Meine Damen und Herren, das wollen Sie nicht zulassen, sondern diffamieren. Sie wollen es letztlich auch noch behindern. Mit dem, was Sie nun der privaten Krankenversicherung antun wollen, unterstützen Sie den Marsch in die Staatsmedizin, der Ihnen im Jahr 1957 nicht gelungen ist.
Ich appelliere an Sie, zu bedenken, dass diese Reform umkehrbar ist, liebe Kollegen von der Union. Das ist der entscheidende Punkt, damit die Privaten nicht völlig unter die Räder geraten.
Ich denke, Sie sollten sich damit befassen, dass Sie auf der einen Seite für einen totalen Wettbewerb eintreten und neoliberale Positionen vertreten
und auf der anderen Seite für ein mittelalterliches Zunftwesen im Bereich der Apothekerschaft und der Ärzte eintreten. Damit müssen Sie leben. Das ist meines Erachtens ein Zeichen dafür, wie weit Ihre Kompetenz im Wirtschaftsbereich geht.
Ich habe auch nicht die Notwendigkeit eines Reformbedarfs in der gesetzlichen Krankenversicherung bezweifelt. Ich habe darauf hingewiesen, dass es in allen anderen europäischen Ländern – bis auf Belgien – gelungen ist, sich für ein System mit verschiedenen Ausformungen und verschiedenen Stufen zu entscheiden. Das sind wie bei uns sehr komplizierte Systeme.Aber in keinem einzigen Land ist es gelungen, zwei Systeme nebeneinander aufrechtzuerhalten. Ich meine, dass dies passiert ist, um die gesetzliche Krankenversicherung gegen die Wand fahren zu lassen, aber nicht, um die private Krankenversicherung kaputtzumachen. Das ist meines Erachtens der Hintergrund, der hinter diesem Gesetz steht.
Frau Wagner, Sie haben gesagt, die private Krankenversicherung sei die beste Lösung überhaupt. Man hätte sich schon im Jahr 1957 anders entscheiden müssen und das kapitalgedeckt organisieren sollen.
Die USA sind ein Beispiel dafür, wie es läuft, wenn man das über private Versicherungen organisiert. Dort steht das System der privaten Finanzierung vor der Wand.Es ist sozusagen bankrott. Dabei ist deutlich geworden, dass das System nicht in der Lage ist, die Menschen langfristig und medizinisch gut zu versorgen. Dieses Beispiel ist also gescheitert. Die Entwicklung in den Niederlanden warten wir einmal ab und reden später darüber. In den USA verlieren schon die ersten Befürworter der Privatversicherung die Wahlen. Ich hoffe, dass es für Bush und die Verkörperung dieses privaten Ansatzes auch bald zu Ende ist.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. – In diesem Bereich gibt es noch großen Reformbedarf. Diesem wird hoffentlich ohne die FDP und auf vernünftigen Grundlagen der Gesundheitspolitik und eines Finanzierungssystems nachgekommen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe unumwunden zu: Hätte die Hessische Landesre
gierung den Gesetzentwurf zum GKV-WSG geschrieben, wäre das Ergebnis mit Sicherheit deutlich wettbewerbsfreundlicher und nachhaltiger gewesen.Außerdem hätten wir eine stärkere Entkopplung von den Lohnnebenkosten erreicht.
Es war jedoch eine schwierige Kompromissfindung, die nach wie vor in einigen Feldern der Diskussion bedarf. Es gibt aber durchaus Bereiche, bei denen man sagen kann, dass es zaghaft in die richtige Richtung geht. Heute Morgen haben wir eher die Auseinandersetzung über virtuelle Modelle der Bürgerversicherung vernommen, wie sie Frau Kollegin Schulz-Asche vorgetragen und Herr Kollege Spies eingebracht haben. Diese Modelle lehnen wir entschieden ab. Deshalb haben wir versucht, mithilfe eines Kompromissmodells Weichen zu stellen.Ich lege Wert auf die Feststellung, dass wir in diesem Raum nicht darüber streiten, dass Menschen einen Krankenversicherungsschutz haben sollen, Frau Kollegin Schulz-Asche. So habe ich auch die Ausführungen von Herrn Kollegen Rentsch verstanden. Wir fragen aber gemeinsam, ob Ihre Bürgerversicherung, die Sie hier vorstellen, das richtige Modell ist.
An dieser Stelle sagen wir klar Nein. Deshalb haben wir innerhalb der Großen Koalition in Berlin versucht, Wege zu finden, wie wir an verschiedenen Stellen mehr Wettbewerb im heutigen System verankern können und wie an verschiedenen Stellen mehr Transparenz geschaffen wird, aber gleichzeitig ein Gesundheitswesen entsteht, von dem nicht eine große Mehrzahl ausgeschlossen ist, sondern in dem alle einen Krankenversicherungsschutz erhalten.
Nach dem Gesetzgebungsverfahren wird es weiter darum gehen, mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen einzuführen. Es ist sicher kein Geheimnis, dass in diesem Bereich nachgesteuert werden muss. Es ist aber ein erster Schritt.
Frau Kollegin Oppermann hat einige Bereiche benannt, bei denen man bereits jetzt eindeutig sagen kann, dass etwas erreicht worden ist, auch für die Versicherten. Dies betrifft die Frage von Impfungen, Mutter-Vater-Kind-Kuren und geriatrischen Rehabilitationen.
Auch die Palliativmedizin bietet wichtige Voraussetzungen, um sich den Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft zu stellen. Dort haben wir uns sehr dafür eingesetzt,dass bestimmte Bereiche erhalten bleiben.Das haben wir mit weiteren hessischen Maßnahmen flankiert. Darauf möchte ich nochmals hinweisen. Beispielsweise geht es um ein Strukturgutachten Palliativmedizin, das wir als Land gerade in Auftrag gegeben haben,um mit den Krankenkassen dort zu weiteren und besseren Konzepten zu kommen.
Aber auch das Thema Leistungsverbesserungen für Heimbewohner ist aus meiner Sicht ein ganz wichtiger Bereich. Wenn wir über integrierte Versorgung sprechen, will ich darauf hinweisen, dass sich künftig die Pflegeversicherung inhaltlich und finanziell an derartigen integrierten Versorgungsverträgen beteiligen kann. Das bereinigt Schnittstellen und macht es hoffentlich möglich, dass wir hier zu einer deutlich besseren Verzahnung kommen. Denn das ist ein Bereich, der heute manchmal hin- und hergeschoben wurde, was für Versicherte und Patienten große Schwierigkeiten gebracht hat.Dort muss integrierte Versorgung ansetzen.
Durch Einzelverträge und bei der Frage, was Kassen künftig aushandeln können, haben einige wettbewerbsrechtliche Elemente in diesen Bereich über Tarifgestaltung Einzug gehalten. Das merken Sie daran, dass alle großen Krankenkassen derzeit große Arbeitsstäbe gegründet haben, um endlich Wahloptionen für Versicherte einführen zu können, und sich intern aufstellen, um mit solchen neuen Punkten umzugehen.
Beispielsweise wird in erweitertem Umfang davon Gebrauch gemacht, mit Ärzten besondere Vereinbarungen zu treffen, die von der kollektivvertraglichen Versorgung abweichen oder deutlich darüber hinausgehen. Künftig können Krankenkassen solche Verträge allein oder in Kooperation mit anderen Kassen aushandeln. Ärzte können als einzelne Gruppe oder als Managementgesellschaft Vertragspartner in der integrierten Versorgung werden. Das Wettbewerbsfeld der Einzelverträge umfasst die hausarztzentrierte Versorgung genauso wie die gesamte ambulante ärztliche Versorgung sowie einzelne Bereiche der ambulanten Versorgung. Man kann sicherlich nicht davon ausgehen, dass hier kurzfristig eine Vielzahl neuer Verträge entsteht, aber es wird eine Basis für mehr Wettbewerb geschaffen, vor allem für Wettbewerb um die Versorgung der Patienten.
Das halte ich für eine ganz wichtige Verankerung im Gesetz: dass wir anfangen, wirtschaftliche Versorgungsangebote zu schaffen, die miteinander im Wettbewerb stehen, anstatt nur darauf zu schauen, wie hoch der Beitragssatz der einzelnen Kassen ist. Denn wirtschaftliche Versorgungsstrukturen haben natürlich auch eine Auswirkung auf den Beitragssatz und auf die Möglichkeit, was ein Versicherter eigentlich von vornherein mitbestimmen kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, insofern gibt es sowohl Licht als auch Schatten in diesem Gesetzentwurf, über den wir hier sprechen. Wir verknüpfen dort ganz unterschiedliche Bereiche miteinander,und das macht die Komplexität und die Schwierigkeit des gesamten Gesetzesvorhabens aus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will aber nochmals darauf hinweisen, dass wir nach der ersten Verabschiedung im Bundestag noch eine ganze Reihe von Änderungen im Bundesrat zu erwarten haben, die wir gerade in den Eckpunkten verankert hatten, an denen ich beteiligt war, die aber nicht im Gesetz standen.
Ich habe es sehr deutlich gemacht: Diesen Gesetzentwurf haben wir leider nicht hier in Hessen erarbeiten können, sondern der ist an anderer Stelle erarbeitet worden. In diesem Entwurf stand eine ganze Menge von Punkten,die wir in den Eckpunkten vereinbart hatten, schlichtweg nicht mehr drin. Im Übrigen standen dort auch manche Dinge nicht drin, die nicht im Koalitionsvertrag standen, beispielsweise zum belegärztlichen Versorgungssystem.
Mit den Änderungsanträgen, die heute im Gesundheitsausschuss des Bundestages verabschiedet werden sollen, haben wir die Aufnahme dieser Punkte erreicht, damit in Zukunft die belegärztliche Versorgung tatsächlich noch richtig entlohnt wird. Wenn es die Selbstverwaltung nicht schafft, wird sofort der Hebel angesetzt, um das ins DRGSystem zu überführen.Ich halte das für einen für das Land Hessen äußerst wichtigen Punkt.
Denn wenn dies nicht verabschiedet würde, hieße das für einen großen und weiten Teil unserer krankenhausärztlichen Versorgung im Belegarztwesen – von dem wir sehr stark betroffen sind –, dass die belegärztlichen Abteilungen, die die ambulante und die stationäre Versorgung ab
solut gut miteinander verknüpfen, kein vernünftiges Auskommen mehr hätten. Wenn innerhalb der Selbstverwaltung dort nicht schnell nachgebessert wird, heißt es, das wird durch dieses Gesetz in das DRG-System überführt.
Das wollen auch die hessischen Belegärzte. Dort ist für uns ein ganz wichtiger Punkt gesetzt worden: dass dies über die Änderungsanträge nun tatsächlich Eingang in den Gesetzentwurf findet. Sonst hätten wir in Hessen ein Problem gehabt,das manche Länder,die beim Ausbau der Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung nicht so weit sind, nicht gehabt hätten. Uns hätte die Patientenbezogenheit gefehlt, und gleichzeitig wäre das Gesundheitswesen teurer geworden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will auch sehr deutlich machen, dass es natürlich Punkte gibt, mit denen wir nach wie vor nicht zufrieden sind – beispielsweise wenn es darum geht, wo man Nachhaltigkeit hätte besser verankern können oder wie der Basistarif im Detail aussieht, wie dort tatsächlich die Möglichkeit eröffnet wird, dass man an verschiedenen Stellen besser zwischen GKV und PKV wechseln kann. Das gefällt mir nach wie vor nicht, und es wird in den nächsten Jahren weiterer Diskussionen bedürfen. Dazu sind aber auch die entsprechenden Mehrheiten erforderlich.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte nochmals auf den Faktor Arzneimittel eingehen.Auch dabei gibt es wieder einen ganz wichtigen hessischen Punkt. An der jetzigen Gesetzeslage waren übrigens alle Parteien, die hier im Hessischen Landtag vertreten sind, auf der Bundesebene beteiligt – als das damalige GKV-Modernisierungsgesetz verabschiedet wurde.
Die FDP hat es im Ausschuss abgelehnt? Aber sie war zuvor an den Verhandlungen beteiligt. Dann bitte ich um Entschuldigung.
Das haben wir damals aber genauso kritisch gesehen. Das heutige Gesetz – mit dem IQWiG und der reinen Kostenbewertung – ist für den Standort Hessen eine echte Katastrophe. Die Regelungen zur Kosten-Nutzen-Bewertung, die jetzt neu ins Gesetz hineinkommen, sind deutlich besser als das, was wir heute haben.
Natürlich haben wir darüber auch mit unseren hier ansässigen Unternehmen gesprochen.Wenn es überhaupt einer Kosten-Nutzen-Bewertung bedarf, dann wollen wir, dass der medizinische Fortschritt grundsätzlich Eingang in die normale gesetzliche Krankenversicherung findet. Wir wollen ihn nicht nur für die privat Versicherten. Deswegen muss zumindest sichergestellt sein, dass alles tatsächlich nach internationalen Standards stattfindet.
Zwar wurde im Vorfeld immer wieder gegen diese internationalen Standards diskutiert, aber inzwischen sehen alle, dass beispielsweise in England oder Frankreich noch Medikamente zugelassen sind, die in Deutschland auf der Kippe stehen. Darum haben wir uns bemüht, und ich denke, wir sind zu einem vernünftigen Ergebnis gelangt und verbessern dort die Bedingungen.
Wir führen die Möglichkeit ein, eine Kosten-Nutzen-Bewertung zu machen, bei der auch die Lebensqualität der Menschen wieder Berücksichtigung findet. Dieses Thema geht mir in der öffentlichen Diskussion nach wie vor viel zu sehr unter. Die Lebensqualität eines chronisch Kran
ken muss dort auch Berücksichtigung finden und genauso in die Abwägung aufgenommen werden. Heute geschieht das allein unter Kostengesichtspunkten, und zwar – aus unserer Sicht – noch auf fehlerhafte Weise.
Deswegen sind wir auch in der Diskussion, wie weit diese Gesetzgebungskompetenz schon Ausstrahlungswirkung auf die heutigen Verfahren haben wird. Das ist für uns ein ganz entscheidender Schritt. Denn dann heißt es für die großen Hersteller auch, dass sie nach den internationalen Standards die Chance haben,ihre Produkte den Patienten hier in Deutschland, wie auch in anderen Ländern, weiter auf Kassenrezept anbieten zu können.