Protokoll der Sitzung vom 06.09.2007

Ich sage Ihnen auch: Die andere Seite der Medaille wird von Ihnen weiterhin blockiert. Das betrifft das Thema Mindestlöhne. Darüber streiten wir engagiert auf der Bundesebene.

Sinnvoll wäre es gewesen, wenn Sie die vorgestern von Rheinland-Pfalz eingebrachte Gesetzesinitiative zur Einführung von Mindestlöhnen ausdrücklich begrüßt hätten. Wie notwendig das wäre, macht z. B. der Gesetzentwurf, den wir vor zwei Tagen hier behandelt haben, deutlich. Den Beschäftigten soll angeboten werden, dass sie dreieinhalb Stunden länger arbeiten sollen.Dafür bekommen sie eine Einmalzahlung von 500 c. Meine Kollegen Günter Rudolph und Marco Pighetti haben das ausgerechnet.Das heißt,es geht um 3,12 c pro Stunde.Dazu sagen Sie dann, das wäre keine tarifliche Verschlechterung. Das ist wirklich ein Treppenwitz.

(Beifall bei der SPD)

Ja, der Gesetzentwurf ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber der Schritt ist ungenügend. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Unternehmen wissen, dass wirkliche Tariftreue nur mit uns kommt.

Glaubwürdig würde Ihre Initiative, wenn Sie heraus ins Land gehen würden und in Viernheim starteten und in Hofgeismar endeten. Entschuldigen Sie sich bei den Betroffenen für fünf Jahre Lohndrückerei und Insolvenzen, die Sie wegen Ihrer Blockade verantworten müssen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Angesichts dieser Bilanz würde gerade einer christlichen Partei etwas mehr Demut gut anstehen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Kaufmann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Friedrich Merz galt einst gemeinsam mit Roland Koch in der CDU als wirtschaftspolitische Kompetenz. Dann wurde er abgemerkelt und hat sich letztlich politisch selbst ausgemerzt.

Aber allen bleibt in Erinnerung, was er im Jahr 2003 auf dem CDU-Parteitag in Leipzig sagte. Er sagte, das sei der Anfang vom Ende der Sozialdemokratisierung der CDU.

Damals erhielt er auch deutlich Beifall aus dem Hessenland und von unserem Ministerpräsidenten.

(Michael Boddenberg (CDU): Waren Sie auch auf dem Parteitag? Ich habe Sie gar nicht gesehen!)

Das Ergebnis der Bundestagswahl im Jahre 2005 war nicht ganz so, wie es sich die CDU gewünscht hatte.

(Michael Boddenberg (CDU): Das stimmt!)

„Stimmt“, sagt Herr Boddenberg. Man sollte das in die Annalen schreiben. Zum ersten Mal stimmt er mir, so glaube ich, seit Jahren zu.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Trotzig rief Koch dennoch Frau Merkel zur Siegerin aus und beschloss, in den Kreideabbau einzusteigen. Das war das Ende des Endes und der Anfang der neuen Sozialdemokratisierung der CDU. Das erfolgte zunächst in Berlin, und zwar so toll, dass sich die SPD auf Bundesebene im Umfragetief befindet. Schließlich macht die CDU alles allein.

Das hat die CDU in Hessen und insbesondere den Ministerpräsidenten, der auf den Kalender blickt, natürlich stark motiviert. Sie wollen versuchen, zu verhindern, dass Sie am 27. Januar 2008 ein Wahldesaster erleben. Das gestehe ich Ihnen zu. Das ist Ihr gutes Recht. Deswegen heißt es jetzt: Man muss von den Erkenntnissen der Bundestagswahl lernen. Deswegen muss auch die Sozialdemokratisierung in Hessen kurz vor der Landtagswahl möglichst beschleunigt angegangen werden.

Deswegen bekommen die Beschäftigten mehr Geld. Deswegen sollen wir zur Tariftreue stehen.

Den echten Konservativen – liebe Grüße von Friedrich Merz – muss es doch grausen. Herr Boddenberg, man hat es Ihnen doch eben angemerkt.Sie haben versucht,sich zu zitieren. Nur haben Sie sich nicht richtig zitiert.

Vom 5. Juli dieses Jahres bis zum 6. September dieses Jahres sind es gerade einmal zwei Monate. In dieser Zeit den doppelten Salto totale machen zu müssen, fällt auch einem sonst sehr schneidigen Generalsekretär nicht ganz leicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damals lag der Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN vor und wurde debattiert. Zu dem Thema, etwas über Ausbildungsplätze in ein solches Gesetz aufzunehmen, sagte der Kollege Boddenberg – ich zitiere aus dem Protokoll –:

Wir sind strikt dagegen, Regelungen in ein Gesetz zu schreiben,die man entweder nur schwer oder gar nicht kontrollieren kann. Wir sind auch dagegen, Punkte in ein Gesetz zu schreiben, die vergabefremd sind

(Beifall bei der FDP)

und im Grunde genommen zu willkürlichen Entscheidungen der entsprechenden Vergabestellen führen,...

Heute sagt Herr Kollege Boddenberg, er habe da so gewisse Zweifel gehabt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit des Abg. Tarek Al- Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Von „strikt dagegen“ hin zu gewissen Zweifeln stellt einen gewissen Wandel dar. Das werden Sie mir doch zugestehen.

Ich komme zur zweiten Feststellung. Er sagte auch:

..., wir wollen auf keinen Fall eine verpflichtende Einbindung der kommunalen Ebene.

Heute sagt er: Wir wollen das auch mit den Kommunen probieren. – Herr Kollege Boddenberg, das wird auch so propagiert.

(Michael Boddenberg (CDU): Zitieren Sie das bitte vollständig! Nehmen Sie das Thema Konnexität mit dazu!)

Ich habe den Satz bis zum Punkt vorgelesen.Aber wenn Sie den zweiten Satz noch hören wollen, lese ich ihn gerne vor:

Das ist nämlich Konnexität.

Danach folgt wieder ein Punkt.

(Beifall des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Heiterkeit der Abg.Tarek AlWazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Norbert Schmitt (SPD))

Hat uns das jetzt weitergebracht?

(Michael Boddenberg (CDU): Deswegen sagte ich ja: Lesen Sie ihn vor!)

Meine Damen und Herren, Sie sind strikt dagegen. Heute haben Sie uns das aber nach dem Motto erzählt, das sei mit gewissen Restzweifeln verbunden. Vielleicht haben Sie die gerade. Aber die anderen sagen: Wir wollen das jetzt machen.

Warum tun Sie denn das? Erzählen Sie doch nicht dem ganzen Landtag den Unfug, dass Sie plötzlich zu neuen Erkenntnissen gekommen wären.

Der Bauunternehmer wählt die CDU. Sie wollen jetzt, dass seine Arbeiter auch noch die CDU wählen.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Kollege Boddenberg, wenn das stimmen würde, dann wäre der Konservative im Grunde seines Herzens schon immer ein Sozialist gewesen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg.Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Die Jubeltruppe von Roland Koch – ich meine die Versammlung der VhU – sagt Ihnen auch deutlich, dass sie das nicht so sehen.

Meine Damen und Herren, wir alle sind doch mehr oder minder bibelfest und kennen die Geschichte der Wandlung vom Saulus zum Paulus.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Kollege Boddenberg, mit Ihnen streite ich mich gerne darüber.

(Heiterkeit der Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Norbert Schmitt (SPD))