Beer und Roland von Hun- nius (FDP))

Für die FDP ist klar:Wir haben und brauchen für die Zukunft einen Energiemix. Zu diesem Energiemix gehört auch Kernenergie. Das können und wollen wir nicht wegdiskutieren. Aber ich sage auch ganz deutlich: Wir brauchen einen höchstmöglichen Sicherheitsstandard. Hier ist der Betreiber aufgefordert, alles Mögliche zu tun und Vorkehrungen zu treffen, damit solche Vorfälle, wie sie jetzt mit den Dübeln eingetreten sind, nicht wieder vorkommen. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das Übel mit dem Dübel!)

Herr Heidel, vielen Dank. – Das Wort hat Herr Staatsminister Dietzel.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vom Kettensägen-Wilhelm zum Dübel-Dietzel!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Hessische Landesregierung steht zur friedlichen Nutzung der Kernenergie.Wir sagten es bereits: Seit über

siebeneinhalb Jahren, seitdem wir also an der Regierung sind, erfolgt die Nutzung auf höchstem Sicherheitsniveau.

Ich glaube, dass wir das beim Kernkraftwerk in Biblis auch bewiesen haben, indem wir durchgesetzt haben, dass es zu 80 sicherheitserhöhenden Maßnahmen kam.Das hat den Betreiber immerhin eine Investition von über 600 Millionen c gekostet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich schließe mich dem an, was Heinrich Heidel gesagt hat. Wir wollen den Energiemix unter Einschluss der Nutzung der Kernenergie. Wir setzen aber darauf, dass in Zukunft der Anteil der erneuerbaren Energien mehr und mehr zunehmen wird.

Ich möchte klarstellen, dass wir hinsichtlich der Dübelproblematik im Atomkraftwerk Biblis sofort und umfassend gehandelt haben. Wir haben erneut bewiesen, dass wir bei Sicherheit keinen Rabatt geben.

Am 20. September dieses Jahres wurde mein Haus darüber informiert, dass eine Ankerplatte offensichtlich fehlerhaft montiert wurde bzw. dass die Dübel, die die Platte halten, fehlerhaft montiert wurden.Wir haben sofort veranlasst, dass die Dübel dieser Bauart – es handelt sich nicht um Fischer-, sondern um Hilti-Dübel – sofort überprüft werden. Die Dübel wurden ausgebaut und untersucht.

Als wir gemerkt haben, dass dieselbe Montagefirma die gleichen Dübel nicht nur im Atomkraftwerk Biblis, Block A, sondern in den Jahren 2002 bis 2005 auch im Block B montiert hatte, haben wir veranlasst, dass das Kernkraftwerk Biblis, Block B, sofort vom Netz genommen wurde, damit kein Risiko eingegangen wurde.Das erfolgte am 16. Oktober dieses Jahres. Noch an demselben Tag haben wir eine Presseerklärung herausgegeben und die Öffentlichkeit über dieses Thema informiert.

Am 9. November 2006 gab es eine Sitzung des Umweltausschusses, die zu diesem Thema auf Antrag der GRÜNEN öffentlich abgehalten wurde. Wir hatten keine Probleme, den Sachverhalt entsprechend darzustellen. Ich habe dort ausführlich darüber berichtet,wie die Dinge abgelaufen sind. Die danach geführte Diskussion hat meiner Meinung nach zumindest dazu geführt, dass wir uns intensiv mit dem Thema beschäftigt haben.

Man muss sehen, was an Informationen insgesamt gegeben wird. Wir haben vereinbart – das kann man auch im Protokoll nachlesen –, dass ich während der nächsten Sitzung des Ausschusses für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz, d. h. am kommenden Donnerstag, also heute in einer Woche, wieder berichten werde.

Die Bau- und Atomaufsicht sollen zusammengeführt werden, habe ich in einem Zeitungsbericht gelesen. Ich meine, das sei in diesem Bereich nur in Bayern und in keinem anderen Bundesland so. Wir sehen im Augenblick keinen Anlass, das Verfahren, so wie es hier in Hessen läuft, zu verändern.

Ich lehne die Schaffung einer Bundesbehörde für Atomaufsicht nach wie vor ab. Ich habe das schon einige Male in Plenarsitzungen des Landtags begründet.Ich denke,die Sicherheit der Kerntechnik in Hessen sollte auch in Hessen behandelt und im Hessischen Landtag und nicht im Bundestag diskutiert werden. Ich kann hier sagen, dass die Hessische Landesregierung diese Kompetenz zumindest nicht freiwillig abgeben wird.Wir stehen hier in Wiesbaden zu unserer Verantwortung. Wir sind der Meinung,

dass es wesentlich effektiver ist, wenn die Verantwortung standortnah liegt und das Ganze standortnah diskutiert wird, als wenn das auf Bundesebene diskutiert würde.

Das Dübelsanierungsprogramm im Kernkraftwerk Biblis läuft. In der ersten Phase werden die Dübel kontrolliert und saniert. Das geschieht z. B. durch Nachsetzen oder durch den Ersatz mit neuen Dübeln.

In der zweiten Phase werden die schwer zugänglichen Dübel ertüchtigt werden. Die Sanierung wird mehrere Monate in Anspruch nehmen.

Mein Abteilungsleiter sagte dies bereits während der Sitzung des Umweltausschusses: Die Kontrolle der Montage hat versagt. – Ich denke, man kann aber trotzdem festhalten, dass die untere Bauaufsichtsbehörde in Heppenheim und die oberste Bauaufsicht, die im Wirtschaftsministerium angesiedelt ist, angemessen gehandelt haben. Mit der Bauüberwachung der Sanierung der Dübel wurden zwei neue Prüfingenieure beauftragt. Auch die Kontrolle der neu eingegangenen Bauaufträge wurde ihnen übergeben.

Bei diesen Prüfungen müssen, zumindest stichprobenartig, drei Dinge geprüft werden. Zum einen ist dies die Bohrlochtiefe. Dann muss geprüft werden, ob die rote Markierung an dem Dübel sichtbar ist. Das zeigt an, dass die Spreizung erfolgt ist. Außerdem kann das Drehmoment entsprechend kontrolliert werden. Wir mussten erkennen,dass dies nicht erfolgt ist.Ich habe mit Herrn Kollegen Rhiel am Montag vereinbart, dass die noch ausstehenden Aufträge auf einen neuen Prüfer übergehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf: Zwei Monate später!)

Ein Prüfingenieur, der in den Jahren 2002 bis 2005 nicht erkannt hat, dass 40 bis 50 % der 15.000 Dübel nicht richtig gesetzt sind, hat in einem hessischen Kernkraftwerk nichts mehr zu suchen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister Dietzel, vielen Dank. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist der Antrag unter Tagesordnungspunkt 48 abgehandelt.

Ich rufe nun Punkt 49 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Klare Grenzziehung zu Rechtextremisten auch für Studenten-CDU notwendig) – Drucks. 16/6359 –

Das Wort erhält Herr Kollege Schäfer-Gümbel für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am vergangenen Samstag berichtete die „Frankfurter Rundschau“ ausführlich darüber, dass ein bekennender und aktiver Neonazi in der Spitze des RCDS Gießen mitarbeitet. Der Betroffene ist zudem Sprecher der Burschenschaft Dresdensia-Rugia und Sprecher der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen, die vom Verfassungsschutz Brandenburg in Teilen als rechtsextremistisch eingestuft wird. Soweit die nüchternen Fakten.

Diese Burschenschaft erweist sich erneut als Neonazi-Kaderschmiede mit weit verzweigten Beziehungen in die gesamte bundesdeutsche Szene. Wir haben uns hier in die

sem Haus vor 18 Monaten intensiv mit der Grenzziehung zwischen rechtsextremistischen und demokratisch-konservativen Positionen beschäftigt. Damals waren wir uns einig, dass alle aufgefordert sind, diese klare Grenzziehung vorzunehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu ist aber auch entschiedenes und klares Handeln der Union erforderlich. Daran hat es in den vergangenen Jahren gemangelt. Wie schwer Sie sich damit tun, haben die Debatten um die Rolle des Herrn Irmer

(Lachen des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

und zuvor über die des Herrn Hofsommer oder des Herrn Hohmann gezeigt. Umso mehr ist die jetzt endlich erfolgte Unvereinbarkeitserklärung des RCDS in Sachen Dresdensia-Rugia zu begrüßen. Aber warum erfolgte das eigentlich nur beim RCDS in Gießen?

Wir haben aber auch erhebliche Zweifel am Verhalten und an der Sachverhaltsdarstellung des RCDS in Gießen in dieser Angelegenheit.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Gerade aufgrund der Ereignisse der letzten eineinhalb Jahre kann sich eigentlich niemand auf Nichtwissen berufen. Obwohl im RCDS mehrere aktive Burschenschaftler Mitglied sind,will bei der Wahl keiner gewusst haben,dass Herr Müller Sprecher der Dresdensia-Rugia war.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Der Gießener RCDS hat sogar einen Beauftragten für studentische Tradition.

Außerdem war das auch nicht der erste Vorfall. Wir erinnern uns noch gut an die Debatten um Herrn Irmer im vergangenen Jahr oder den Vorfall um einen Neonazi, der sich im Kölner RCDS breit gemacht hatte. Uns allen muss große Sorgen machen, was bei den Burschenschaften auch an Unterwanderung durch die NPD passiert.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Ja!)

Dieses Problem wird größer und nicht kleiner.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)