Die letzte Änderung der Hessischen Gemeindeordnung hat dazu geführt, dass Fraktionen eine Mindeststärke von zwei Personen haben müssen. Das hat die Mehrheit so beschlossen. Wir haben es damals nicht für richtig gehalten. Dennoch schlagen wir Ihnen nicht vor, das wieder zurückzudrehen. Wir möchten aber eine Unwucht in der Hessischen Gemeindeordnung beseitigen. Dieser ZweiPersonen-Status von Fraktionen führt nämlich dazu, dass Gruppierungen, die nur eine Person im Kommunalparlament haben, kein Rederecht mehr im Ausschuss haben. In der parlamentarischen Arbeit führt das zu Problemen, die man aber sauber ausräumen kann.
Stellen Sie sich vor, eine Gemeindevertreterin oder ein Gemeindevertreter, der keine Fraktion hat, also alleine in einer Gemeindevertretung ist, kann zwar im Parlament einen Antrag stellen, er darf ihn aber im Fachausschuss nicht begründen und auch nicht dazu reden. Ich denke, das wird der Arbeit im Parlament nicht gerecht. Dann müssen wir die gesamte Debatte wieder im Parlament führen lassen. Ich denke, solche Konstruktionen müssen wir sauber lösen. Wir dürfen uns hier nicht auf Hilfskrücken verlassen.
Wir schlagen Ihnen daher vor, zur Lösung dieses Problems fraktionslosen Gemeindevertretern ein Rederecht im Ausschuss einzuräumen. Wir denken, dass der Parlamentsbetrieb damit ein Stück reibungsloser vorangehen kann.
Ein weiterer Vorschlag ist, dass künftig die Protokolle über Gemeindevertretersitzungen veröffentlicht werden, damit alle Bürgerinnen und Bürger Einsicht darin nehmen können, was in ihren Parlamenten beschlossen wurde.
Wir stellen Ihnen hiermit einen ganzen Strauß von Änderungen vor, der dazu führen kann, dass Kommunalpolitik überschaubarer wird, näher an die Bürgerinnen und Bürger heranrückt.Wir machen Ihnen ein Angebot, damit ge
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Erfurth hat eben betont, in welche Zielrichtung der Vorschlag geht. Zusammenfassend kann man ihn natürlich auch etwas anders bewerten. Es geht natürlich auch um die Frage, inwiefern wir Zuständigkeiten oder Verantwortlichkeiten aus den Kommunalparlamenten heraus in andere Entscheidungsstrukturen verlagern. Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzentwurf mit Sicherheit noch im Innenausschuss en détail beraten werden wird und wir uns dort mit Neugierde und mit Spannung verschiedenen Argumenten öffnen werden, sofern sie neu sind, möchte ich mich kurz darauf beschränken, zusammenfassend den heutigen Stand meiner Sichtweise zu Ihrem Vorschlag darzulegen.
Sie sprechen davon, das Wahlalter wieder von 18 auf 16 Jahre herabzusetzen. Es wurde in der letzten Wahlperiode von 16 auf 18 Jahre angehoben, um es auf den vergleichbaren Rahmen von Bundes- und Landeswahlrecht zu setzen. Orientiert an der bürgerlich-rechtlichen Volljährigkeit und der uneingeschränkten Geschäftsfähigkeit war dies damals Beschlusslage, und es ist bis heute immer noch gültig. Ich bin am heutigen Tage nicht der Meinung, dass wir davon abweichen müssten.
Zweitens wollen Sie die Quoren bei Bürgerentscheiden absenken. Diesen Vorstoß verbreiteten die GRÜNEN im Jahre 2000 schon einmal. Damals entschied der Hessische Landtag in Form einer Ablehnung. Die Absenkung führt – hier spreche ich als Fraktionsvorsitzender und Kommunalpolitiker, wie viele unter uns es sind – dazu, dass eine Verlagerung der Gewichte aus den Kommunalparlamenten heraus in einem viel stärkeren Maße erfolgt, als wir es bisher haben. In dem Komplex stellt sich auch die Frage, inwiefern man bei einer starken Absenkung eines Quorums – so habe ich Sie verstanden – aktuelle Fragestellungen auf der Straße zur Abstimmung geben kann, die man in einem Parlament,in den Ausschüssen unter Beteiligung verschiedener Interessengruppen und -vertretern vielleicht sachlicher, nüchterner und auch langfristig ausgewogener diskutieren kann.
Viele Bürgerinitiativen hätten möglicherweise in einzelnen Stadtteilen oder Ortsteilen oder Teilen eines Landkreises die Möglichkeit, aufgrund eines aktuellen, nur vor Ort bedeutsamen Projektes oder Vorhabens eine Entscheidung herbeizuführen, die Kommunalpolitiker, die die Gesamtheit der Problematik wie auch die Gesamtheit einer Stadt, einer Gemeinde oder eines Landkreises im Auge haben,maßgeblich beeinflussen und sehr stark in ihrer Verantwortlichkeit beschränken würde. Müllverbrennungsanlagen, Deponien, was auch immer, werden natürlich vor Ort ganz anders bewertet als in einem Parlament, das abwägen muss zwischen Problemen, Lösungsansätzen usw.
Ich glaube nicht, dass das unbedingt dazu führen wird, dass die Akzeptanz der Parlamente zunimmt. Ich glaube, das Gegenteil wird eher der Fall sein; denn natürlich bleibt die Frage offen, wer nachher die Verantwortung für eine solche Entscheidung trägt. Die restlichen davon mitbetroffenen Bürger einer Gebietsbürgerschaft werden zu Recht die Finger gegen die Kommunalparlamente heben, die in diesem Falle dann nicht mehr das Sagen haben werden.
Bürgerentscheide sind meiner Erkenntnis nach von RotGrün 1992 nicht auf die Kreisebene ausgeweitet worden, mit ziemlich einleuchtender Begründung. Da hat sich bis zum heutigen Tag nichts geändert. Es gibt in den allermeisten Landkreisen nichts, was mit einem Kreisbewusstsein formulierbar wäre. Gerade in Flächenlandkreisen ist die Problemlage von Landkreisgrenze zu Landkreisgrenze äußerst unterschiedlich. Die Problemlage in den einzelnen Orten und Gemeinden ist sehr different.
Man sieht bei den Direktwahlen der Landräte teilweise auch, mit welchem Enthusiasmus teilgenommen wird und wie groß das Interesse ist, erstens wer Landrat wird und zweitens was eigentlich der Landkreis oder Kreistag tatsächlich zu entscheiden hat. Das meiste machen doch die Kommunalpolitiker vor Ort. Die Homogenität bezweifle ich ernsthaft. Ich bezweifle auch ernsthaft, dass gerade in Flächenlandkreisen ähnliche Interessenlagen vorhanden sind wie beispielsweise in kleineren Ortschaften, in Städten oder Gemeinden.
Die betroffene Gemeinde wäre bei einem solchen Verfahren, wie eben am Beispiel Mülldeponie angedeutet, möglicherweise ausschlaggebend für das gesamte Kreisgebiet.Das hat mit parlamentarischer Demokratie meiner Einschätzung nach nicht wirklich viel zu tun.
Sie befürworten weitergehend die Einführung eines Einwohnerantrages. Durch die Einführung des Bürgerentscheids wurde von Rot-Grün 1992 das vorhergehende Modell, der Bürgerantrag, aufgehoben und quasi ersetzt. Ich glaube schon, dass wir mit einem solchen Mittel die Legitimation der demokratisch gewählten Einrichtungen wie Kommunalparlamente oder Kreistage deutlich schwächen würden. Ich weiß auch nicht, ob das nicht im Gegensatz zu Ihrer Hoffnung steht,damit das Interesse an Kommunalpolitik zu fördern. Damit fördern und unterstützen Sie wohl das Interesse an einzelnen Aspekten der Kommunalpolitik, aber nicht an der kommunalpolitischen parlamentarischen Arbeit. Das ist meine persönliche Einschätzung.
Wir kommen bei uns damit ganz gut zurecht,dass einzelne Bürger auf die Fraktionen zugehen. Wir haben eine althergebrachte Tradition, dass sich alle Fraktionen reihum einzelner Interessen sehr ernsthaft, sehr sachlich und sehr interessiert annehmen. Diese Fragestellungen können auch Bestandteil der parlamentarischen Auseinandersetzung werden und zu Beschlusslagen führen.Ich habe nicht das Gefühl, dass die Mehrheit der Menschen sich durch die Parlamente und die Fraktionen, die in den Parlamenten vertreten sind, gar nicht oder unzureichend vertreten fühlt. Dieser Antrag ist eine nette Idee, aber nicht unbedingt im Interesse der Kommunalparlamente.
Sie wünschen sich einen kommunalen Petitionsausschuss. Das kann ich relativ kurz fassen. Nach Art. 16 der Hessischen Verfassung ist es heute schon möglich, dass jeder Bürger eine Petition an die Gemeinde stellen kann. Ergänzend lässt § 62 HGO bereits heute zu, dass eine Gemeinde spezielle Ausschüsse, auch Petitionsausschüsse,
Sie wollen Niederschriften veröffentlicht haben. Meiner Erkenntnis nach geht das jetzt schon.Die Kommunen entscheiden darüber nämlich selbstständig. Wir haben bei uns aktuell die Debatte, wo wir überall die Niederschriften veröffentlichen wollen: im Internet, per Aushang, in Zeitungen.Also scheint es schon zu funktionieren.Meiner Erkenntnis nach geht das laut HGO mittlerweile auch schon. Deswegen hinterfrage ich auch, ob dies notwendig ist.
Sie wollen eine Einwohnerversammlung statt einer Bürgerversammlung. Auch da bitte ich Sie, mich zu korrigieren, wenn ich § 8 HGO falsch interpretiere. Meines Wissens kann die Gemeinde schon heute zu Bürgerversammlungen einladen, wie und wen sie möchte. In meiner Heimatstadt geschieht dies durch eine Zeitungsannonce, da wird gar nicht differenziert, wer kommt. Da kommt, wer Interesse hat. Genauso bunt und interessant ist dann auch der Zuhörerkreis. Insofern sehe ich keinen Unterschied zwischen einer Bürgerversammlung, wie sie überall stattfinden muss und auch stattfindet, und Ihrem Vorschlag einer Einwohnerversammlung.
Sie wollen eine Einwohnerfragestunde in den Sitzungen. Das kann ich auch in einem Satz formulieren: Bürgerfragestunden sind Bestandteil einer jeden Tagesordnung vom Süden bis in den Norden.
Aber selbstverständlich. Frau Erfurth, so fängt bei uns jede Tagesordnung an. Ich hole Ihnen gerne die Protokolle der letzten 17 Jahre heraus, in denen ich Stadtverordneter bin.
Sie wollen weiter eine verbesserte Rechtsstellung Fraktionsloser. An dem Punkt wird es interessant. Jetzt kommen wir tatsächlich zur Wertung eines Phänomens, das in jeder Stadt anders gewertet werden kann, ohne dass irgendjemand unrecht haben müsste. Sie wollen im Prinzip die Novelle des Kommunalwahlrechts von 2005 aushebeln, in der bewusst formuliert wurde: Eine Fraktion besteht aus mindestens zwei Personen. – Ich halte das für richtig, und der Hessische Verwaltungsgerichtshof sieht das ähnlich. Er hat bestätigt, dass dies rechtmäßig ist. Diese Regelung liegt im Interesse der Effektivität eines jeden Parlaments. Fraktionslose als Fraktion zu behandeln hat unter Umständen auch eine Konsequenz in der Diskussion, die wir auch schon erlebt haben, indem einzelne Personen als Fraktion Gelder bekommen möchten, um alleine irgendwelche Fraktionstagungen in irgendwelchen Hotels zu unternehmen.
Sie bezeichnen sich selbst als Fraktionsvorsitzender, obwohl sie einziges Mitglied der Fraktion sind.
Ich habe Ihnen eben gesagt, man kann das auch so interpretieren. Frau Beer, wenn Sie Lehrerin spielen wollen, gehen wir gleich raus und trinken zusammen einen Kaffee. Hier im Plenum lasse ich mir das von Ihnen in diesem Tonfall nicht sagen.
Ich versuche bewusst sachlich zu bleiben, weil Frau Erfurth auch sachlich bleibt. Ich habe bewusst gesagt, diese Fragestellung kann man differenziert betrachten. Darüber können wir uns auch im Ausschuss unterhalten. Aber das Interesse Ihrer Fraktion scheint bei dieser Diskussion ohnehin nicht sehr ausgeprägt zu sein, da nur zwei Mitglieder hier anwesend sind.
Sie wollen ein Antragsrecht für Ausländer- und Ortsbeiräte haben. Dies könnte auch dazu führen, dass die Entscheidungskompetenz der Parlamente weiter geschwächt wird. Dies steht alles unter der Überschrift:Wie viel Autonomie, wie viel Zuständigkeit und wie viel Verantwortlichkeit wollen wir aus demokratisch gewählten Parlamenten der Kommune auslagern in andere Gremien? Wollen wir das Interesse an den Parlamenten und damit an den Fraktionen steigern und fördern, müssen wir meiner Meinung nach viel Verantwortlichkeit und viel Diskussionsbereitschaft in die Parlamente hineinbringen und nicht aus ihnen herausziehen.
Sie wollen die Befristung der Kommunalverfassung aufheben. Die Befristung der Kommunalverfassung halte ich für sinnvoll, da sie uns alle paar Jahre zwangsläufig in die Diskussion bringt, welche Punkte wir ändern und anpassen müssen.
Ich komme zum Schluss. – Wir haben mit der Befristung unserer Gesetze ganz gute Erfahrungen gemacht.
Ob dieses Sammelsurium von nicht neuen Vorschlägen und überflüssigen und doppelten Regelungen unbedingt vier Monate vor der Landtagswahl auf die Tagesordnung muss, mag dahingestellt sein. Ich bin mir sicher, wir werden eine spannende und interessante Diskussion im Innenausschuss haben, wo Ihre Vorlage wieder auftauchen wird. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legt uns einen bunten Strauß an Vorschlägen vor, mit dem sie hofft, der Politikverdrossenheit, die allenthalben diskutiert wird, zu begegnen und die Teilnahme am politischen Leben in den einzelnen Kommunen, aber auch im Landkreis – das ist sehr deutlich geworden – etwas zu stärken. Grundsätzlich ist das ein lobenswerter Vorsatz. Frau Kollegin Erfurth, es ist ja schon darauf eingegangen worden: Ich hätte mir gewünscht, dass Sie mit einem so umfangreichen Paket, das meines Erachtens auch sehr intensiv in seinen Details diskutiert werden muss, etwas früher gekommen wären.
Sie wissen, Sie haben es auch erwähnt, dass wir als FDPFraktion bereits vor einem Jahr eine Initiative ergriffen haben, die ich nach wie vor für nicht obsolet halte. Frau Kollegin Erfurth, sie hätte auch die Gelegenheit geboten, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihre heute präsentierten Vorschläge zu diesem Zeitpunkt, so sie denn damals schon bestanden haben, mit hätte einbringen können.
Die FDP-Fraktion wollte gerade auch Hürden niedriger hängen, was den Bürgern, die zwar grundsätzliches Interesse am öffentlichen Leben haben, die aber nicht so weit gehen möchten, sich in eine Bürgerfragestunde zu begeben oder gar einen Antrag in einem Gemeindeparlament zu stellen, die Möglichkeit eröffnet hätte, sich stärker zu beteiligen.
Zum einen war unser Vorschlag, die Möglichkeit für Online-Wahlen zu eröffnen und dies wenigstens probeweise in bestimmten Bereichen einmal auszuprobieren. Sie wissen, dass es bereits Länder gibt, in denen Wahlen, gerade auch Kommunalwahlen, per Internet oder wie in der Schweiz auch schon per SMS und Mobiltelefon durchgeführt werden. Genauso hätten wir es für ein – bei den GRÜNEN heißt es immer „niederschwelliges“ – Angebot gehalten, beispielsweise die Kommunalwahlstimmzettel, die aufgrund des Kumulierens und Panaschierens sehr großvolumig geworden sind, nach Hause zu verschicken, um sie dort in Ruhe ausfüllen zu können.
Wir glauben auch, dass es ein Beitrag zur Vermeidung von Politikverdrossenheit gewesen wäre, wenn man in der HGO und der Landkreisordnung das Problem der sogenannten Scheinkandidaturen von hauptamtlichen Mandatsträgern ausgeschlossen hätte.
Nichtsdestotrotz kommen Sie mit Ihrem Vorschlag erst jetzt zu vorgerückter Stunde im Hinblick auf den Ablauf der Legislaturperiode. Wir sind sicherlich bereit, uns mit den einzelnen Vorschlägen auseinanderzusetzen. Die Zustimmungsfähigkeit hinsichtlich Ihrer einzelnen Vorschläge ist jedoch sehr unterschiedlich.
Es ist klar, dass wir als FDP-Fraktion z. B. keine Probleme damit hätten – anders, als Herr Möller das für seine Fraktion vorgetragen hat –, dass Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auch auf Landkreisebene eingeführt werden.