Das Ganze findet in diesem Lande statt, bei jemandem, der schon zig Jahre hier ist. Jetzt sage ich nur: Wer ernsthaft über diese Themen spricht,dem rate ich Realismus an und nicht die uralten Geschichten.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was hat das mit Sprachkursen zu tun?)
Deshalb ist das, was die CDU-Fraktion beantragt hat, natürlich richtig. Das kann doch niemand ernsthaft bestreiten. Wenn Sie jemanden, der kein Deutsch kann, der hier überhaupt niemanden versteht, hierher holen, dann halten Sie diese Person sprachlos und verständnislos – und beides bedeutet hilflos. Es ist billig in politischem Sinn – das sage ich sehr deutlich –, jemandem zu sagen: Komm her. – Dann ist der Betreffende hier, und dann ist er 15 oder 20 Jahre hier, ohne ein Wort Deutsch zu können.Wir haben doch eine ganze Menge solcher Fälle. Diese Frauen können nie alleine auf die Straße ohne männliche Begleitung von Söhnen, Brüdern oder des Mannes. Sie haben keine Chance, an dem gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Dies halte ich für falsch, und das müssen wir ändern, wenn wir nicht eines Tages noch mehr Probleme kriegen wollen. Deshalb müssen wir das ändern.
Ich bin in dieser Debatte, wie Sie wissen, seit etlichen Jahren zu Hause. Ich nehme mit Freude zur Kenntnis, dass manche,die in diesem Thema sehr intensiv arbeiten,heute vieles für selbstverständlich halten, was vor wenigen Jahren noch entschieden bekämpft wurde. Es ist schlicht notwendig, hier deutlich zu machen: Die Integrationskurse sind von der Union in das Einwanderungsgesetz gebracht worden. Ich war selbst dabei. Wir haben uns aber nicht vollständig durchsetzen können; denn wir konnten die Integrationskurse nur für die Menschen durchsetzen, die neu in unser Land kommen.Wir waren immer der Auffassung, es ist wichtig, dass diejenigen, die schon da sind, Integrationskurse belegen. Rot-Grün hat uns erklärt, dies sei eine Zumutung für die Menschen; die üblichen Palaver, die wir kennen.
Lieber Herr Frömmrich, ich könnte es Ihnen vorlesen. Ich lasse es aber aus Zeitgründen. – Es gab noch ein zweites Argument. Damals war Hans Eichel Bundesfinanzminister. Er hat gesagt, wir können es nicht bezahlen. Das gehört auch dazu.
Wenn Sie mir irgendeinen Vertreter der GRÜNEN oder der SPD nennen können, der in der gemeinsamen Verhandlungsgruppe von Bund und Ländern jemals dieser Position, die ich eben vorgetragen habe, zugestimmt hat, setze ich mich anschließend hin und entschuldige mich in aller Form. Ich war aber dabei und habe ein relativ klares Gedächtnis. Ich weiß, mit wem wir verhandelt haben.
Das war falsch.Was Frau Kollegin Wagner vorgelesen hat, haben wir doch gemeinsam beschlossen, zu evaluieren. Wenn wir nüchtern und realistisch sind, müssen wir sagen, dass wir da nicht erfolgreich waren. Ich bin der Auffassung, es kann nicht der Zufälligkeit oder dem Gusto überlassen bleiben, ob jemand Integrationskurse besucht oder nicht. Wenn wir von 300.000 Personen ohnehin nur ein Drittel auffordern und von denen nur ein Drittel kommt
und bis zum Ende dabeibleibt,dann ist das eine Quote,die uns nicht befriedigen kann. Deshalb müssen wir da dranbleiben.
Wenn wir nach dem Europäischen Referenzrahmen Spracherwerb – so heißt dieses bürokratische Ungetüm – von B 1 reden, dann meint das: einfachste Verständigung mündlich, ohne Schriftlichkeit, über die Dinge des Tages und familiäre Umstände.
Frau Waschke, Sie halten eigentlich immer die gleiche Rede. Insofern kann ich es vergleichsweise kurz machen.
Ich akzeptiere, dass Sie sehr engagiert sind. Sie sind sehr engagiert in dem Thema, aber Sie sind wirklich nicht sehr sachkundig.Verzeihung, das muss ich einfach sagen, in aller Bescheidenheit.
Wissen Sie, wenn Sie hier die alten Kamellen bringen und einige Dinge erzählen, die wirklich Unsinn sind, dann will ich es auf zwei Bemerkungen reduzieren. Ich bekenne mich ausdrücklich dazu,dass ich das,was sich derzeit beim Thema Bleiberecht abzeichnet, für falsch halte. Das kann man so beschließen, aber ich halte es für falsch, weil das Ergebnis Folgendes sein wird. Die Innenministerkonferenz hat einstimmig beschlossen: Arbeit und dann Aufenthalt. – Das war großzügig.
Jetzt heißt es: Aufenthalt mindestens für zweieinhalb Jahre ohne Arbeit und anschließend noch einmal zwei Jahre. Das wird bedeuten:Wer Arbeit hat, bleibt hier, und wer keine hat, bleibt auch hier. – Das kann man wollen, dann muss man es aber sagen. Ich halte es für falsch, wenn wir gleichzeitig sagen, dass wir keine Zuwanderung in die Sozialsysteme haben wollen.
Frau Kollegin, völlig falsch, jedenfalls aus meiner Sicht, ist eine Argumentation, die mir erklärt: Wir müssen damit 150.000 Leute treffen. – Es geht nicht um die Zahlen, sondern es geht darum, dass wir eine vernünftige Lösung finden. Deshalb werden wir zu diesem Punkt zurückzukommen haben, spätestens dann, wenn die Leute dann zwölfeinhalb Jahre oder noch länger da sind. Auf meine Frage, was wir dann machen, hat mir bis heute keiner eine Antwort gegeben. Noch einmal viereinhalb Jahre nicht gearbeitet, und dann werden Sie die Ersten sein, die zu mir kommen und sagen: Jetzt können wir die Leute nicht mehr außer Landes schicken.
Man kann diese Position einnehmen, und ich kenne SPDBundestagskollegen, die sie einnehmen. Ich respektiere das. Was ich nicht respektiere, das ist eine öffentliche Stimmungsmache nach dem Motto, das sei keine Zuwanderung in die Sozialsysteme. Das halte ich für falsch, damit das ganz klar ist.Wir werden sehen, was der Bund beschließt.
Ich will noch zwei Bemerkungen machen, bevor die Zeit abgelaufen ist. Herr Kollege Frömmrich hat zu Recht auf einen Sachverhalt hingewiesen. Im letzten Satz der Begründung – Herr Kollege Lenhart hat, wie ich finde, in sei
ner Rede sehr differenziert argumentiert – und auch am Beginn seiner Überlegungen stand das Thema Arbeitsmarkt. Dort haben wir in der Tat einen Dissens bezüglich des Zuwanderungsgesetzes gehabt. Damals war keine Übereinstimmung zu erzielen, ob wir für den allgemeinen Arbeitsmarkt mehr Leute brauchen. Wir sind einig, was den Arbeitsmarkt für die hoch Qualifizierten angeht. Dort kriegen wir aber bedauerlicherweise kaum jemanden, Stichwort Greencard.
Wer in unser Land einwandert, ist in aller Regel nicht der hoch qualifizierte Arbeitnehmer, sondern eher der gering qualifizierte. Das ist auch der Unterschied in dem von Ihnen herangezogenen Vergleich mit dem Spracherwerb unserer Studenten im Ausland. Ja, es ist richtig, man kann im Ausland die Sprache besonders gut erwerben. Das setzt aber ein gewisses intellektuelles und schulisches Niveau voraus, bevor man im Ausland etwas lernen kann. Die Menschen, um die es hier geht, sind in aller Regel bestenfalls einfach geschult,manchmal sogar gar nicht.Das kann man nicht vergleichen.
Meine Damen und Herren, damit das Haus eine Vorstellung hat, wovon wir reden:Wenn wir über die Familienzuwanderungsrichtlinie reden, dann reden wir von 50.000 Menschen pro Jahr. Ich stimme ausdrücklich jedem zu, der sagt, es wäre gut gewesen, wir hätten uns z. B. schon vor zehn Jahren darauf verständigt,dass jeder,der auch im Rahmen des Familienzuzugs nach Deutschland kommen will, so viel Deutsch können sollte, dass er sich mindestens in den täglichen Dingen verständigen kann. Dann hätten wir seit 1995 eine halbe Million Menschen, die in dieses Land im Rahmen des Familienzuzugs gekommen und so ausgestattet gewesen wären, dass sie die Chance hätten, aus ihrem Leben mehr zu machen, als sie das ohne jeden Spracherwerb können. Es sind 50.000 im Jahr, um die es geht.
Wenn es richtig war – Frau Kollegin Wagner hat darauf hingewiesen –, dass wir beschlossen haben, für die Aussiedler, die deutsche Staatsbürger sind, einen Spracherwerb vorzuschreiben, damit sie hier bessere Chancen haben, dann ist es auch richtig, wenn wir Menschen, die von außerhalb der EU zu uns kommen, sagen: Pass auf, du kannst gerne kommen, aber wir erwarten von dir ein Mindestmaß an Spracherwerb.
Frau Kollegin Wagner hat gefragt, wie das geht. Ich muss es jetzt sehr kurz machen, sonst überziehe ich zu lange. Daher verweise ich auf die Situation in den Niederlanden, die den allergrößten Turn gemacht haben. Die Niederlande stellen CDs oder DVDs zur Verfügung, die man überall bekommen kann. Das Gleiche haben Schweden und Dänemark jetzt eingeführt. In gleicher Weise sind die Italiener dran. In allen klassischen Einwanderungsländern – Sie hatten es erwähnt, Herr Kollege Lenhart auch –, ist es schlichtweg undenkbar, dass man in diese Länder erlaubt einreisen kann, ohne ein Mindestmaß an Sprachkenntnissen vorzuweisen.
Meine Damen und Herren, ich empfehle uns gemeinsam keine Wunschbilder, sondern Realismus, Nüchternheit, vielleicht gelegentlich auch einmal das Verlassen der jeweiligen ideologischen Schützengräben. Die Menschen, um die es geht, haben häufig ein sehr bitteres Schicksal. Wir haben in dieser Stadt und in anderen Städten in Hessen Gegenden, in denen Frauen nicht einmal auf die Straße gehen dürfen, die im Rahmen des Familiennachzugs in unser Land gekommen sind. Das ist nicht die Vor
stellung, die jedenfalls die Landesregierung und ich persönlich haben, wie sich unser Land weiterentwickeln sollte.
Deshalb ist das, was wir mit diesem Antrag heute behandeln, aus meiner Sicht dringend notwendig. Die Mitglieder dieses Hauses wären gut beraten,wenn wir wenigstens einheitlich zu der Meinung gelangen könnten, dass man sich den Text des Antrags noch einmal anschauen sollte. Wenn Sie nicht einmal in die Prüfung einsteigen wollen, ob es nicht klug sein könnte, auf diese Art und Weise den Spracherwerb zu ermöglichen, dann geht es Ihnen nicht mehr um die Sache. Vielmehr geht es dann nur noch um Polemik. Die Leute haben aber etwas Besseres als Polemik verdient. – Vielen Dank.
Die nächste Wortmeldung stammt von Herrn Kollegen Frömmrich für die Fraktion der GRÜNEN. – Herr Frömmrich, ursprünglich hatten Sie sich für eine Kurzintervention zu Wort gemeldet. Jetzt haben Sie sich aber für eine Rede entschieden. Damit haben Sie fünf plus zwei Minuten, also insgesamt sieben Minuten Redezeit.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet,weil ich doch noch einmal auf zwei Dinge, die der Innenminister gesagt hat, eingehen muss.
Wir haben durchaus Probleme aufgrund der Integrationsdefizite. Das haben Sie an dem Weilburger Beispiel deutlich gemacht. Herr Bouffier, wenn Sie Ehrlichkeit einfordern, dann sollten Sie doch auch sagen, dass das ein Problem ist, das wir aus der Vergangenheit übernommen haben. Denn diese Gesellschaft und auch Sie, die Mitglieder der Union, haben über Jahrzehnte nicht zur Kenntnis genommen, dass dieses Land de facto ein Einwanderungsland war. Man hätte schon seinerzeit die Einwanderung gestalten müssen und gestalten können.
Sie müssen doch auch eines zur Kenntnis nehmen. Damit komme ich zu dem, was ich eigentlich noch anmerken wollte. Das betrifft die Integrationskurse. Die Integrationskurse sind natürlich aufgrund des Vermittlungsverfahrens entstanden. Das umzusetzen, also dieses Thema überhaupt zum ersten Mal anzugehen, geschah aber anhand der Frage: Wie gestalten wir das Zuwanderungsgesetz? – Von daher geschah dies auf Initiative und letztendlich auch durch Beschluss der Mehrheit des Deutschen Bundestags. Das geschah zu Zeiten der rot-grünen Mehrheit.
Ich will jetzt gar nicht darauf eingehen, wer da welchen Beitrag geleistet hat. Ich sage aber dazu: Wer in die Vergangenheit blickt und feststellt,dass es Defizite bei der Integration gegeben hat – hier wurde von Parallelgesellschaften und anderem gesprochen –, muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass wir GRÜNEN – und ich glaube, die Sozialdemokraten auch – immer gesagt haben: Wir
müssen zur Kenntnis nehmen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist; und Einwanderung muss gestaltet werden. – Das war das Erste, was ich sagen wollte.
Mein zweiter Punkt betrifft das, was Sie gesagt haben, als Sie auf das eingegangen sind, was Frau Kollegin Waschke zum Thema Bleiberecht gesagt hat. Ich finde die Debatte, die derzeit auf Bundesebene dazu läuft, auch nicht besonders erquickend und erfrischend. Da werden verschiedene Dinge miteinander verhandelt. Da gibt es ein Geben und ein Nehmen. Man muss nachher erst einmal gucken, ob überhaupt etwas Positives für den Personenkreis herauskommt, über den wir gerade reden. Das ist aber eine andere Frage. Das wollte ich jetzt auch als Anmerkung in Richtung der Sozialdemokratie sagen.
Ich schaue mir jetzt die Bleiberechtsregelung an, die wir aufgrund des Beschlusses der Innenministerkonferenz haben.Ich komme damit auf genau die Frage zu sprechen, die wir hier schon öfter diskutiert haben. Wir haben das letzte Woche im Petitionsausschuss auch mit der Staatssekretärin diskutiert.
Es geht doch jetzt letzten Endes darum, dass man in die Gänge kommt.Wir haben seit dem 17.November 2006 die Möglichkeit, diesen Leuten einen gesicherten Aufenthalt zu geben.Wir können sie jetzt endlich aus dem Aufenthalt durch Kettenduldungen entlassen. Damit können wir den Menschen, also den Familien und gerade auch den Familien mit Kindern, die Perspektive ermöglichen, aufgrund dieser rechtlichen Voraussetzungen in Deutschland bleiben zu können.
Wir erleben dazu aber etwas im Petitionsausschuss und in der Härtefallkommission. Wir erleben nämlich, dass die Beschlüsse der Innenministerkonferenz nicht oder nur schleppend umgesetzt werden. In einigen Ausländerbehörden wird eher versucht, die Umsetzung dieses Bleiberechtsbeschlusses zu behindern.
Dazu will ich etwas sagen. Schauen Sie sich das doch an. Sie haben die Parameter selbst bestimmt. Da geht es darum, den Lebensunterhalt unabhängig von Sozialhilfe bestreiten zu können, um den Integrationswillen und anderes.Wir haben es da aber mit vielen Menschen zu tun, die ich zum Teil persönlich kenne, die gut integriert sind und hier zum Teil seit Jahrzehnten leben.Sie haben Kinder,die hier zur Schule gehen,die hier ihr Abitur ablegen und hier studieren wollen. Mittlerweile dauert es Wochen und Monate, bis die Ausländerbehörde diesen Menschen endlich ihre Aufenthaltserlaubnis erteilt.
Herr Innenminister, dazu sage ich: Man muss nicht immer nur darüber reden. Ich finde, da tragen Sie als Mitglied dieser Regierung Verantwortung. Da stehen Sie als Minister in der Verantwortung. Da stehen Sie auch den Kirchen gegenüber im Wort.
Ich sage:Wenn Sie wirklich Integration betreiben wollen, dann ermöglichen Sie den Menschen, die in Deutschland gut integriert sind und unter den Bleiberechtserlass fallen, endlich hier auch eine Perspektive.
Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister Bouffier hat gerade in seiner Rede gesagt, in aller Regel kämen bestenfalls einfach geschulte Menschen zu uns. Herr Lenhart ist in seiner Rede ebenfalls auf diesen Aspekt eingegangen.