Vielen Dank, Frau Faeser. – Als nächstem Redner erteile ich Herrn Kollegen Hahn für die FDP-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe etwas falsch gemacht mit der Uhr. Ich brauche Hilfe von Herrn Kaufmann. Das geht aber alles von der Zeit ab. Dann lasse ich es erst einmal mit der Uhr.
(Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) eilt zum Rednerpult und stellt die Stoppuhr ein.)
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir freuen uns nicht nur, dass Herr Kaufmann mir jetzt in Amtshilfe seine Uhr stellt – vielen herzlichen Dank –,sondern wir freuen uns insbesondere darüber, dass sich nunmehr auch die GRÜNEN inhaltlich an der Debatte um den Jugendstrafvollzug in Hessen beteiligen.
Das hat es ein Dreivierteljahr lang nicht gegeben. Ein Dreivierteljahr lang hatten die GRÜNEN in diesem Hause wie im Übrigen noch immer die Sozialdemokraten in diesem Hause – der Beitrag von Frau Kollegin Faeser macht es deutlich – die Meinung,man solle das ignorieren, was die Föderalismuskommission beschlossen hat, was der Bundestag und der Bundesrat beschlossen haben, dass die gesetzgeberische Zuständigkeit für den Jugendstrafvollzug nun einmal auf die Länder übergegangen ist.
Frau Kollegin Faeser, Sie haben bis zum heutigen Tage keinen Gesetzentwurf vorgelegt, sondern Sie haben einen Beschluss vorgelegt, den Sie in vielen anderen Landtagen auch vorgelegt haben. – Aber sicher. Ich stelle Ihnen gerne die Unterlagen zur Verfügung, die Sie aber garantiert schon haben.
Sie haben sich jedenfalls bisher nicht aktiv an der Gesetzesarbeit beteiligt. Die Sozialdemokraten verweigern sich bis heute, die GRÜNEN sind nun angekommen. Herzlich willkommen im Klub derjenigen, die sich die Mühe machen und gemacht haben,harte Gesetzesformulierungsarbeit zu leisten.
Zweite Bemerkung. Ich weiß nicht so recht etwas mit dem Beitrag des Kollegen Gerling anzufangen,weil ich nicht so recht weiß,was die Mehrheitsfraktion in diesem Hause inhaltlich will.
Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage stellen, oder wollen Sie, dass ich Ihnen das Wort wieder entziehe?
Ich möchte eine kurze Zwischenfrage stellen, Frau Präsidentin. – Herr Hahn, sind Sie bereit, anzuerkennen, dass wir uns entschlossen haben, dass Qualität vor Geschwindigkeit geht, und Sie mit Ihrem Gesetzentwurf den umgekehrten Weg gegangen sind? Sie haben nämlich Geschwindigkeit vor Qualität gesetzt.
Herr Kollege Jürgens, ich sage das allen Ernstes: Ich hätte Ihnen wirklich eine intelligentere Zwischenfrage zugetraut als die, die Sie gerade gestellt haben.
Ich meine das deshalb ernst, weil Sie sich jetzt auf demselben Niveau befinden – das wollte ich soeben ansprechen –, auf dem sich Herr Kollege Gerling im September des letzten Jahres befunden hat. Herr Kollege Gerling hat nämlich im letzten Jahr gesagt, der Gesetzentwurf der FDP komme viel zu früh, und er sei ein Schnellschuss. Herr Dr. Jürgens, das ist genau dasselbe Niveau. Das möchte ich noch einmal zu Protokoll geben.
Herr Kollege Gerling, es ist schon spannend, dass Herr Dr. Jürgens seine inhaltlichen Vorstellungen zu Papier und in gesetzeskonforme Normen gebracht hat. Das haben Sie bisher nicht getan. Sie beschimpfen die FDP. Sie haben sie im Herbst des vergangenen Jahres beschimpft und gesagt, dass unser Gesetzentwurf ein Schnellschuss gewesen sei. Sie haben keinerlei eigene Vorschläge vorgebracht.
Meine Damen und Herren, die dritte Bemerkung. Der Gesetzentwurf der Landesregierung ähnelt in vielen Punkten dem der FDP.
Herr Kollege Gerling,Sie müssen schon einmal sagen,was Sie wollen. Sie können nicht so tun, in dieser etwas überheblichen Art der absoluten Mehrheit und ohne inhaltliche Bezugnahme, als würde die Opposition irgendetwas schnellschussartig machen, da doch der Gesetzentwurf, den die Landesregierung vorgelegt hat, zu 95 % mit dem übereinstimmt, was die FDP vorgetragen hat.
Herr Kollege Gerling, so geht man mit einer Oppositionsfraktion nicht um – schon gar nicht, wenn man mit ihr zuvor schon einmal zusammengearbeitet hat.
Herr Kollege Hoff, ich verstehe, dass Sie nervös werden, obwohl ich die Union nun gerade loben wollte. Sie sind aber zu spät.
Vierte Bemerkung.Ich glaube,jeder im Raum – jedenfalls alle Fachleute draußen – bescheinigt, dass es im Jugendstrafvollzug in Hessen sehr liberal und gut zugeht. Meine sehr verehrten Damen und Herren,das muss man in Ihren Augen wohl leider – für mich trifft dieses „leider“ nicht zu – konstatieren, und zwar trotz oder gerade wegen der sieben Jahre mit Dr. Christean Wagner als Justizminister.
Ich will mit diesen vier Beispielen deutlich machen, dass es einfach sehr viel interessanter wäre, wir würden uns um die Sache kümmern, statt dieses ewigen Lagerargumentierens nach dem Motto:„Andere machen es falsch,ich allein mache es besser.“ Wir sollten feststellen, dass es in Hessen einen Justizvollzug gibt,der über die Grenzen hinaus – jedenfalls was den Jugendstrafvollzug anbelangt – anerkannt ist. Es gibt aber in Hessen für den Jugendvollzug leider noch kein Strafvollzugsgesetz. Das muss dringend gemacht werden, und da war die FDP-Fraktion unbestreitbar die erste Fraktion, die einen solchen Gesetzentwurf vorgelegt hat.
Wir sollten uns deshalb darum bemühen, nicht in einen Wettbewerb des härtesten oder wie auch immer gearteten Jugendstrafvollzugs einzutreten, sondern wir sollten in einen Wettbewerb eintreten, den wir bis zum Ende des Jahres auch beenden. Wir sollten einen Jugendstrafvollzug organisieren,in dem so viel wie möglich gemacht wird,damit diejenigen, die ihn „genießen“ müssen, mit einer besseren Lebensperspektive wieder aus diesem herauskommen, weil das dann auch die Sicherheit der anderen Menschen in unserer Gesellschaft stützt. Das ist die Aufgabe, die wir gemeinsam zu lösen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Entwurf macht das Angebot, dass es eine kriminalpräventive Aufgabe ist, den Schutz der Allgemeinheit vor Straftaten junger Menschen zu normieren.
Frau Kollegin Faeser, ich bin mir darüber im Klaren, dass es die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls nicht erlaubt, dass man als Vollzugsziel hineinschreibt,dass die Sicherheit der anderen zu normieren sei. Es ist aber doch wohl richtig, zu sagen, dass man es mithilfe des Strafvollzugs – wir sind jetzt im Jugendbereich – auch so organisieren kann, dass der Schutz der Allgemeinheit mit gesichert werden kann. Das ist unsere Auffassung, und das soll nach unserer Auffassung auch in das Gesetz aufgenommen werden.
Herr Kollege Hahn, entschuldigen Sie bitte. – Darf ich um mehr Aufmerksamkeit für den Redner bitten? Ich bitte Sie gegebenenfalls, wenn es nicht anders geht, darum, hinauszugehen, um dort die Gespräche weiterzuführen. Das gilt insbesondere für die Kollegen Kaufmann und Bocklet, die sich hier sehr laut unterhalten.
Vielen Dank,Herr Kollege Kaufmann.– Das ist immer so, dass die eigenen Truppen am meisten reden. Frau Kollegin Wagner, das hatten wir bei der letzten Sitzung auch einmal. Ich kritisiere nicht das Präsidium, sondern ich beschreibe lediglich ein gruppendynamisches Phänomen, das irgendwann einmal jeden trifft. Diesmal hat es Sie getroffen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie erreichen wir dieses Ziel? Wir erreichen dieses Ziel, indem wir ein Prinzip des Förderns, aber auch des Forderns aufbauen. Dazu gehört,dass wir eine richtig ehrliche Diagnostik vornehmen. Das ist ein Unterschied zu dem, was bisher im Justizstrafvollzug und auch im Jugendstrafvollzug organisiert wird.
Am Anfang muss der Inhaftierte von allen Vorurteilen befreit angeschaut werden. Es muss geschaut werden, wo seine Stärken, die man natürlich dann auch fördern muss, und wo – natürlich genauso vorurteilsfrei – seine Schwächen liegen. Das ist jedenfalls im letzten Jahrhundert und im letzten Jahrzehnt im Jugendstrafvollzug nicht chic gewesen. Es ist nicht en vogue gewesen, einmal nachzufragen:Wo ist denn der Defekt dieses Menschen? – Sie können davon ausgehen, es muss ein Defekt da sein, denn ansonsten hätte dieser Mensch nicht die Karriere genommen, schon als Jugendlicher – immerhin von einem deutschen Gericht – zu einer Haftstrafe verurteilt zu werden.
Wenn wir im Rahmen der Diagnostik ehrlich sind, dann müssten wir bei der Frage der Therapie entscheiden, ob es denn gut ist, einen offenen oder geschlossenen Vollzug zu machen. Nichts anderes steht im Gesetzentwurf der FDP.
Herr Kollege Jürgens, Sie haben vorhin so schön gesagt, Sie hätten die Befürchtung, dass bei der Union eine ideologische Blockade hin zum offenen Vollzug vorliege. – Entschuldigung, jetzt habe ich mir den Gag selbst kaputtgemacht.
Bei Ihnen gibt es jedenfalls eine ideologische Blockade hin zum geschlossenen Vollzug. Wenn Sie geschlossenen