Protokoll der Sitzung vom 29.03.2007

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rentsch hat vorhin völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass es für eine moderne Sozialpolitik notwendig ist, die Wirkungen von einzelnen sozialpolitischen Maßnahmen zu prüfen. Natürlich spielen hierbei die Kommunen eine ganz wesentliche Rolle, weil dort ein Großteil der sozialpolitischen Leistungen erbracht wird. Es ist daher völlig richtig, auf kommunaler Ebene Daten zu erheben und zu schauen, ob diese Maßnahmen wirken und dazu beitragen, für Chancengleichheit und Startgerechtigkeit zu sorgen, oder nicht.

Die rot-grüne Bundesregierung hat aus dem Grunde, um ihre eigenen Maßnahmen zu überprüfen,einen ersten und zweiten Armutsbericht für Gesamtdeutschland vorgelegt. Bei der ersten Maßnahme hat sich herausgestellt,dass wesentliche Daten fehlten, um von Bundesseite tatsächlich Auswirkungen von Maßnahmen überprüfen zu können. Es hat aber, was die Erhebung von Daten angeht, eine gute Überarbeitung gegeben.

Meine Damen und Herren, diese Landesregierung hat sich jedoch einer vernünftigen Armuts- bzw. Reichtumsberichterstattung in Hessen verweigert, und sie hat im Prinzip verweigert, dass sowohl für die Kommunen als auch für den Bund Datenmaterialien vorliegen,um auf jeder beliebigen Ebene – auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene – prüfen zu können, ob die Wirkungen sozialpolitischer Maßnahmen auch tatsächlich gemessen werden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU)

Ich glaube, der Redebeitrag, den Frau Lautenschläger eben gehalten hat,war bezeichnend.Sie wollen diese Zahlen nicht vorlegen. Wenn man etwas recherchiert und das punktuell zusammenträgt, kann man einige der Zahlen herausbekommen. Ich glaube, es ist bezeichnend, dass diese Zahlen in Ihrer Antwort nicht vorkommen. Das hängt mit dem zusammen, was diese Landesregierung in den letzten vier Jahren in der Sozialpolitik gemacht hat. Mit der „Operation düstere Zukunft“ hat sich die Landesregierung tatsächlich ihrer sozialpolitischen Verantwortung entzogen.

Ich möchte das verdeutlichen. Es hat Streichungen bei den Familienbildungsstätten und bei der Erziehungsberatung gegeben. Auch das wird heute noch einmal ein Thema sein. Es wurde bei der sozialpädagogischen Betreuung und der Sozialarbeit in sozialen Brennpunkten gestrichen. Das betrifft auch die Wiedereingliederung der Migrantinnen und die Schuldnerberatung. Das betrifft die Frauenhäuser und die Unterstützung alleinerziehender Frauen, die Gewalt ausgesetzt waren. Überall dort hat die Landesregierung die Mittel gekürzt. Ich glaube, sie hat gute Gründe, keine Zahlen vorzulegen, damit man nicht erfährt, welche Auswirkungen das auf die soziale Situation der Menschen in Hessen hatte.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Sie haben uns auch die Zahlen vorenthalten, die leicht recherchierbar sind. Sie verweisen dabei immer auf Berlin und die ehemalige rot-grüne Bundesregierung.

Die Zahl derjenigen Menschen, die in Hessen Transferleistungen des Staates in Anspruch nehmen müssen, ist in der Zeit von 1999 bis zum Jahr 2006 von 318.000 auf 490.000 gestiegen. Das ist ein Zuwachs um etwas über 50 %. Ich finde, es würde einer Landesregierung und einer Sozialministerin gut anstehen, Rechenschaft darüber abzulegen, wie hoch der Anteil unterlassener Hilfeleistung für Menschen in sozialer Not in diesem Lande ist und wie viel sie dazu beigetragen haben. Der Beantwortung dieser Frage verweigert sich die Sozialministerin. Das hat sie mit der Beantwortung der Großen Anfrage und mit ihrem Redebeitrag hier gerade wieder getan.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Armut in Hessen erfassen und bekämpfen besprochen.

Bevor wir in die Mittagspause eintreten, möchte ich noch einmal daran erinnern, dass der Ältestenrat in Raum 107 hier im Rathaus tagt.

Ich möchte einen zweiten Hinweis geben. Nach Berechnung unserer Landtagsverwaltung würden wir, wenn wir uns dazu entschlössen, alle Punkte zu behandeln, bis morgen früh um 1.40 Uhr hier sitzen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist ein Appell an die Geschäftsführer!)

Ich bitte Sie, sich zusammenzusetzen und das bald zu klären.

(Wortmeldung des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Herr Wintermeyer, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, ich will Sie nur darauf hinweisen, dass der Ältestenrat letzte Woche entschieden hat – das ist auch zwischen den parlamentarischen Geschäftsführern so abgesprochen –, dass als Letztes der Tagesordnungspunkt 71 behandelt wird. Nach dem, was uns bisher vorliegt, werden wir bis gegen 21 Uhr tagen.

Das ist völlig okay.

Wir werden die alten Anträge abräumen. Die anderen Anträge – –

Herr Wintermeyer, ich habe Sie nur bedroht, um das zu verdeutlichen, damit ihr eure Arbeit macht, damit wir dann wissen, dass es auch wirklich um 21.30 Uhr zu Ende geht.

Ich möchte für das Präsidium sagen: Wir tagen in einer Stunde wieder, nämlich um 14.15 Uhr. – Guten Appetit.

Ich unterbreche die Sitzung.

(Unterbrechung von 13.16 bis 14.18 Uhr)

Meine Damen und Herren, ich heiße Sie nach der Mittagspause herzlich willkommen. Wir treten wieder in die Tagesordnung ein. Noch eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend inakzeptables Schweigen des Innenministers zu rechtsradikalen Vorfällen bei der Polizei, Drucks. 16/7136. Wird die Dringlichkeit bejaht?

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU) und Minister Stefan Grüttner: Nein! – Wortmeldung des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Herr Al-Wazir, zur Geschäftsordnung.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute Morgen erlebt, dass der Innenminister – –

(Lachen bei der CDU und der Regierung)

Meine Damen und Herren, Herr Al-Wazir hat das Wort zur Geschäftsordnung. Ich darf Sie um Ruhe bitten.

Die Landesregierung und die CDU-Fraktion haben offensichtlich bis heute nicht verstanden, was für ein Skandal es ist, dass dem Innenminister zu den Vorgängen mit den Rechtsextremisten in der hessischen Polizei kein Wort einfällt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Lachen und Zurufe von der CDU)

Herr Ministerpräsident, ich glaube, dass es Ihres Amtes nicht würdig ist, wenn Sie hier weiterhin parteipolitische Spielchen machen und nicht verstehen, was es bedeutet, wenn Ihr Innenminister zu Rechtsextremisten im Personenschutz bei der Frankfurter Polizei noch nicht einmal ein Wort sagt.

(Anhaltende Zurufe von der CDU)

Herr Al-Wazir, entschuldigen Sie mich einen Moment. – Meine Damen und Herren, ich darf um ein bisschen mehr Ruhe bitten.Wenn schon ich hier hinten den Redner nicht mehr verstehen kann,ist das ein eindeutiges Zeichen,dass es zu laut ist. Ich bitte Sie, jetzt Herrn Al-Wazir das Wort zu schenken. – Herzlichen Dank.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Aber lachen dürfen wir doch! – Zurufe von der CDU)

Deswegen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Von den GRÜNEN!)

wollen wir Ihrem Innenminister Gelegenheit geben,

(Zurufe von der CDU: Oh!)

das nachzuholen, was er heute Morgen sträflicherweise versäumt hat,

(Beifall bei dem BÜNDNIUS 90/DIE GRÜNEN)

nämlich klarzumachen, dass Rechtsextremisten in der hessischen Polizei keinen Platz haben, klarzumachen, wie er sicherstellen will,

(Dr. Norbert Herr (CDU): Zur Tagesordnung!)

dass sich solche Vorgänge nicht wiederholen, und klarzumachen, Herr Kollege Wagner,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Guten Morgen, Schlafmütze! – Minister Volker Hoff: Wo bleibt die Geschäftsordnung?)

sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,was aus Sicht des hessischen Innenministers für die Zukunft an Maßnahmen zu ergreifen ist,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Warum ist das so dringlich?)

damit sich solch unglaubliche Vorgänge in der hessischen Polizei nicht wiederholen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Wintermeyer, ich finde, wenn Sie als Mehrheitsfraktion hier sogar die Dringlichkeit eines solchen Antrages verneinen, dann haben Sie bis heute nicht verstanden,