Protokoll der Sitzung vom 04.05.2007

Meine Damen und Herren, es ist ein Eingriff in ein wesentliches Grundrecht; die Daten, die auf dem Computer sind, sind persönlicher Art. Es gilt der Grundsatz der Unverletzlichkeit der Wohnung. Das ist ein Grundrecht. Wenn Sie in ein solches Grundrecht eingreifen wollen, dann müssen Sie schon treffliche Argumente haben. Deswegen brauchen wir keine populistischen schnellen Aktionen von Herrn Schäuble, denn wir sagen als SPD: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lehnen wir die Online-Untersuchung ab. Es gibt weder Bedarf, noch ist es tauglich, noch ist es vor allem verfassungskonform. Das ist das Entscheidende. Ich glaube, das ist eine klare rechtspolitische Position, zu der wir als hessische Sozialdemokraten stehen.

(Beifall bei der SPD)

Nun findet natürlich eine Diskussion über diese und andere Maßnahmen statt – in Berlin und auch mit den Bundesländern. Aber warum wartet man nicht die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung ab? – In Nordrhein-Westfalen macht der Verfassungsschutz Online-Durchsuchungen.Es ist eine Klage anhängig. Warum wartet man nicht eine Entscheidung des höchsten Gerichts an der Stelle ab? – Da gibt Klarheit. Deswegen brauchen wir keinen Aktionismus à la Schäuble.

Wir halten des Weiteren ein bundeseinheitliches Vorgehen für sinnvoll. Schließlich muss Transparenz über Art und Umfang der Maßnahmen in der Öffentlichkeit hergestellt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei dem einen wichtigen Thema brauchen wir eine sachliche Auseinandersetzung. Wir brauchen auch Voraussetzungen rechtsstaatlicher Natur, die – ähnlich wie beim Großen Lauschangriff – ein hohes Anforderungsprofil stellen, wenn man überhaupt über das Thema reden will: Konkrete und dringende Gefahr muss vorliegen, höherrangiges Rechtsgut und hohe Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes. Nur bei schweren Straftaten oder wichtigem Rechtsgut.Richtervorbehalt ist ein wichtiges Element. Die Möglichkeit des nachträglichen Rechtsschutzes. Ganz wichtig: die Gewährleistung des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung.

Das können Sie nicht mit einer Überschrift in der Zeitung oder im Fernsehen einmal so nach dem Motto machen: Wir machen Online-Durchsuchungen – schon gibt es keine Gefahr durch internationalen Terrorismus oder Extremismus. – Meine Damen und Herren, im Gegensatz zu Herrn Schäuble und anderen CDU-Politikern stellen wir nicht alle Millionen Besitzer und Nutzer von PCs unter einen Generalverdacht. Das ist mit uns jedenfalls nicht zu machen. Das wäre der Weg in den Überwachungsstaat. Wir orientieren uns an klaren rechtsstaatlichen Grundsätzen. Big Schäuble is watching you. Das stellt gewissermaßen Millionen Menschen unter Generalverdacht. Das ist der falsche rechtsstaatliche Ansatz für die Bürgerpartei SPD.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, immer weiter und immer mehr die Freiheit – –

(Zuruf des Ministers Volker Hoff)

Herr Hoff, wenn Sie etwas sagen wollen, dann kommen Sie ans Mikrofon. Dann können alle etwas davon hören. Fangen Sie nicht an, von der Seite hier hinten zu lachen. Das ist eine Art, wie man mit dem Parlament nicht umgeht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Melden Sie sich. Aber bei dem Thema sind Sie nicht so ganz erfolgreich.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Kleines Sensibelchen!)

Meine Damen und Herren, immer weiter und immer mehr die Freiheit einzuschränken zugunsten eines vermeintlichen Mehrs an Sicherheit – dies ist eine These, die von der CDU, von Herrn Schäuble und anderen immer wieder gerne aufgestellt wird. Den Beleg, dass dies in der Tat auch zu mehr Freiheit führt, können Sie objektiv gar nicht antreten. Deswegen diskutieren wir hier nicht über kleine erkennungsdienstliche Maßnahmen.

Übrigens ist es bisher schon möglich, E-Mail-Verkehr zu überwachen. Was sind die Ergebnisse und Erkenntnisse? – Bei der rechtsstaatlichen Diskussion, wie wir sie führen, gehört zu jedem Eingriff in die Bürgerrechte immer die Frage der Zweckmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit. Das zeichnet einen demokratischen Rechtsstaat genau aus.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Was Herr Schäuble jetzt vorhat, ist zu einfach. Meine Damen und Herren, für uns gilt, für neue Sicherheitsinstrumente müssen wir den tatsächlichen Bedarf und die Tauglichkeit für eine verbesserte Bekämpfung von Kriminalität und Terror nachweisen. Neue Sicherheitsinstrumente müssen mit dem Grundgesetz vereinbar sein. Einfache plakative und populistische Botschaften reichen nicht aus.

(Minister Volker Hoff: Ja!)

Wir stehen für einen kritisch-konstruktiven Diskurs. – Ich weiß, Sie haben Probleme, wenn es ums Grundgesetz und Bürgerrechte geht. Wir lehnen das, was Herr Schäuble will, in dieser Form ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung, Herr Kollege Beuth, Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich kurz mit dem, was Herr

Kollege Rudolph gesagt hat, beschäftigen, weil der Anlass zur Debatte zunächst ein Antrag der SPD-Fraktion vom 20.03. gewesen ist.

Das, was Sie damals in den Antrag geschrieben haben, passt mit dem, was Sie hier vorgetragen haben, überhaupt nicht mehr zusammen. Sie haben damals aufgeschrieben, dass die Landesregierung aufgefordert wird, dass heimliche Durchsuchungen von PCs nicht möglich sein dürften.

Sie haben von einem kritisch-konstruktiven Diskurs gesprochen. Ich würde sagen, das war ein kritisch-konstruktiver Rückzug, weil Sie gesagt haben: Lasst uns einmal darüber reden, und dann müssen wir sehen, wie wir damit zurechtkommen. – Herr Kollege Rudolph, im Ergebnis finde ich das gut. Ich bin der Auffassung, dass wir in der Tat dafür sorgen müssen, dass wir keine digitalen Freiräume für Terroristen und schwerste Verbrecher in diesem Land bilden dürfen. Das ist der Kern dessen, worum es hier geht.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Rudolph, wenn Sie hier vortragen, das Besondere sei, dass der PC-Besitzer nichts davon erfahre, dann muss ich schon sagen, das, was Sie hier vortragen und wie Sie es hier vortragen, ist ziemlich unverantwortlich. Sie suggerieren der geneigten Öffentlichkeit, dass jeder damit rechnen müsse, dass irgendeine Behörde in seinen PC, der online ist, hineinguckt. Das ist überhaupt nicht der Fall. Das ist überhaupt nicht gewollt.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist der Vorschlag von Herrn Schäuble!)

Das wissen Sie. Deswegen ist es unglaublich, was Sie bisher hier vorgetragen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde es ja wunderbar, wie Sie sich an unserem Innenminister, Herrn Schäuble, abgearbeitet haben und zu Ihrem Antrag nur sehr mäßig gesprochen haben. Der Ausspruch: „Big Schäuble is watching you“ zeigt die Qualität der Auseinandersetzung, die Sie hier führen wollen.

Wir haben uns auf die veränderten Bedingungen in unserem Land einzustellen. Kriminelle und Schwerstverbrecher tun dies in unserem Land leider auch.Deswegen geht es hier nicht darum, was wir mit irgendeiner Salamitaktik an staatlicher Verfolgung oder Ähnlichem brauchen, sondern wir müssen uns auf die veränderten Bedingungen einstellen.

Wir müssen der Polizei die Möglichkeit geben, sich mit den technischen Errungenschaften, die das Jahr 2007 zur Verfügung stellt, auf Augenhöhe mit den Schwerstkriminellen in diesem Land und darüber hinaus auseinanderzusetzen und ihnen zu begegnen. Das benötigen wir, um eine effektive Strafverfolgung zu gewährleisten und um unseren staatlichen Strafanspruch durchzusetzen. Es geht nicht um mehr, und es geht auch nicht um weniger. Ich finde es richtig und angemessen, wie hier sehr konstruktiv mit dem Thema der Online-Durchsuchung umgegangen wird.

Die GRÜNEN haben einen entsprechenden Antrag gestellt und auch Presseveröffentlichungen dazu gemacht. Ihnen darf ich noch einmal zurufen, dass es überhaupt nicht darum geht, die Bürgerinnen und Bürger unter einen Generalverdacht zu stellen.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein!)

Das ist völliger Unsinn, das ist totaler Quatsch. Das ist überhaupt nicht das Ziel dessen, was hier gemacht wird. Die Online-Durchsuchung soll keine polizeiliche Standardmaßnahme sein, sondern es geht darum, Schwerstverbrecher,Terroristen und andere am Ende zu verfolgen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist nicht der Vorschlag von Herrn Schäuble!)

Die Polizei braucht dieses Ermittlungsinstrument, um unsere Sicherheit hier in Deutschland und darüber hinaus zu gewährleisten. Über dieses Ermittlungsinstrument können wir uns in einen wirklich konstruktiven Diskurs begeben. Das muss aber natürlich auch unter einem Vorbehalt stehen. Das kann nicht willkürlich geschehen, darüber sind wir uns hier einig.

Es ist auch möglich, dass wir über technischen Sicherungen den grundgesetzlich geschützten Bereich der Privatsphäre schützen und im Blick haben. Das ist völlig unstreitig. Die Polizei braucht aber auch ein Instrument, um die kriminellen Netzwerke in unterschiedlichen Bereichen aufdecken zu können. Ich will hier nur einmal den organisierten Terrorismus und Kinderpornografie nennen. Der Minister war so freundlich, im Ausschuss noch einmal vorzutragen,wie das ganze Land Beifall geklatscht hat, als es in Sachsen-Anhalt gelungen ist, einen riesigen Kinderpornografiering mit modernen Ermittlungsinstrumenten wie dem Internet auszuheben. Wirtschaftskriminalität, Waffenhandel, um nur einmal ein paar Bereiche hier herauszugreifen, funktionieren heute in einer Form, wie sie vor 15 Jahren weder die Kriminellen selbst noch der Staat sich haben vorstellen können.

Wir als Staat müssen am Ende dafür Sorge tragen, dass wir eine effektive Strafverfolgung gewährleisten können.

Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich darf zum Schluss noch ganz kurz den Präsidenten des BKA insofern zitieren,als er unlängst erklärt hat,dass von 2005 auf 2006 die Zahl der Straftaten, in denen das Internet als Tatmittel enthalten war, um 115 % auf 118.000 Fälle gestiegen ist. Das zeigt, welche Entwicklungen die technischen Errungenschaften, die wir alle nutzen, am Ende bringen, aber auch, wie nötig es ist, dass wir als Staat der Polizei die möglichen Ermittlungsinstrumente in die Hand geben, um Straftaten effektiv verfolgen zu können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Frömmrich, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Beuth,es ist schon komisch,wie Sie hier argumentiert haben. Sie reden davon, dass diese Debatte unverantwortlich geführt wird. Ich sage: Es ist unverantwortlich, wie auf Bundesebene von Herrn Innenminister

Schäuble in dieser Form mit Bürger- und Freiheitsrechten und mit Eingriffen in die Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern umgegangen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege Beuth, es ist nicht so, dass wir uns gerade einmal an einem Punkt mit der Online-Durchsuchung beschäftigen. Das ist ein Thema, das in einer Fülle von Vorschlägen, die zurzeit in Berlin diskutiert werden, in der Debatte ist.

Online-Durchsuchung heißt, der Staat betätigt sich an dieser Stelle als Hacker auf den Festplatten unter Umständen unbescholtener Bürgerinnen und Bürger. Sie kommen nur an den Computer heran, wenn Sie Trojaner auf dem Computer platzieren. Das ist schon ein sehr schwerer Grundrechtseingriff, den Sie da planen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man darf nicht die Einzelmaßnahmen betrachten, sondern man muss die Maßnahmen der vergangenen Monate einmal im Gesamtzusammenhang sehen. Ich will einmal versuchen, Ihnen die eine oder andere Maßnahme, über die wir hier im Zusammenhang mit der inneren Sicherheit diskutiert haben, aufzuzeigen.