Protokoll der Sitzung vom 04.05.2007

Der Nationale Ethikrat hat die Frage aufgeworfen, ob einem zunächst umfassend aufgeklärten Menschen zugemutet werden kann, sich in dieser ohne Zweifel außerordentlich schwierigen Frage zu entscheiden. Das ist etwas anderes, als die Selbstbestimmung infrage zu stellen.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Selbstverständlich bestimmt jeder zu Lebzeiten, wie seine Haltung zur Organspende ist.Die Frage,die der Nationale Ethikrat aufgeworfen hat, ich betone das noch einmal, ist, ob nach einer umfassenden Aufklärung die posthumen Persönlichkeitsrechte schwerer wiegen und nicht zugemutet werden kann, sich der Verantwortung einer Festlegung zu stellen.

Die von Frau Kollegin Wagner aufgeworfene Frage, dass wir an keiner anderen Stelle die posthume körperliche Integrität infrage stellen, ist nicht richtig. Wir kennen eine ganze Reihe von Fällen, in denen, allerdings zu einem anderen Zweck, nämlich der Gesundheit anderer, die posthume diagnostische Leichenöffnung völlig außer Frage steht, wie es beispielsweise nach dem Seuchenrecht der Fall ist.

Insofern ist auch der Vorwurf, der Nationale Ethikrat habe nicht nur die Selbstbestimmung infrage gestellt, sondern grundsätzliche, unantastbare Grenzen überschritten, nicht richtig.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass sich der Nationale Ethikrat in dieser Frage untadelig verhalten hat. Man kann sein Ergebnis diskutieren. Wir haben festgestellt, dass es dazu sehr unterschiedliche Auffassungen gibt. Im Unterschied zu anderen Fraktionen ist die Einschätzung der SPD-Fraktion an dieser Stelle, soweit ich das überblicke, nicht einmütig. Das begrüße ich ausdrücklich, weil es eine sehr schwierige und persönlich zu entscheidende Frage ist. Die Ebene, dass am Ende über Organspende jeder persönlich entscheiden muss, hat der Nationale Ethikrat selbstverständlich eingehalten. Wir sollten uns dem Thema in einem angemesseneren Rahmen widmen.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP):Dann hätten Sie einen Antrag stellen können!)

Sehen Sie, Frau Wagner – –

Herr Kollege Dr. Spies, ich weise trotzdem darauf hin, dass Sie zum Schluss kommen müssen.

Vielen Dank. – Frau Kollegin Wagner, ein letzter Satz auf Ihren Zwischenruf: Ich begrüße es ausdrücklich, dass uns heute Morgen niemand einen fraktionsweise abzustimmenden Antrag zugemutet hat.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen und sollen uns dieser Diskussion stellen. Dieser Rahmen und diese zeitliche Schnelle waren dem Vorgang nicht angemessen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Spies. – Das Wort hat die Sozialministerin, Frau Staatsministerin Silke Lautenschläger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute Morgen wieder ein sehr umfassendes Thema,wenn es darum geht,wie wir es in Deutschland schaffen, des Problems Organspende insgesamt Herr zu werden. Klar ist, egal, ob wir uns Zahlen in Hessen oder in anderen Bundesländern anschauen: Deutschland ist im internationalen Vergleich in seiner Aufklärungsarbeit beim Thema Organspende bisher schlecht aufgestellt.

Für mich hat die Diskussion über die Empfehlungen des Nationalen Ethikrats durchaus ein Positives. Das Thema Organspende wird dadurch wieder aus einer Tabuzone herausgeholt. Wir stellen fest, dass es nach wie vor sehr schwierig ist, Menschen mit dieser ernsten Frage zu befassen.Bei jungen Leuten in den Schulen stellen wir nach wie vor eine höhere Aufgeschlossenheit fest.Es kommen auch Diskussionen in den Familien zustande, um tatsächlich eine persönliche Entscheidung über das Thema Organspende zu treffen.

Einige der Bereiche, die bereits heute Morgen angesprochen worden sind, sind sicher auch umstritten. Deswegen ist Deutschland damals einen anderen Weg in seiner gesetzlichen Regelung gegangen. Das, was man sich damals bei der gesetzlichen Regelung erhofft hat, ist leider bisher nicht eingetreten. Deswegen wäre gemeinsam mit dem, was von uns als Hessischer Landesregierung und was vom Landtag bei der Verabschiedung des hessischen Ausführungsgesetzes zum Transplantationsgesetz beschlossen worden ist, ein weiterer Schritt wichtig, nämlich zielgerichtet weiter Aufklärungsarbeit zu betreiben. Dazu gehört auch, dass wir geregelte Verfahren finden, um eine solche persönliche Entscheidung vorzubereiten.

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es schaffen werden, dass jeder, ob es mit 18 Jahren ist oder zu einem anderen Zeitpunkt, irgendwann mit dem Thema konfrontiert werden muss, damit er überhaupt eine persönliche Entscheidung treffen kann. Indem wir über solche Verfahren sprechen, müssen wir überlegen, wo wir die Aufklärung aufnehmen, ob das mit den Erste-Hilfe-Kursen, die zum Führerscheinerwerb Voraussetzung sind, verbunden wird oder ob wir bei anderen Themen diese Aufklärungsarbeit integrieren.

Mit der breit angelegten Kampagne der Landesregierung werden wir gewisse Erfolge erzielen. Wir werden mehr Menschen damit konfrontieren, aber wir dürfen trotzdem nicht aufhören, nach weiteren Wegen zu suchen und es zu einem dauerhaften öffentlichen Thema zu machen.

Wir stellen fest, es gibt Bewegungen, bei denen Organspende ein Thema ist. Wenn wir normale Aufklärungsarbeit machen, schaffen wir es nicht, in die Medien zu kommen. Erfreulich bei dem, was wir angestoßen haben, sind erste Rückmeldungen, dass immerhin in Hessen die Ablehnungsquote zurückgegangen ist. Das ist ein Teilerfolg, dass sich mehr Menschen mit diesem Thema auseinandersetzen. So, wie es mir die Deutsche Stiftung Organtransplantation signalisiert hat,liegen erste positive Ergebnisse vor, dass die Ablehnungsquoten deutlich zurückgehen.

Ich bin aber auch der Auffassung, dass wir weiter darüber reden müssen, wie wir den Krankenhäusern gesetzgeberisch auf Bundesebene bessere Chancen geben können, sich um jeden Einzelnen zu kümmern. Der Nationale Ethikrat hat die Defizite in den Krankenhäusern durchaus sehr zutreffend beschrieben. Wir müssen auch zu Regelungen kommen, dass für Krankenhäuser keine Nachteile entstehen, wenn sie sich um das Thema Organspende kümmern. Diese Diskussion wird auf Bundesebene zu führen sein. Dort muss es weitergehen, denn die Bedingungen sind nach wie vor nicht so, dass sich jedes kleine Krankenhaus tatsächlich um dieses Thema kümmern kann, auch wenn es in der Vergangenheit einige wichtige Verbesserungen gegeben hat.

Ich kann Ihnen versichern, als Landesregierung nehmen wir diese Diskussion gerne auf. Vor allem werden wir das Thema Aufklärungsarbeit weiterhin sehr ernst nehmen – an Schulen und beispielsweise mit dem Landfrauenverband, der eine breite Öffentlichkeit erreicht, die nicht zu unterschätzen ist; dort werden viele weitere Bereiche einbezogen. Wir müssen alle kräftig dafür werben, dass in Deutschland tatsächlich Entscheidungen getroffen und nicht weiter vertagt werden, weil wir sonst weiterhin viel zu geringe tatsächlich erklärte Spendebereitschaft haben.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Nicola Beer (FDP))

Vielen Dank. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe Tagesordnungspunkt 66 auf:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (RDF-Anti-Lärm-Pakt – Verhandeln im Interesse der Region) – Drucks. 16/7277 –

Das Wort hat der Kollege Boddenberg, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als das Mediationsverfahrens zur weiteren Entwicklung des Frankfurter Flughafens in den Jahren 1999 und 2000 ins Leben gerufen wurde und dann im Jahr 2000 die Ergebnisse dieses Verfahrens präsentiert wurden,gab es drei zentrale Zielsetzungen.

Eine davon war es, mit diesem Verfahren zu einer informellen, informativen und sachlichen Debatte beizutragen und damit einen wichtigen Beitrag zur demokratischen Streitkultur zu leisten.Ein weiteres Ziel war es,einen dauerhaften Dialog in der Region herzustellen, um dort mögliche Konfliktpotenziale, positive wie negative Begleiterscheinungen dieses großen Projektes, in einem ständigen Diskurs zu halten.

Wir kennen das Ergebnis der Mediation. Es hat nicht nur den Ausbau und die Verankerung eines Nachtflugverbotes sowie die Einrichtung des Regionalen Dialogforums vorgesehen, sondern auch gesagt, es solle innerhalb des Regionalen Dialogforums zu einem sogenannten AntiLärm-Pakt kommen, in dem Maßnahmen verabschiedet, vereinbart,verhandelt werden sollen,um die Menschen in dieser Region nur den nicht vermeidbaren Lärmimmissionen auszusetzen – in Summe also dazu zu kommen, Lärmminderungen dort durchzuführen, wo es nur eben geht.

Zunächst einmal möchte ich hier sehr deutlich machen, dass die CDU-Fraktion – und ich denke, das betrifft die große Mehrheit in diesem Hause – den Initiatoren und insbesondere dem Vorsitzenden des Regionalen Dialogforums, Prof. Wörner, für diese Arbeit in den letzten Jahren sehr dankbar ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich möchte das ausdrücklich zu einem Zeitpunkt tun, in dem es in einer so konkreten Phase weiterer Verhandlungen innerhalb des RDF auch zu Kritikpunkten kommt.

Die eine oder andere Kritik teile ich nicht, kann sie aber nachvollziehen. Die eine oder andere Kritik kann ich nicht nachvollziehen, insbesondere – das sage ich sehr deutlich – die Kritik der GRÜNEN. Sie machen Herrn Wörner Vorwürfe, die völlig in die Irre gehen. Sie stellen im Grunde genommen deswegen ein völlig falsches Bild, weil Herr Wörner einen Auftrag angenommen und durchgeführt hat und auch weiter durchführt, für den wir ihm alle sehr dankbar sein sollten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Was war Gegenstand des Mediationsergebnisses? Beim Anti-Lärm-Pakt ging es darum, beispielsweise über wirtschaftliche Anreize in Richtung der Airlines nachzudenken. Es ging darum, sogenannte Minimum-Noise-Routes festzulegen, zu prüfen, ob es bessere Routen gibt, natürlich in Zusammenarbeit mit der Deutschen Flugsiche

rung. Es geht und soll gehen um passive Schallschutzmaßnahmen, über diese aktiven Maßnahmen hinaus. Es soll darum gehen, ein vernünftiges und gerechtes Immobilienmanagement zu installieren, und natürlich soll dort auch – so heißt es wörtlich – eine Selbstverpflichtung von Fraport zu diesen insgesamt wichtigen Fragen, aber insbesondere auch mit Blick auf das Nachtflugverbot, verankert werden. Wir wissen, mit dem Antrag von Fraport ist dort schon etwas sehr Wichtiges und Positives erreicht worden.

Nun hat dieses Regionale Dialogforum vor etwa einem Jahr eine Arbeitsgruppe eingerichtet,die sich mit der konkreten Ausgestaltung des Anti-Lärm-Paktes beschäftigen soll. Ich will das noch einmal deutlich sagen: In dieser Arbeitsgruppe sitzen auch 4 von 13 kommunalen Vertretern, die von den anderen in diese Arbeitsgruppe entsandt worden sind, um zunächst eine Absichtserklärung zu erarbeiten. Die liegt jetzt auf dem Tisch, und um die wird es in den nächsten Tagen und Wochen gehen.

Meine Damen und Herren, diese Absichtserklärung trägt, wie Herr Prof. Wörner völlig zu Recht sagt, drei Gründe vor, weshalb man versuchen sollte, mit aller Kraft, Toleranz und Kompromissbereitschaft an einer verbindlichen Vereinbarung der Teilnehmer dieser Verhandlungen zu arbeiten.

Einer der Gründe ist, dass es Ergebnisse geben kann, die die Planfeststellung möglicherweise gar nicht regeln kann, beispielsweise bei den An- und Abflugrouten. Ein zweiter Grund, den Prof.Wörner nennt, ist, dass es Ergebnisse geben kann, die über das hinausgehen, was eine Planfeststellung überhaupt regeln kann, auch hinsichtlich der Quantität der Verbesserungen. Ein weiterer Punkt ist, dass es gelingen kann, wenn man das rechtzeitig zu einer Vereinbarung führt, die betreffenden Ergebnisse auch in der Planfeststellung selbst zu berücksichtigen.

Meine Damen und Herren, zwischendrin will ich einmal sagen, es ist sehr häufig die Rede davon, dass irgendjemand den Kommunen das Klagerecht abkaufen wolle. Das ist etwa die Terminologie der GRÜNEN. Ich halte das für einen völlig ungerechtfertigten Vorwurf. Denn es unterstellt, die Kommunen seien am Ende nicht in der Lage, über das, was den Parlamenten dann jeweils vorgelegt wird, selbstständig zu entscheiden. Aber ich halte es deswegen auch für einen völlig fehlgeleiteten Vorwurf, weil es nicht nur um die Frage eines Klageverzichts der Kommunen geht, sondern insbesondere auch um einen möglichen Klageverzicht der Airlines, insbesondere der Lufthansa.

Herr Kollege Boddenberg, Sie müssen zum Schluss kommen.

Aus meiner Sicht müssten auch die GRÜNEN zur Kenntnis nehmen, dass sich dort in den letzten Wochen sehr, sehr vieles bewegt hat. Deswegen ist unsere herzliche Bitte an alle Beteiligten, dass am Ende auch die GRÜNEN erkennen, dass eine Diskussion und eine Verhandlung über Verbesserungen beim Lärmschutz stattfinden können. Ich verstehe nicht, dass GRÜNE bereits zum jetzigen Zeitpunkt das verweigern wollen.

Ich fordere alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und alle Parlamente dieser Region auf, ihre Vertretungen

im Regionalen Dialogforum jetzt Verhandlungen führen zu lassen, um Verbesserungen zu erreichen, die möglicherweise auf gerichtlichem Wege zu einem späteren Zeitpunkt nicht erreicht werden könnten: im Sinne der Region und der Menschen, die von dem Ausbauvorhaben des Frankfurter Flughafens betroffen sind. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Riege, SPDFraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Ausführungen will ich für meine Fraktion hier erklären, wir sind in der Einschätzung sehr sicher, dass die verdienstvolle Arbeit im Regionalen Dialogforum nicht dazu geeignet ist, einmal kurz in einer Aktuellen Stunde beleuchtet zu werden.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist aber ein aktueller Vorgang, Herr Kollege!)

Hier gilt dasselbe wie für den vorhergehenden Punkt.

In den zurückliegenden Jahren haben wir es immer abgelehnt, den Landtag als Bühne für die ständige Kommentierung der Vorgänge zu gebrauchen, die im Verlauf der Stellungnahmen des Hessischen Landtags zur Umsetzung des Mediationspakets stattgefunden haben.

(Beifall bei der SPD)