Protokoll der Sitzung vom 06.09.2007

(Heiterkeit der Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Norbert Schmitt (SPD))

Die Wandlung vom Saulus zum Paulus wird allseits positiv bewertet. Sie hat aber folgenden Hintergrund: Es muss eine echte Wandlung sein. Sie darf nicht nur deshalb vorgetäuscht werden, weil der 27. Januar 2008 immer näher kommt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Plagiate nützen nichts, das werden Sie noch sehen. Das prophezeie ich Ihnen heute. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Kaufmann, vielen Dank. – Das Wort erhält nun Herr Abg. Posch für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mir diesen Tag in besonderer Weise merken.

(Beifall der Abg. Nicola Beer (FDP) – Heiterkeit des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich glaube, bisher war es noch nie der Fall, dass ich dem Herrn Kollegen Kaufmann zustimme.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Heiterkeit des Abg. Norbert Schmitt (SPD) – Norbert Schmitt (SPD): Ihr merkt, es nimmt Konturen an!)

Was die Analyse der Union anbelangt

(Zurufe – Glockenzeichen des Präsidenten)

und was die Bezugnahme auf Herrn Merz und Roland Koch betrifft, hat er völlig recht. Das ist so. Lieber Christean Wagner,das gilt eben leider nicht nur für die Bundesebene, sondern auch für die hessische CDU.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Eure Wahrnehmungsstörung wird immer schlimmer!)

Denn heute Nachmittag wird ein Tariftreuegesetz besagter Art und Weise gelesen werden.

Das ist schon so: Die starken Männer der CDU folgen ergeben dem sozialpolitischen Kurs ihrer Parteichefin. – Sie haben das Programm in Hanau diskutiert. Hanau hat gezeigt: An der vermeintlich konservativen Front herrscht derzeit Ruhe. Roland Koch und seinesgleichen wollen lieber von der Neuausrichtung profitieren.

Meine Damen und Herren, stehen Sie dazu, dass es sich um eine Neuausrichtung handelt, die mit dem, was Sie als Marktwirtschaftspartei in Leipzig beschlossen haben, überhaupt nichts mehr zu tun hat.

(Beifall bei der FDP)

Ich weiß, dass strategische Überlegungen eine Rolle spielen.Das ist auch richtig.Aber dass man sich so unverblümt verbiegt, wie Sie das hinsichtlich des Tariftreuegesetzes machen wollen, schlägt dem Fass den Boden aus. Da lese ich in der Überschrift einer Presseerklärung doch:

Sozialministerin Silke Lautenschläger:„Damit werden wir eine Vergabepraxis der öffentlichen Hand sicherstellen, die sittenwidrige Löhne bekämpft und die vereinbarten Tarife in Hessen umsetzt.“

Die Mitglieder der Union rufen lauthals: „Die Tariftreue kommt.“ Was bedeutet das denn, „die Tariftreue kommt“? Wollen Sie dieser Landesregierung bescheinigen, dass sie viereinhalb Jahre lang Recht und Gesetz nicht berücksichtigt hat? Wollen Sie ernsthaft behaupten, dass die Landesgesellschaften, die von dieser Landesre

gierung geführt werden, das Tarifrecht mit den Füßen getreten haben? Nennen Sie mir bitte einen Fall,in dem eine Gesellschaft, in der das Land entweder zum Teil oder zu 100 % Gesellschafter ist, das Tarifrecht nicht angewandt hat.

Herr Kollege, das, was Sie eben zum Thema RMV gesagt haben, ist völlig falsch. Ich darf Ihnen Nachhilfeunterricht geben. Sie sollten einmal nachlesen, was der Aufsichtsrat des Rhein-Main-Verkehrsverbunds vor ungefähr einem Jahr beschlossen hat.

(Hildegard Pfaff (SPD): Herr Posch, ja, das hat er, aber auf unseren Druck hin! Sonst wäre das nicht gelungen!)

Der Rhein-Main-Verkehrsverbund hat damals beschlossen, dass bei der Vergabe von Leistungen für den Busverkehr in den entsprechenden Betrieben der Tarif des Landesverbandes Hessischer Omnibusunternehmer Gültigkeit hat. Dabei ist es jederzeit möglich, dass die Gesellschaften dafür sorgen, dass das Tarifrecht bei der Vergabe angewandt wird.

(Hildegard Pfaff (SPD): Aber vorher war das nicht der Fall!)

Das,was Sie hier sagen,ist geradezu abenteuerlich.Sie haben behauptet, es bestehe ein kausaler Zusammenhang zwischen der Vergabepraxis der Kommunen und den Insolvenzen.

Ich will Ihnen Folgendes sagen: Mancher kommunale Betrieb zahlt nicht pünktlich. Das ist vielleicht das Problem, das manches Unternehmen hat.Aber das hat mit der Vergabe überhaupt nichts zu tun.

(Beifall der Abg.Nicola Beer und Roland von Hun- nius (FDP) – Hildegard Pfaff (SPD):Reden Sie einmal mit Vertretern des Landesverbands Hessischer Omnibusunternehmer!)

Ich möchte eines wissen. Frau Lautenschläger hat gesagt, die Tariftreue käme jetzt. Ich möchte dann das Fehlverhalten der Landesregierung dokumentiert sehen. Ich möchte wissen, wann die Landesregierung das Tarifrecht mit Füßen getreten hat. Das ist nämlich nicht geschehen.

Das ist doch ein Salto mortale. Die Landesregierung hat im Jahr 2002 die Auffassung vertreten, dass ein solches Vergaberecht gegen das Recht der Europäischen Union und gegen das Wettbewerbsrecht verstoße. Das war nicht der FDP geschuldet. Der Ministerpräsident hat diese Auffassung höchstpersönlich vertreten. Wir waren uns hinsichtlich dieser Auffassung einig. Das kam nicht aufgrund des Einflusses der FDP zustande, obwohl wir manchmal schon stolz darauf sind, dass wir Einfluss hatten. Aber in diesem Fall war das nicht so. Das war unsere gemeinsame Überzeugung.

Allein aus wahltaktischen Gründen wird diese Position aufgegeben, nämlich aus den Gründen, die ich eben genannt habe. Nichts anderes ist der Fall.Wir waren uns hinsichtlich dieser grundsatzpolitischen Fragestellung sehr einig.Auf einmal gilt das alles nicht mehr.

Ich kann Ihnen deswegen diesen Vorwurf nicht ersparen. Die Sozialdemokratisierung der Union erfolgt nicht nur in Berlin, sondern in gleicher Weise gilt das auch für Wiesbaden.Der Entwurf für dieses Tariftreuegesetz ist ein Beispiel dafür.

Heute Nachmittag werden wir den Gesetzentwurf im Einzelnen lesen. Ich will an dieser Stelle Folgendes deutlich

machen. Es geht nicht darum, dass wir nicht der Auffassung seien, dass der entsprechende Lohn gezahlt werden solle.Vielmehr geht es um die Frage, mit welchen Regularien und mit welchen Mitteln so etwas erzwungen werden soll.

Ich sage das, weil ich der Auffassung bin, dass wir natürlich die Situation haben, dass am Markt nicht immer die Löhne gezahlt werden,die ausreichend sind,um den Menschen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.Aber dem eingeschlagenen Weg mit dem Eingriff, wie er jetzt vorgenommen werden soll, halten wir Liberalen nicht für den richtigen. Deswegen sagen wir: Das ist rein taktischen und strategischen Überlegungen geschuldet.

Sie schauen alle nach unten. Denn Sie wissen genau, dass das eigentlich nicht Ihren Überzeugungen entspricht. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Posch. – Das Wort hat die Sozialministerin, Frau Staatsministerin Lautenschläger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns auf den Vorschlag des DGB hin als Landesregierung zusammengesetzt und über das Thema Vergabegesetz und Tariftreue sehr intensiv gesprochen. Wir haben es uns genau dort nicht einfach gemacht, und wir haben nicht schlichtweg gesagt: „Wir machen jetzt alles, was dort gewünscht wird, egal, welchen rechtlichen Anforderungen das entspricht“, sondern wir haben uns die Bereiche sehr genau angeschaut und nach pragmatischen, aber vor allem auch, sehr geehrter Herr Kollege Posch, nach wirkungsvollen Wegen gesucht, wie man gerade mittelständischen Unternehmen, die auch hier in Hessen ansässig sind, dabei helfen kann, dass die Tarife, die in Hessen vereinbart sind, nicht von anderen unterlaufen werden. Ich glaube, genau dieser Bereich ist der wichtige. Wir haben klar gesagt, dass man dort nicht einfach alles regeln kann.Was Abfallrecht und andere Themen betrifft, sind wir einen anderen Weg gegangen, weil dort der Anschluss- und Benutzungszwang vorhanden ist. Wir haben uns die Rechtsprechung angeschaut.Wir haben uns vor allem auch die Änderungen in der Rechtsprechung aus der Vergangenheit angeschaut, auch beim europäischen Recht.

Ich will sehr deutlich machen: Ich bin davon überzeugt, dass wir hier ein Gesetz vorlegen – das werden wir heute Mittag noch im Detail diskutieren –, das auch wirklich umsetzbar ist. Deswegen haben wir als Landesregierung gesagt, dass wir uns dort auf ein Gesetz einlassen, das sicher nicht alle Wünsche befriedigt, aber das dann auch in der Praxis umsetzbar ist.Wir vereinbaren Vertragsstrafen, aber auch Sperren für die,die häufig mit Subunternehmen Preise unterlaufen, damit sie dann in Hessen aus der Vergabe ausgeschlossen werden.

Aber ich will auch Folgendes anfügen. Es wundert mich schon ein bisschen, wenn ich hier GRÜNE und SPDFraktion hören muss.

(Norbert Schmitt (SPD): Sie dürfen!)

Sie werfen uns hier etwas vor. Ich will an Folgendes erinnern. Schauen Sie einmal über den Rhein, und schauen

Sie einmal, was die rheinland-pfälzische Landesregierung dort macht.

(Zuruf von der SPD: Schauen Sie z. B. mal nach Bayern!)

Sie hatte bisher kein Vergabe- und Tariftreuegesetz. Dort ist es in der parlamentarischen Anhörung.Werfen Sie uns bitte nicht vor, dass wir bestimmte Bereiche nicht mit drin haben. Denn diese sind auch in dem Entwurf von Rheinland-Pfalz nicht enthalten. Wir haben auch auf diese Bereiche geschaut und überlegt, was in den Bereichen machbar ist. Also lassen Sie diese Scheinheiligkeit. Wir haben uns an einem vernünftigen Rahmen orientiert. Und wir haben im Übrigen, anders als es dort in der Anhörung ist, tatsächlich auch das Thema Ausbildung mit in das Gesetz aufgenommen. Das macht Herr Kollege Beck bisher nicht.Vielleicht ändert er das in der Anhörung noch.Aber tun Sie nicht so, als hätten Sie das für sich gepachtet.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Nein, wir haben dort einen Weg gesucht, der machbar ist, der mit Augenmaß gemacht ist und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hilft, der aber eben auch ermöglicht, bei den Unternehmen genau hinzuschauen, sodass es nicht ein Regelwerk gibt, das danach nicht umsetzbar ist.

Denn ehrlicherweise muss man bei diesem Thema auch dazusagen, dass es viele gesetzliche Regelungen gab, die schlichtweg nicht umsetzbar waren und die in der Praxis keinen Erfolg hatten. Deswegen haben wir dort mit Augenmaß gearbeitet. Wir haben genau diese Bereiche genommen – die Bauwirtschaft, das Gebäudereinigungshandwerk, die Sicherheits- und Bewachungsgewerbe, Garten- und Landschaftsbau und das Abbruchgewerbe. Wir haben auch den Bereich der Bauwirtschaft so klar definiert, wie die Gewerke nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz erfasst sind. Denn wenn man dort Unterschiede macht, was viele andere Länder machen, dann ist das in der Praxis nicht mehr handhabbar und nicht durchschaubar. Dann hilft das eben in der Praxis nicht.

Wir haben hier versucht, einen Weg zu finden, der in der Praxis hilft, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schützt, der aber auch dafür sorgt, dass es keine übermäßige Bürokratie gibt, und der diejenigen ausschließt, die sich nicht daran halten. Er beschäftigt sich vor allem auch mit dem Thema Vergabe von Aufträgen bis zu 50.000 c, das auch in diesem Hause schon mehrfach diskutiert wurde,und er regelt,dass diese freihändig möglich ist,weil wir genau wissen, dass dort die Gemeinden Unternehmen vor Ort beauftragen. Da waren wir uns auch in den Absprachen, die wir als Landesregierung getroffen haben, einig.Es geht nicht um das Thema Lohndumping,weil es gerade nicht die Subunternehmer von außerhalb sind, sondern da erhalten auch hessische Unternehmen die Aufträge.