Protokoll der Sitzung vom 03.05.2007

Eigentlich könnten wir jetzt alle zufrieden sein. Aber da gibt es noch die Kassandra der sozialdemokratischen Bildungsmystik. Liebe Frau Kollegin Habermann, es hätte mich – das gebe ich offen zu – in meinen mentalen Grundfesten erschüttert, wenn Sie etwas Positives zum Landesabitur gesagt hätten.

(Heike Habermann (SPD):Ach Gottchen, das können wir nicht vertreten!)

In dem Moment, wenn Sie es gelobt hätten, hätte ich wahrscheinlich überlegt, ob wir etwas falsch gemacht haben.Aber Sie haben es nicht getan. Es gab keine Überraschung. Kein besseres Wissen, noch nicht einmal der augenscheinliche Erfolg konnte Sie aus Ihrem ideologischen Schützengraben herauslocken. Pauken statt Denken – so war eine Ihrer Pressemitteilungen übertitelt. Das haben Sie befürchtet, völlig verkennend, dass es auch im bisherigen Abitur immer einen Anteil von Stoff gab,den man lernen musste, den man gepaukt hat – vorher, und das wird auch in Zukunft so sein. Ich glaube, dass das damit zu tun hat, sich Wissen einfach anzueignen.

Aber vollkommen grotesk wird es – da habe ich mich doch gewundert –, wenn Sie beim Zentralabitur davon sprechen, dass wir nicht alle Schüler in eine Schablone pressen sollen, wenn wir ihnen gerecht werden wollen. Diese Aussage aus Ihrem Mund – das sagt ausgerechnet die Donna Quichotte der hessischen Einheitsschule, die den Kampf gegen das gegliederte Schulwesen für die Gleichmacherei führt, zusammen mit ihrem treuen Gefährten von der GEW.

(Beifall bei der CDU – Lachen der Abg. Heike Ha- bermann (SPD))

Liebe Frau Habermann, das hat mich wirklich gewundert, denn das ist das, was Sie immer wieder versuchen, uns zu vermitteln.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist der Esel!)

Dazu habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Ich habe das sogar im Manuskript stehen. Ich zeige es dir nachher. Ich habe es aber nicht gemacht, weil das wieder eine Rüge von hinten gegeben hätte.

(Lachen bei der SPD)

Folgerichtig ist daher Ihre Aussage, das Landesabitur im Falle eines Wahlsieges, was der liebe Gott und die Wählerinnen und Wähler verhüten mögen,wieder abzuschaffen.

(Lachen der Abg.Heike Habermann (SPD) und Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vollkommen egal ist Ihnen dabei, was man den Schulen organisatorisch wieder aufbürden würde; denn eines ist klar: Der Aufwand für die Schulen und für den einzelnen Lehrer ist weniger geworden – eine notwendige Maßnahme, haben wir doch den Pädagogen in den letzten Jahren einiges mehr abverlangt.

Liebe Frau Habermann, übrigens sehen das, was Sie formuliert haben, nicht einmal alle Sozialdemokraten so. Ihr – ich denke einmal – geschätzter Kollege Jürgen Zöllner, Präsident der KMK, früher über den Rhein, heute in Berlin, sagt dazu: Das Zentralabitur ist ein großer bildungspolitischer Schritt zur Vergleichbarkeit, zur Überprüfbarkeit von gesetzten Standards und zu einer größeren Gerechtigkeit des Abiturs. – Liebe Frau Habermann, Sie sehen, Sie sind sogar in Ihrer eigenen Partei isoliert.

(Andrea Ypsilanti (SPD):Ach!)

Man könnte ja darüber hinweggehen und es einfach nicht zur Kenntnis nehmen. Liebe Frau Habermann, aber wir erkennen in Ihnen eher eine antikmythische Sibylle.

(Heike Habermann (SPD): Also was jetzt, Kassandra oder Sibylle? – Zuruf der Abg. Kordula SchulzAsche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie sagen: „Landesabitur“, und Sie meinen die Gymnasien. Sie wollen nämlich nicht nur das Landesabitur abschaffen, sondern Sie wollen auch die Gymnasien insgesamt abschaffen, auch wenn Sie sich nicht trauen, das offen zu sagen.

(Heike Habermann (SPD): Mehr haben Sie über das Landesabitur nicht zu sagen?)

Aber Sie wissen auch, das ist mit uns nicht zu machen.Wir stehen zu unserem gegliederten Schulsystem, das natürlich immer weiterentwickelt werden muss. Ich denke, dieser Aufgabe werden wir uns auch annehmen. Über 60 % der hessischen Eltern schicken ihre Kinder in der Klasse 5

in ein gegliedertes System. Ich denke, dass das deutlich macht, dass das von den Eltern so angenommen wird.

Jetzt habe ich einmal nachgesehen, was die GRÜNEN dazu gesagt haben, und, lieber Herr Kollege Wagner, habe einmal geschaut, was zum Thema Gymnasien im Besonderen die GRÜNEN in ihr Wahlprogramm 2003 hineingeschrieben haben. Ich habe lange gesucht. Ich habe vieles gesucht. Ich habe nichts gefunden – kein Wort zum Thema Gymnasium. Das macht deutlich, welchen Stellenwert diese Schulform bei Ihnen hat.

Aber Kollege Wagner hat sich vor Einführung des Landesabiturs geäußert, hat vor allem auf organisatorische Mängel hingewiesen und hat an die Wand gemalt, dass wahrscheinlich die Aufgaben nicht pünktlich bei den Schulen sein könnten bzw. die Schülerinnen und Schüler nicht rechtzeitig alles vorliegen hätten. Lieber Herr Kollege Wagner, das hat sich nicht bestätigt. Organisatorisch war alles hervorragend und alles so, wie es vorher durchgeprobt war.

Weil alles so gut gelaufen ist, musste man einen neuen Aufhänger finden, um etwas kritisieren zu können. Es wurde gesagt: Ja, das lief nur deswegen alles so gut, weil es viel zu leicht war. – Ich habe als absurdeste Behauptung gehört, das wäre nur so leicht gewesen, weil dieses Jahr der Sohn des Ministerpräsidenten teilgenommen hätte. Beim nächsten Mal würde es bestimmt schwerer. – Liebe Leute, wer hier so etwas behauptet, der muss wirklich mit dem Klammerbeutel gepudert sein.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Vorher hatten alle noch an die Wand gemalt: Das schafft keiner, das ist viel zu schwer, die Schülerinnen und Schüler können sich nicht darauf einstellen. – Hinterher hieß es: Ja, es war viel zu leicht.

Ich glaube eher, dass die Aufgaben sehr fair und sehr angemessen waren. Das liegt an den Leuten in der Kommission, die die Aufgabenstellung gemacht haben. Ich persönlich kenne den Leiter der Deutschkommission, der bei uns im Schwalm-Eder-Kreis Schulleiter ist und von dem ich sicher weiß, dass er eine faire und angemessene Aufgabenstellung durchgeführt hat.Ihm liegt es wirklich fern, etwas aus bestimmten Gründen zu leicht zu machen.

Wenn man sich einmal die Zitate der Schülerinnen und Schüler anschaut, die von den Zeitungen befragt worden sind – ich erinnere an die Befragung in der „Frankfurter Neuen Presse“ vom 17.03. –, waren die Aussagen: „Aufgaben waren fair und machbar.“ Dann die nächste Aussage: „Hätte mir die Aufgaben etwas einfacher vorgestellt.“ Das spricht eher dagegen, dass es zu leicht war. Dann: „Aufgaben waren alle lösbar.“ Oder: „Bis auf eine Aufgabe war die Klausur eigentlich ganz okay.“ Eine Aufgabe scheint wohl ein bisschen schwerer gewesen zu sein.

Der stellvertretende Leiter der Ludwig-Geißler-Berufsschule, Herr Herget, hat gesagt, „die Aufgaben seien dem Leistungsniveau angemessen“ gewesen – nachzulesen in der „Frankfurter Rundschau“ vom 17.03., die uns wirklich nicht nahesteht.

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Was liest du für eine Zeitung? – Heiterkeit bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn wir mehr Eigenverantwortlichkeit der Schulen wollen, dann müssen wir auch die Kehrseite der Medaille anerkennen. Mehr Eigenver

antwortung bedeutet mehr zentrale Prüfungen, mehr Abprüfen von Standards, damit diese eingehalten werden.

(Heike Habermann (SPD): Erst einmal bräuchte man mehr Eigenverantwortung!)

Meine Damen und Herren,auf eines möchte ich noch hinweisen. Unser Landesabitur ist nicht das klassische Zentralabitur, wie wir es aus anderen Bereichen kennen. Wir haben – diese Kritik nehme ich gerne auf – teilweise dahin gehend Kritik erfahren, dass gesagt worden ist, die Kreativität gehe durch zentrale Prüfungsvorgaben verloren.

Das mag vielleicht für den Bereich der schriftlichen Prüfungen gelten. Doch dafür haben wir gerade im Bereich des fünften Prüfungsfaches die größtmögliche Kreativität in die Schulen hineingebracht; denn dort können Schülerinnen und Schüler frei wählen, wie sie ihr fünftes Prüfungsfach ins Abitur einbringen – ob das eine besondere Lernleistung ist, ob das eine Präsentation ist, ob es eine klassische mündliche Prüfung ist. Kreativer kann man im Abitur nicht sein als im fünften Prüfungsfach, das erst wir eingeführt haben.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Meine Damen und Herren, zum Abschluss. Uns wird immer gesagt, wir sollten uns an den Skandinaviern orientieren. Ich kann dazu nur feststellen: In Finnland, was immer gern hochgehalten wird, gibt es jedes Jahr, nach jedem Schuljahr, zentrale Abschlussprüfungen.

Schulen, Landeselternbeirat, Philologenverband und der Verband Bildung und Erziehung haben verlauten lassen, dass die Prüfungen inhaltlich und organisatorisch gut verlaufen seien. Ich denke, mit dieser Aussage sehen wir uns auf dem eingeschlagenen Weg bestätigt, und danke noch einmal all denen, die den erfolgreichen Start des Landesabiturs ermöglicht haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Abg. Habermann für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mein lieber Herr Weinmeister, ich muss gestehen, ich habe weder die griechische Mythologie noch die Literatur bemüht, um eine Ansprache für Sie zu finden. Ich werde auch nichts von meinen eigenen Abiturerlebnissen zum Besten geben.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Meine Damen und Herren, ich gestehe allerdings: Die Inhaltsschwere dieses Antrags verleitet einen fast dazu, sich hierher zu stellen und nur zu plaudern. Herr Weinmeister, ich habe mich wirklich gefragt: Warum beschäftigen wir uns heute mit einem Antrag der CDU zum Thema Landesabitur, den die antragstellende Fraktion für so wesentlich hält, dass sie ihn zum Setzpunkt erklärt?

Nachdem ich diese Debatte und Ihren Beitrag verfolgt habe, sehe ich meine Theorien bestätigt. Aber ich will noch hinzufügen: Dass Ihre Fraktion dem Ganzen „mit großer Begeisterung“ gefolgt ist, hat das ganze Haus mitbekommen. Dass noch nicht einmal der schulpolitische Sprecher Ihrer Fraktion es für notwendig hält, dieser Debatte zu folgen, zeigt mir, dass der Inhalt dieses Antrages eigentlich nicht das ist, worum es hier heute geht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Herr Weinmeister hat zu Recht darauf hingewiesen, dass in dieser Woche die letzten schriftlichen Prüfungen nachgeholt werden. Die Ergebnisse des Landesabiturs können wir nicht bewerten,da die mündlichen Prüfungen erst Ende des Monats durchgeführt werden. Allerdings bin ich mir relativ sicher, dass die Kultusministerin Anlass zu der Hoffnung hat, dass die Ergebnisse nicht wie bei den ersten zentralen Prüfungen zum Realschulabschluss zu großen Diskrepanzen und zu negativen Einschätzungen der Sinnhaftigkeit des Landesabiturs führen werden.

Ich glaube nämlich, Sie können es sich nicht mehr leisten, dass wieder einmal ein Projekt Ihres Hauses ins Kreuzfeuer der Kritik gerät. Warum jubeln Sie also nicht im Juni, wenn Sie diese Ergebnisse haben?

(Mark Weinmeister (CDU): Frau Habermann, das machen wir noch einmal! – Gottfried Milde (Gries- heim) (CDU): Zugesagt! Machen wir gern!)

Warum legen Sie uns heute einen Antrag vor, der schlicht und einfach sagt: „Die Organisation des Landesabiturs an den hessischen Schulen hat geklappt – wir sind stolz darauf“? – Das ist alles, was Sie uns hier heute vermittelt haben. Ich gebe Ihnen sogar recht.

(Petra Fuhrmann (SPD): Es hat einmal etwas geklappt!)

Für den ersten Anlauf dieses Projektes hat es organisatorisch ganz gut geklappt.Wenn es Ihnen guttut,dass wir das bestätigen, tue ich das gerne. Ich fand etwas störend, dass Schulleitungen morgens antreten und die Prüfungsvorlagen eigenhändig kopieren müssen. Das kommt zu ihrer Arbeitszeit hinzu und hat mit ihrem Aufgabenprofil wenig zu tun.