Protokoll der Sitzung vom 17.09.2003

Herr Ministerpräsident, Herr Finanzminister, ich vergleiche jetzt einmal und stelle fest, was bei Ihrer Vorgehensweise in einer privaten Firma passieren würde. Dazu muss ich sagen: Sie haben über vier Jahre lang Ihre Firma sehenden Auges in tiefrote Zahlen getrieben. Jetzt wachen Sie auf. Jetzt aber verkaufen Sie die Assets dieser Firma. Wenn aber erst einmal die Assets dieser Firma verkauft sind, dann wird diese Firma auch mittelfristig nicht mehr in die schwarzen Zahlen kommen können. Sie haben diese Art der Politik zu verantworten.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt steht die Frage im Raum, dass auch wir immer Kürzungen verlangt haben. Sie sagten dabei schon: Beim Personal würdet auch ihr etwas machen. – Wir würden nicht beides machen.Aber wir würden auch beim Personal Einsparungen vornehmen müssen. Sie fragen dann noch:Was würdet ihr denn sonst machen? – Dazu würde ich sagen: Herr Ministerpräsident, wenn eine Landesregierung so etwas macht, dann muss sie unmittelbar bei sich selbst anfangen. Das wäre weitaus mehr als Symbolik. Denn Sie haben auch gesagt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Hauptlast zu tragen haben.Im April 2003 haben Sie einen zusätzlichen Minister ins Amt berufen. Auf der ersten Seite der „Operation sichere Zukunft“ hätte stehen müssen: Diese Entscheidung nehmen wir zurück. Um zu zeigen, wie ernst es uns ist, bauen wir ein weiteres Ministerium komplett ab. – Dann wären Sie glaubwürdig mit der Aussage:Wir fangen bei uns an.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Jörg-Uwe Hahn und Ni- cola Beer (FDP))

Das gilt natürlich genauso für die gesamte Ministerialbürokratie. Die Staatskanzlei ist in den letzten Jahren um sage und schreibe 30 % an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgebläht worden.

(Gerhard Bökel (SPD): Um wie viel? Bitte noch einmal sagen!)

Da muss man von Aufblähen reden. Herr Ministerpräsident, das sind keine Bereiche, die Einsparungen in Milliarden-c-Höhe erbringen. Darüber brauchen wir nicht zu reden.Aber wenn man schon sagt: „Wir fangen bei uns mit dem Sparen an“, dann muss man an diesen Stellen harte Einsparungen machen. Dann kann man auch von den anderen das Tragen von Belastungen verlangen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Den dritten Bereich kennen Sie. Nach wie vor steht ein Betrag von 250 Millionen c für die Einführung von SAP im Raum. Wie Sie sich vorstellen können, kommen im Moment Vertreter vieler Initiativen natürlich auch zu uns. Sie sagen: Ihr müsst hart für uns kämpfen. – Das wollen wir für die Initiativen, bei denen das richtig ist, auch tun. Dabei spielt die Einführung von SAP tatsächlich eine große Rolle. Insbesondere Leute, die aus der Justiz kommen, sagen zur Kosten-Nutzen-Rechnung: Für uns ist die Einführung von SAP eher eine Kosten-nutzlos-Rechnung. Denn es kostet uns eine ganze Menge Zeit. Es kostet uns eine ganze Menge Arbeit. – Es kostet uns viel Geld. Wenn ich jetzt sehe, dass sich das auf 500 Millionen c steigern kann, dann muss ich dazu sagen:Auch das wäre ein Bereich, bei dem ein harter, schneller Einschnitt zur Glaubwürdigkeit beigetragen hätte.

(Beifall bei der SPD und der Abg.Margaretha Höll- dobler-Heumüller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Letztlich will ich auch noch auf die Einnahmeseite zu sprechen kommen. Sie erinnern sich sicherlich noch an den Satz,den der Herr Finanzminister immer vor sich hersagt. Er sagt, Hessen habe ein Problem bei den Einnahmen und nicht bei den Ausgaben. Dies ist erwiesenermaßen falsch. Die Steuer-Gewerkschaft hat dazu erklärt, dass jeder Betriebsprüfer, den es mehr gibt, zu 2 Millionen c Mehreinnahmen führt. Die Steuer-Gewerkschaft

sagt, es würden 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei den Finanzämtern fehlen. Mittlerweile ist die Situation wohl so, dass jedenfalls die Einkommensteuererklärungen der Normalverdiener in keiner Weise mehr überprüft werden können, weil schlichtweg kein Personal mehr vorhanden ist, das die Prüfung vornehmen könnte.

Ich komme zum zweiten Bereich. Herr Ministerpräsident, da komme ich wieder auf Sie zurück. Sie werden nicht ganz abstreiten können, dass Ihr in Berlin gezeigtes Verhalten gelegentlich dazu beiträgt, dass dem Land Hessen Geld verloren geht.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Die Zahlen sind unbestritten. Sie sagen, Sie wollten das politisch nicht. Allein die Umsetzung des Steuersubventionsabbaugesetzes für das Jahr 2003 hätte dem Land Hessen im ersten Jahr Mehreinnahmen von 200 Millionen c an aufwärts eingebracht. Das wäre mehr Geld gewesen, als jetzt bei den freiwilligen Leistungen bei allen sozialen Initiativen eingespart werden soll.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Tarek Al-Wazir und Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich komme auf den Entwurf für das Haushaltsbegleitgesetz 2004 zu sprechen. Das hätte Mehreinnahmen für das Land Hessen von 100 Millionen c an aufwärts bedeutet.

Zum Dritten möchte ich zu dem kommen, was, politisch gesehen, sicherlich in den nächsten Wochen und Monaten noch interessant sein wird. Das betrifft das Vorziehen der Steuerreform.

(Michael Boddenberg (CDU):Herr Walter,wie viel würde das denn bringen?)

Sie veranschlagen das Vorziehen der Steuerreform im Haushalt mit einer Mehrbelastung von 440 Millionen c.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Sie veranschlagen aber nicht die zu erwartenden Mehreinnahmen. Herr Ministerpräsident, ich habe Ihnen das während der letzten Debatte mithilfe eines Zitates vorgehalten. Noch vor zwei Jahren haben Sie hier im Parlament gesagt, das Vorziehen der Steuerreform würde unserem Land auf Dauer mehr bringen, als es uns kurzfristig kosten würde. Denn damit würden Wachstumsimpulse gesetzt. Wachstumsimpulse braucht unser Land zum jetzigen Zeitpunkt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss meiner Rede. Mit der „Operation sichere Zukunft“ hat der Hessische Ministerpräsident alle zur Landtagswahl gegebenen Versprechen gebrochen. Es hieß: Wir werden mehr Lehrerinnen und Lehrer haben.– Wir stellen fest:Es werden weniger Lehrerinnen und Lehrer an Hessens Schulen sein. – Es hieß: Wir werden mehr Geld in Personal und Sachmittel bei der Polizei investieren. – Wir stellen fest: Es werden weniger Polizisten auf der Straße sein. – Es wurde versprochen: Wir werden in die Infrastruktur des Landes investieren, wir werden den Landesstraßenbau verstärken.– Wir stellen fest:Es wird im nächsten Jahr keinen Landesstraßenbau in Hessen mehr geben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Antrag begehrt die Entlassung des Finanzministers. Ich kann es nur wiederholen: Hessen ist ein starkes Land. Es hat eine schwache Regierung. Der schwächste Minister ist der Finanzminister. Wir können uns im wahrsten Sinne des Wortes einen solchen Finanzminister nicht leisten.Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich erteile nun das Wort dem Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion. – Herr Abg. Dr. Jung, bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zunächst eine Vorbemerkung zu dem zu machen, was gerade eben Herr Kollege Walter ausgeführt hat.

(Reinhard Kahl (SPD): Das war sehr gut! Das war hervorragend!)

Herr Kollege Walter,dass ich hier in diesem Parlament erleben durfte, dass die hessische SPD vier Tage vor der Landtagswahl in Bayern zur Wahl des Ministerpräsidenten Stoiber aufgerufen hat, ist ein besonderer Vorgang.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich wünsche unseren Freunden am Sonntag alles Gute. Ich finde, dass das, was Sie hier vorgetragen haben, in dieser Beziehung schon etwas ungewöhnlich war.

Lassen Sie mich jetzt aber zu dem Sachverhalt, den Sie in diesem Zusammenhang vorgetragen haben, eine Bemerkung machen. Tatsache ist, dass im Jahre 1991 das Land Hessen noch weniger Schulden hatte als das Land Bayern. In der Zeit von 1991 bis 1998 ist der Schuldenstand um über 52 % in Hessen angewachsen. Ich komme darauf noch zurück. Am Ende Ihrer Regierungszeit hatten wir 30 % mehr Schulden als die Bayern. Ich möchte nur so viel zu Ihrer rot-grünen Arbeit in dieser Zeit sagen, wenn man hier über die Frage der Schulden des Landes Hessen im Verhältnis zum Lande Bayern spricht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der SPD: Sie versuchen das in drei Jahren! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wofür wir acht Jahre gebraucht haben, dafür habt ihr vier Jahre gebraucht! Toll!)

Ich will jetzt zu dem eigentlichen Thema kommen, um das es hier geht. Herr Kollege Walter, dazu muss ich Folgendes sagen: Ich habe den Eindruck, dass das, was Sie hier vorgetragen haben,mit der Wirklichkeit und der Wahrheit nur sehr wenig übereinstimmt.

(Beifall des Abg. Dr. Peter Lennert (CDU))

Tatsache ist doch, dass das, was der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung unter dem Aspekt „Operation sichere Zukunft“ erläutert hat, die entscheidende Grundlage dafür darstellt, dass es in diesem Land weiterhin eine Perspektive für Bildung, für innere Sicherheit und für Investitionen gibt. Deshalb sind diese Maßnahmen jetzt notwendig,um die Zukunft für unser Land zu sichern.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren,da muss man schon eine Frage stellen. Sie sagen, wir lenken hier ab. Hier wird aber überhaupt nicht abgelenkt.Die Frage,warum eine solche Operation notwendig ist, muss hier schon erörtert werden.

(Jürgen Walter (SPD): Haben wir ja! Ihr habt zu viel Geld ausgegeben in den letzten Jahren!)

Ich muss schon sagen, Herr Kollege Walter, Sie liegen hier völlig neben dem Sachverhalt,wie er der Wirklichkeit entspricht.Das,was sich jetzt negativ aus der Zeit der rot-grünen Regierung in Berlin entwickelt, wirkt sich natürlich unmittelbar aus.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Aber nicht in Bayern?)

Drei Jahre kein Wachstum in Deutschland wirkten sich auf die Landesfinanzen, auf die Entwicklung der Einnahmen unmittelbar aus.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Natürlich wirkt es sich aus, aber manchen geht es besser und manchen schlechter!)

Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Richtung 5 Millionen wirkt sich konkret auf entsprechende Maßnahmen auch in unserem Land finanziell aus. Wie sieht denn Ihre Bilanz aus? Wir laufen in diesem Jahr schon wieder auf 40.000 Konkurse zu. Sie sagen jetzt, wir überschreiten die Stabilitätskriterien mit 3,8 %. Das Wirtschaftsinstitut redet aber von 4,3 %.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für mich ist es ein Armutszeugnis für dieses Land, dass wir, die wir alles getan haben, als die D-Mark sozusagen aus ihrer sicheren Stabilität in den Euro überging, damit der Euro weiterhin stabil bleibt, jetzt auf der Anklagebank in Europa sitzen und die Stabilitätskriterien so überschreiten. Das ist unverantwortlich, und das wirkt sich hier aus.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Schlusslicht in Europa – das ist die Bilanz, die die rotgrüne Politik in Berlin aufzuweisen hat. Aber die Probleme wirken sich unmittelbar im Land aus. Ich habe schon einmal gesagt: Nach so einer Bilanz müsste man eigentlich zurücktreten. Das Beste wäre eine neue Regierung. Das wäre ein Impuls auch für Hessen, auch für unsere Finanzen, wenn sich endlich etwas in Berlin an dieser Politik ändern würde.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Walter, Sie verschweigen noch etwas.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Immer die anderen!)

Am 14. Juli 2000 haben Sie den ersten Schritt der Steuerreform beschlossen. Ich habe damals für die Hessische Landesregierung dagegen gestimmt. Ziehen Sie heute einmal Bilanz, was es bedeutet hat, was es bewirkt hat an Arbeitsplätzen, an Einkommenssteigerung, an Wachstumsentwicklung.