Protokoll der Sitzung vom 30.05.2007

Meine Damen und Herren, insoweit sehen wir den Gesetzentwurf grundsätzlich positiv. Wir werden uns zunächst enthalten, bis wir die Frage geklärt haben, was das Ganze kostet, wie wir das umsetzen, wie wir konkret die Frage umsetzen, wie man eine Vernetzung der dahinter stehenden Gruppen erreichen kann. Das halten wir für ganz wichtig, denn sie müssen dort eingebunden werden. Wenn wir das hinkriegen, würden wir dem Gesetzentwurf zustimmen. Bis jetzt werden wir uns enthalten.Aber vom Grundsatz her geht der Gesetzentwurf in die richtige Richtung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Rentsch. – Frau Schulz-Asche, Sie haben Gelegenheit, für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort zu ergreifen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Aus den Reden meiner Vorredner ist deutlich geworden, dass wir in Deutschland im Rahmen der Palliativ- und Hospizversorgung im europäischen Vergleich hinterherhinken. Wenn man sich bewusst wird – auch vor dem Hintergrund der Enquetekommission „Demografischer Wandel“ –, dass die Zahl degenerativer und chronischer Erkrankungen und die Zahl hochbetagter Menschen in den nächsten Jahren zunehmen werden, dann wird deutlich, dass wir bisher zu langsam vorgehen, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, und ein dringender Handlungsbedarf besteht. Von daher gesehen begrüßen wird grundsätzlich die Initiative der SPD-Fraktion, hier aktiv zu werden.

Die Große Koalition hat – auch darauf ist schon hingewiesen worden – mit dem Wettbewerbsstärkungsgesetz in der gesetzlichen Krankenversicherung zum ersten Mal eine entsprechende Würdigung der palliativmedizinischen Versorgung erreichen können. Das haben wir schon öfter als einen der Punkte herausgestellt, die wir begrüßenswert finden, obwohl es ansonsten in dieser Gesundheitsreform nicht besonders viel zu begrüßen gab und gibt.

Die Empfehlung der Enquetekommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestages, auf die auch der Kollege Dr. Spies hingewiesen hat, hat empfohlen, auf Bundes- und Landesebene Hospizund Palliativbeauftragte zu ernennen. Damit verbunden sind nachdenkenswerte Anregungen, wie die Stärkung der Patientenrechte. Das liegt uns GRÜNEN besonders am Herzen.

Gerade in der Palliativversorgung ist es an der Zeit, verstärkt über Patientenrechte nachzudenken.Dazu gehören die Verbesserung der Ausbildung der Ärzte und des Pflegepersonal und – das darf man nicht vergessen – die Unterstützung bei der häuslichen Pflege, die gerade in der Palliativmedizin und in der Sterbebegleitung eine besondere Rolle spielt. Eine solche Verbesserung ambulanter und stationärer Hospizarbeit ist ein zentrales Anliegen.

Daher steht die Frage, wie man das organisatorisch und in einem vernünftigen rechtlichen Rahmen umsetzen kann, auf der Tagesordnung.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist sich angesichts der demografischen Entwicklung bewusst, dass es z. B. sinnvoll und notwendig ist, für alle unklaren Fragen – man kann ja nicht alles rechtlich regeln – eine Anlaufstelle zu haben. Wir haben in Hessen seit 1996 ein Konzept zur Verbesserung der Sterbebegleitung. Das bildet die Grundlage. Wir haben schon damals versucht, die ambulanten Strukturen auszubauen und die Bedingungen zu verbessern. Denn die Enttabuisierung der Themen Sterben und Tod sowie die Etablierung der Hospizbewegung und der palliativen Versorgung müssen bei der Arbeit multiprofessioneller und interdisziplinärer Gremien, z. B. der Ständigen Konferenz Palliativmedizin der Landesärztekammer Hessen, deutlich im Vordergrund stehen.

Auch der Sozialpolitische Ausschuss hat sich als Fachausschuss aufgrund der Bedeutung des Themas mehrfach mit diesen Angelegenheiten befasst. Ich denke, hier gibt es eine weitgehende Übereinstimmung, was die Notwendigkeit angeht, auf diesem Gebiet zu handeln.

Man muss meiner Meinung nach noch einmal hinterfragen – auch deshalb sollten wir das Ergebnis der Anhörung zu dem Gesetzentwurf abwarten –, ob Hospiz- und Palliativbeauftragte als Institution tatsächlich die Funktionen ausfüllen können, die wir ihnen übertragen wollen. Ob sie wirklich ein geeignetes Instrument sind, werden wir in der Anhörung noch einmal genau betrachten müssen. Wir müssen nämlich aufpassen, dass wir die Fortschritte, die sich spontan entwickelt haben oder aus der Hospizbewegung heraus entstanden sind, durch diese Institution nicht wieder rückgängig machen oder ihre Arbeit erschweren.

Deswegen muss man noch einmal genau prüfen, wie eine Stärkung der Palliativversorgung aussehen kann.Wir sind uns noch nicht hundertprozentig sicher, ob das durch Beauftragte zu erreichen ist. Im Augenblick sehe ich das sehr kritisch.Man sollte aber auch prüfen,welche Alternativen es gibt. Daher freue ich mich auf die Anhörung, weil das eine Gelegenheit ist, Strukturfragen zu besprechen und die Voraussetzungen, die wir hier in Hessen konkret haben, in der Diskussion zu berücksichtigen. Ich freue mich auf die Anregungen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Danke sehr, Frau Schulz-Asche. – Für die Landesregierung hat Frau Staatsministerin Lautenschläger das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, uns allen wird immer wieder sehr deutlich, dass das Thema Sterben die Menschen beschäftigt und dass viele, gerade ältere und kranke Menschen,Angst vor dem Tod,Angst vor dem Sterben haben. Sie fragen sich, ob sie menschenwürdig sterben werden, ob das in unserer Gesellschaft überhaupt noch möglich ist. Das sind schwierige Fragen, denen wir uns stellen müssen.Wie kann eine Sterbebegleitung aussehen, die menschenwürdig ist, die Menschen, die Schmerzen haben, nicht alleine lässt, und wie lässt sich das von den Krankenhäusern über die Alten

pflegeeinrichtungen bis hin zur Betreuung zu Hause tatsächlich verwirklichen?

Die Enquetekommission des Deutschen Bundestages hat Vorschläge gemacht, wie die Struktur einer solchen Versorgung aussehen kann. Trotzdem haben wir Zweifel, ob die Einrichtung von Beauftragten auf Länderebene tatsächlich die richtige Antwort ist. Man muss klar sehen, dass es in Hessen seit vielen Jahren, seit 1996, Strukturen gibt, in denen an unterschiedlichen Stellen ehrenamtliche Hospizarbeit geleistet wird. Diesen Strukturen muss man aus der Sicht der Landesregierung Rechnung tragen.

Seit 1997 gibt es in Hessen die Beratungsstelle KASA, die als Ansprechstelle für Dienste der Sterbebegleitung und der Angehörigenbetreuung Koordinationsarbeit leistet, und die Arbeitsgruppe „Verbesserung der Sterbebegleitung und der Palliativversorgung“ bei der Hessischen Landesregierung. Die KASA nimmt dort sehr verantwortlich schon lange Jahre Aufgaben wahr,die die von der Enquetekommission empfohlenen Beauftragten übernehmen sollen.

Das Sozialministerium hat sich in den vergangenen elf Jahren in vielfältiger Weise darum gekümmert, die Situation sterbender Menschen zu verbessern. In Hessen gibt es insgesamt 110 Hospizinitiativen, in denen rund 1.500 Menschen als ehrenamtliche Sterbebegleiter tätig sind. Die Arbeitsgruppe „Verbesserung der Sterbebegleitung und der Palliativversorgung“ tagt zweimal im Jahr und hat viele Unterarbeitsgruppen gegründet, die Fachtagungen vorbereiten und sich sehr intensiv mit der Frage der Sterbebegleitung und der Palliativmedizin auseinandersetzen.

Für die verschiedenen Berufsgruppen, die auf diesem Feld tätig sind, ist es außerordentlich wichtig, entsprechende Fort- und Weiterbildungsangebote zu erhalten. Über die KASA und über den Arbeitskreis werden Angebote im ehrenamtlichen Bereich, aber auch im Bereich hauptamtlicher Fort- und Weiterbildung in Zusammenarbeit mit vielen Institutionen entwickelt. Die Hospizbewegung in Hessen wird durch die KASA, durch die LAG Hospize und durch zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen des Sozialministeriums für die ehrenamtlich Tätigen unterstützt.

Hinzu kommt, dass die Landesregierung eine Untersuchung in Auftrag gegeben hat, die bestehenden Formen der Palliativ- und der hospizlichen Versorgung in Umfang und Qualität zu überprüfen, weiteren Handlungsbedarf aufzuzeigen und gegebenenfalls auf Versorgungslücken aufmerksam zu machen. Die Ergebnisse werden denen, die sich schon seit Jahren mit dem Thema befassen, vorgelegt.

Die KASA als Koordinations- und Ansprechstelle erledigt schon heute genau die Aufgaben,die den Hospiz- und Palliativbeauftragter zugewiesen würden. Zu den Aufgaben der KASA gehören bereits heute folgende fünf Bereiche: Beratung der Hospizinitiativen, der Dienste palliativer Versorgung sowie aller in der Sterbebegleitung Tätigen,Aufbau und Unterstützung von Kooperationen und Netzwerken, Vorbereitung und Leitung der Arbeitsgruppe „Verbesserung der Sterbebegleitung“ bei der Hessischen Landesregierung, Öffentlichkeitsarbeit, Durchführung von Fachtagungen, Mitarbeit in regionalen und landesweiten Arbeitskreisen und konzeptionelle Arbeit. Das sind ganz wichtige Grundlagen der Arbeit, die sich über viele Jahre bewährt haben, wenn in der KASA und in den ihr angeschlossenen Institutionen das Thema Sterbebegleitung weiter behandelt wird und wenn es darum

geht, das Hospizwesen zu unterstützen und die Palliativversorgung auch in den Krankenhäusern stärker in den Mittelpunkt zu rücken.

In dem gemeinsamen Beirat sitzen Vertreter der Aus- und Fortbildungsinstitute der Altenpflege, der hessischen Schulleiterkonferenz, der Krankenhausgesellschaft, der Landesarbeitsgemeinschaft Hospize, der Landesärztekammer und auch des Verbands der Kranken- und Pflegekassen.Ich bin davon überzeugt,dass das ein guter Ausgangspunkt ist, um in diesem Bereich das fortzuentwickeln, was die Enquetekommission vorgeschlagen hat – mit den Strukturen, die wir haben, ohne Doppelstrukturen aufzubauen.

Es besteht, auch das will ich erwähnen, eine sehr enge Zusammenarbeit mit der Pitzer-Stiftung, die sich sehr stark auf die Sterbebegleitung ausgerichtet hat und unter Beteiligung der Landesärztekammer, der Landesarbeitsgemeinschaft Hospize und der KASA Fachtagungen auf Landesebene zur weiteren Vernetzung der Hospiz- und Palliativversorgung organisiert hat und auch künftig organisieren wird. Gleichzeitig wird die Zusammenarbeit in den sechs Planungsregionen für die Krankenhausversorgung fortgeführt, um so alle Akteure, gerade auch an den Krankenhäusern, gezielt zu erreichen, haupt- und ehrenamtlich Tätigen bessere Strukturen für ihre Arbeit zu schaffen und einen breiten Kreis Betroffener einzubinden – alles mit dem Ziel, das menschenwürdige Sterben in unserer Gesellschaft in den Mittelpunkt der Bemühungen zu stellen, auch um zu verhindern, dass die Menschen nach Möglichkeiten aktiver oder passiver Sterbehilfe rufen.

Deswegen ist das Thema Hospizbewegung, Palliativmedizin, Sterbebegleitung so wichtig – das wurde heute schon erwähnt –, um so genau den Bereich der Sterbehilfe deutlich zu machen. Wir wollen menschenwürdiges Sterben, Begleitung möglichst in den eigenen Räumen, aber keine Sterbehilfe, sondern vernünftiges Begleiten. Das muss in vielen unterschiedlichen Bereichen vernetzt sein und vor allem Angehörige unterstützen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gilt, die vielen unterschiedlichen Strukturen weiter auszubauen, sie noch stabiler zu machen – bis hinunter zu den Landkreisen –, damit eine Vernetzung, z. B. an runden Tischen, stattfindet. Ich bin davon überzeugt, wir brauchen keine neue Struktur, sondern einen neuen Aufbruch der vielen Organisationen, die dort beteiligt sind und sich dieses Themas annehmen. Dafür ist die Koordinationsstelle in Hessen ein Ansprechpartner mit vielen unterschiedlichen Akteuren.

Wir werden sicherlich im Ausschuss dazu gemeinsam eine Anhörung durchführen.Aber als Landesregierung wollen wir auf den vorhandenen Strukturen aufbauen, sie weiter ausbauen und die Ergebnisse der Untersuchungen, die wir zum Thema Palliativmedizin in Auftrag gegeben haben, so umsetzen, dass mit dem, was im GKV-WSG als ein ganz wichtiger positiver Ansatz tatsächlich auf den Weg gebracht wurde, die ambulante palliative Versorgung gestärkt wird – also das,was sich Menschen wünschen:in der Familie zu Hause begleitet zu werden. Das soll weiter ausgebaut und in vernünftige Strukturen gebracht werden. Vor allem aber sollen die Krankenkassen diese Strukturen mitfinanzieren und diese Versorgung durch Hauptamtliche neben den Ehrenamtlichen sicherstellen. Das ist unser Ziel: keine weiteren, aber die bestehenden Strukturen weiter ausbauen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Ich stelle fest: Wir haben die erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz über den Beauftragten für das Palliativ- und Hospizwesen bzw. die Beauftragte für das Palliativ- und Hospizwesen abgehalten.

Der Gesetzentwurf soll zur Vorbereitung der zweiten Lesung dem Sozialpolitischen Ausschuss überwiesen werden. – So beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich darf dann gemeinsam mit Ihnen in die Mittagspause eintreten. Wir sehen uns um 15 Uhr an gleicher Stelle wieder.

(Unterbrechung von 13.03 bis 15.01 Uhr)

Ich eröffne jetzt die Sitzung und freue mich, dass wir alle wieder da sind.

(Axel Wintermeyer (CDU): Nein, die GRÜNEN fehlen vollständig!)

Dafür ist der Präsident nicht zuständig.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 56 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend Hessens Wissenschaftspolitik gescheitert – Drucks. 16/7382 –

zusammen mit Tagesordnungspunkt 88:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der FDP betreffend Aufbruch der hessischen Hochschulpolitik – sieben Punkte für eine zukunftsfähige Wissenschaftslandschaft – Drucks. 16/7412 –

Die Redezeit beträgt 15 Minuten je Fraktion. Es ist der Setzpunkt der SPD, und es beginnt der Kollege Siebel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Acht Monate vor der Landtagswahl steht die Hessische Landesregierung vor einer durchaus bemerkenswerten Situation. In einem der wichtigsten Zukunftsfelder des Landes wirft der zuständige Fachminister Udo Corts das Handtuch, bevor der Wahlkampf noch richtig begonnen hat. Das ist ein Offenbarungseid. Die hessische Wissenschaftspolitik ist in der Tat gescheitert.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für einen amtierenden Ministerpräsidenten ist dies umso betrüblicher, als er in einigen doch entscheidenden Fragen sich selbst dieses Zukunftsfeldes angenommen hat.Er hat dies bei der Klinikprivatisierung getan, bei der Auseinandersetzung um die Studiengebühren, bei der Modelluniversität; und ich sage Ihnen voraus, er wird das bei der Stiftungsuniversität tun. Ich glaube, Herr Ministerpräsident Koch wird es noch schaffen, seinem Lehrer, Herrn Steinberg, eine Stiftungsuniversität in Frankfurt zu besorgen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich mache der Landesregierung nicht den Vorwurf, dass ein Ministerprä

sident gewisse Themen an sich zieht. Dafür ist er der Chef, und dafür trägt er letztendlich auch die Gesamtverantwortung.

Wenn man das aber als Ministerpräsident macht, dann muss ein solches An-sich-Ziehen von Themen auch zum Erfolg führen.

(Zuruf von der CDU: Das war es doch auch!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist – trotz durchaus zu verzeichnender Steigerungsraten und innovativer Ansätze bei der CDU in den letzten fünf Jahren ihrer Alleinregierung und auch in den letzten neun Jahren gemeinsamer Regierung mit der FDP – nicht geschehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch der Abg. Nicola Beer (FDP))