Protokoll der Sitzung vom 01.02.2007

Anders als Frau Hofmann bin ich der Auffassung, dass wir uns, wenn wir uns von dem Aktenvortrag verabschieden würden, ein Stück weit von der juristischen Praxis entfernen.Wir würden ihr damit nicht näher kommen.

Ich darf daran erinnern, dass nach der Ablegung des zweiten juristischen Staatsexamens jeder berechtigt ist, jeden juristischen Beruf auszuüben. Deswegen sollte die zweite juristische Staatsprüfung auch abprüfen, ob die betreffenden Personen dazu in der Lage sind.

Der bisherige Aktenvortrag soll die Beratungssituation in einem Kollegialspruchkörper simulieren, also die Situation in einer Kammer oder, zu einem späteren Zeitpunkt der beruflichen Karriere, in einem Senat. Da ist es natürlich nicht so, dass jemand nur eine Stunde Zeit hat, eine Akte inhaltlich und rechtlich zu durchdringen. Selbstverständlich können sich diese Personen in einem gewissen Maß Zeit nehmen – in der Regel sind das mindestens drei Tage –,um zu einer fundierten Bewertung zu kommen,die sie dann in dem Kollegialorgan vortragen kann.

Jetzt soll vorgesehen werden, dass man eine Stunde Vorbereitungszeit hat und dann ein fertiges Konzept haben muss. Man muss dann die inhaltliche Erfassung, die rechtliche Durchdringung und die spätere Darstellung innerhalb einer Stunde bewältigen. Das ist etwas, was in der juristischen Praxis eigentlich nicht vorkommt. Am ehesten kommt das wahrscheinlich noch bei einem anwaltlichen Beratungsgespräch vor, bei dem man sofort oder zumindest ziemlich schnell Antworten auf die Fragen geben muss, die gestellt wurden.

Das vorgeschlagene Verfahren hat ansonsten aber mit der juristischen Praxis weniger als das bisherige Verfahren zu tun. Das mag man notfalls hinnehmen. Wir werden im Ausschuss sicherlich darüber beraten. Das muss man aber auf jeden Fall im Kopf haben.

Mich hat auch noch die Frage beschäftigt, ob dadurch nicht behinderte Kandidatinnen und Kandidaten, z. B. Blinde, stärker benachteiligt werden, als das bei der Regelung der Fall ist, die bisher angewandt wird. Ich habe mich einmal kundig gemacht und mit blinden Kolleginnen und Kollegen gesprochen, die in anderen Bundesländern nach diesem neuen Prinzip bereits Prüfungen abgelegt haben. Die haben gesagt: Es war zu bewältigen. – Wichtig war ihnen aber, dass bei ihnen die Vorbereitungszeit ausreichend verlängert wurde. Das müssen wir auch in Hessen beachten.Außerdem konnten sie ihre Hilfsmittel auch entsprechend einsetzen.

Beim Kurzvortrag muss weniger Stoff als bei einem umfangreichen Aktenvortrag gelesen werden. Ansonsten wäre die Vorbereitung, zu der man eine Stunde Zeit hat, allein schon nach dem Lesen beendet. Vielleicht besteht sogar die Chance, den betroffenen Kandidatinnen und Kandidaten das Material in digitaler Form zur Verfügung zu stellen. Damit könnte man ihnen die Prüfung im Endeffekt vielleicht sogar erleichtern. Das sollten wir im Ausschuss beraten.

Wie Sie sehen, stehe ich der hier vorgeschlagenen Regelung offen gegenüber. Wenn wir die Unterlagen der Regierungsanhörung bekommen könnten, wäre es denkbar, dass wir auf eine eigene mündliche Anhörung verzichten. Wir sollten das im Ausschuss besprechen und danach zu sachgerechten Entscheidungen kommen. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Das Wort hat der Abg. Hahn für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen für die FDP-Fraktion mitteilen, dass wir uns nicht dagegen verwehren, eine Veränderung im zweiten Staatsexamen vorzunehmen, wir uns aber fragen, ob das alles noch sinnvoll ist, was wir hier tun.Wieso muss eigentlich ein Landesgesetzgeber – wir reden doch von Bürokratieabbau, von Regelungen minimieren – sich darüber entscheiden, ob es einen Aktenvortrag oder einen Kurzvortrag gibt?

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,das kriegen wir Liberale nicht so richtig rund. Herr Kollege Dr. Jürgens, darüber hinaus kriegen wir Liberale nicht so richtig rund, dass bei dem Ausbildungssystem für die Juristen immer der Richter gesehen wird.

(Beifall des Abg. Dieter Posch (FDP))

Sie haben das eben klassisch, sicherlich unbewusst, gemacht, indem Sie vorgetragen haben, dass ein Aktenvortrag etwas für ein Kollegialorgan beim Landgericht – Entschuldigung, bei Kammer und Senat, haben Sie gesagt – ist. Herr Kollege Dr. Jürgens, ich darf darauf hinweisen, dass unter 5 % derjenigen, die das juristische Ausbildungssystem erfolgreich durchlaufen, letztlich Richter werden.Auf der anderen Seite darf ich Sie beruhigen,dass so etwas wie ein Aktenvortrag insbesondere in der anwaltlichen Tätigkeit sehr häufig vorkommt.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hat er doch gesagt!)

Der Anwalt bekommt nämlich die Akten des Mandanten in aller Regel völlig ungeordnet, ordnet sie zunächst und fasst dann zusammen, um in einem ersten Mandantengespräch sozusagen die Strategie zu erörtern. Das werden mir die Anwaltskollegen hier im Raum sicherlich bestätigen.

(Beifall bei der FDP)

Dazu braucht man in der Regel mehr als eine Stunde.Das, was jetzt mit der einen Stunde gemacht wird, ist eine relativ praxisferne Veranstaltung. Darin sind wir uns einig.

Denn es gibt eigentlich wenig Lebensbereiche, die von einem Juristen – das meine ich jetzt nicht zynisch – innerhalb von einer Stunde eine abgeschlossene Rechtsmeinung erfordern. Ich kann mich in meiner über 25-jährigen Praxis daran erinnern, das kommt eigentlich nur vor, wenn Sie mit einer relativ falschen Rechtsmeinung vor einen Senat des Oberlandesgerichts oder einen Senat des VGH gegangen sind.Wenn dort der zuständige Berichterstatter erklärt – das kann einen oder den gegnerischen Kollegen treffen, und das hat nichts mit der Person Hahn zu tun –: Diese Rechtsmeinung wollen wir gerade einmal klarstellen, die ist jetzt nicht Grundlage der Entscheidung des Senats, sondern wir haben die Rechtsmeinung eins, zwei,drei.Dann kann es passieren,dass Sie innerhalb kürzester Zeit in irgendeiner Weise qualifiziert reagieren müssen.

Ansonsten von einem Juristen zu erwarten, er muss erst einmal in der Kommentarliteratur nachschauen – das ist jetzt mit dem Heraussuchen im Computer alles viel einfacher als vor zehn Jahren –, ist nicht so richtig realitätsnah.

Dritte Bemerkung.Wir sind doch ganz ehrlich.

(Norbert Schmitt (SPD): Das sind wir immer!)

Das hat uns noch keiner gesagt. – Man hört es doch überall. Der einzige Grund, warum das gemacht wird, ist, weil die Justizprüfungsämter Angst haben, dass ansonsten die Kuschmänner und Repetitoren dieser Welt mit ihren Informationen alles in den Griff kriegen.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen,meine Herren,ich halte das für eine relativ unbeachtliche Größe. Wenn man einen Aktenvortrag hält, kann es sein, dass die Repetitoren den Lösungsvorschlag irgendwie zur Verfügung stellen. Ich sage das jetzt einmal sehr untechnisch. Meistens muss dafür etwas bezahlt werden, wenn ich das richtig höre, und man hört es manchmal so.

Aber es muss doch für einen Prüfer ein Leichtes sein, mit der ersten Frage nach der heruntergebeteten Vorlage von eins, zwei, drei, vier, fünf, Kuschmann, Alpmann, Schmidt oder wie die alle heißen, festzustellen, ob der Kandidat tatsächlich weiß, wovon er redet. Sehr geehrter Herr Minister, auch da sind wir nicht in Übereinstimmung mit den Damen und Herren in Ihrem Hause, die meinen, weil die Repetitoren so eine Übermacht hätten, weil das Schummelpotenzial – ich nenne es mit meinen Worten – so groß ist, müsse man von dem Aktenvortrag heruntergehen.

Letzte, ganz zentrale Bemerkung. Eigentlich ist der Vorschlag, den wir hier erörtern, Kleinkram. Wir müssen uns eigentlich darüber unterhalten: Wollen wir den Bolognaprozess im Bereich der Juristen beachten oder nicht? Wollen wir eine Bachelor- oder Masterausbildung haben, ja oder nein?

(Zuruf von der CDU: Nein!)

Ich lese dazu nichts. Ich merke nur bei der Arbeit und höre, dass man es bisher offensichtlich ignoriert. Dazu muss man aber einmal Stellung nehmen. Es ist doch relativ einfach zu sagen:Wir machen einmal ein bisschen Aktenvortrag, verkürzen von drei Tage auf eine Stunde. – Das kann nicht richtig sein. Dazu gehört eine Entscheidung: Will die Hessische Landesregierung tatsächlich weiterhin an der Schimäre des Einheitsjuristen mit der Folge festhalten, dass eine Ausbildung hin zum Richterberuf organisiert wird, obwohl – wie ich eben gesagt habe – unter 5 % der erfolgreichen Absolventen des juristi

schen Staatsexamens Richter werden? – Sie wissen, ich sage es gern noch einmal als letzten Satz, Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren – –

(Der Redner wendet sich zum Präsidium.)

Ich wollte mich nur über das Geschlecht informieren, das hinter mir sitzt. Deshalb habe ich mich gerade umgeschaut.

(Heiterkeit)

Es gibt doch auch Vizepräsidentinnen. Ich kann mich daran erinnern, dass wir auf alle Fälle zwei haben.

(Heiterkeit)

Sie wissen,dass wir als FDP genauso,wie es auch der deutsche Anwaltverein sagt, einen Abschied von der Schimäre des Einheitsjuristen nehmen müssen, dass wir eine Ausbildung zum juristischen Vorbereitungsdienst, zum Anwaltsvorbereitungsdienst, zum Verwaltungsvorbereitungsdienst organisieren müssen. Das alles sind die zentralen Fragen. Deshalb ist es eigentlich Kleinkram, sich über die „drei Tage oder eine Stunde“ zu unterhalten. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

In voller Bewunderung der optischen Wahrnehmung des Kollegen Hahn bedanke ich mich für seinen Vortrag

(Heiterkeit)

und schließe die Aussprache. Wir müssen den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung überweisen, und zwar an den Rechtsausschuss. Widerspricht dem jemand? – Da es nicht der Fall ist, ist es somit beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Errichtung der Frankfurter Sparkasse als Anstalt des öffentlichen Rechts (Fraspa-Gesetz) – Drucks. 16/6805 –

Redezeit: zehn Minuten. Das Gesetz bringt der Herr Minister für Wirtschaft, Dr. Rhiel, ein.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen heute das sogenannte Fraspa-Gesetz zur Beratung vortragen und Sie bitten, dieses Gesetz in der Beratung positiv zu begleiten und dann in der Schlussphase im Plenum entsprechend zu verabschieden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sogenannte Umwandlungsgesetz der Frankfurter Sparkasse hat eine lange Geschichte, auf die sie aufbauen kann. Die ehemalige Sparkasse 1822, Trägerin war die Polytechnische Gesellschaft, wurde durch Landesgesetz im Jahre 1988 – Sie erinnern sich – mit der Stadtsparkasse Frankfurt vereint.

Jetzt mache ich einen großen Sprung. Vor einigen Jahren gab es durchaus Probleme in der Marktposition, in der Wettbewerbsfähigkeit der Frankfurter Sparkasse. Damals war die Frage: Wie kann gerade am Bankenplatz Frankfurt die Sparkasse auch in Zukunft stabil und wettbewerbsfähig aufgestellt sein? – Ergebnis eines breiten Kon

senses vieler Gespräche war, dass für die Frankfurter Sparkasse ein strategischer Partner gesucht und schließlich gefunden wurde. So übernahm die Hessische Landesbank die Frankfurter Sparkasse.

Bevor die Übernahme erfolgen konnte, musste die Frankfurter Sparkasse in eine Körperschaft des privaten Rechts umgewandelt werden, also in eine AG. Nach der Übernahme war allen Beteiligten schon in Verbindung mit dem Versprechen klar – sie haben sich gegenseitig dieser Zielsetzung versichert –, dass nach gelungener Integration, das ist nun inzwischen ökonomisch erfolgt, diese Frankfurter Sparkasse wieder in eine Anstalt öffentlichen Rechts zurückgewandelt werden soll. Genau das sind der Inhalt und der Gegenstand dieses Gesetzes, das ich mit dieser ersten Lesung einbringe. Die Umwandlung soll qua Gesetz zum 01.07.2007 erfolgen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Rechtsformwechsel soll die Identität der Frankfurter Sparkasse, die sich wieder sehr gut entwickelt, wahren. Lediglich das Rechtskleid wird geändert. Deswegen schlagen wir Ihnen in diesem Gesetzentwurf vor, dass die Frankfurter Sparkasse in ihrer neuen Rechtsform sofort, indem wir bereits auf das künftige Sparkassengesetz Bezug nehmen, Stammkapital bildet.

Diese Identität wahrende Umwandlung ist sehr wichtig, weil damit die Marktposition der Frankfurter Sparkasse in der bisherigen Form bei der Umwandlung in eine Anstalt öffentlichen Rechts ähnlich klar fundiert wird wie beim Grundkapital der jetzigen AG.