Warum in § 5 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzentwurfs steht, der Begräbnisort müsse umfriedet sein, ist für uns nicht nachvollziehbar. Für die Kolleginnen und Kollegen, die nicht an der Sitzung des Innenausschusses teilgenommen haben, möchte ich sagen: Es gibt eine Kompromisslösung, die der Gesetzentwurf, wie ihn die Landesregierung vorgelegt hat, andeutet. Ich habe versucht, den Innenminister auf diese Brücke zu locken, aber er hat das erstens erkannt und hat sich zweitens nicht locken lassen. Die Kompromisslösung würde lauten: Lasst die Gemeinden entscheiden; die Gemeinden sollen im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplans entscheiden, ob der Begräbnisort eine klassische Umfriedung braucht oder nicht.
Der hessische Innenminister hat mich aber darauf hingewiesen – das ist aus der Logik des § 5 des Gesetzentwurfs erkennbar –, dass die Landesregierung gerade das ausschließen will. Sie sagt vielmehr: Wenn ihr den Bebauungsplan ändert, dann müsst ihr auf alle Fälle all das, was im § 2 steht, beachten. – Da steht nun einmal, diese Gebiete müssen umfriedet und als Friedhöfe erkennbar sein. Letzteres ist unstreitig. Auch der Änderungsantrag der Sozialdemokraten hatte aber nur das Ziel, das Wort „umfriedet“, nicht aber die Wendung „als Friedhöfe erkennbar“ zu streichen.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Union, Sie zeichnen ein Bild, das eindeutig sagt: Wir wollen das nicht. Weil wir es nicht wollen, verbieten wir es auch gleich in Form der Normen im hessischen Friedhofsund Bestattungsgesetz. – Das ist nicht unser Ansatz. Unser Ansatz ist vielmehr: Wenn es denn tatsächlich Probleme vor Ort geben könnte, eine Ruhestätte nicht mit würdiger Ruhe zu umgeben, dann sollen das bitte die Kommunalpolitiker vor Ort in eigener Verantwortung beschließen.
Letzte Bemerkung. Ich denke, zum Thema „Sargzwang – ja oder nein“ führen wir eine relativ akademische Diskus
sion. Ich gebe zu, dass ich nachvollziehen kann – und mich im Ausschuss für die FDP-Fraktion entsprechend verhalten habe –,dass es sinnvoller ist,die Formulierung zu wählen, die die Sozialdemokraten und, in ähnlicher Form, die GRÜNEN vorgelegt haben.Auf der anderen Seite ist der Gesetzentwurf, den die Mehrheitsfraktion jetzt wahrscheinlich beschließen wird, geeignet, einen Kompromiss in dieser Frage zu ermöglichen.Aber wie wir Juristen wissen, ist es schwieriger, einen Kompromiss zu ermöglichen, wenn man das Regel-Ausnahme-Verhältnis einmal herumgedreht hat.
An dieser Stelle möchte ich ganz bewusst darauf hinweisen, dass es in unseren Augen – das haben wir in der Anhörung gelernt – eigentlich nicht so sehr um ein religiöses, ein konfessionelles Problem geht.Wir haben gelernt, dass die Art und Weise der Bestattung auch etwas mit der Bodenbeschaffenheit zu tun hat. Ich überspitze es jetzt einmal, damit Sie wissen, was ich meine: Der Prozess der Verwesung einer Leiche verläuft in sandigem Boden anders als z.B.im Wetterauer Lehmboden.Diese Tatsache sollten wir jetzt zwar nicht überhöhen hinsichtlich der Frage, ob man gegenüber bestimmten Religionen tolerant oder intolerant ist, aber man sollte schon wissen, dass die Form der Bestattung etwas damit zu tun hat, in welcher Region wir leben und wie dort die Bodenbeschaffenheit ist.
Lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Wir hätten heute ein modernes, ein weltoffenes und trotzdem der Trauerkultur angemessenes Bestattungsrecht verabschieden können. Den letzten Schritt möchte die Union offensichtlich nicht gehen.Wir finden aber, dass der Weg in die richtige Richtung gegangen wird, sodass wir uns bei der Abstimmung der Stimme enthalten werden.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Wir werden heute ein modernes und, wie ich finde, kluges Friedhofs- und Bestattungsgesetz verabschieden, das einige Probleme, die man unterschiedlich sehen kann, mit klugen Kompromissen löst.
Ich will zunächst einmal ausdrücklich festhalten, wo wir eigentlich stehen. Wir haben uns in einem Gesetzgebungsverfahren selten so intensiv, so lange und mit einer so breiten Beteiligung bemüht, verschiedensten Aspekten Rechnung zu tragen. Ich bedanke mich für die allgemeine Anerkennung, dass uns das gemeinsame Ziel der Entbürokratisierung offensichtlich gelungen ist. Das haben alle gesagt. Wir haben in diesem neuen Gesetz vieles zusammengeführt, eine ganze Menge Vorschriften entschlackt, manche sogar völlig in Wegfall kommen lassen.
Zweitens. Weil von „modern“ gesprochen wird: Wir sind die Einzigen,die ein Anliegen von Menschen,die ein Kind verloren haben, aufgenommen und jetzt auch in Gesetzesform gegossen haben. In dem Gesetz ist der Anspruch von Müttern und Vätern niedergelegt, tot geborene Kinder und Föten so bestatten zu lassen, wie es angemessen und würdig ist.Wir kommen damit einem Anliegen nach, über das schon viele Jahre diskutiert wurde. Das halte ich nicht nur für modern, sondern auch für angebracht.
Ich beginne mit der Frage: Ist es modern, für einen Friedwald zu kämpfen? – Damit sind ja einige unterwegs. Ich kann überhaupt nicht erkennen, dass hier irgendwelche Erwerbsinteressen eine Rolle spielen können. Worum geht es eigentlich?
Ich will es einmal wie folgt formulieren, und das ist in der Tat eine wertende Entscheidung, zu der ich mich auch bekenne. Diese wertende Entscheidung gründet sich auf eine Bestattungskultur, eine Trauerkultur, die in unsere christlich-abendländische Kultur eingebunden ist. Die erste Kernfrage dabei lautet: Soll es dabei bleiben, dass Beerdigungen auf Friedhöfen erfolgen? Von einigen wird – durchaus nachvollziehbar – immer wieder gefordert, das Friedhofsgebot aufzugeben.
Wenn ich mir das zu eigen mache, was der Kollege Hahn gesagt hat – wir stellen ein einziges Verfahren in den Raum, wie jemand bestattet werden muss –, dann muss man, wenn man konsequent ist, auch sagen: Das Festhalten an einem Bestattungsgebot auf dem Friedhof, wie immer dieser aussieht, rechtfertigt sich ausschließlich aus unserer Kultur und Tradition, aus unserer Sicht der Trauer und der Würde der Verstorbenen.
Es gibt viele, die beispielsweise verlangen, die Urne überall beisetzen zu können, im Garten oder wo auch immer. Die erste Grundentscheidung,die wir getroffen haben,ist: Wir wollen dem nicht nachgeben, sondern sagen, eine Bestattung findet auf einem Friedhof statt. – Dazu hat sich niemand abweichend geäußert.
Wenn wir vom Friedhof sprechen – damit bin ich bei meinem zweiten Punkt –, dann muss der nach meiner Auffassung auch als Friedhof erkennbar sein.
Jetzt sagen Sie, Sie sind gegen die Umfriedung. Ich bin entschieden für die Umfriedung.Denn das,was ich erlebe, ist nicht das, was ich mir vorstelle. Es kann nicht richtig sein, dass jemand ein Schildchen an einen Baum hängt, auf dem steht: „Das ist ein Friedhof“,
das Ganze gleichzeitig noch als Jagdbezirk angemeldet hat und darauf hofft, dass die Bevölkerung oder der Besucher dort ein angemessenes Verhalten an den Tag legt. Das halte ich nicht für ausreichend.
Deshalb haben wir die Bestimmung aufgenommen, dass es selbstverständlich möglich ist, Friedhöfe als Wald, als Ruheforst zu errichten.Alles das, was Sie vorgetragen haben gibt es, und es wird selbstverständlich möglich bleiben.
Die Umfriedung steht im Ermessen der Kommunen. Nun wissen Sie es viel besser,als Sie es hier vorgetragen haben: Es gibt eine Fülle von Möglichkeiten, wie ich umfrieden kann. Kein Mensch hat dort hineingeschrieben, dass das eine Mauer sein muss. Niemand hat gesagt, dass das ein Zaun sein muss. Ich sage es aber noch einmal: Das ist eine Wertung, die sich an zwei Dingen entwickelt. Wer vorher vom Friedhof spricht, der muss nachher auch erkennbar einen Friedhof haben und kann es sich nicht so leicht machen und sagen, das wird sich schon regeln. Das ist konse
Bei 465 Städten und Gemeinden wird das sehr unterschiedlich ausfallen. Das schlichte „Gebt Freiheit!“ nützt an dieser Stelle nichts. Denn wenn dieser Ruf allein determinierend sein soll, dann müssen wir auch den Friedhofzwang aufheben und gestatten, dass jemand frei entscheidet
Ich werbe also ausdrücklich für diese Wertentscheidung. Sie lässt den Kommunen sehr viel Freiraum, stellt aber auch sicher, dass das Friedhofsgebot als solches nicht nur auf dem Papier steht, sondern in angemessener Weise und je nach dem, wie es die Verhältnisse vor Ort erlauben, umgesetzt wird.
Zweite Bemerkung. Frau Kollegin Erfurth, Sie haben sich unter anderem auch mit dem Thema aus der Justizministerkonferenz beschäftigt. Ich habe das auch gelesen. Ich kann nur sagen, das hat an meiner Meinung und an der der Landesregierung nichts geändert. Ich habe es im Ausschuss schon einmal vorgetragen, aber ich will es hier noch einmal deutlich sagen.
Kein vernünftiger Mensch kann sich dagegen wenden, dass Ärzte in geeigneter Weise fort- und ausgebildet werden. Ich bin entschieden anderer Auffassung, was diese Forderung angeht.
Zum einen haben wir nur Vermutungen. Seit jetzt knapp neun Jahren bin ich mit diesem Thema befasst – ich glaube, der Kollege Bökel hat es auch schon gehabt –, und ich habe immer wieder gesagt,wir brauchen nicht nur Vermutungen und rechtssoziologische Erhebungen, sondern wir brauchen Fakten. Bis heute kenne ich keine. Die allgemeine Vermutung, dass eine Vielzahl von Menschen eines unnatürlichen Todes stirbt
Wir haben in Hessen 60.000 Todesfälle im Jahr.Wer ernsthaft die Auffassung vertritt, dass der Totenschein in Zukunft nur noch von speziell ausgebildeten Ärzten ausgestellt werden kann, dem muss ich sagen, das ist in der Realität nicht machbar. Allerdings wende ich mich auch dagegen, auf Vermutungen aufzubauen.
Wir haben einen anderen Weg gewählt. Den haben Sie unterschlagen. Bisher ist es Rechtslage, dass bei Feuerbestattungen nur einer schaut. Die neue Rechtslage ist jetzt, dass sich dann ausdrücklich zwei mit der Leichenschau beschäftigen müssen. Das ist neu. Wenn Zweifel übrig bleiben – auch das ist neu –, dann ist von Gesetzes wegen verbindlich eine Obduktion vorgesehen.
Wir sind also nicht ignorant und haben diesen Erwägungen in keiner Weise Rechnung getragen, sondern wir haben zwei Dinge getan. Auf der einen Seite haben wir die Wirklichkeit gesehen, wir haben den Ärzten nicht generell das Vertrauen entzogen. Auf der anderen Seite aber haben wir eine erheblich höhere Qualität der Kontrolle eingezogen. Das erscheint mir sinnvoller.
Im Übrigen kenne ich kein Land – Sie haben einige andere Länder zitiert –,das auf diese Dinge Ihren Wünschen entsprechend eingegangen wäre. Das hat überhaupt nichts damit zu tun – ich weiß, diese Fragen beschäftigen viele Menschen außerordentlich –, dass wir nicht in einem sehr engen Dialog z. B. mit der Ärztekammer stehen, um hier in angemessener Weise fortzubilden. Dagegen kann niemand etwas haben.Aber ein gesetzlicher Verdacht, sozusagen generalisierend und ohne eine Antwort darauf, wer denn bitte schön dann die Leichenschau im Lande macht, das kann nicht richtig sein.
Damit komme ich zum letzten Punkt. Der bedarf unter uns offensichtlich der Aufklärung. Es geht um die Sargpflicht.
Meine Damen und Herren, der Kollege Hahn hat es am Schluss angesprochen: Ich verstehe nicht, wieso wir hier eine Islamdiskussion führen. Hier geht es überhaupt nicht um Fragen der Religion. Die Sargpflicht ist nicht christlich-abendländisch religiös determiniert, sondern sie ist ganz schlicht in Seuchen- und Hygieneüberlegungen begründet. Es geht um den Verwesungsprozess – das ist überall nachzulesen –, um die Boden- und Klimaverhältnisse.
Deshalb ist die Frage, ob man eine Sargpflicht anordnet oder nicht,völlig von dem jeweiligen Glaubensbekenntnis zu trennen und damit in keiner Weise in Verbindung zu bringen.
Deshalb muss es bei dieser Formulierung von § 18 Abs. 2 bleiben. Denn wenn ich dort hineinschreibe, dass es eine Mussvorschrift ist und der Gemeindevorstand keine Ausnahme zulassen kann, dann hat der kein Ermessen mehr. Es heißt dort – und jetzt kommen vier interessante Worte –: „nach Anhörung des Gesundheitsamts“. Genau das muss doch bleiben.All das, was bisher unbestritten maßgeblich war – die Fragen des Bodens, des Wassers, der Verwesungsgegebenheiten und vieles andere mehr –, sind keine Fragen, die nach Mehrheit zu entscheiden sind, oder Fragen des Glaubens, sondern es ist eine schlichte Notwendigkeit, dass die Behörden darauf achten.
Wir haben sowohl mit der AGAH wie auch mit den Kommunen diese Dinge breit erörtert. Die AGAH hat in meiner Anwesenheit erklärt: Wir haben damit keine Probleme. Denn heute lassen die Kommunen Ausnahmen zu, und in diesen Fällen ist die Ausnahme die Regel. Wo immer es geht, wird die Bestattung gen Mekka möglich gemacht. Das muss man doch anerkennen.
Deshalb sehe ich keine Notwendigkeit, hier Ihrem Änderungsantrag zu entsprechen. Im Gegenteil lege ich größten Wert darauf, dass dieses Gesetz zwar auf abendländisch-christlicher Kultur und insbesondere auf deren Bestattungs- und Totenkultur aufbaut;aber die Frage,welche Gesundheits- und Sicherheitselemente hierbei bedacht werden müssen, ist völlig frei vom jeweiligen Bekenntnis zu beantworten. Das ist richtig so, und das muss auch so bleiben.
Wenn Sie einen Strich darunter ziehen, dann hat sich die Arbeit, auch gerade die, die wir im Ausschuss im Verlauf von zwei oder drei Jahren durchgeführt haben, gelohnt. Hessen wird mit diesem Gesetz im Reigen der Bundesländer ausgezeichnet dastehen. – Vielen Dank.
Dann kommen wir zur Abstimmung über das Friedhofsund Bestattungsgesetz in zweiter Lesung.Wer diesem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltungen? – Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist bei Zustimmung der Fraktion der CDU und Enthaltung der übrigen Fraktionen angenommen worden und wird damit zum Gesetz erhoben.
(Beifall des Abg. Axel Wintermeyer (CDU) – Axel Wintermeyer (CDU): Das war eine Beerdigung dritter Klasse!)