Protokoll der Sitzung vom 03.05.2007

Herr Kollege Wagner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Roland Koch?

Selbstverständlich.

Herr Kollege, da wir diese Dringlichkeit zu Oppositionszeiten derart übersehen haben, können Sie mir dann erklären, warum Sie während Ihrer Regierungszeit nichts zur Erweiterung der Ganztagsangebote in Hessen gemacht haben und weshalb Sie die Ganztagsschule als Regelangebot aus dem Schulgesetz herausgestrichen haben?

Herr Abg. Koch, ich finde es sehr bemerkenswert, dass Ihnen, der Sie in Nebenfunktion auch Regierungschef dieses Landes sind, da wir über die Bilanz Ihrer achtjährigen Regierungszeit reden, nicht mehr einfällt, als auf die Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts zu verweisen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das finde ich, Herr Abg. Roland Koch, da Sie im Nebenberuf auch unser Regierungschef sind, doch sehr bemerkenswert. Herr Regierungschef Koch, wenn die Armut so groß ist, dann sollten Sie im nächsten Jahr wirklich den Platz freimachen, denn dann zeigen wir Ihnen – SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –, wie es in diesem Lande in Bezug auf die Ganztagsschulen gehen könnte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Roland Koch (CDU):Was haben Sie denn gemacht? Sie haben nichts gemacht!)

Herr Abg. Koch, wenn Sie dies schon ansprechen, dann frage ich Sie:Wer war es denn, der gebundene und offene Ganztagsschulen in diesem Lande auf den Weg gebracht hat? Denn das geschah noch zu rot-grünen Zeiten. Sie haben an diesem Status quo in den allgemeinbildenden Schulen so gut wie überhaupt nichts geändert. Sie haben an den allgemeinbildenden Schulen so gut wie keine zusätzlichen offenen oder gebundenen Ganztagsschulen eingerichtet.

(Zuruf des Abg. Roland Koch (CDU))

Herr Kollege Koch, lassen Sie sich das von Frau Kollegin Wolff noch einmal erklären, denn das weiß sie. Sie weiß es, weil sie in dieser Hinsicht ideologiegetrieben ist.

Herr Kollege Koch, bei den offenen und gebundenen Schulen ist so gut wie nichts passiert, und daher brauchen wir von Ihnen in dieser Frage wirklich keine Nachhilfe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Roland Koch (CDU): Sagen Sie doch die Wahrheit!)

Herr Koch, die Wahrheit – –

(Zuruf des Abg. Roland Koch (CDU))

Herr Koch, ich verstehe kaum mein eigenes Wort. Dürfte ich jetzt noch Weiteres sagen, oder wollen Sie im Anschluss noch einmal sprechen? Sie haben hier sämtliche Möglichkeiten und können in Ihrer Funktion als Regierungschef nachher ans Rednerpult treten.

(Ministerpräsident Roland Koch: Das macht die Frau Kollegin!)

Heute darf es Frau Wolff wieder einmal selbst machen. Wir wissen, dass sie sich neuerdings gern selbst zu bildungspolitischen Fragen äußert. Das ist auch besser so. Herr Ministerpräsident, das gestehe ich Ihnen gerne zu. Das eigentliche Problem, weshalb Sie so emotional reagieren, ist, dass SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN genau den wunden Punkt getroffen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Minister Jürgen Banzer: Wer rea- giert hier emotional?)

Sie hatten beim Thema Ganztagsschule seit acht Jahren eine ideologische Blockade und kommen nun ganz langsam und nur schwer wieder davon weg. Doch wir können uns in unserem Lande keine Partei leisten, die diese Regierung stellt und in den bildungs- und gesellschaftspolitischen Fragen immer fünf bis zehn Jahre hinter der Wirklichkeit zurückbleibt. Das können wir uns nicht leisten. Sie spüren, dass die Zeit über diese Regierung hinweggegangen ist und dass deshalb mit dieser Regierung zu Beginn des nächsten Jahres auch Schluss sein wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Besonders mau ist es um „echte“ Ganztagsschulen – Herr Kollege Koch, ich rede immer von echten Ganztagsschulen und nicht allein von pädagogischer Mittagsbetreuung – bestellt.

(Zuruf der Ministerin Karin Wolff – Gegenruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD): Das sagt die Richtige!)

Frau Kollegin Wolff, wenn ausgerechnet Sie von Arroganz sprechen, dann spricht dies für einen Blick in den Spiegel und sagt wenig über meine Rede aus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Besonders mau sieht das Angebot an echten Ganztagsschulen in den Grundschulen aus.

(Zuruf der Ministerin Karin Wolff)

An echten Ganztagsschulen. Frau Ministern, Sie dürfen nicht Opfer Ihrer eigenen Propaganda werden, sondern Sie müssen sich wirklich anschauen, wie die Realität an den Schulen aussieht. Sie sollten nicht allein das glauben, was Sie selbst in den Pressemitteilungen schreiben. Das wäre ein wesentlicher Fortschritt in der Bildungspolitik unseres Landes.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es wäre gerade an den Grundschulen wichtig, zumindest an den Schulen, die das wollen, auf freiwilliger und be

darfsgerechter Basis – Frau Kollegin Kölsch – mehr Ganztagsangebote einzurichten. Gerade an den Grundschulen könnten wir es noch leisten, unterschiedliche Startbedingungen, die Kinder mit in die Schule bringen, auszugleichen. Denn gerade in den frühen Jahren haben wir noch die Gelegenheit dazu. Dass das Ganztagsschulprogramm der Landesregierung gerade an dieser Stelle so mau ist, zeigt, dass Sie nicht begriffen haben, welchen bildungspolitischen Wert freiwillige und bedarfsgerechte Ganztagsangebote haben könnten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es wäre die Aufgabe einer verantwortungsvollen Ministerin gewesen, ihre Partei und Fraktion schon vor Jahren darauf hinzuweisen, dass sie beim Thema Ganztagsschule Scheuklappen hat. Es wäre die Aufgabe einer verantwortungsvollen Ministerin gewesen, zu sagen: Liebe Parteifreunde, das, was wir da programmatisch fordern, ist absolut nicht mehr auf der Höhe der Zeit.

All das leistet diese Ministerin nicht.Diese Ministerin versteht sich in erster Linie als Hüterin des CDU-Parteiprogramms und nimmt erst in zweiter Linie die Wirklichkeit an den hessischen Schulen wahr; denn ihre Zwischenrufe haben hierfür gerade beredte Beispiele geliefert.Das Problem Ihrer Bildungspolitik ist, dass Sie glauben, dass man, wenn Ihr Parteiprogramm nicht mehr mit der Wirklichkeit übereinstimmt, die Wirklichkeit ändern müsste. Sie müssten aber Ihr Parteiprogramm ändern; oder besser wäre, die Wählerinnen und Wähler würden hier Anfang des nächsten Jahres die Regierung verändern. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat Frau Ministerin Wolff. Bitte.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich heute am Anfang sehr darüber gewundert, dass die SPD diesen Punkt zum Setzpunkt gemacht hat. Nach der Rede der SPD und der des Kollegen Wagner bin ich außerordentlich erfreut darüber, dass dies heute so gemacht worden ist.

Denn an nichts anderem als an diesen beiden Reden ist deutlich geworden, wie Reden und Tun auseinanderklaffen. Das ergibt sich, wenn man ein bisschen das überblickt, was in den letzten Jahren geschehen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Leider ist es wirklich so, dass man gelegentlich darauf hinweisen muss, was in den Jahren zuvor geschehen ist. Frau Kollegin Kölsch hat das gemacht. Frau Kollegin Pfaff hat das mit Blick auf die Wahl von Frau Kollegin Ypsilanti mit dem Satz formuliert: Was passiert ist, lässt sich jetzt nicht mehr ändern. – Das ist so. Es lässt sich auch jetzt nicht mehr ändern, was in den Jahren vor 1999 geschehen ist.

Damals wurde das Schulwesen schlicht und einfach kaputt gespart. Der Unterricht wurde nicht in vollem Umfang gegeben. Die Stundentafel wurde gekürzt. Dann wurde sie auch nicht eingehalten. Darüber hinaus fielen auch noch Unterrichtsstunden wegen Krankheit und Fortbildung aus.

(Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie lange sind Sie an der Regierung?)

Das ist heute anders. Zu Ihrer Zeit gab es wenige Ganztagsangebote und Ganztagsschulen, nämlich rund 130.Ab 1995 wurde das Programm zum Ausbau der Ganztagsschulen vollkommen eingefroren. Danach wurden keine weiteren eingerichtet.

Damit das deutlich wird, will ich das auch einmal in Prozenten ausdrücken. Das waren damals, bezogen auf die allgemeinbildenden Schulen, also ohne die gymnasialen Oberstufen und die beruflichen Schulen, 7 % aller hessischen Schulen. Sie hatten durch die Gnade der SPD und der GRÜNEN ein ganztägiges Angebot erhalten. Diese Prozentzahl ist einstellig. Herr Kollege Wagner, ich finde es deshalb schlicht und einfach arrogant und – vielleicht wollen Sie das auch noch hören – dreist, in welcher Weise Sie hier über die Politik der letzten Jahre sprechen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Entschuldigung, das war Majestätsbeleidigung!)

Sie tun das auf der Basis der 130 Schulen mit Ganztagsangeboten, die Sie hinterlassen haben.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Entschuldigung, euer Majestät!)

Herr Kollege Wagner, hätten Sie damals das Programm der pädagogischen Mittagsbetreuung schon erfunden gehabt, hätten Sie das an mehr als 130 Schulen schon eingeführt gehabt, dann hätten wir bedarfsgerecht aufsatteln können, dann hätten wir bedarfsgerecht hinsichtlich der Ganztagsangebote an mehr als drei Tagen, nämlich an fünf Tagen, aufstocken können.

(Axel Wintermeyer (CDU): So ist es!)

Wir hätten dann einen größeren Umfang, als es heute der Fall ist.

Sie haben dann auch noch die Frechheit besessen, hier über die Grundschulen zu reden. Herr Kollege Wagner, in dem Schulgesetz, das Sie uns hinterlassen haben, sind die Grundschulen schlicht und einfach aus dem Programm der pädagogischen Mittagsbetreuung und der ganztägigen Angebote ausgeschlossen gewesen.

(Beifall bei der CDU – Axel Wintermeyer (CDU): Das ist unglaublich!)