Protokoll der Sitzung vom 29.03.2007

Im Rahmen unseres Klimaschutzkonzeptes wird ein Klimaplan folgen. Wir werden 55 Maßnahmen vorschlagen. Dabei geht es um eine Brennstoffzelleninitiative, um die Einrichtung der Biokraftstoffregion Nordhessen, um die Förderung von Bioethanolfahrzeuge und -tankstellen, um die Ausweitung von Bioregio Holz Knüll, um die Förderung des Netzwerks Biogas, um grüne Energie, um Mikrogasturbinen, um Geothermie, um Energiesparaktionen, um das Programm „Unsere Kommune ist klimaaktiv“ und um die Laufzeitverlängerung des KKW Biblis.

Um diese Dinge nach vorne zu bringen, brauchen wir logischerweise die Unterstützung durch das Handwerk, durch Gewerbe und Industrie. Im Rahmen der Umweltallianz haben wir mit den Firmen einen Klimapakt geschlossen. Der nächste Schritt wird sein, klimafreundliche Projekte im Rahmen eines Wettbewerb vorzustellen, sodass sie zu Vorbildaktionen werden, die nachgeahmt werden können.

Meine Damen und Herren, es ist wichtig, dass wir Anpassungsstrategien für den regionalen Klimawandel entwickeln und dass wir neue Technologien anbieten.Wenn ich die Wirtschaft bei uns in Hessen sehe, muss ich sagen:Wir haben neue Technologien, und wir sind offen für neue Ideen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Dietzel. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 65 auf:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (50 Jahre Römische Verträge – Erfolg für Hessen, Deutschland und Europa) – Drucks. 16/7110 –

Es spricht zuerst Herr Dr. Lennert, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das vereinigte Europa ist 50. Gratulation und herzlichen Glückwunsch.

(Beifall bei der CDU)

Das europäische Einigungswerk brachte 50 Jahre Stabilität, Frieden und wirtschaftlichen Wohlstand – ein Wunder, das zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Da fällt es kaum noch auf, wie steinig der Weg bis dahin war. Die

Vision eines einigen Europa ist für die Gründungsväter Wirklichkeit geworden.

Vor einem halben Jahrhundert war das noch undenkbar. Der Zweite Weltkrieg war ein grausames Inferno. Europa lag danach in Schutt und Asche. Der bislang größte Krieg der Geschichte forderte 60 Millionen Menschenleben.Als mein Großvater und mein Vater in meinem Alter waren, hatten sie bei erheblichem Leid und großer Not zwei Weltkriege als Frontsoldaten überlebt, ihre Familien hatten den Bombenhagel – bis zu zweimal täglich! – überlebt.

Wenn auch die Feierlichkeiten zu „50 Jahre EU“ überschaubar sind, so bieten sie doch Anlass zur Freude und zum Gedenken. Um den Frieden dauerhaft zu sichern, musste wirtschaftlich und politisch ein Zusammenschluss aller europäischen Staaten hergestellt werden. Die Persönlichkeiten, die dies in Angriff genommen haben – ich nenne hier bewusst keine Namen –, haben meine Generation und die nachfolgenden Generationen in Europa bis heute davor bewahrt,einen Krieg erleiden zu müssen.Das erfüllt mich, Jahrgang 1949, mit Anerkennung und tiefer Dankbarkeit.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das Wort Dank kommt von Denken.Denken wir daran,dass in der jungen Geschichte Europas der Friede nie selbstverständlich war und ist. Denken wir daran, dass wir im Kalten Krieg und wiederholt kurz vor einem heißen Krieg standen. Ich erinnere an die Berlinblockade, den Bau der Mauer, an den Einmarsch der Sowjetunion in Ungarn und in die Tschechoslowakei. Ich erinnere an die Kubakrise.

Auch wenn das vermeintlich weit weg war, sind sich die Historiker einig, dass wir knapp an einem Atomkrieg vorbeigeschrammt sind.Auch die Stellvertreterkriege, z. B. in Korea und Vietnam, standen zeitweise hart am Rand der Eskalation. Ich darf außerdem an den Krieg auf dem Balkan und das Leid der Menschen erinnern. Mit den Folgen dieses Krieges war auch unser Petitionsausschuss befasst, und unsere Kolleginnen und Kollegen haben die Lage vor Ort in Augenschein genommen.

Wie zerbrechlich und kostbar Friede und Freiheit auch heute sind, macht der Silvesterbrief eines jungen Bundeswehrsoldaten aus dem Odenwald deutlich, der in Afghanistan stationiert ist. Ich zitiere:

Feuerwerk konnten wir leider keines machen. Ab 17 Uhr, wenn es dunkel ist, sind wir angehalten, im Freien nur Rotlicht zu benutzen, die Fenster zu verdunkeln und die Türen geschlossen zu halten, damit das Lager von den Bergen, die es umgeben, nicht zu erkennen ist.

Ich füge hinzu: weil sie sonst fürchten müssen, mit Raketen beschossen zu werden.

Meine Damen und Herren, mit den Römischen Verträgen, die am 25. März 1957 geschlossen wurden, wurde auf dem Grundstein der Montanunion das Fundament für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gelegt. Montanunion und EWG fusionierten am 1. Juli 1967 mit der damals ebenfalls gegründeten EURATOM zur EG, zur Europäischen Gemeinschaft.

Die deutsche Einheit und der Fall der Mauer bedeuteten auch das Ende der Teilung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg und eine neue Schubkraft im europäischen Integrationsprozess. So gelang 1992 im niederländischen

Maastricht der große Wurf, die Gründung der Europäischen Union.

Die EU baut auf drei Grundpfeilern auf: auf dem gemeinsamen Markt, der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie auf der verstärkten Kooperation in den Bereichen Justiz und Inneres.

Heute wohnen 480 Millionen Menschen in 27 Mitgliedstaaten unter dem Dach der Europäischen Union. Die Regionen in der EU bilden eine Einheit in Vielfalt der Kulturen. Die Vielfalt im Brauchtum und in der Lebensart einer Regionen gilt es zu bewahren, damit die Menschen dort Heimat fühlen.Sich als europäischer Bürger zu fühlen heißt nämlich, in der Europäischen Union eine Heimat zu haben.

Am europäischen Haus haben auch alle Hessischen Landesregierungen mitgebaut. Über fast drei Jahrzehnte wurden Partnerschaften eingegangen und gepflegt. Die gemeinsame Arbeit und Interessenvertretung der Aquitaine, der Emilia-Romagna und der Wojewodschaft Wielkopolska im Gebäude der Vertretung des Landes Hessens gelten in Brüssel als Vorzeigemodell.

Herr Dr. Lennert, Sie müssen zum Schluss kommen.

Meine Damen und Herren, an dem Haus Europa haben wir alle zusammen gebaut, und wir haben ein großes Interesse daran, dieses weiterhin zu tun. Darüber herrscht Einigkeit. Unser Land ist nicht nur der geografische Mittelpunkt der Europäischen Union, sondern der europäische Gedanke muss auch ein Stück weit in das Zentrum des Denkens, des Handelns und der Herzen von uns Hessen rücken.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Lennert. – Das Wort hat Frau Kollegin Hoffmann, SPD-Fraktion.

(Gerhard Bökel (SPD):Was sagst du zum Jahrgang 1949?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Bökel, eine Vorbemerkung: Der Jahrgang 1949 ist ein hervorragender Jahrgang. Das ist nämlich auch mein Jahrgang.

(Heiterkeit)

Ich möchte die Aussprache zu den Römischen Verträgen mit einem Zitat aus der Berliner Erklärung beginnen: „Wir Bürgerinnen und Bürger Europas sind zu unserem Glück vereint.“ Ich denke, es ist ein Glück, dass vor 50 Jahren mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge der Grundstein für die Einigung der Völker Europas gelegt wurde, denn heute steht die Europäische Union für Frieden und Freiheit in Europa, für die Stabilisierung der Demokratie, für Wohlstand und Freizügigkeit, für den Binnenmarkt und das Zusammenwachsen der Mitgliedstaaten.

Die EU ist weltweit ein Vorbild und das Modell für die friedliche Überwindung von Interessengegensätzen. Wir alle wissen, dass die Europäische Union von daher gesehen nach wie vor ungebremste Attraktivität auch bei den Beitrittsaspiranten genießt.

(Beifall bei der SPD)

Es ist gut, dass sich die Europäische Union an ihrem 50. Jahrestag auf ihre Stärken besinnt, auch deswegen, um Europa im 21. Jahrhundert weiter voranzubringen. Für uns Sozialdemokraten ist die soziale Marktwirtschaft eine der großen Stärken, auf der Europas Zukunft weiter ausgebaut werden kann. Unsere gemeinsamen Grundwerte als Sozialdemokraten, nämlich Solidarität, die Gleichheit und die Achtung der Vielfalt in Europa, sind die richtigen Grundlagen für die Gestaltung der Zukunft.

(Beifall bei der SPD)

Das europäische Sozialmodell bildet eine Gesellschaft ab, in der unternehmerische Freiheit genauso ihren Platz hat wie der Schutz und die Sicherung der Arbeitnehmerrechte sowie ihre Mitwirkungsmöglichkeiten. Es ist eine Gesellschaft, in der sich wirtschaftliche Leistung lohnen muss, in der aber auch zugleich gesellschaftliche Solidarität eingefordert wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir denken, diese soziale Dimension ist ein Markenzeichen Europas. Es ist wichtig, diese soziale Dimension im Angesicht der Globalisierung in den Mitgliedstaaten vor allem auf der europäischen Ebene weiterzuentwickeln.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es gibt weitere Herausforderungen, mit denen die Europäische Union konfrontiert ist. Als Beispiele nenne ich den Klimawandel und die Sicherung der Energieversorgung.Der letzte Gipfel der Regierungschefs hat gezeigt, dass Europa handeln kann. Natürlich hat es auch Kritik gegeben. Man könnte auch sagen: „20-20-20“ ist zu wenig, was die CO2-Minderung und was den Anteil an regenerativer Energie angeht.Aber ich denke, die Einigung auf diese konkreten Beschlüsse sind ein Zeichen dafür, dass sich Europa den Zukunftsaufgaben stellt.

(Gerhard Bökel (SPD): Jawohl!)

Meine Damen und Herren, wir wissen, dass dennoch sehr viele Bürger skeptisch sind, ob die Europäische Union derzeit in der Lage ist, die ihr gestellten Aufgaben und die vor uns liegenden Probleme angemessen zu lösen. Diese Einschätzung, so denke ich, verweist auf die tatsächlich existierende Reformnotwendigkeit in der Europäischen Union. Denn für 27 Mitgliedstaaten sind die institutionellen Grundlagen des Vertrags von Nizza nicht mehr leistungsfähig genug. Sie wurden damals schließlich nur für 15 Mitglieder gemacht.

Die Union der 27 braucht eine neue Arbeitsgrundlage, und zwar in Gestalt einer Verfassung. Wir brauchen für die Europäische Union einen Vertrag, der die Entscheidungsfähigkeit verbessert und die Transparenz erhöht, der die rechtlichen Grundlagen vereinbart, der den Schutz der Grundrechte, der mehr Demokratie und der die soziale Dimension der Europäischen Union sichert.

(Beifall bei der SPD)

Das sind gleichzeitig auch die Voraussetzungen für eine bürgernahe Union. Denn nur damit kann der weit verbreiteten Euroskepsis begegnet werden. Nur dann wer

den sich auch junge Menschen wieder für Europa begeistern. Denn das, was wir die Tage mit dem 50. Jahrestag der Römischen Verträge gefeiert haben, ist für die jungen Leute selbstverständlich.

Frau Kollegin Hoffmann, Sie müssen zum Schluss kommen.

Noch einen Satz. – Wir wollen, dass alle Bürger, vor allem auch junge Menschen, Europa nicht als Risiko begreifen, sondern als ihre Chance für Freiheit, für Demokratie und für Wohlstand. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.