Protokoll der Sitzung vom 04.05.2007

Ich erteile dem Herrn Kollegen Frömmrich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil es immer so ist, wenn man mit dem Innenminister diskutiert, dass er am Ende versucht, alles zusammenzurühren, eine Soße daraus zu machen und allen Leuten zu unterstellen, sie hätten keine Sachkenntnis; der Einzige, der meint, er habe die Sachkenntnis mit Löffeln gefressen, sei er.

(Zurufe von der CDU)

Herr Innenminister, so geht das nicht. Ich habe hier gesagt, dass wir im Innenausschuss mit Ihnen wesentlich differenzierter über dieses Thema diskutiert haben, als dieses Thema auf Bundesebene angerührt worden ist. Da haben Sie sogar zugestimmt.Wenn Sie sich die Debatten um die innere Sicherheit in den vergangenen Monaten auf Bundesebene anschauen, wenn Sie sich anschauen, welche Vorschläge dort im Zusammenhang mit elektronischen Überwachungsmaßnahmen gemacht worden sind – bis dahin, dass der Bundesinnenminister die Unschuldsvermutung zur Diskussion gestellt hat –: Einen solchen Wirrwarr an Forderungen habe ich in der Zeit von RotGrün im Zusammenhang mit der inneren Sicherheit auf Berliner Ebene nicht erlebt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der CDU)

Das war wirklich Chaos pur, was Sie hier angerichtet haben.

(Zuruf von der CDU: Das sagt der Richtige! – Jörg- Uwe Hahn (FDP): Das war Chaos plus!)

Sie haben mit dieser Debatte, wie sie geführt worden ist, der inneren Sicherheit keinen Gefallen getan. Wenn Sie einige der Anmerkungen von Herrn Schäuble, von Herrn Bosbach und anderen nachlesen, werden Sie mir zustimmen. Das können Sie zwar im Hessischen Landtag nicht offen tun, aber ich weiß, dass Sie über die Art und Weise, wie die Diskussion auf Bundesebene geführt worden ist, ebenfalls nicht glücklich waren.

Herr Innenminister, wenn Sie schon unseren Antrag zitieren, dann sollten Sie auch auf die Überschrift schauen. Da steht nämlich: „Initiative von Bundesinnenminister Schäuble zur Online-Durchsuchung von Computern verhindern“. – Meine Damen und Herren, einen schranken

losen Zugriff auf persönliche Daten und auf Betriebscomputer, wie ihn Herr Schäuble vorgeschlagen hat, lehnen wir in der Tat ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein Eingriff in Bürger- und Freiheitsrechte, der so auf keinen Fall gestattet werden kann.

Ich habe Ihnen auch gesagt, dass Sie dazu im Innenausschuss wesentlich differenzierter argumentiert haben. Ich habe Ihnen gesagt, dass man die Debatte um die OnlineDurchsuchung mit den Maßnahmen zusammenführen muss, die wir in der letzten Zeit verabschiedet haben. Ich habe dazu einige Beispiele angeführt. Ich habe Ihnen die Anmerkungen des Kollegen Jentsch vorgelesen, ich habe Ihnen die Anmerkungen des Kollegen Banzer vorgelesen, der hierzu Ausführungen gemacht hat, denen man, wie ich finde, eigentlich nur zustimmen kann. Wenn Sie sich die Formulierung „Parlament im Galopp zu Orwell“ anschauen, dann muss man sagen: Wir haben es hier mit einem Thema zu tun,bei dem immer mehr Menschen in diesem Land Angst um ihre Grund- und Freiheitsrechte haben. Die Menschen haben Angst, dass das in eine verkehrte Richtung geht. Ihr Bundesinnenminister Schäuble hat auf Bundesebene die Debatte in dieser Form angezettelt.

Deswegen sagen wir: Herr Schäuble führt die Diskussion zu undifferenziert. Die Vorschläge, die zurzeit in der Debatte sind, müssen abgelehnt werden, weil sie in der Tat das Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit in Richtung der Sicherheit verschieben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen muss man sie ablehnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Kollegen Hahn nur eine Bemerkung. Herr Kollege Hahn, wenn Sie uns Nachhilfeunterricht zu Freiheits- und Bürgerrechten geben wollen, dann müssen Sie etwas früher aufstehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Ach ja!)

Sie können vielleicht den Versuch unternehmen, der Eintracht Frankfurt untaugliche Vorschläge über Trainerentlassungen zu machen. Aber hinsichtlich der Bürger- und Freiheitsrechte lassen wir uns von Ihnen keinen Nachhilfeunterricht erteilen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Nicola Beer (FDP):Wir haben schon Politik gemacht, da gab es euch noch gar nicht!)

Herr Kollege Hahn, ich erinnere Sie einmal daran, dass der Große Lauschangriff mit Zustimmung der FDP auf Bundesebene verabschiedet worden ist. Das Bundesverfassungsgericht hat ganz klar geurteilt, dass das mit dem Grundgesetz nicht übereinstimmt, dass der Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung geschützt ist. Sie haben seinerzeit mit Mehrheit diesen Großen Lauschangriff beschlossen. Wir brauchen von Ihnen keinen Nachhilfeunterricht, wenn es um Bürger- und Freiheitsrechte geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Ah ja!)

Die nächste Wortmeldung ist von dem Kollegen Rudolph, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Innenminister hat in der ihm eigenen Bescheidenheit und Differenziertheit geantwortet.Herr Innenminister, zunächst einmal brauchen wir von Ihnen keinen Nachhilfeunterricht, wenn es um die Bekämpfung von Extremismus geht. Wir sind weder auf einem Auge blind wie der eine oder andere, sondern alle Aktivitäten – links und rechts –, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpfen, müssen von diesem Rechtsstaat bekämpft werden. Das ist unsere Position. Deswegen sparen Sie sich Ihre Plattitüden.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU: Oh!)

Was haben Sie denn in den letzten vier Jahren gegen Internetkriminalität gemacht? Sie fangen doch jetzt erst an, personelle Maßnahmen etwa beim Landeskriminalamt zu ergreifen, um wirksam dagegen vorzugehen. Also packen Sie sich an Ihre eigene Nase, bevor Sie auf andere zeigen.

Herr Innenminister, wenn Sie unseren Antrag zitieren, dann müssen Sie bitte richtig zitieren.Wir haben uns klar gegen heimliche Online-Durchsuchungen ausgesprochen. Das war die Reaktion auf die Ankündigungen von Herrn Schäuble. Da wurde nämlich nicht differenziert, sondern es wurde der Eindruck erweckt, alle Online-Nutzer würden ohne die entsprechenden rechtsstaatlichen Bewertungen unter einen Generalverdacht gestellt, um das sehr deutlich zu sagen. Deswegen hat Herr Schäuble Nachholbedarf hinsichtlich seiner Positionen, und nicht wir.

(Beifall bei der SPD)

Die Pressemitteilung vom 27.03. der verehrten Frau Kollegin Beer zu heimlichen Online-Durchsuchungen von PCs bezieht sich ausdrücklich auf eine Pressemitteilung unserer geschätzten Kollegin Heike Hofmann und besagt: Auch wir Liberale wenden uns strikt gegen heimliche Durchsuchungen von privaten oder geschäftlich genutzten PCs durch die Polizei, die durch gesetzliche Änderungen künftig möglich gemacht werden sollen.

Herr Hahn, da gehen unsere Meinungen nicht auseinander. Ich bin sehr für eine differenzierte Debatte. Ich bin gegen diese pauschale Methode: „Wir ändern ein Gesetz. Das bedeutet per se mehr Sicherheit.“ Denn Experten sagen: Wenn ich Trojaner aufspielen kann, habe ich auch Möglichkeiten, Abwehrmechanismen zu installieren. – Das bedeutet, dass das alles möglicherweise gar nicht so einfach ist. Deswegen ist die Frage, über wie viele Fälle wir konkret reden. Wir sollten eine sachliche Diskussion führen, aber dem Bürger nicht vorgaukeln, dass wir alles das, was technisch möglich ist, umsetzen müssen.

(Zurufe von der CDU:Ah!)

Der Vorteil eines Rechtsstaates ist, dass als zweite Säule die Verhältnismäßigkeit und die Zweckmäßigkeit geprüft werden. – Sie können „Ah“ sagen. Aber Bürgerrechte sind nicht in der dritten Schublade des Grundgesetzes, sondern sie stehen ganz weit vorne.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich bin sehr gern bereit,mit anderen in diesem Hause eine konstruktive Diskussion darüber zu führen, was wirklich der Stärkung der inneren Sicherheit dient. Ich warne vor einem: dass wir dem Bürger vorgaukeln, der Staat könnte sie gegen alle möglichen Anschläge schützen. Wir alle wollen nicht, dass ein terroristischer Anschlag in Deutschland oder sonst wo auf der Welt passiert.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Aber wir alle sollten uns gemeinsam davor hüten – das ist auch ein Markenzeichen der Demokratie –, zu glauben, man könne sich gegen alles schützen.Wir sollten gemeinsam überlegen, welche Maßnahmen wirkungsvoll sind. Aber Bürgerrechte und der Schutz des Bürgers vor Gefahren sind für uns Sozialdemokraten zwei Seiten derselben Medaille. Das mag an der einen oder anderen Stelle nicht populär sein. Aber den Diskurs müssen wir für eine Demokratie aushalten.

Der Innenminister macht es sich einfach, beleidigt kurzerhand diejenigen,die anderer Meinung sind.Das können Sie tun.Wir halten die Diskussion aus. Deswegen ist unser Antrag, der gegen Herrn Schäuble gerichtet ist, richtig und konsequent. Für eine sachliche Diskussion sind wir jederzeit zu haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

Die nächste Wortmeldung ist von Herrn Abg. Beuth, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Rudolph, so kennen wir Sie gar nicht, dass Sie so schnell eingeschnappt sind.

(Günter Rudolph (SPD): Überhaupt nicht! – Michael Siebel (SPD): Herr Kollege Rudolph ist sehr entspannt, Herr Beuth!)

Letztendlich gehören Sie zu denjenigen im Hause, die auch immer kräftig austeilen. Ich finde, dann sollte es eine Tugend für Sie sein, dass Sie auch ein bisschen einstecken können.

(Günter Rudolph (SPD): Kein Problem!)

Herr Kollege Rudolph, das, was Sie in Ihrem Antrag niedergeschrieben haben, ist richtig zitiert worden.

(Günter Rudolph (SPD): „Heimlich“ hat er vergessen!)

Da beißt die Maus keinen Faden ab.Das,was Sie hier dazu gesagt haben, insbesondere dass Sie sich sachlich mit der Frage auseinandersetzen wollen, habe ich schon vorhin einmal begrüßt.

(Günter Rudolph (SPD): Aber nicht, wie Herr Schäuble das will!)

Ich finde,das ist auch richtig und dem Thema angemessen. Ich räume freimütig ein – ich glaube, das ist ein Grundkonsens zumindest derjenigen, die sich mit Innenpolitik beschäftigen –, dass es eine absolute Sicherheit, ob mit oder ohne Online-Durchsuchungen, in Deutschland und in der Welt niemals geben wird.

(Günter Rudolph (SPD): Immerhin, das ist ein Fortschritt! Gut, dass Sie das auch einmal feststellen!)

Wenn ich aber die Chance habe, mit diesen OnlineDurchsuchungen in bestimmte Netzwerke einzugreifen, die sehr viel Unrecht in unserem Land tun, dann muss ich diese Möglichkeiten unter den Voraussetzungen, die in der Debatte schon gefallen sind, ernsthaft prüfen. Dann müssen wir auch den rechtlichen Rahmen hierfür schaffen.

Ich habe mich gemeldet, weil der Kollege Frömmrich so freundlich war,hier noch einmal an das Rednerpult zu treten. Er hat davon gesprochen, dass es einen großen Wirrwarr in der Diskussion gegeben hat.Herr Kollege Frömmrich, Sie müssen sich entscheiden. Hat Ihnen der Wirrwarr der Diskussion nicht gepasst, oder hat Ihnen der Inhalt nicht gepasst? Das wird nämlich nicht klar, zumindest bei dem, was Sie aufgeschrieben haben, und bei dem, was Sie hier im Plenum des Hessischen Landtages erklärt haben.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))