Protokoll der Sitzung vom 31.01.2007

Meine Damen und Herren, wir können anhand der Antwort auf die Große Anfrage erkennen, dass wir in Hessen ein völlig unnachvollziehbares und unkoordiniertes Fördersystem der einzelnen Kommunen haben. Das ist erstaunlich. Wenn Sie sich die Antwort auf die Große Anfrage anschauen, dann stellen Sie fest, dass es Städte gibt, die eine Landesförderung bekommen, und Städte, die überhaupt keine Landesförderung bekommen. Ich bin sehr gespannt darauf, zu erfahren, nach welchen Kriterien diese Förderung stattfinden soll. Deshalb halte ich die Große Anfrage der SPD in diesem Punkt auch für gut, weil sie uns nämlich auf einen Punkt gestoßen hat,den wir hinterfragen werden.Es kann nicht sein,dass es keine eindeutigen Kriterien gibt, welche hessischen Kommunen einerseits gefördert werden und welche hessischen Kommunen andererseits nicht gefördert werden. Das werden wir hinterfragen.

Meine Damen und Herren,klar ist auch,dass es in Hessen sehr viele positive Ansätze der Familienpolitik gibt. Ich

will jetzt nicht in das Horn stoßen, in das Herr Kollege Reißer gestoßen hat.Er hat aber nicht unrecht.Es passiert viel, was wichtig ist. Das Frühfördersystem in Hessen ist nicht schlecht.Auch der Umgang mit behinderten jungen Menschen ist nicht schlecht. Das gehört auch zur Wahrheit dazu. Deshalb kann man nicht immer nur schwarz und weiß malen: Die eine Landesregierung macht es gut, und die andere Landesregierung macht es schlecht. – Oft liegt die Wahrheit in der Mitte.

Anhand der Antwort auf die Große Anfrage wird darüber hinaus deutlich, dass wir in den einzelnen Landesteilen völlig unterschiedliche Situationen haben. In Nordhessen ist die Situation für Familien einfacher; denn sie haben geringere Kosten als Familien im Rhein-Main-Gebiet. Im Rhein-Main-Gebiet sind die Kosten für Familien nun einmal erheblich höher als in anderen Landesteilen.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Das ist ein Problem, das wir als Staat erkennen müssen. – Frau Kollegin Fuhrmann, es ist wie immer so, dass es ein Problem gibt und Sie eine staatliche Lösung dazu parat haben, nämlich den staatlichen Wohnungsbau.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Meine Damen und Herren, Sie sollten auch die geringe Kinderproduktion in Hessen staatlich organisieren. Das ist sicherlich Ihre Antwort auch auf diese Frage. Ein Problem tritt auf, und die SPD hat eine staatliche Antwort darauf. Das ist unglaublich.

(Beifall bei der FDP – Petra Fuhrmann (SPD): Und ihr habt gar keine in der Sozialpolitik!)

Frau Ypsilanti hat das Thema der Tagesmütter angesprochen. Dabei war ich sehr erstaunt. Frau Ypsilanti, Sie haben in Ihrer Rede gesagt, von diesen könne man nicht eine so hohe Qualität erwarten. Ich glaube, dabei liegen Sie falsch, Frau Ypsilanti. Das ist zunächst einmal eine Frechheit gegenüber den zahlreichen Tagesmüttern, die diesen Job machen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Widerspruch bei der SPD)

Die Tagesmütter machen ihren Job mit höchstem Engagement. Natürlich geht es aber auch darum, dieses Tagespflegepersonal weiterzubilden. Wir können natürlich nicht von null auf hundert die gleichen Anforderungen an diese Damen und Herren stellen – es sind allerdings sehr wenige Herren – wie z. B. an ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher.Das ist richtig.Wir können aber nicht sagen, dass es in diesem Bereich keine Qualität gebe. Das entspricht nicht der Wahrheit.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Frau Schulz-Asche hat in ihrer Rede versucht, die Frage nach der Situation von Eltern in Hessen zu beantworten. Es ist ein sehr bunter Strauß von Problemen,die Eltern haben.Dies betrifft z.B. die Frage der Kosten für ein Kind, Kosten für eine Ausbildung, Kosten für eine vernünftige Ausstattung. Bei all dem, womit Kinder heute in Kindergarten und Schule konfrontiert werden, z. B. mit Markenartikeln, sind Eltern gefordert. Das ist keine einfache Situation. Finanzen spielen natürlich eine Rolle. Natürlich spielt aber auch die Frage eine Rolle, ob Eltern in der Lage sind, mit Kindern umzugehen. Man lernt es nicht mehr, Kinder zu erziehen. Das fand ich sehr interessant. Dabei bin ich zum großen Teil Ihrer Meinung.

Frau Ministerin, ich glaube, wir müssen uns sehr stark mit der Frage auseinandersetzen, wie wir es schaffen können, dass Eltern die Kompetenz haben, Kinder großzuziehen. Hierzu sind unter anderem auch von Ihnen Anträge eingebracht worden. Diese werden wir hoffentlich sehr engagiert im Ausschuss und im Plenum diskutieren. Klar ist aber, dass wir von Eltern nicht erwarten können, dass sie diese Kompetenz mitbringen. Wo sollen sie es denn gelernt haben? Die Antwort auf die Große Anfrage zeigt eindeutig, dass nicht mehr drei Generationen unter einem Dach leben, dass man nicht mehr einfach die Eltern oder Großeltern fragen kann, wenn man Probleme mit einem Kind hat. Häufig ist man auf sich allein gestellt. Ich weiß das von vielen Kolleginnen und Kollegen, die weit weg von ihren Eltern wohnen und ihre Kinder am Wochenende nicht einfach zur Betreuung bei den Eltern abgeben können. Deshalb ist es ein Thema, wie wir es schaffen, Erziehungskompetenz zu vermitteln.

Ich meine, das ist eine Aufgabe, um die sich der Staat mit kümmern muss. An dieser Stelle kann er Rahmenbedingungen setzen. Das ist ein Thema, bei dem der Staat Rahmenbedingungen setzen kann, indem er Eltern die Möglichkeit gibt, zu erlernen, wie man Kinder erzieht, Fragen zu stellen, aufgezeigt zu bekommen, wohin man sich wenden kann, wenn es Probleme gibt.

Frau Ministerin,ich bin der Auffassung,dass wir in Hessen Ausbaubedarf haben.Sie haben das selbst im Rahmen des Sparpakets damals gefordert. Im Zuge der „Operation sichere Zukunft“ ist es anders gekommen.Es sollte aber ein Thema dieser Landesregierung sein, die Erziehungskompetenz der Eltern deutlich zu fördern.

Bündnisse für Familie sind ein schönes Beispiel dafür, dass man durch Verzahnung und Netzwerke oft deutlich mehr erreichen kann als durch ein staatliches Programm. Häufig geht es darum, verschiedene Institutionen an einen Tisch zu bringen.Das Beispiel habe ich bereits des Öfteren genannt, aber ich nenne es noch einmal. Das Haus der Familie in Melsungen,das von der dortigen Kommune und von privaten Investoren unterstützt wird, ist ein Beispiel hierfür. Man hat es geschafft, verschiedene Institutionen sogar räumlich zu bündeln, sodass Eltern einen Ansprechpartner haben. Die Eltern wissen, wohin sie sich wenden müssen. Die Eltern wenden sich dorthin und finden dort alles, was mit diesem Thema zu tun hat. Das ist absolut unstrittig ein einfaches Modell. Wir müssen es aber auch in den Kommunen umsetzen.

(Beifall bei der FDP)

Die Bündnisse für Familie sind ein erster Schritt in diesem Bereich. Sie können dazu führen, dass diese Netzwerke gebildet werden und diese Kooperationen erreicht werden. Das halte ich für richtig. Ich halte es auch für richtig, dass sich die Frau Ministerin in diesem Bereich so engagiert; denn der Benefit besteht doch darin, dass man Institutionen verzahnt und Problemlagen in den Kommunen aufdeckt, die oftmals unterschiedlich sind. Dieser Benefit ist nicht hoch genug einzuschätzen. Deshalb wird das von uns sehr unterstützt.

(Beifall bei der FDP)

Ich freue mich sehr auf die Debatte mit den hessischen Sozialdemokraten über die Frage, was sie ganz konkret in der hessischen Familienpolitik besser machen würden, was sie anders machen würden und wie sie Familienpolitik organisieren wollen. Ich darf verraten, dass ich eine Vorahnung habe, dass sich das sehr stark im staatlichen Bereich abspielen wird. Sie werden staatliche Angebote

nach dem Motto fordern, dass der Staat immer mehr tun muss. Das wird aber nicht die Antwort sein, um Hessen wirklich familienfreundlich zu machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Zu einer Kurzintervention erteile ich Frau Kollegin Ypsilanti das Wort.

Herr Rentsch, Sie sind so voller Vorurteile, dass Sie überhaupt nicht mehr hinhören. Deshalb möchte ich zwei Anmerkungen machen.

Natürlich ist die Entscheidung für Kinder eine private Angelegenheit. Wir wissen aber auch, dass es viel mehr Kinderwünsche gibt, als später realisiert werden. Die Gründe hierfür, die abgefragt worden sind, liegen darin, dass sie keine ausreichende Betreuung haben, dass sie keine Sicherheit haben, dass ihre Kinder qualitativ hochwertig betreut werden. Das ist ein Problem für die Menschen. Es ist Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass es Angebote in dieser Qualität gibt. Das war meine Aussage.

(Beifall bei der SPD)

Ich lasse mir von Ihnen nicht in den Mund legen, ich würde Tagesmüttern Qualität absprechen. Ich habe mein Kind drei Jahre lang von zwei Tagesmüttern betreuen lassen, weil ich in Frankfurt keine Möglichkeit hatte, mein Kind in eine Institution zu geben. Ich würde aber nie auf die Idee kommen, Tagesmüttern Qualität abzusprechen. Mir wäre es damals aber recht gewesen, ich hätte einen Platz für mein Kind gehabt und hätte mein Kind gemeinsam mit anderen Kindern von einer gelernten Erzieherin pädagogisch betreuen lassen können. Nur darauf zielte meine Bemerkung ab. Eine Tagesmutter macht ihren Job mit Fingerspitzengefühl. Sie macht es mit Engagement. Sie macht es so, wie sie es macht, weil sie vielleicht selbst Kinder hat. Eine Pädagogin bzw. eine Erzieherin ist aber etwas anderes. Das möchte ich Familien bieten können.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Sozialministerin Lautenschläger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Hessische Landesregierung hat drei klare Ziele ihrer Familienpolitik, die sie in den vergangenen Jahren verfolgt hat, die sie aber auch weiter als die Perspektive für Familien nach vorne herausstellen will.

Das ist zum einen das Thema:Eltern entlasten,Strukturen festigen und die Netzwerke ausbauen. Man kann sehr deutlich die Änderungen der Familienstrukturen absehen, und was wir deshalb an Veränderungen vornehmen müssen. In der Antwort auf die Große Anfrage ist deutlich zum Ausdruck gekommen, dass wir inzwischen eine ganz andere Familienstruktur haben. Der Trend geht immer stärker zur Ein-Kind-Familie. Wir haben mehr Alleinerziehende, und wir haben 40.000 Paare in der Sozialhilfe und 40.000 Alleinerziehende in der Sozialhilfe.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

In diesem Hause diskutieren wir schon sehr lange gemeinsam, was wir machen können, um denen bessere Perspektiven zu bieten, die schon Kinder haben, und wie wir es schaffen,gemeinsam den Menschen,die Kinder wollen, die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen.

Für uns gehört das Thema Arbeitsplätze dazu. Denn gerade für Alleinerziehende ist das eines der Hauptthemen, warum sie in der Sozialhilfe sind. Oft können sie einer Arbeit nicht nachgehen, weil keine Möglichkeit zur Kinderbetreuung besteht. Deswegen besetzen wir diesen Schwerpunkt im Ausbau der Kinderbetreuung, aber wir schaffen auch mehr Plätze für unter Dreijährige.

Ich will schon sehr deutlich sagen:Wir wollen, dass die Eltern wählen können. Deswegen sind in unseren Programmen – wie es auch das Tagesbetreuungsausbaugesetz vorsieht – die Tagesmütter und die Krippen einander gleichberechtigt. Wir machen niemandem eine Vorschrift, was er tun soll.Wir animieren sowohl die Kommunen als auch die freien Träger, beide Angebote vorzuhalten, damit Eltern ihre Entscheidung treffen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Rafael Rei- ßer (CDU): Individuell!)

Das muss bei der Tagesmutter genauso qualitativ hochwertig möglich sein wie in der Kinderkrippe. Wir halten beides für richtig, aber natürlich müssen das die Eltern entscheiden.

(Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wer die Netzwerke für Tagesmütter in Hessen kennt, wer weiß, welche Schulungsprogramme dort angeboten werden und wie engagiert Tagesmütter tätig sind, der weiß auch, dass wir bundesweit hier Vorreiter sind, gerade was das Qualitätsbedürfnis in diesem Bereich angeht.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir ruhen uns aber hier nicht aus.Wir wissen, nach wie vor brauchen Eltern verbesserte Rahmenbedingungen. Allein im letzten Jahr haben wir den Anteil der Plätze für die unter Dreijährigen um weitere 5.000 gesteigert und liegen damit bei den Flächenländern im Westen – das ist sicher klar – weit vorne.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Trotzdem heißt es, jetzt mit dem BAMBINI-Programm, mit den zusätzlichen Mitteln, die dort zur Verfügung stehen,

(Petra Fuhrmann (SPD): Welche zusätzlichen Mittel? Es gibt keine!)

auch im Jahr 2007 nochmals die Anzahl der Betreuungsplätze für die unter Dreijährigen zu steigern, damit sich die Rahmenbedingungen für Familien verbessern.

(Petra Fuhrmann (SPD): Es gibt überhaupt kein bisschen zusätzlicher Mittel dafür!)

Frau Fuhrmann, schreien Sie doch nicht so laut. Sie wissen, wir haben diese Themen längst aufgenommen. Sie versuchen hier, Weltbilder darüber zu konstruieren, was die Landesregierung angeblich nicht will.Wir wollen, dass Eltern vernünftige Rahmenbedingungen vorfinden. Deswegen sind mit dem BAMBINI-Programm 100 Millio

nen c zur Verfügung gestellt worden, um die Eltern zu entlasten

(Lachen des Abg. Norbert Schmitt (SPD))