Protokoll der Sitzung vom 04.05.2007

Es wird sich noch verifizieren, ob das so richtig ist. Dann muss jedenfalls der Kollege Rudolph – und darum bitte ich ihn persönlich – ganz schnell mit seinen innenpolitischen Kollegen auf Bundesebene Rücksprache halten.Ich halte es für falsch, dass 100 Millionen c Staatsgelder für die Forschung zur Implantation von Trojanern zur Verfügung gestellt werden.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Sagen wir doch einmal, worum es geht, und werfen wir keine Nebelkerzen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Birgit Zei- metz-Lorz (CDU))

Fünftens.Seit Jahren ist es hier im Hause bekannt,dass ich persönlich und mit mir Dieter Posch und die hessische FDP nicht immer in ein Ritual verfallen,wie das andere liberale Innen- und Rechtspolitiker tun, indem sie sagen: Es gibt eine neue Technik,und die wollen wir nicht.– Vielmehr verfahren wir immer nach einer sehr bewussten Überlegung, indem wir sagen, wir müssen abwägen, wie wir die beiden zentralen Aufgaben einer liberalen Innenund Rechtsstaatspolitik vereinbaren können, nämlich auf der einen Seite den Einzelnen vor dem Staat zu schützen – damit es das nicht gibt, was Kollege Rudolph eben ein bisschen übertrieben an die Wand geschrieben hat –; zum anderen aber den Staat in die Lage zu versetzen, dass der Einzelne vor Dritten durch den Staat geschützt wird.

Das ist doch genau das Thema,das wir haben:Die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit muss hergestellt werden. Die kann man aber nur herstellen,wenn man sich mit dem Sachverhalt ganz konkret auseinandersetzt.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb unser Antrag: Jawohl, wenn es denn notwendig wird – und da wollen wir schon eine Prüfung haben, eine Effizienz- und Effektivitätsprüfung –, dass private PCs online durchsucht werden müssen, dann bitte unter äußerst engen Kriterien – von einem Straftatenkatalog über den Richtervorbehalt bis zum Schutz von Berufsgeheimnisträgern – als Ultima Ratio im Abwägungsprozess.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn das denn zwischen uns allen Gemeingut würde, dann könnten wir auf der einen Seite die lauten Trommeln wieder einpacken, auf der anderen Seite aber das tun, was die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten: rechtsstaatlich die Freiheit sichern, aber natürlich auch effektiv ge

gen diejenigen vorgehen, die die Freiheit zerstören wollen. Das ist liberale Innen- und Rechtspolitik. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Herr Innenminister Bouffier.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Wir hatten Gelegenheit, im Innenausschuss etwas detaillierter und genauer zu diesen Themen zu sprechen. Deshalb bitte ich um Nachsicht: Bei der Vielzahl der Dinge, die hier durcheinandergeworfen wurden, kann ich in der begrenzten Redezeit nicht alles bringen.

Ich will mit dem beginnen, worin wir uns hoffentlich einig sind.Viele haben es angesprochen.Freiheit und Sicherheit sind die Grundelemente unserer Verfassung. Darum zu ringen, immer wieder neu, das ist unsere Aufgabe.

Ich bekenne mich ausdrücklich dazu – ich habe es öffentlich getan und auch im Ausschuss –, dass wir eine gesetzliche Grundlage brauchen, um sogenannte Online-Durchsuchungen durchzuführen.

Ich bin ausdrücklich der Auffassung, dass, wer das ablehnt, auch erklären muss, dass er einen Teil der Kriminalitätsbekämpfung nicht mehr vornehmen kann, ebenso einen Teil der Gefahrenabwehr. Das ist die schlichte Antwort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich beginne mit dem Antrag der FDP-Fraktion, den ich in Teilen unterstütze.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nur in Teilen?)

Ganz einfach deshalb, weil es schon lange erledigt ist, darüber nachzudenken bzw. zu prüfen, ob wir das brauchen. – Jeder Fachmann wird Ihnen bestätigen, dass das Internet heute zum zentralen Kommunikationsmedium der Kriminalität in Gänze, aber insbesondere der organisierten Kriminalität geworden ist – auch im Bereich der terroristischen Gefahr. Ich kenne niemanden, der ernst zu nehmen ist, der das bestreitet. Gerade in Richtung SPD sage ich: Sie sind doch bei dem Thema Rechtsextremismus vor Empörung immer kaum zu halten. Gerade diese Truppe benutzt das Internet mehr als jede andere. Wenn wir nicht die Chance nutzen, das Informationsmedium Internet, das heute die Bedeutung hat, wie es vor Jahren das Telefon hatte, in angemessener Weise, unter rechtsstaatlich klaren Positionen, nicht für alles und jedes, sondern bei schweren Straftaten und erheblicher Gefahr – von mir aus sogar unter Richtervorbehalt, wenn nicht gerade Gefahr in Verzug ist –, entsprechend zu kontrollieren, dann können wir unseren Sicherheitsgewährleistungsauftrag nicht erfüllen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Freiheit bedeutet auch, dass ich die Menschen davor schützen muss, dass ihre Freiheit durch Straftäter und Terroristen in irgendeiner Weise eingeschränkt oder gar zunichte gemacht wird.Wir müssen hier das rechte Maß finden.Diese Debatte hat das rechte Maß nicht gefunden. Das war eine Abfolge von Suaden, wo es rechtlich völlig durcheinanderging. Es war nahezu alles falsch, was da gesagt wurde.

Ich möchte nur zwei Beispiele nennen. Der Bundesgerichtshof hat mitnichten entscheiden, dass Online-Durchsuchungen nicht rechtmäßig seien.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Natürlich, es fehlt die Rechtsgrundlage!)

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass er in der Strafprozessordnung keine Grundlage findet.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Welche Grundlage sonst? – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Langsam. – Wir reden aber nicht nur über die Strafprozessordnung, sondern wir reden z. B. auch vom Gesetz über den Bundesverfassungsschutz. Wir reden über den Bundesnachrichtendienst. Die Rechtslage ist in höchstem Maße umstritten.

(Widerspruch bei der FDP)

Wer die Debatte ernsthaft führt, der muss zwei Dinge nüchtern auseinanderhalten. Ich vertrete die Auffassung, dass die Entscheidung des BGH die Kompetenzen der Nachrichtendienste nicht beeinträchtigt. Das sage ich ganz klar zum Mitschreiben. Ich sehe mich dort in einer Linie mit allen, die bisher Verantwortung getragen haben.

Ich habe gleichzeitig entschieden, dass ich keine Zweifel in diesen wichtigen Fragen zulassen will,und plädiere deshalb dafür, dass wir bereichsspezifische Ermächtigungsgrundlagen bekommen. Das sind völlig unterschiedliche Sachverhalte, die hier gemixt werden.

Ich wäre dankbar, wenn Sie zu Ihrem eigenen Tun stünden. Herr Kollege Hahn hat es angesprochen, Herr Kollege Beuth auch: Die künstliche Empörung der SPD und der GRÜNEN passt doch überhaupt nicht dazu, dass Sie nicht ein Wort dazu gesagt haben,dass das unter Ihrer Regierungsverantwortung vom Kollegen Schily eingeführt wurde – ohne gesetzliche Grundlage.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was sagt denn die Sozialdemokratische Partei dazu? Was sagen die GRÜNEN dazu?

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wart ihr nicht dabei? Sie tun heute so, als sei das etwas ganz Neues. Online-Durchsuchungen gibt es seit Jahren, und zwar nicht unter meiner Verantwortung, sondern unter der Verantwortung der Sozialdemokraten und der GRÜNEN. Ich halte dieses Vorgehen im Nachhinein für richtig, obwohl ich davon zum Teil gar nichts wusste.Aber wenn der Bundesinnenminister sagt, wir haben Anlass, so zu handeln, und zwar auf der Grundlage der Gesetze, die wir haben,und seiner Dienstanweisung,dann habe ich das zu akzeptieren.Es gibt überhaupt kein einziges Urteil,das das bestreitet.

Ich führe das deshalb aus, weil ich möchte, dass die Menschen, die diese Debatte verfolgen, nicht glauben, dass auf der einen Seite völlig unsensible Menschen und auf der anderen Seite die Lordsiegelbewahrer – von was denn, bitte schön? – stehen. Der Grundauftrag ist doch immer der gleiche: Sicherheit und Freiheit vernünftig auszuwiegen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Dann müssen Sie z.B.eine Antwort darauf geben:Was tun wir gegen die Verbreitung von Kinderpornografie, die heutzutage zu 80 % über das Internet erfolgt? Es ist nicht gut, Tränen zu vergießen über das, was in diesem Lande passiert, wenn wir den Sicherheitsbehörden nicht die Möglichkeit geben, dagegen vorzugehen.

(Beifall bei der CDU – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Ich dachte, wir reden über Online-Zugriffe auf PCs!)

Es ist nicht gut, wenn z. B. die NPD und andere Gruppierungen junge Leute über Internetprogramme sammeln und instruieren. Sollen wir davor die Augen verschließen? Wollen Sie das? Ich will das nicht.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Was hat das mit PC-Durchsuchungen zu tun? Das eine ist das Internet, das andere sind die PCs!)

Das gilt auch für anderes. Deshalb bleibt es bei dieser Linie. Es muss auch dabei bleiben, dass hier sehr sorgfältig ausgelotet wird. Wir haben das im Ausschuss viel intensiver und nüchterner getan, als das heute hier abgefeiert wird.

Erlauben Sie mir abschließend zwei oder drei Bemerkungen. Zum Antrag der Sozialdemokraten: Ich sage das deshalb, damit niemand vergisst – das hat der Kollege Beuth richtig dargelegt –, die Landtagsfraktion der Sozialdemokratischen Partei in Hessen fordert die Landesregierung auf, im Bundesrat dafür Sorge zu tragen, dass auf keinen Fall eine gesetzliche Regelung über die sogenannte Online-Durchsuchung von PCs getroffen wird.Darüber müssen Sie sich im Klaren sein. Das, was der Kollege Rudolph hier vorgetragen hat, war aus einem anderen Leben. Die SPD ist komplett gegen solche Durchsuchungen. Wenn Sie das für richtig halten,dann halte ich Ihnen vor,Sie versagen in einem Kernbereich der Kriminalitätsbekämpfung.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, die vereinbarte Redezeit ist vorüber.

Ich komme gleich zum Schluss. – Der Antrag der GRÜNEN ist noch toller. Er ist, vorsichtig formuliert, schwer verständlich. Man könnte auch sagen: wirr.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sagen in Punkt 1 Ihres Antrages:Der Landtag soll feststellen, dass das alles unzulässig ist. – In Punkt 5 Satz 1 Ihres Antrages schreiben Sie: Einiges scheint durchaus sinnvoll zu sein. – In Punkt 5 Satz 2 schreiben Sie: Aber bitte nicht das, was der Schäuble will.

Ihre Argumentation ist durchsichtig. Sie ist von der SPD dank Ihres Bundesvorsitzenden und mancher Umfragen bundesweit gestartet worden. Darüber brauchen wir nicht lange zu reden. Die Vorlage des Kollegen Schäuble ist auch vom sozialdemokratischen Partner im Bundeskabinett durchgewunken worden. Das sagt noch nichts über die Richtigkeit dieser Vorlage, aber viel über den Umgang mit dieser Vorlage aus.Ihnen geht es darum,Herrn Schäuble madig zu machen und ihn und die Union mit Zweifeln zu überziehen.

Der Unterschied zwischen Herrn Schäuble und denen,die früher regiert haben, besteht darin: Herr Schily hat solche Durchsuchungen angeordnet – ohne jede Rechtsgrundlage oder irgendjemanden zu fragen. Herr Schäuble hat diese Anordnung außer Kraft gesetzt, weil er mit größter Sorgfalt genau diesen Grundgedanken,Schutz unter Wahrung eines Kernbereichs unserer Verfassung,eben nicht in Zweifel ziehen will. Er hätte es sich ja leicht machen können. Er hätte sagen können: Das waren die anderen. – Er hat gesagt: Ich will eine gesetzliche Grundlage. – Wer so arbeitet, der nimmt seinen Auftrag als Bundesinnenminister ernst. Die Landesregierung wird den Bundesinnenminister in seinem Bemühen unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile dem Herrn Kollegen Frömmrich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.