Protokoll der Sitzung vom 03.07.2007

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Minister Volker Bouffier: So ein Quatsch!)

Der Unmut der Beschäftigten ist immer noch groß, das zeigen beispielsweise Resolutionen von Personalversammlungen. Eine habe ich mir einmal herausgesucht. Dort heißt es:

Keine Kompromisse, sondern Diktat von oben. Das ist das Leitbild der Hessischen Landesregierung unter Koch. Tarifverträge stören da genauso wie effektive Verhandlungsrechte der Beamtinnen und Beamten.

Dies ist ein Zitat aus der Resolution einer Personalversammlung einer Schule in Obertshausen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Vereinbarung bleibt aber auch hinter dem Anspruch eines modernen Tarifrechts zurück. Schauen wir uns doch einmal an, was seinerzeit Bundesinnenminister Otto Schily mit den Beamtinnen und Beamten – also mit dem Deutschen Beamtenbund, aber auch mit der Gewerkschaft ver.di – vereinbart hat. Das Eckpunktepapier „Neue Wege im öffentlichen Dienst“ zeigt, wie ich meine, richtige Ansätze, die nicht nur reine Übereinkommen bei der Besoldung waren, sondern zeigen, wie man ein modernes, zukunftsfähiges Beamtenrecht,einen zukunftsfähigen öffentlichen Dienst schafft. Das wurde in diesem Eckpunktepapier vereinbart.

Darin wird über die Notwendigkeit der Modernisierung dieses Bereiches geredet, über Leitlinien der Reform, über Leistungsbereitschaft im öffentlichen Dienst. Da ist über Laufbahnreformen geredet worden. Es ist über die Funktionsorientierung, über Basisgehälter, über Leistungsprämien, Leistungsstufen und Leistungsbewertungen geredet worden. Das sind durchaus richtige Ansätze. Aber davon, wie ein modernes Tarifrecht in Zukunft gestaltet werden soll, findet sich in der Vereinbarung, die Sie mit dem Beamtenbund getroffen haben, nichts.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sind, wohlgemerkt, Eckpunkte, die auch mit den Gewerkschaften vereinbart worden sind. Daher verstehe ich nicht, dass Sie immer wieder versuchen, einen Keil zwischen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes Hessen zu treiben.

Modern ist es nicht, was Sie vereinbart haben. Es kann auch nicht modern sein; denn eine moderne Tarifpolitik – das zeigen uns die privaten Betriebe – macht man eben mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,aber nicht gegen sie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Innenminister, das war im Übrigen auch die Position des Beamtenbundes, bevor er mit Ihnen verhandelt hat. Der Beamtenbund hat seinerzeit gefordert: zurück in die

Tarifgemeinschaft der Länder. – Das war die eine Forderung.

Eine andere Forderung war, dass der TV-L jetzt übertragen wird. In den Flugblättern des Beamtenbunds war Folgendes zu lesen – von daher wundert es mich schon, wenn hier darüber berichtet wird, wie Herr Spieß auf Gewerkschaftstagen oder auf Beamtenbundtagen auftritt –:

(Michael Boddenberg (CDU):Ist das nicht dieselbe Rede wie beim letzten Mal, Herr Kollege?)

Es stimmt nicht, dass man viele Köche braucht, um einen Brei zu verderben. Manchmal reicht auch einer.

Inzwischen gelten überall für den öffentlichen Dienst moderne Tarifverträge. Nur die Hessische Landesregierung unter Roland Koch verhindert bisher mehr Flexibilität, mehr Mobilität und mehr Leistungsfähigkeit im öffentlichen Dienst.

„Aber auch Hessen hat ein modernes Tarifrecht verdient“ – so lautet ein Zitat des Beamtenbunds. Es stimmt, was der Beamtenbund da geschrieben hat.Deshalb fragen wir, warum in den Vereinbarungen, die die Landesregierung und der Beamtenbund unterzeichnet haben, diese modernen Ansätze im Tarifrecht nicht enthalten sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ist aus den Leistungskomponenten geworden, über die breit diskutiert worden ist? Was ist aus der Flexibilisierung der Arbeitszeit geworden? Was ist aus den Arbeitszeitkonten geworden? Was ist aus strukturellen Veränderungen geworden, z. B. bei der Bezahlung, beim Aufstieg oder bei einem Wechsel zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft? Auf der ganzen Linie ist Fehlanzeige zu verzeichnen.

Ich kann Ihnen nur sagen: Lesen Sie sich einmal durch, was Horst Hemzal, der Frankfurter Stadtkämmerer, seinerzeit gesagt hat. Ich habe ihn schon einmal zitiert, ich mache es gern noch einmal; denn ich glaube, dass Horst Hemzal, der Frankfurter Stadtkämmerer, jemand ist, der von dem Thema etwas versteht. Nach der Vereinbarung zum TV-L hieß es – als Mitglied der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände hat er an den Verhandlungen teilgenommen –:

Trotz der Kritik des Landes nennt der Frankfurter Kämmerer Horst Hemzal das Ergebnis von Potsdam epochal. Mit der Einführung von Leistungsanreizen in das öffentliche Tarifrecht anstelle von lohnbezogenen Bestandteilen würden alte Zöpfe abgeschnitten – mit Beteiligung der Gewerkschaften.

Herr Kollege Bouffier, ich glaube, dass Sie in diesem Bereich eine Chance vertan haben. Sie haben nämlich das fortgeführt, was Sie die ganze Zeit gemacht haben: Sie haben auf Konfrontation gesetzt. Sie sind eben nicht bereit, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – weder mit den Beamten noch mit den Angestellten – zu einer vernünftigen Lösung zu kommen. Sie setzen allein auf Konfrontation.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum Schluss. Ich will Ihnen noch kurz sagen, was die Vereinbarung, die Sie getroffen haben, eigentlich für einen Oberkommissar bedeutet. Für einen Oberkommissar, 40 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder, bedeutet die Einmalzahlung einen Betrag von 457,15 c. Die Tariferhö

hung bedeutet für ihn einen Betrag von 76,04 c. 12,5 % haben Sie ihm aber im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ genommen.

(Michael Boddenberg (CDU): Was für eine Milchmädchenrechnung!)

Für den Ministerpräsidenten des Landes bedeutet die Vereinbarung, die Sie getroffen haben, eine Einmalzahlung in Höhe von 1.972 c. 318,55 c mehr gibt es durch die Tariferhöhung. Für die Sekretärin, die am 01.04. mit BAT V in der Staatskanzlei eingestellt worden ist, bedeutet das, dass sie weder eine Tariferhöhung noch eine Einmalzahlung bekommt. Es kann nicht gerecht sein, dass Sie eine so unterschiedliche Behandlung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Lande organisieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Frömmrich, ich bitte Sie, jetzt zum Schluss zu kommen.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Wir begrüßen es im Grundsatz, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – die Beamten – wieder an der Entwicklung teilhaben. Die Art des Zustandekommens dieser Vereinbarung kritisieren wir allerdings außerordentlich.Die Chance auf einen neuen Weg im öffentlichen Tarifrecht wurde vertan. Mit moderner Tarifpolitik hat das, was Sie vereinbart haben, nichts zu tun. Wir werden hören, wie sich in der Anhörung diejenigen äußern werden, die an diesem Prozess nicht beteiligt waren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Kollege Hahn für die FDPFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben bereits am 30.Mai eine Debatte über dieses Thema geführt. Damals lag ein Entschließungsantrag der CDU-Landtagsfraktion vor, in dem sie die Einigung zwischen der Landesregierung und dem Deutschen Beamtenbund, Landesverband Hessen, begrüßt hat.

Ich möchte an diese Debatte, die aufseiten der FDP-Fraktion von Roland von Hunnius geführt wurde, anknüpfen und sagen: Ja, es ist korrekt und gut, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der hessischen Landesverwaltung wieder an der Einkommensentwicklung teilhaben. Es ist richtig, dass sie nicht darunter leiden dürfen, dass es Verwerfungen zwischen der Landesregierung auf der einen Seite und den Tarifparteien auf der anderen Seite gegeben hat.

Sie wissen, dass es die FDP-Fraktion von Anbeginn begrüßt hat, dass Hessen aus der Tarifgemeinschaft der Länder ausgetreten ist.Auf der anderen Seite will mir das Bild mit den etwas trotzigen Kindern nicht aus dem Kopf, die in einem Spielkasten sitzen und sich um ein Förmchen streiten. Man hätte den Gesprächsfaden schon lange aufnehmen müssen, sowohl seitens der Landesregierung als

auch insbesondere seitens der Gewerkschaft – dazu komme ich jetzt –, die an der Vereinbarung nicht beteiligt ist.

Abgesehen davon, dass die Beamtinnen und Beamten an der Einkommensentwicklung teilhaben werden, haben wir auch als positiv festzuhalten, dass jetzt ein Familienzuschlag für kinderreiche Familien in das Gesetz aufgenommen wird.

(Beifall bei der FDP)

Es war über längere Zeit hinweg ein Ärgernis, dass derartige Regeln,die durch das Bundesverfassungsgericht,aber auch durch eine Vielzahl von Instanzgerichten bereits festgeschrieben worden sind,in Hessen bisher nicht Recht und Gesetz sind.

Wenn man von dieser Seite aus an das Thema herangeht, es also aus der Sicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – der Beamten – im Lande sieht, kann man schwerlich dagegen argumentieren und sagen, alles sei falsch. Deswegen verstehe ich es auch nur bedingt, dass wir die Debatte so betrachten – jedenfalls war das eben bei einem Kollegen der Fall –, als ob sie ausschließlich aus dieser Sicht geführt worden wäre.

Auf der anderen Seite hängen mit dem Gesetzentwurf zwei gravierende negative Punkte zusammen. Sie haben etwas mit der Vereinbarung zwischen der Landesregierung und dem Deutschen Beamtenbund zu tun. Das eine Ärgernis ist, dass hinter der Vereinbarung keine weitreichende Konzeption erkennbar ist, sondern dass man mit ihr sehr kurzfristig auf ein Problem schaut und dieses auch löst. Ob wir das gut oder schlecht finden, ist eine andere Frage. Aber ein Konzept, das ein Innenminister, das eine Landesregierung haben muss – gerade wenn man weiß, dass ein sehr hoher Ausgabenblock der Landesregierung für die Personalkosten aufgewandt wird –, ist nicht erkennbar.

Das war offensichtlich auch nicht gewünscht, weil man nunmehr eine relativ schnelle Einigung mit einem Teil der Gewerkschaftsfamilie haben wollte und deshalb einen Großteil der Ideen übernommen hat – ich glaube, Herr Kollege Frömmrich hat darauf hingewiesen –, die der Beamtenbund bereits vorher artikuliert hatte.

Ein Konzept fehlt also. Wir haben in der Debatte am 30. Mai von den Kollegen aus der Union gehört,dass es eigentlich erst in der nächsten Legislaturperiode entwickelt werden soll.

(Minister Volker Bouffier: So ist es!)

Das kann man verstehen, wenn man weiß, dass am 27. Januar 2008 die Landtagswahl stattfindet.

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister, die Frage, ob es ein kluger Weg ist, das zu prolongieren, will ich erst einmal beiseite legen. Auf der anderen Seite nehmen Sie vielleicht das offene Angebot an, dass wir in der nächsten Legislaturperiode – möglicherweise gemeinsam – ein vollständiges, rundes Konzept für die Beamtinnen und Beamten erarbeiten und dann auch gemeinsam hier verabschieden können.

(Beifall bei der FDP)

Das gravierendste Manko ist – Herr Kollege von Hunnius hat am 30. Mai ausdrücklich darauf hingewiesen –, dass man diese Vereinbarung nur mit dem Beamtenbund getroffen hat. Der Zwischenruf von Andrea Ypsilanti: „Das sagt jemand aus der SPD“ steht im Protokoll der Sitzung

am 30. Mai. Ich bin der festen Überzeugung, dass man mit dem Beamtenbund Verhandlungen führen muss.

Dass die FDP – Jörg-Uwe Hahn und seine Kolleginnen und Kollegen – vielen Ideen des Beamtenbunds viel näher steht als der Gewerkschaft ver.di, muss ich Ihnen nicht vortragen. Das ist allgemein bekannt. Nur, es reicht nicht aus, nur mit dem zu verhandeln, mit dem man einigermaßen gut kann. Vielmehr muss man auch mit dem verhandeln, mit dem man nicht so gut kann. Das ist der zweite gravierende Fehler.