Protokoll der Sitzung vom 12.12.2006

Meine Damen und Herren, es wäre schön, wenn es anders wäre. Aber die Möglichkeitsform hilft in der Realität der Politik wenig und hilft uns auch auf Dauer nicht weiter, wie übrigens auch die Schönrederei der Regierung Koch und seines Finanzministers Weimar letztendlich den Haushalt nicht schöner macht. Hier finden wir Selbstlob statt verantwortlichen Handelns und Verbalakrobatik statt präziser Aussagen. Denn wer sich als Finanzminister wirklich und ehrlich um eine geordnete Haushaltswirtschaft und die Verringerung der Schulden bemüht, der hätte die Zahlenspielereien um die Verschuldungsgrenze, die Regelgrenze oder die strenge hessische Selbstbindung, wie immer die aktuellen Begrifflichkeiten genannt werden, nicht nötig.

Im Gegenteil, er würde so etwas meiden; denn alle diese Begriffsverschiebungen erschweren die Eindämmung der Verschuldung. Da aber der Finanzminister das Gegenteil macht, ist er nicht um Haushaltskonsolidierung bemüht, sondern sieht seine Aufgabe lediglich in fiskalischer Kosmetik.Aber noch nicht einmal diese gelingt ihm wirklich. Auch das letzte Mal haben wir darüber schon diskutiert. Man kann sich nur wundern, wenn man die voller Selbstgewissheit stolzierenden Schwarzen sieht und es mit denjenigen Ankündigungen vergleicht, die sie in der Vergangenheit schon zum gleichen Gegenstand getätigt haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will rekapitulieren: Die Nettoneuverschuldung war für das Jahr 2006, also das Jahr, das jetzt zu Ende geht, ursprünglich mit 470 Millionen c von Weimar geplant.Das stand im Jahre 2002 im Finanzplan. Ein Jahr später war die Neuverschuldungsplanung für das gleiche Jahr 2006 nach eben diesem Finanzplan schon auf 700 Millionen c angestiegen, ein weiteres Jahr später auf 900 Millionen c. Gemessen an all diesem sind die jetzt im Nachtragshaushaltsplanentwurf vorgelegten Zahlen einer Neuverschuldung von 880 Millionen c wahrlich kein großer Wurf.

Die wunderbare Reduzierung ergibt sich erst im Vergleich mit den Zahlen des Finanzplans aus dem vergangenen Jahr. Dort stehen für 2006 gigantische 1.675 Millionen c Neuverschuldung, also fast eine Verdoppelung gegenüber dem Jahr davor. Im Haushaltsentwurf dieses Jahres waren es immer noch verfassungswidrige 1.346 Millionen c.

Jetzt sind es also 880 Millionen c. Der FDP-Antrag fordert weitere 200 Millionen c weniger. Dann wären es 660 Millionen c. Damit wären wir immer noch nicht bei der ursprünglichen Planung.

Meine Damen und Herren, wer jetzt die siebte Variante für dieselbe Zahl von sich gibt – heute Abend werden wir sicher noch die aktuellste aus dem Mund des Finanzministers hören bzw. aus den Änderungsanträgen der CDUFraktion erfahren –, dem kann man wahrlich keine überzeugende Planung attestieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu passt das klassische Zitat aus der Zeitung für die klugen Köpfe. Sie kennen es alle schon auswendig.Wollen Sie es noch einmal hören?

(Zuruf des Ministers Karlheinz Weimar)

Gerne. – Das Zitat lautet:

Solide und transparent, wahr und klar, wie Haushaltswirtschaft zu sein hat, ist das alles nicht, sondern sprunghaft, windig, wirr, unüberlegt und nicht ganz seriös.

Genau das ist die nach wie vor leider richtige Beschreibung für diese Finanzpolitik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Minis- ters Karlheinz Weimar)

Damit sind wir bei dem Thema politische Verantwortung für die desaströse Verschuldungspolitik des Landes. Denn die im Stil von Siegesmeldungen verkündete Verringerung der geplanten Nettokreditaufnahme kann doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass unter Weimars Verantwortung die Regierung Koch einen absoluten Rekord der Neuverschuldung geschafft hat – ein Schuldenberg, der noch viele Jahre uns, unsere Kinder und Enkel drücken wird. Was angesichts der jetzt steigenden Einnahmen die Sache noch zusätzlich verschlimmert, ist der völlig fehlende Wille von Koch und Weimar, von den Schulden wieder herunterzukommen. Warum ist die Regierung nicht bereit, bei der Finanzplanung einen tatsächlichen Konsolidierungskurs einzuschlagen, sondern geht weiterhin von jährlichen Neuverschuldungen im Milliardenbereich aus? Herr Weimar, beantworten Sie doch einmal die Frage, wann Sie endlich ein Jahr ohne neue Schuldenmacherei planen, um endlich einmal mit Rückzahlungen beginnen zu können? Warum ist eine neuschuldenfreie Haushaltsführung in Ihrem Zielkatalog überhaupt nicht enthalten? Diese Fragen sollte man stellen,und man sollte sie,wie wir meinen, als Finanzminister auch beantworten können.

(Lachen des Ministers Karlheinz Weimar)

Meine Damen und Herren, liegt es daran, dass der zusätzliche Schuldenberg von CDU und – damals, zu Beginn der Regierung Koch – FDP mutwillig, ja vorsätzlich herbeigeführt wurde? Denn es war nicht nur 1999 die Abkehr vom Konsolidierungskurs der Vorgängerregierung – sofort wurden die Ausgaben deutlich erhöht –, sondern es waren auch noch die Blockadeaktivitäten der Landesregierung, allen voran Koch und Weimar, sinnvolle steuerpolitische Beschlüsse und Gesetzesnovellen nach dem Beschluss des Bundestages durch den schwarzen Block im Bundesrat zu torpedieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass schwarze Blöcke etwas Anarchistisches hatten und haben, das ist bekannt. Aber dass eine Regierung wie die hessische aus reiner und obendrein höchst verantwortungsloser Lust am Neinsagen sich selbst und die Landesfinanzen derartig schädigt, das ist schon bemerkenswert. Ein ehemaliger Kollege würde hierzu sagen: Das ist ein unglaublicher Vorgang.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Meine Damen und Herren,die Feststellung,dass es für die Blockadehaltung überhaupt keinen sachlichen Grund gab, wird eindeutig dadurch bestätigt, dass die Landesregierung selbst wiederum mithilft, beschließt und verteidigt, was in den Zeiten der Großen Koalition auf einmal

sinnvolle steuerpolitische Maßnahmen sind und unter Rot-Grün als Teufelszeugs auf ewig verdammt war.

Nicht nur finanzpolitische, sondern auch inhaltliche Fragen zukunftsfähiger Politik kann die Regierung nicht vernünftig beantworten.Auch hier stellt sie sich als Versager dar. Während alle Welt von der dringenden Notwendigkeit spricht und anfängt, zu handeln, um mit dem nicht mehr zu leugnenden weltweiten Klimawandel umzugehen,setzt die schwarze Landesregierung auf Ignoranz und Obstruktion. Die Mittel im Haushalt, bescheiden genug, fallen auch noch Kürzungen zum Opfer, die mit der zynischen Erläuterung: „weniger infolge sparsamer Mittelbewirtschaftung“ quittiert werden.

Ein solches Vorgehen charakterisiert die Politik der Regierung Koch deutlicher als manches andere. Ein Sensor für die Erfordernisse nachhaltiger Entwicklung und den Bedarf an vorausschauenden Maßnahmen ist nicht einmal rudimentär vorhanden. Statt sich mit Engagement und Konzepten dem Thema Klimaschutz zu stellen, wird ideenlos verwaltet und eingespart. Dass auf diese Weise die Probleme nicht kleiner, sondern größer werden, stört offensichtlich auch in der Regierungsfraktion niemanden, weil sie die Vorgaben der Regierung willenlos abnickt.

Meine Damen und Herren, wir werden uns diese Woche nochmals mit dem Nachtragshaushalt befassen. Ich habe wenig Hoffnung, dass in den weiteren Beratungen des Haushaltsausschusses noch Entscheidendes besser wird. Deswegen werden Sie sich nicht wundern, wenn wir GRÜNEN die Vorlage ablehnen. Sie bringt nichts Gutes für Hessen; denn Mittel werden an den falschen Stellen gekürzt, und die Zukunft wird auf diese Weise gestrichen. Zugleich schmückt sich die Landesregierung, wie dargelegt, mit fremden Federn und beendet in träumerischer Selbstverliebtheit das Haushaltsjahr 2006.

Weimar freut sich wie ein Kind bei der Bescherung unter dem Weihnachtsbaum über seine Punktlandung, die er wie immer fehlerfrei feststellt, indem er das Istergebnis bei Kassenschluss als Haushaltssoll in den Nachtrag schreibt und dann beglückt ausrufen kann: Das Delta ist null, Punktlandung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Nächste Wortmeldung,Herr von Hunnius für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Nachtragshaushalt 2006 ist ein Zeichen der Politik der Landesregierung, leider kein gutes. Zum einen kam es zu Korrekturen bei den Einnahmen, zum anderen bei den Ausgaben.Man kann dazu ganz einfach sagen:Bei den Einnahmen kam es zur Korrektur wegen des Geldsegens.Bei den Ausgaben kam es zur Korrektur wegen Fehlplanungen.

(Beifall der Abg. Nicola Beer und Dieter Posch (FDP))

Auf den Geldsegen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen werde ich noch zu sprechen kommen. Lassen

Sie mich jetzt ein paar Beispiele für die Fehlplanungen nennen. Denn nichts anderes ist hier zu verzeichnen.

Auf Seite 5 des Gesetzentwurfs kann man in der Begründung nachlesen, dass es wegen den Leistungen nach dem Ersatzschulfinanzierungsgesetz einen Mehrbedarf von 2,5 Millionen c gibt. Ebenfalls dort zu lesen ist, dass ausbleibende Einnahmen bei den Gerichtskosten zu 28,5 Millionen c führten. Daran erkennt man ganz deutlich: Da wurde nach Deckung gesucht. Dann hat man eine entsprechende Position genommen. Das hat dann nicht gereicht. Im Nachtrag wird das dann wieder entsprechend geändert. Das ist wirklich keine seriöse Haushaltspolitik.

(Beifall bei der FDP)

Es sind höhere Kosten in Betreuungssachen und für Sachverständige im Justizbereich in Höhe von 7,3 Millionen c veranschlagt. Außerdem ist ein Mehrbedarf bei den gesetzlichen Leistungen im Sozialbereich, für die Schwangerschaftskonfliktberatung und für Beihilfen vorgesehen. Für die Versorgung ist ein Mehrbedarf von rund 12,6 Millionen c veranschlagt.

Alle diese Positionen zeigen, dass der Haushalt in seiner ursprünglichen Fassung unseriös verfasst wurde. Man hat Mehrausgaben eingeplant, für die man keine Deckung hatte. Dann hat man, rein formal, versucht, eine Deckung herbeizuführen, indem eigentlich richtige Ansätze nach unten korrigiert wurden oder indem dort falsche Zahlen eingesetzt wurden.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich noch etwas zu den Beihilfen für Beamte und Versorgungsempfänger sagen. Hierzu wurde freundlicherweise eine Information des Finanzministeriums verteilt, in der es um einen Punkt geht, der in der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses behandelt wurde. Dazu gab es Fragen von Abgeordneten der Fraktion der GRÜNEN. Unter Punkt 4 lautet der zweite Satz:

Aktuell zeichnet sich ein Mehrbedarf von rund 15 Millionen c im Bereich der Beihilfen ab, der durch eine zusätzliche Veranschlagung im Nachtragsplanentwurf gedeckt werden soll.

Diese Begründung interpretiere ich ungefähr so: Wir brauchen mehr, weil wir mehr brauchen. Deswegen brauchen wir mehr.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Frank-Peter Kaufmann und Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Eine Analyse der Ursachen, weshalb der Ansatz die falsche Höhe aufwies, unterbleibt hierbei voll und ganz.

Für alle politischen Ebenen gilt: Priorität muss die Senkung der Neuverschuldung haben. Denn nur dann können wir dahin kommen,dass wir ab einem bestimmten Tag mit dem Abbau der Schulden beginnen können. Das zu tun, sollten wir uns schon fest vornehmen. Wir sollten irgendwann mit der Nettorückzahlung beginnen können. Schuldenmachen muss die Ausnahme werden. Leider ist es die Regel.

Es ist deshalb positiv, dass sich die Landesregierung vorgenommen hat, die Mehreinnahmen aus dem höheren Steueraufkommen zur Senkung der Verschuldung zu verwenden. Unglaubwürdig allerdings ist das Verhalten der Mitglieder der CDU-Fraktion. Übrigens gilt dies auch für die Mitglieder der SPD-Fraktion. Wir hatten in unserem Antrag ausdrücklich die Forderung erhoben, dass dieses

Prinzip nicht nur im Land, sondern auch im Bund angewendet werden soll. Dieser Teil des Antrags wurde von der Ausschussmehrheit zur Ablehnung empfohlen.

Dieses Verhalten ist aus einem ganz besonderen Grund unglaubwürdig. Diesen kann man leicht nachvollziehen. Im Bund gibt es Steuermehreinnahmen in Höhe von rund 9 Milliarden c. Dort wird die Verschuldung aber nur um rund 2 Milliarden c reduziert. Das war der Grund, weshalb unter anderem die Roten und die GRÜNEN gesagt haben:Das werden die in Berlin nicht schaffen.Deswegen sollten wir lieber vorsichtig sein und uns hier in Hessen dazu nicht festlegen.

Dieses Prinzip findet man leider wieder, und zwar dann, wenn man sich ansieht, was mit den Steuermehreinnahmen – –

(Zuruf des Ministers Karlheinz Weimar)

Herr Minister, sollen wir tauschen? Man sollte das Mikrofon an Ihrem Platz einschalten. Dann kann man Sie besser hören.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Minister, wir alle freuen uns doch über die Steuermehreinnahmen. Natürlich tun Sie das auch. Ich wehre mich aber dagegen, dass man die Steuermehreinnahmen für die Lösung des Problems hält.

(Beifall der Abg. Nicola Beer und Dorothea Henz- ler (FDP))