Protokoll der Sitzung vom 04.05.2007

Man darf nicht die Einzelmaßnahmen betrachten, sondern man muss die Maßnahmen der vergangenen Monate einmal im Gesamtzusammenhang sehen. Ich will einmal versuchen, Ihnen die eine oder andere Maßnahme, über die wir hier im Zusammenhang mit der inneren Sicherheit diskutiert haben, aufzuzeigen.

Vor Kurzem haben wir über den Online-Zugriff auf Passbilder diskutiert. Wir haben darüber diskutiert, ob online auf Fingerabdrücke zugegriffen werden darf. Dafür sollten eigene Dateien mit Zugriffsrechten von Sicherheitsbehörden und der Polizei geschaffen werden.

Wir haben – auch im Bundesland Hessen – Kennzeichenlesegeräte beschafft. Heute haben wir fast keinen öffentlichen Platz mehr, der nicht von Videokameras bewacht wird.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Doch!)

Drüben in Mainz läuft ein Modellprojekt Gesichtserkennung am Bahnhof.

(Günter Rudolph (SPD): Der Erfolg ist aber sehr mäßig! – Gegenrufe von der CDU)

Auf dem Flughafen in Frankfurt haben wir die Iris-Erkennung als polizeiliche Maßnahme.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie das zusammen mit der Rasterfahndung diskutieren,dann sage ich Ihnen in der Tat: Im Verhältnis Freiheit zu Sicherheit neigt sich die Waage bedrohlich in Richtung Sicherheit und damit gegen die Freiheit. Wir sollten hier eigentlich gemeinsam für eine freie und offene Gesellschaft einstehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Beuth, es geht hier nicht einfach um Lappalien. Es geht hier um Eingriffe in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger, um die Eingriffe in Freiheit und Bürgerrechte.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,wir diskutieren hier nicht in der differenzierten Art, mit der der Innenminister im Ausschuss begonnen hat. Vielmehr diskutieren wir die Vorschläge von Bundesinnenminister Schäuble, die zurzeit in der Debatte sind. Diese Vorschläge sind in der Tat undifferenziert.

Herr Schäuble schlägt vor, Online-Zugriffe auf PrivatPCs und auf Geschäfts-PCs zu erlauben – ohne Richtervorbehalt,nicht mit der Einschränkung „nur bei schweren Straftaten“, und ohne dass zuvor geprüft worden ist, ob andere Mittel geeignet sind, diese Maßnahmen zu ersetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Schäuble will Online-Durchsuchungen als präventive Maßnahme zur Strafverfolgung und für die Terrorismusbekämpfung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Maßnahmen, die Schäuble will, lehnen wir als GRÜNE entschieden ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit befinden wir uns durchaus in guter Gesellschaft. Ich zitiere einmal den Justizminister des Landes Hessen. In einer Pressemitteilung hat er gesagt: „Im Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und Freiheit darf die Sicherheit nicht zulasten der freien und offenen demokratischen Gesellschaft gehen.“ – Eine richtige Anmerkung des hessischen Justizministers.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Oder ich zitiere hier einmal einen wirklich hoch geachteten CDU-Politiker, Herrn Jentsch. Er war Bundesverfassungsrichter, er war Bundestagsabgeordneter. Er war Abgeordneter des Hessischen Landtags. Er war Oberbürgermeister in Wiesbaden

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Und Justizminister!)

und Justizminister. Er sagt zum Vorschlag von Schäuble: „Für die Vorkehrungen zu unserer Sicherheit heißt das, dass sie in einem vernünftigen Verhältnis zu unserer Freiheit stehen müssen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das bestreitet auch niemand!)

Es kann also nicht angehen, einer abstrakten Gefahr wegen vorsorglich alle Bürger unter Verdacht zu stellen und in ihren Rechten zu beeinträchtigen.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr recht hat der Kollege Jentsch hier.

Das sind geachtete CDU-Politiker, die genau diese gleichen Auffassungen vertreten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Wir haben ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Großen Lauschangriff. Darin sind ausdrücklich die Kernbereiche der privaten Lebensgestaltung geschützt.

Weil meine Redezeit zu Ende ist, kann ich nicht mehr die Stellungnahmen der Datenschutzbeauftragten der Länder zitieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich warne davor, in der Debatte um die innere Sicherheit nur die einzelne Maßnahme zu sehen – für die es in manchen Fällen durchaus gute Gründe zu geben scheint. Ich bin vielmehr der Auffassung, Sie müssen die Maßnahmen im Gesamtzusammenhang diskutieren. Das aber geht in eine gefährliche Richtung. Das geht gegen die freie und offene Gesellschaft. Meine Damen und Herren, diese freie und offene Gesellschaft wollen wir verteidigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Kollege Hahn für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss gestehen, ich verstehe zwar die Erregung, mit der die Kolleginnen und Kollegen vor mir gesprochen haben, aber jeder hat doch sein gerüttelt Maß dazu beigetragen. Jeder, der hier gesprochen hat, gehört einer Partei an. Sowohl Konservative als auch Sozialdemokraten in der Koalition mit GRÜNEN haben nicht immer das praktisch umgesetzt, was sie meinen, jetzt hier mit relativer Verve verteidigen zu müssen.

Ich stelle fest: Am 31. Januar 2007, also vor ungefähr drei Monaten,hat der Bundesgerichtshof festgestellt,dass eine Online-Durchsuchung nicht rechtmäßig ist.

Deshalb hoffe ich, dass keine hessische Behörde – sei es eine Strafverfolgungsbehörde, sei es im Rahmen der Prävention eine andere Behörde,sei es der Verfassungsschutz – noch irgendwie auf die Idee kommt, irgendwelche privaten oder geschäftlich genutzten PCs online zu durchsuchen.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist rechtlich nicht korrekt.

Wir waren ein bisschen irritiert, als wir aus einem Interview der „Frankfurter Rundschau“ den Verdacht haben konnten – ich formuliere es bewusst so –, dass der hessische Verfassungsschutz meinte, das sei nicht so richtig zu akzeptieren. Ich habe zur Kenntnis zu nehmen und akzeptiert,dass der Innenminister genauso wie Herr Dr.Eisvogel klargestellt hat, dass der hessische Verfassungsschutz derzeit keine Online-Durchsuchungen von PCs vornimmt. Das ist auch richtig so.

(Beifall bei der FDP)

Zweitens. Herr Kollege Rudolph, wir wissen, dass der damalige Innenminister des Bundes, Ihr Parteigenosse Otto Schily, eine Weisung nicht selbst unterschrieben hat, dass aber durch seinen damaligen Staatssekretär – der heute Staatssekretär im Bundesjustizministerium unter Ihrer Parteigenossin Brigitte Zypries ist;

(Günter Rudolph (SPD): Gute Justizministerin!)

man trifft sich immer häufiger im Leben – eine entsprechende Online-Durchsuchung durch Verfassungsschutzbehörden in der Bundesrepublik Deutschland legitimiert wurde. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist genauso rechtswidrig wie alles andere auch. Es gibt dafür keine rechtliche Grundlage.

(Beifall bei der FDP)

Die kann man auch nicht dadurch schaffen, dass man einen Staatssekretär etwas unterschreiben lässt.

Drittens. Herr Kollege Frömmrich, jetzt sind wir uns vom Verfahren her einig. Aber ich darf daran erinnern: Otto Schily war Innenminister in einer Koalition von Sozialdemokraten und GRÜNEN.

(Beifall bei der FDP)

Also tut doch bitte nicht so, als wenn ihr so blauäugig durch die Landschaft lauft, wie ihr manchmal meint, euch verkaufen zu müssen.

Viertens. Einer dpa-Meldung von vor ungefähr drei Wochen – die ich jetzt in meinen Unterlagen leider nicht dabei habe – habe ich entnommen, dass im aktuellen Bundeshaushalt für das Jahr 2007 ein Betrag von ungefähr 100 Millionen c zur Erprobung und Schaffung von Trojanern zur Verfügung gestellt worden ist, die von Bundesbehörden genutzt werden sollen,um in PCs implantiert zu werden.

(Nicola Beer (FDP): Hört, hört!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, das kann nur mit den Stimmen der Sozialdemokraten und der Unionschristen im Deutschen Bundestag beschlossen worden sein.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Birgit Zei- metz-Lorz (CDU))

Es wird sich noch verifizieren, ob das so richtig ist. Dann muss jedenfalls der Kollege Rudolph – und darum bitte ich ihn persönlich – ganz schnell mit seinen innenpolitischen Kollegen auf Bundesebene Rücksprache halten.Ich halte es für falsch, dass 100 Millionen c Staatsgelder für die Forschung zur Implantation von Trojanern zur Verfügung gestellt werden.