Herr Kollege Irmer, das ist genau Ihr Problem. So reden Sie über Gewerkschaften, so reden Sie über die Organisationen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vertreten.
Keine Verhandlungen,sagt die Gewerkschaft,keine Kompromisse, sondern Diktat von oben. Das ist das Leitbild von Roland Koch. Tarifverträge stören da nur, ebenso wie effektive Verhandlungsrechte der Beamtinnen und Beamten und das Personalvertretungsrecht, das schon mehrfach beschnitten wurde und obendrein in der Praxis ständig unterlaufen wird.
Das denken die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU.
Der Kollege Rudolph hat es schon angesprochen, aber auch ich will das noch einmal tun. Dankenswerterweise hat die Kollegin Wettlaufer-Pohl das wie folgt formuliert.
Mein Gott, jetzt ist wenigstens Stimmung in der Hütte. Herzlich willkommen in der Gegenwart, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Frau Wettlaufer-Pohl hatte das in der „HNA“ ausdrücklich erwähnt. Ich will sie zitieren, denn sie spricht aus, welchen Umgang Sie mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern pflegen:
Bei Hessens Waldarbeitern ist der Ärger noch viel größer, denn sie werden, zumindest zunächst, noch nicht einmal von dem, was hier vorgeschlagen worden ist, etwas abbekommen.
Herr Innenminister, zu Ihrem Umgang mit den Waldarbeitern sage ich Folgendes.Sie sind nach dem Sturm Kyrill und nach anderen Sturmkatastrophen hinausgegangen und haben die Menschen dafür gelobt, dass so schnell gehandelt worden ist. Diese Arbeit im Wald ist wirklich schwierig, sie ist sehr gefährlich, gerade in solchen Situationen. Jetzt sollen die Waldarbeiter von dem, was Sie hier gesetzlich beschließen wollen, noch nicht einmal etwas abbekommen. Herr Innenminister, das ist ein schäbiger Umgang mit diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Minis- ters Volker Bouffier)
Herr Innenminister, Sie haben sich ein tiefes Loch gegraben, aus dem Sie nicht mehr herauskommen. Ein tibetanisches Sprichwort lautet: Wenn du in einem Loch sitzt, musst du zuerst einmal mit dem Graben aufhören. – Ich fordere Sie auf: Kehren Sie zu einem anderen Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Landes zurück, kehren Sie um.
Um oder zurück, das ist vollkommen egal. Sie scheren sich sowieso nicht darum. Das haben wir in den letzten Jahren erlebt.
Vor fast genau einem Jahr haben wir an dieser Stelle über dieses Thema gesprochen. Herr Innenminister, Sie werden sich erinnern.
Ich komme sofort zum Schluss. – Damals haben Sie gesagt: „Ich werde für die Angestellten jetzt ganz sicherlich keine gesetzliche Regelung herbeiführen, die durch Tarifvertrag entsprechend zu regeln ist.“ Wie kommen Sie jetzt zu diesem Sinneswandel? Das müssen Sie schon erklären.
Herr Innenminister, Ihr Umgang mit dem Personal ist wirklich unter aller Granate. Sie ersetzen Tarifverhandlungen durch ein Gesetz. Das ist ein Vorgang, zu dem es zuletzt in einer Krisensituation während der Weimarer Republik gekommen ist. Herr Innenminister, das sollten Sie sich einmal vor Augen führen. Ihr Umgang mit dem Personal spottet wirklich jeder Beschreibung. Sie sollten zu einem vernünftigen Umgang mit dem Personal und zu einer vernünftigen Tarifpolitik zurückkehren. Reden Sie mit den Gewerkschaften,
verhandeln Sie mit den Gewerkschaften, reden Sie mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ein Diktat kann keine ordentliche Tarifpolitik ersetzen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf den ersten Blick scheint es sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf um den Fluch einer gut gemeinten Tat zu handeln. Die Besoldung der Beamten ist erhöht worden. Das war gut gemeint. Das haben wir nie bestritten.Diese Erhöhung soll nun für die Angestellten und Arbeiter – heutzutage nennt man sie Tarifbeschäftigte – nachvollzogen werden.
Als Finanzpolitiker glaube ich auf den zweiten Blick so etwas wie ein goldenes Füllhorn zu erkennen.Zuerst hat die CDU-Fraktion die Beamten bessergestellt, nun will sie die Tarifbeschäftigten besserstellen. Zudem hat die Frau Kultusministerin neuerdings erkannt, dass die Lehrerinnen und Lehrer zu wenig verdienen. Ich warte jeden Tag darauf, dass jemand sagt, dass die Polizisten zu wenig verdienen. Dazu könnte man sehr viel sagen. Vielleicht wird das die kleine Überraschung im Vorwahlkampf. Ich frage mich aber:Wo kommt all das Geld her? Wir sind ja fast dabei, den Menschen per Gesetz mehr Geld aufzudrängen, auch wenn sie es gar nicht haben wollen.
Da fragt man sich natürlich: Warum passiert das, und warum passiert das gerade jetzt? Sehen wir uns einmal die Änderungen an, die Gegenstand dieses Gesetzentwurfs sind. Es geht erstens um eine lineare Einkommenssteigerung ab dem 1. April 2008. Eine solche Steigerung hätte man füglich auch im kommenden Jahr tarifvertraglich vereinbaren können. Das müsste man nicht im Voraus machen. Zweitens geht es um eine Anhebung des Familienzuschlags. Das hätte man auch im nächsten Jahr vereinbaren können, denn die Anhebung gilt ohnehin rückwirkend zum 1. Januar 2007.Auch das hätte also 2008 vereinbart werden können.
Somit bleibt drittens eines übrig, nämlich das Lieblingsinstrument der Landesregierung:Einmalzahlungen,am besten im Dezember ausgezahlt. Das neue Konzept lautet: Einmal-, Zweimal- oder Dreimalzahlungen.
Wie auch immer. – Das ist das neue Konzept, um die Wählerinnen und Wähler gnädig zu stimmen,bevor sie ihr Kreuzchen machen.
Diese Einmalzahlung ist der wahre Grund dafür, warum man ein Gesetz verabschieden muss. Man kann sich natürlich fragen: Ist es die Sorge der Landesregierung um die Weihnachtsgeschenke der Beschäftigten, oder geht es vielleicht doch um ein bisschen Wahlstimmungsvorsorge?
Jetzt komme ich auf die Art und Weise zu sprechen, wie das Ganze geschehen soll. Dazu ist schon viel gesagt worden. Die Einkommen der Tarifbeschäftigten sollen nicht durch einen Tarif, sondern durch Gesetz geregelt werden. Das ist ein eigenartiger Vorgang. Wir haben in unserer Fraktion recherchiert,wann in Deutschland das letzte Mal so gehandelt worden ist. Ich kann mich zwar nicht dafür verbürgen, aber wir haben festgestellt, dass das zum letzten Mal unter Brüning im Rahmen des Erlasses der Notverordnungen geschehen ist. Es muss also einen sehr triftigen Grund geben, dass Sie hier von dem Üblichen abweichen.
Eine solche Handhabung führt faktisch zu einer Aushöhlung der Tarifautonomie.Daran führt kein Weg vorbei.Ich treffe jetzt keine rechtliche Aussage. Das ist auch der Grund, weshalb wir den Antrag der SPD-Fraktion nicht unterstützen; denn wir werden hier sicher nicht beschließen, was Recht ist und was nicht Recht ist. Das richtet sich nämlich nach den Gesetzen. Wir unterstützen aber den Punkt 2 des Antrags der SPD-Fraktion, der sich auf eine Formulierung des Bundesverfassungsgerichts bezieht und lautet:
Der Hessische Landtag wertet die Tarifautonomie als durch die Verfassung geschütztes arbeitsrechtliches Institut, das darauf angelegt ist, die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen durch kollektives Handeln der Gewerkschaften auszugleichen.
Das ist ein Zitat aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dem ist nichts hinzuzufügen. Diesem Grundsatz widerspricht die Vorgehensweise der CDUFraktion fundamental.
Ich sage es noch einmal: Das ist eine politische Kritik, keine rechtliche Stellungnahme.Politisch gesehen handelt es sich inhaltlich um eine Aushöhlung der Tarifautonomie. Um das festzustellen, muss man kein großer Freund von ver.di sein. Wir haben auch schon an anderer Stelle konstatieren müssen, dass die Landesregierung an den Gewerkschaften vorbei operiert.
Es bleibt die Frage zu stellen: Warum wird das gemacht? Dazu sagt die Landesregierung: Es gibt keine Alternativen. – Dazu sage ich: Das ist verdammt ideenlos.Wenn Sie meinen, dass es dazu keine Alternativen gibt, dann ist es wirklich Zeit, über Alternativen zu einer allein regierenden Regierungspartei nachzudenken.
Wie sehen die praktischen Konsequenzen aus? Lassen wir einmal den Gedanken an Wahlgeschenke, an Stimmungsmache und an eine Aushöhlung der Tarifautonomie weg. Schauen wir uns das ganz einfach unter ökonomischen Gesichtspunkten an. Was ist die Konsequenz? Die CDUFraktion will eine gesetzlich fixierte Erhöhung der Tarifeinkommen beschließen. Irgendwann wird irgendwer wieder Tarifverhandlungen aufnehmen müssen. Herr Minister, niemand in diesem Saal ist doch wohl der Meinung, dass der Abschluss bei diesen Tarifverhandlungen geringer ausfallen wird, als das diesmal der Fall ist. Der Ausgangspunkt der Verhandlungen ist also nicht null,sondern der Ausgangspunkt sind die 2,4 % und die Einmalzahlung. Das bedeutet im Ergebnis für das Land Hessen höhere Ausgaben, als wir sonst gehabt hätten. Das ist unausweichlich.
Ich sage ganz deutlich:Wir sind nicht dagegen,dass die Tarifbeschäftigten mehr Geld bekommen. Wir sind aber gegen die Art und Weise, wie das hier gemacht wird. Dazu fällt mir, um es etwas freundlicher auszudrücken, nur eines ein: honi soit qui mal y pense.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Diese Landesregierung zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sie das tut, was sie gesagt hat.
Wir haben gesagt, wir wollen die Beamten und die Tarifbeschäftigten in diesem Lande in gleicher Weise behandeln.
Genau das haben wir gemacht. – Wir werden die Beamten nach einer Verständigung mit dem Beamtenbund durch eine Erhöhung der Tarife und durch Einmalzahlungen mit einer familienpolitischen Komponente besserstellen. Der Gesetzentwurf, den die CDU-Fraktion jetzt auf
gegriffen hat, wofür ich mich ausdrücklich bedanke – ich bedanke mich auch bei dem Kollegen Beuth für das, was er hier vorgetragen hat –, greift genau diesen Gedanken auf.Wir haben also das gemacht, was wir vorher angekündigt haben.