Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Wenn man so rechnet, ist am Ende alles wirtschaftlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass Sie davon ausgehen, dass am Ende der Laufzeit des Mietvertrages, also nach 30 Jahren, ein denkmalgeschütztes Gebäude, das seit 1907 dort steht, abgebrochen werden muss, Sie die Kosten draufrechnen und sagen, der Verkauf sei wirtschaftlich sinnvoll.

(Michael Boddenberg (CDU): Sie haben keine Ahnung, Herr Al-Wazir! – Weitere Zurufe von der CDU)

Ich kann Ihnen nur noch einmal raten: Das, was Sie jetzt gleich beschließen werden, ist ein Riesenfehler, der Aus

wirkungen auf Generationen von Menschen, auch auf Politikerinnen und Politiker im Lande Hessen haben wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Lebhafte Zurufe von der CDU)

Ich will das noch nicht einmal eine Milchmädchenrechnung nennen, denn wenn man das eine Milchmädchenrechnung nennen würde, dann könnten die Leute darauf kommen,dass der Vergleich von Karlheinz Weimar mit einem Milchmädchen eine Beleidigung für alle Milchmädchen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich lasse über die Beschlussempfehlung abstimmen. Wer der Beschlussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ich stelle fest, dass der Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zugestimmt worden ist.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 82 auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Landesregierung betreffend Verzicht des Landes Hessen auf die Rückübertragung der kreiseigenen Liegenschaft Darmstädter Straße 269 in Bensheim-Auerbach; hier: Zustimmung des Hessischen Landtags nach § 64 LHO – Drucks. 16/6726 zu Drucks. 16/6372 –

Berichterstatter ist Herr Abg. Weinmeister. – Auf die Berichterstattung wird verzichtet.

Erste Wortmeldung, Herr Kollege Schmitt für die Fraktion der SPD. Redezeit: fünf Minuten pro Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir hätten gerne darauf verzichtet, diesen Punkt noch aufzurufen. Die Dehnung der Geschäftsordnung – um es vorsichtig auszudrücken – führt aber dazu, dass wir diese Immobilientransaktion jetzt noch behandeln müssen.

Herr Kollege Schmitt, ich will Sie nur darauf hinweisen, dass der Ältestenrat festgestellt hat, dass es sich nicht um eine Dehnung handelt, sondern um eine korrekte Verfahrensweise.

(Reinhard Kahl (SPD): Das hat er nicht festgestellt!)

Ich bitte Sie, die Behauptung zu unterlassen, die Geschäftsordnung des Hessischen Landtags sei durch den amtierenden Präsidenten gedehnt worden. Das ist schlichtweg falsch.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Um was geht es? Ein Gebäude in Bensheim-Auerbach, das seit dem letzten Krieg als Kinderheim genutzt worden ist – ursprünglich von der US-Militärregierung beschlagnahmt, dann dem Lande Hessen mit der Auflage übertragen, dass das Gebäude an den Kreis Bergstraße weitergegeben werden soll, damit es als Kinderheim genutzt wird –, soll jetzt verkauft werden.

Nachdem der Kreis Bergstraße – ich finde, auch durch eigenes Verschulden – durch die Aufnahme von Schulden immer tiefer ins Defizit gerutscht ist, hat er sich das Land zum Vorbild genommen und will nun Immobilien verkaufen, aus unserer Sicht: öffentliches Vermögen verschleudern.

Zunächst hat es – das macht den ganzen Vorgang noch interessanter – eine Ausschreibung gegeben, die sich aber als rechtswidrig und dubios herausgestellt hat.Das hat der Rechnungshof festgestellt, nachdem ich ihn angerufen habe und nachdem auch der Finanzminister gesagt hat, er möchte untersucht haben, ob dieses Kinderheim überhaupt veräußert werden dürfe, nachdem es diese Auflage der US-Militärregierung gibt,die auch im Grundbuch eingetragen ist.

Eine Mehrheit aus Mitgliedern der Fraktionen der CDU und der FDP im Haushaltsausschuss hat gesagt: Jawohl, das Kinderheim soll verkauft werden. – Wir haben dem widersprochen und das Plenum angerufen, weil wir glauben, dass dieser Verkauf auch sozialpolitisch ein Skandal ist.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Dass jetzt noch in diesem Jahr Fakten geschaffen werden sollen, ist auch deswegen problematisch, weil mittlerweile eine Petition des Trägervereins anhängig ist. Ich hoffe, dass wenigstens die parlamentarischen Gepflogenheiten gewahrt werden, dass die Entscheidung des Petitionsausschusses abgewartet wird, bevor der Kaufvertrag am Ende vollzogen wird, wenn Sie Ihre Entscheidung aus dem Haushaltsausschuss aufrechterhalten.

Der Verkauf ist aus unserer Sicht falsch und auch nicht zu rechtfertigen. Die Behauptung, das Kinderheim sei überflüssig, ist völlig aus der Luft gegriffen. Das Kinderheim ist ausgelastet. Selbst nach der Beschlussfassung im Oktober dieses Jahres hat der Kreis wieder ein Kind in dieses Heim eingewiesen. Das Kinderheim ist zur Hälfte mit Kindern aus dem Kreis Bergstraße und zur Hälfte mit Kindern aus anderen Landkreisen belegt. Würde das Haus verkauft, würde es zu einer Verknappung von Kinderheimplätzen kommen. Was hätte das zur Folge? Es würde zu Engpässen bei der Einweisung kommen, und es würde zu steigenden Preisen der Heimunterbringung führen. Das liegt doch auf der Hand, wenn das Angebot verknappt würde. Beides ist schlecht, und beides muss vor einem Verkauf bedacht werden. Für die SPD-Fraktion steht jedenfalls fest, dass dieser Verkauf ein sozialpolitischer Skandal und eine völlig falsche Weichenstellung ist.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Mittlerweile sind wir so weit, dass das Land und der Kreis Bergstraße ein Kinderheim verkaufen müssen, um finanziell über die Runden zu kommen. Der Kämmerer des Kreises und der Finanzminister freuen sich über Einnahmen von jeweils 1,3 Millionen c.Wer sich aber nicht freut, sind die betroffenen Kinder, die Mitarbeiter und der Trägerverein. Denen haben Sie kurz vor Weihnachten ein böses Geschenk gemacht. Das ist eine ganz üble Sache. Ich

fordere Sie noch einmal auf, diesen Verkauf nicht zu vollziehen – zumal die Sache im Petitionsausschuss anhängig ist –, die Sache noch einmal zu überlegen und möglicherweise im nächsten Jahr zu entscheiden, wenn das Petitionsverfahren abgeschlossen ist.Wir werden diesem Verkauf nicht zustimmen. Sie schlagen hier den falschen Weg ein.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abg. von Hunnius, FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Schmitt, Sie sprechen von einem „Skandal“. Ich muss aber sagen, die Art und Weise, wie die SPD des Kreises Bergstraße den gesamten Landtag hier in Anspruch nimmt, um ihre Spielchen aus dem Kreistag fortzuführen, das ist der wirkliche Skandal.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das Ganze wird noch getoppt durch den Kollegen Kahl, der in einer eigenartigen Auslegung der Geschäftsordnung versucht, zu erreichen, dass die Besprechung erst im nächsten Jahr erfolgt.

(Reinhard Kahl (SPD): Über die Auslegung reden wir noch! Die deutsche Sprache ist eindeutig!)

Er tut dies in der klammheimlichen Hoffnung,dass bis dahin der Käufer abgesprungen ist. Das ist doch das Spiel, das Sie hier betreiben. Sie wollen die Angelegenheit hier behandeln,um sie zu verzögern.Diese Taktik ist nicht aufgegangen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Dieses Spielchen machen wir nicht mit.

(Reinhard Kahl (SPD): Lesen Sie die Geschäftsordnung! – Weitere Zurufe von der SPD)

In Ihrer Begründung haben Sie sich zu der Behauptung verstiegen, der Kreis habe gesagt, man brauche das Kinderheim. Das Gegenteil ist richtig, Herr Kollege Kahl. Fragen Sie einmal den Kollegen Schmitt. Der Kreis braucht das Kinderheim eben nicht. Das ist doch Fakt.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Das ist nicht wahr! – Weitere Zurufe von der SPD)

Der Kreis hat gesagt, er braucht das Heim nicht.

(Reinhard Kahl (SPD): Sie müssen lesen, was im Bericht steht!)

Lesen Sie den Bericht durch. Das steht da gar nicht drin.

Worum geht es also? Ihnen liegt der schriftliche Bericht vor. Es gibt in Bensheim-Auerbach ein Kreiskinderheim. Dieses Kreiskinderheim befindet sich auf einem relativ großen Grundstück. Herr Kollege Schmitt, ich darf Sie daran erinnern, dass der Kreistag bereits im Jahr 2002 beschlossen hat, diese Liegenschaft zu einem Kaufpreis von 2,4 Millionen c zu veräußern. Schon damals scheint die Not groß gewesen zu sein; denn im Jahr 2002 gab es eine Große Koalition im Kreis Bergstraße, an der die SPD beteiligt war.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD):Wie lange dauert eine Legislaturperiode? Sie erzählen Unsinn! Es gab keine Große Koalition 2002! Das stimmt gar nicht!)

Natürlich. Lesen Sie das doch nach, am 4. November 2002.

Allerdings sollte ein Teil davon dem Kinderheim zur Verfügung gestellt werden.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Okay. Das nehme ich zurück. Es war ein Irrtum, was den Zeitpunkt der Großen Koalition anbetrifft.