Protokoll der Sitzung vom 31.01.2007

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen heute leider feststellen: Nichts davon ist Wirklichkeit geworden – außer Pleiten, Pech und Pannen

(Günter Rudolph (SPD): Und leeren Versprechungen!)

hat die Landesregierung nichts vorzuweisen. – Die Menschen in Nordhessen haben damals auf die Aussage des Ministerpräsidenten vertraut. Herr Ministerpräsident, heute sehen sie sich von Ihnen bitter getäuscht und im Stich gelassen. Die Sorge, dass Nordhessen wirtschaftlich abgehängt wird, insbesondere Werra-Meißner

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Sie können doch die Leute nicht verplanen! Sie haben doch jahrelang verhindert!)

Herr Kollege, hören Sie doch einmal zu –, wird in Nordhessen immer größer.

(Axel Wintermeyer (CDU): Sie wollen die Realität nicht wahrnehmen!)

Übrigens ist die Kritik an der Vorgängerregierung, die Herr Lübcke hier vorgetragen hat, vollkommen gegenstandslos. Bereits seit Regierungsübernahme im Jahre 1991 durch Ministerpräsident Eichel wurde vom damaligen Verkehrsminister Lothar Klemm die Planung zum Weiterbau der A 44 betrieben, bis im Jahre 1994 die Maßnahme als Verkehrsprojekt Deutsche Einheit gemeinsam mit dem Bundesverkehrsministerium weiter vorangekommen ist.

(Clemens Reif (CDU): Das ist doch gar nicht wahr!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, heute muss man feststellen, dass die Planfeststellung für den einzigen bislang realisierten Bauabschnitt von rund 4 km Länge noch unter der SPD-geführten Landesregierung erzielt wurde.

(Beifall bei der SPD)

Weiter muss man feststellen, dass die Regierung Koch dagegen bislang keine einzige rechtskräftige Planfeststellung erwirkt hat, sondern damit vor Gericht gescheitert ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Lichtenauer Hochland, in dem der beklagte Bauabschnitt liegt, wurde im Jahr 2000 – also unter der Regierung Koch – als FFH-Gebiet gemeldet. Seit diesem Zeitpunkt musste das FFH-Regime bei den Planungen beachtet werden. Dies ist offenbar aber nicht ausreichend geschehen; denn das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in seiner Urteilsbegründung vom Mai 2002 massive Verfahrensmängel festgestellt und diese der Landesregierung vorgeworfen. So sagte das Gericht, dass das Land seiner Pflicht zur Alternativenprüfung gemäß Art. 6 Abs. 4 FFH-Richtlinie im konkreten Fall der Prüfung einer Südtrasse nicht nachgekommen sei. Daraufhin hat das Gericht den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig erklärt und einen Baustopp verhängt.

Meine Damen und Herren,bei einem mit gebotener Sorgfalt geführten Verfahren unter Beachtung der europarechtlichen Vorgaben wäre die Klage des BUND mit großer Wahrscheinlichkeit abgewiesen worden. Ich stelle fest, damit hat die Landesregierung durch gerichtlich bestätigte Verfahrensmängel einen entscheidenden Beitrag zu der bedauerlichen Verzögerung und der heute unerträglichen Situation geleistet.

(Beifall bei der SPD)

Wir jedenfalls können der Landesregierung nicht bescheinigen, dass sie „den Anforderungen an eine moderne Infrastruktur in beispielhafter Weise nachkommt“,wie es im Antrag der CDU-Fraktion heißt. Sich heute als Opfer des BUND und der rot-grünen Landesregierung darzustellen, wie Sie dies tun, meine Damen und Herren, und einzig und allein dem BUND die Verantwortung für die Verschleppung zuzuweisen, das akzeptieren wir nicht.

(Gerhard Bökel (SPD):Wer regiert denn hier?)

Das ist der Versuch der politischen Legendenbildung, um sich selbst von jeglicher Verantwortung und von allen Fehlern reinzuwaschen. Ich sage es noch einmal. Fakt ist, das eigene Unvermögen der Landesregierung im Planfeststellungsverfahren hat zu Baustopp und Stillstand geführt. Das wissen auch die Menschen in Nordhessen.

Gleichwohl habe ich nicht das geringste Verständnis für die erneute Klage des BUND im Hinblick auf den nunmehr geänderten Planfeststellungsbeschluss. Die Landesregierung hat nachgebessert und naturschutzrechtliche Planungsdefizite behoben.

Meine Damen und Herren, es hat drei Jahre gedauert, aber nicht ein Jahr, wie Sie es nach dem Baustopp versprochen haben, Herr Minister Rhiel. Gleichwohl liegen nunmehr seit Dezember 2005 ein rechtskräftiger Planfeststellungsbeschluss und damit Baurecht vor. Die Landesregierung hätte also bereits vor Monaten mit den Bauarbeiten beginnen können. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, weshalb dies nicht geschehen ist, weshalb man auf eine Entscheidung im Eilverfahren verzichtet hat und das Hauptsacheverfahren abwarten will.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Rhiel, entgegen Ihrer Erwartung ist das Hauptsacheverfahren immer noch nicht abgeschlossen. Ihre Entscheidung war falsch, und Sie leisten damit der Verschleppung weiteren Vorschub.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn die Landesregierung von der Rechtsstaatlichkeit des neuen Planfeststellungsbeschlusses überzeugt ist, dann dürfte es für

den Baufortgang kein gerichtliches Risiko mehr geben. Das Hauptsacheverfahren liegt nun in Leipzig und harrt der Dinge. Das kann lange dauern. Daher habe ich nicht ganz unbegründete Zweifel, ob es der Landesregierung tatsächlich gelingen wird, bis zur Landtagswahl auch nur einen einzigen Meter der A 44 zu bauen.

(Beifall bei der SPD)

Auch bei der A 49 oder beim Riederwaldtunnel sehe ich noch keine großen Schritte, allenfalls Trippelschrittchen.

(Günter Rudolph (SPD):Versprechungen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das alles passt aber nicht zum Jahr des Straßenbaus, das die Landesregierung Anfang des Jahres mit aufgeblasenen Backen ausgerufen hat. Sie können gewiss sein, dass wir ganz genau hinschauen werden, was Sie in diesem Jahr des Straßenbaus in Hessen leisten.

(Beifall bei der SPD)

Die erneute Klage des BUND gegen den Bau der A 44 halte ich im Übrigen für eine Provokation gegenüber den verkehrsgeplagten Anwohnern in den betroffenen Kommunen und gegenüber der regionalen Wirtschaft. Man muss leider den Eindruck gewinnen, dass ein Mitwirkungsrecht der Öffentlichkeit von einer kleinen Minderheit, die den Bau offenbar gänzlich verhindern will, instrumentalisiert wird, um die Maßnahme doch noch zu Fall zu bringen. Der Verband riskiert damit Glaubwürdigkeit und gesellschaftliche Akzeptanz. Das finde ich sehr schade. Zudem entspricht dieses Verhalten nicht dem Geist der rechtlich gesicherten Öffentlichkeitsbeteiligung, die wir nach wie vor unterstützen. Das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen.

(Beifall bei der SPD)

Der Bau der A 44 ist unter einer breiten Beteiligung der Bevölkerung in den dazu demokratisch legitimierten Parlamenten mit großer Mehrheit beschlossen worden. Jetzt kann es nur noch darum gehen, eine möglichst umweltverträgliche und die Ressourcen schonende Umsetzung herbeizuführen, die im Übrigen auch die FFH-Richtlinie ermöglicht, wenn zwingende Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen. Ich bin überzeugt, dass bei dieser Maßnahme diese zwingenden Gründe vorliegen.

Meine Damen und Herren, gleichwohl wird immer offenkundiger, welch eine zentrale Bedeutung einem rechtsstaatlich unangreifbaren Verfahren zukommt. An dieser Stelle ist die Landesregierung wieder in der Pflicht. Natürlich spielen das Planungsrecht und vor allem die Dauer der Planungsverfahren eine nicht minder wichtige Rolle. Deshalb begrüßt die SPD-Fraktion ausdrücklich das vom Deutschen Bundestag und vom Bundesrat im November 2006 beschlossene Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz, auch wenn es ein furchtbares Wortungetüm ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Bauen muss in Deutschland einfacher werden. Das gilt insbesondere für die Verkehrsinfrastruktur.

(Beifall bei der SPD)

Das neue Gesetz ermöglicht eine Entbürokratisierung bei den Zulassungsverfahren so weit wie möglich und mit EU-Recht vereinbar, und zwar ohne einseitige Belastung von Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltschutz.Das ist der richtige Weg. Diesen Weg werden wir unterstützen.

Zudem regen wir an, auch auf europäischer Ebene eine Evaluierung der entsprechenden Rechtswerke vorzunehmen.Es spricht aus meiner Sicht nichts dagegen,die rechtlichen Regelungen auch des FFH- und Vogelschutzrechts nach rund zehnjähriger Geltungsdauer ergebnisoffen zu evaluieren. Das machen wir mit allen Gesetzen. Deshalb sollte auch dieser Bereich einer Evaluierung unterzogen werden.

(Beifall bei der SPD)

Zudem muss aus meiner Sicht nun zügig die rechtskräftige Ausweisung des Netzes Natura 2000 auf europäischer Ebene vorgenommen werden. Ich bin sicher, auch das wird zur Rechtsklarheit bei Planungsverfahren in FFHund Vogelschutzgebieten beitragen.

Das neue Planungsrecht muss nunmehr auch in Hessen Anwendung finden. Wir sind der Auffassung, es wird zur Vereinfachung und Beschleunigung beitragen.

Abschließend möchte ich anmerken, dass wir dem Antrag der CDU-Fraktion nicht zustimmen werden. Sie können es nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden wir ebenfalls nicht zustimmen; denn die GRÜNEN wollen die A 44 nicht.

Der Änderungsantrag der FDP-Fraktion steht ebenfalls zur Diskussion.Auch diesem Antrag werden wir nicht zustimmen.Herr Kollege Hahn,ich habe großes Verständnis dafür, dass die FDP die Ergebnisse der Posch-Kommission in ein rechtes Licht rücken will.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): In ein zutreffendes Licht, nicht in ein rechtes Licht!)

Ich räume ein, dass einige Vorschläge der Posch-Kommission Eingang in das neue Gesetz gefunden haben. Es entspricht aber wohl eher Ihrem Wunschdenken als der Realität, wenn Sie in Ihrem Antrag formulieren, dass das neue Beschleunigungsgesetz in „wesentlichen Teilen auf die Vorschläge der... Posch-Kommission zurückzuführen“ sei.

Frau Pfaff, Sie müssen zum Schluss kommen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Regierung Schröder bereits im Mai 2005 einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht hat. Dessen zentrale Inhalte sind nun im neuen Gesetz verankert.

Frau Pfaff, bitte kommen Sie zum Schluss.

Noch einen Satz zum Abschluss: – Die Einbringung erfolgte zu einem Zeitpunkt,zu dem die Öffentlichkeit noch gar nichts von einer Posch-Kommission wusste.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist aber interessant!)