Protokoll der Sitzung vom 05.09.2007

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind gespannt, wie sich die anderen Fraktionen zu unserem Gesetzentwurf stellen werden. Nach unserer Überzeugung teilt die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung unser Anliegen, dass Diskriminierungen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden müssen. Wir sehen uns darin auch bestärkt durch die Ergebnisse des Eurobarometers 57.0, in dem es um Diskriminierung in Europa ging. Der überwiegende Anteil der Bevölkerung hat hierbei zum Ausdruck gebracht,dass es vernünftig und sinnvoll ist, sich gegen Diskriminierung zu wenden. Wir glauben, dass wir mit diesem Gesetzentwurf insoweit auf dem richtigen Weg sind.

Speziell die Haltung der CDU-Mehrheitsfraktion zu unserem Entwurf wird zeigen, ob Sie diesbezüglich schon in der Gegenwart angekommen sind oder ob Sie immer noch in altem, keineswegs diskriminierungsfreiem Denken verhaftet sind.

Ich habe mit Interesse gelesen, was der Herr Ministerpräsident neulich gegenüber der Yellow Press ausgeführt hat: Ich achte unterschiedliche Lebensformen. Homosexuelle dürfen nicht diskriminiert, Homosexualität darf nicht tabuisiert werden. – Damit hat er recht. Das ist ein Fortschritt, zumal in der CDU-Fraktion noch die Auffassung vertreten wird, Homosexualität sei behandlungsfähig und behandlungsbedürftig. Wir werden an diesem Punkt sehen, ob es sich bei den Äußerungen des Ministerpräsidenten nur um eine Sprechblase handelt oder ob Sie tatsächlich in der Gegenwart angekommen sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie in der Gegenwart angekommen sind, dann können Sie unseren Gesetzentwurf nicht einfach ablehnen. Das geht nach unserer Überzeugung ohnehin nicht; denn Hessen ist europarechtlich verpflichtet, sein Landesrecht anzupassen. Wir legen Ihnen hierfür heute ein Konzept vor und erwarten und erhoffen eine breite Zustimmung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Jürgens. – Nächster Redner ist Herr Beuth für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Jürgens hat seinen Vortrag mit den Worten eingeleitet:Wenn die Landesregierung schläft, dann muss der Landtag handeln.

(Zuruf von der SPD: Stimmt auch!)

Letztendlich ist der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wahrscheinlich nur deshalb eingebracht worden, um einen solchen Satz im Hessischen Landtag prägen zu dürfen.

Die CDU-Fraktion sieht keine echte Regelungslücke beim Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz in unserem Bundesland Hessen. Deswegen werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen.

Herr Kollege Dr. Jürgens hat gesagt, speziell die Haltung der CDU-Mehrheitsfraktion interessiere ihn, weil sie nicht immer diskriminierungsfreies Verhalten an den Tag

lege. Herr Kollege Dr. Jürgens, in dem Moment, in dem Sie das gesagt haben, haben Sie entweder die CDU-Fraktion oder einzelne Teile der CDU-Fraktion diskriminiert. Das weise ich für die CDU-Fraktion in aller Form zurück.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die CDU-Fraktion betrachtet den von Ihnen eingebrachten Gesetzentwurf als einen Schnellschuss,der ausschließlich zu Wahlkampfzwecken ein halbes Jahr vor der Landtagswahl eingebracht worden ist. Eine seriöse Behandlung dieses Gesetzentwurfs ist in dieser Wahlperiode doch überhaupt nicht mehr möglich. Das wissen doch alle Kolleginnen und Kollegen. Das dient doch letztlich nur dazu, dass die Mehrheitsfraktion im Hessischen Landtag diesen Gesetzentwurf ablehnt. Sie wollen uns letztlich nur provozieren. Der sachliche Hintergrund, den Sie dazu liefern, ist unserer Ansicht nach sehr mäßig.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Jürgens?

Ich möchte gern im Zusammenhang vortragen.

Eine Regelungslücke ist letztlich nicht vorhanden. Ich glaube nicht, dass das richtig ist, was Sie vorgetragen haben.Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes sowie Art. 1 der Hessischen Verfassung sind bindend für unsere Verwaltung.In diesen Normen ist das Diskriminierungsverbot, das auch im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz niedergelegt ist, bereits festgelegt. Das wissen Sie auch. Das dürfte und müsste Ihnen bekannt sein.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbindet die Ziele, die Sie zu Recht unter dem Gesichtspunkt des Diskriminierungsverbots vorgetragen haben. Der Anwendungsbereich gilt aber auch für den Teil, den Sie für Ihren Gesetzentwurf reklamiert haben, also insbesondere für die Bildung. Das steht eindeutig in § 2 Abs. 1 Nr. 7 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

Das gilt darüber hinaus auch für den Bereich der öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse. In § 24 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes – Sonderregelung für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse – heißt es:

Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung entsprechend für... Beamtinnen und Beamte des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände...

Wir sehen an dieser Stelle keine Regelungslücke. Deshalb sind wir der Auffassung, dass wir diesen Gesetzentwurf in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschieden können.Abgesehen davon ist aufgrund der Vorlage mehrerer Gesetzentwürfe, die wir in dieser Plenarsitzung miteinander verhandeln, nur schwerlich vorstellbar, wann und wie wir das im Rahmen unseres regulären Betriebs auf die Reihe bekommen sollen.

Ich halte es für richtig, dass wir über die Frage der Diskriminierungen im Hessischen Landtag miteinander diskutieren. Uns verbindet dabei das gemeinsame Ziel, dass wir der Diskriminierung in unserer Gesellschaft keinen Raum bieten wollen. Es ist richtig, dass sich das Recht auf die Seite derer stellen muss, die von Diskriminierung bedroht sind.

Ich füge an dieser Stelle hinzu, dass wir insgesamt eine freiheitliche, demokratische und sehr tolerante Gesellschaft bilden. Die überwiegende Mehrheit der Menschen in unserem Land diskriminiert andere Menschen nicht. Auch das möchte ich einmal feststellen, wenngleich wir nicht die Augen davor verschließen dürfen, dass es natürlich noch Diskriminierungen gibt.

In den Debatten über das Antidiskriminierungsgesetz und über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz haben wir durchaus sehr heftig miteinander gestritten. Der Streit bezog sich auch auf die Frage der Reichweite des Diskriminierungsschutzes bis in das Privatrecht und in den Privatrechtsverkehr. Sie erinnern sich daran, dass die Diskussion über das Antidiskriminierungsgesetz darin gipfelte, dass im Bereich des Privatrechts sogar ein Kontrahierungszwang vorgesehen war. Das ging einher mit der Aufgabe der Vertragsfreiheit, die wir für durchaus verteidigenswert hielten. Das ist beim Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz letztlich aber nicht mehr Gegenstand des Gesetzes geworden.

Meine Damen und Herren, wir haben im Grundgesetz, in der Hessischen Verfassung und auch im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz entsprechende Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat und im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz auch für den Bereich des Privatrechts. Es besteht ein Diskriminierungsverbot. Die gesetzlichen Regelungen untermalen dies hinreichend. Das gilt auch für die Änderungsvorschläge, die Sie in Ihrem Gesetzentwurf eingebracht haben.

Der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nach unserer Auffassung keinen zusätzlichen materiell-rechtlichen Wert. Er hat höchstens eine Art deklaratorischen Charakter. Das sollten wir nicht in einem Schnellschuss in den noch verbleibenden wenigen Monaten durch die Gremien des Hessischen Landtags jagen.

Das alles wissen die GRÜNEN natürlich auch. Dennoch haben Sie den Gesetzentwurf eingebracht. Die materielle Frage, die sich dahinter verbirgt, hätte man durchaus in anderer Form miteinander debattieren können.Es musste aber ein Gesetzentwurf sein, damit Sie sichergehen konnten, dass die Mehrheitsfraktion diesen Gesetzentwurf letztlich ablehnen muss, weil er schnell gestrickt worden und vermutlich nicht abschließend ist.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Kaufmann, seien Sie doch so gut, und hören Sie mir jetzt zu. Nachher höre ich Ihnen gern wieder zu, wenn Sie am Mikrofon stehen. Es wäre sicher klug, wenn wir uns darauf verständigen könnten, dass wir nacheinander reden.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn wir zusammen reden, spart es Zeit!)

Meine Damen und Herren, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möchte den Eindruck erwecken, dass wir dieses Thema nicht ernst nehmen. Das ist falsch. Wir nehmen dieses Thema sehr ernst. Aber Sie lassen vielmehr durch die Art und Weise, wie Sie es hier behandeln, erkennen, dass Ihnen die Ernsthaftigkeit bei dieser Frage am Ende fehlt.

Meine Damen und Herren, es stellt sich auch die Frage, warum nur die Teile, die hier vorgestellt worden sind, in Ihren Änderungsvorschlägen aufgenommen worden sind.

Ich glaube nicht,dass Sie damit abschließend alle Gesetze, in denen es infrage kommen könnte, möglicherweise auch deklaratorisch das Diskriminierungsverbot aufzunehmen, getroffen haben. Insofern sollten wir uns, wenn überhaupt, sehr viel mehr Ruhe und Zeit gönnen, um dieser Frage am Ende nachzugehen.

Materiell-rechtlich ist hier nichts zu besorgen. Das ist unsere Auffassung. Für einen Wahlkampfschnellschuss sind wir nicht zu haben.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Nie!)

Deswegen werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Beuth. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Kollege Dr. Jürgens zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wollte nur kurz zu zwei Aspekten Stellung nehmen. Herr Beuth, es ist nicht verboten, auf die Logik der Argumente zu achten. Wenn Sie uns vorwerfen, dass wir heute einen Gesetzentwurf einbringen,um ihn – wie Sie sagen – durch die Gremien zu jagen, dann darf ich daran erinnern, dass die Landesregierung in dieser Plenarrunde sechs Gesetzentwürfe und die CDU-Fraktion zwei Gesetzentwürfe in erster Lesung eingebracht haben.

Wenn Sie diese durch die Gremien jagen wollen, wie Sie das so salopp formuliert haben, dann wäre es ein Leichtes, unseren Gesetzentwurf mit zu behandeln. Es wäre einer von neun. So behandeln Sie möglicherweise nur acht. Es ist also nur ein – wie ich finde – intellektuell ziemlich niveauloses Argument, so zu tun, als würden wir etwas missbrauchen. Das ist dummes Zeug.

(Beifall des Abg. Roland von Hunnius (FDP))

Wenn Sie nicht Ihre eigenen Gesetzentwürfe zurücknehmen, weil dafür keine Zeit mehr ist, dann müssen Sie sich auch gefälligst Zeit für die Gesetzentwürfe anderer nehmen.

Zweiter Aspekt. Sie haben immerhin eingeräumt, dass mein Argument zutreffend ist, dass die EU-Richtlinie erfordert, dass im Bereich der Bildung nach Europarecht das Diskriminierungsverbot umgesetzt werden muss. Sie haben nämlich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verwiesen, in dem in der Tat in § 2 Abs. 1 das Stichwort Bildung enthalten ist. Sie wissen aber genauso gut wie ich und wie der Rest des Hauses,dass der gesamte Bereich des Schulrechts, des Hochschulrechts ausschließlich in der Gesetzgebungskompetenz der Länder ist, im Hochschulrecht sogar durch die Föderalismusreform verstärkt, weil die Rahmengesetzgebung des Bundes aufgehoben worden ist.

Das heißt, wenn Sie in dem einen Satz einräumen, dass im Bereich der Bildung das Diskriminierungsverbot zwingend nach Europarecht umgesetzt werden muss, können Sie auf der anderen Seite nicht sagen, das Land Hessen brauche nicht zu handeln.Auch das ist ein Widerspruch in sich, den ich so nicht durchgehen lassen kann. Selbstverständlich ist das Land Hessen verpflichtet, sein Schul

recht, sein Hochschulrecht und nach unserer Auffassung auch sein Weiterbildungsrecht anzupassen. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Jürgens. – Herr Kollege Beuth hat Gelegenheit zur Antwort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! In aller Kürze. Ihr Argument mit den Gesetzentwürfen der Landesregierung will ich gerne aufgreifen. Durchaus räume ich ein,dass hier noch sozusagen ein Haufen an Gesetzgebungsarbeit zu besorgen ist. Allerdings beschränken wir uns dabei auf die Dinge, die einen materiell-rechtlichen Regelungsgehalt haben. Und das bezweifle ich zumindest bei Ihrem Gesetz.Ich habe gesagt,das ist eine Art deklaratorische Festlegung.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das passt Ihnen nicht!)