Es gibt schon in 19 europäischen Ländern einen Mindestlohn, 1.500 c monatlich in Luxemburg bis 116 c in Lettland. Daran kann ich nicht einfach vorbeigehen und den Bürgern sagen, ein Mindestlohn ist ordnungspolitisch unsinnig. Das würde doch keiner begreifen.
Meine Damen und Herren, die Kanzlerin hat recht: Das ist wirklich nicht zu begreifen. Das Erscheinen des Interviews ist 18 Monate her. In der CDU hat sich in dieser Hinsicht aber nichts bewegt.
Von Ihnen kommt immer der Einwand: Mindestlöhne vernichten Arbeitsplätze.– Rheinland-Pfalz hat eine Initiative zur Einführung von Mindestlöhnen in den Bundes
rat eingebracht. Ich wundere mich schon, dass das wirtschaftsstarke Rheinland-Pfalz keine Angst davor hat, dass durch die Einführung von Mindestlöhnen Arbeitsplätze vernichten werden.
Das Gegenteil ist richtig. Mindestlöhne führen zu mehr Jobs. Das hat das Beispiel Großbritannien bewiesen. In Großbritannien hat es nach der Einführung von Mindestlöhnen in dem Zeitraum von 1999 bis 2006 einen deutlichen Anstieg bei den Arbeitsplätzen gegeben.
In dem CDU-Antrag heißt es, gerade die niedrig Qualifizierten hätten nach der Einführung von Mindestlöhnen ein Problem. In Großbritannien ist im Wach- und Dienstleistungsgewerbe die Beschäftigungsquote aber um 23,4 % gestiegen. Im Friseurgewerbe ist sie um 14 % gestiegen und im Hotel- und Gaststättengewerbe um immerhin noch 12 %. Das ist der Beweis dafür, dass Mindestlöhne die Kaufkraft stärken. Die Kaufkraft stärkt die Binnennachfrage. Dadurch entstehen neue Arbeitsplätze.
Ihre Verweigerungshaltung führt zu einem Abbau von Arbeitsplätzen. Um es in Ihren Worten zu sagen: Ihre Verweigerungshaltung ist Sozialabbau plus.
Wir wissen, dass wir für den Aufbau von Beschäftigung nicht nur den Export, sondern auch die Binnennachfrage brauchen. Eine höhere Binnennachfrage erreicht man mit höheren Löhnen, nicht mit einem ruinösen Wettbewerb bzw. möglichst niedrigen Löhnen. Wir werden den Wettlauf um niedrige Löhne in Deutschland nicht gewinnen können.Wir wollen ihn auch nicht gewinnen.Wir müssen in Deutschland einen Wettbewerb um Qualifikation, um Produktivität und Qualität haben, nicht um die niedrigsten Löhne.
Wir brauchen Mindestlöhne insbesondere in den Branchen, wo die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen keine Tarifverträge mehr haben und die Einkommen keiner Tarifbindung mehr unterliegen. Das ist in leider immer mehr Branchen der Fall.
Jetzt komme ich zu Ihrer ganz unrühmlichen Rolle in dieser Angelegenheit. Sie erlauben sich tatsächlich, heute einen Antrag vorzulegen, in dessen Überschrift es heißt: „betreffend kein Mindestlohn in Deutschland – Tarifautonomie muss erhalten bleiben“.
Sie haben zusammen mit der FDP-Fraktion immer gegen die „Übermacht der Gewerkschaften“ gewettert. Sie waren es, die den Flächentarifvertrag aushebeln wollten. Sie wollen einen ruinösen Wettbewerb in Deutschland. Ich frage Sie: Was haben Sie denn hier in Hessen gemacht?
Haben Sie sich nicht aus den tarifvertraglichen Vereinbarungen verabschiedet? Sie werden diese Woche ein Besoldungsgesetz beschließen, und heute stellen Sie sich hierhin und fordern, die Tarifautonomie müsse erhalten bleiben. Das ist ziemlich dreist.
Wir respektieren die Tarifautonomie. Das hindert uns überhaupt nicht daran, die Einführung von Mindestlöhnen zu fordern.Wir haben Mindestlöhne auch in anderen Wirtschaftssektoren. Wir haben z. B. eine Kombination aus gesetzlicher und tariflicher Gestaltung beim Urlaubsanspruch. Es gibt einen Mindesturlaubsanspruch, aber viele tarifliche Vereinbarungen liegen darüber. Es gibt eine Vereinbarung unter den Tarifvertragsparteien über die Höchstarbeitszeit. Viele Tarifverträge sind an der Stelle aber günstiger gestaltet. Das Gleiche gilt für Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall. Auch dazu gibt es tarifvertragliche Regelungen, die anders gestaltet sind als die gesetzlichen Mindestvorgaben. Ihr Argument zieht also überhaupt nicht.
Wir brauchen einen Mindestlohn auch dort, wo die Tarifbindungen nicht mehr ausreichen, wo die gewerkschaftliche Kraft nicht mehr groß genug ist, dass Löhne vereinbart werden, von denen die in diesen Branchen arbeitenden Menschen leben können. Wir haben mittlerweile leider Tariflöhne von 5 bis 6 c pro Stunde. Das reicht nicht zum Leben. Deshalb müssen wir auch an dieser Stelle mit Mindestlöhnen eingreifen.
Derartige Löhne werden übrigens nicht nur für Hilfsarbeiten gezahlt, sondern es sind auch Fachkräfte betroffen. Weit über 60 % der Beschäftigten im Niedriglohnsektor haben eine abgeschlossene Berufsausbildung. Ich möchte die Zahlen einmal nennen. Im Sanitär-, Heizungs- und Klimaanlagenhandwerk wird in Rheinland-Pfalz ein Stundenlohn von 5,15 c gezahlt. In Bayern erhalten Hauswirtschaftlerinnen und Hauswirtschaftler einen Stundenlohn von 7,32 c. Wie die Tarifverträge im Bäckerhandwerk, im Überwachungsgewerbe und im Gaststättengewerbe aussehen, wissen auch wir. Die Bestimmungen in diesen Tarifverträgen führen dazu, dass die Menschen zwar Vollzeit arbeiten, dafür auch einen Lohn bekommen, der aber so niedrig ist, dass sie trotzdem in Armut leben. Das können wir uns in unserem reichen Land nicht leisten.
Damit es an der Stelle vorwärtsgeht, wird RheinlandPfalz einen Antrag in den Bundesrat einbringen. Wenn man sich diesen Antrag anschaut, sieht man, die Umsetzung der darin enthaltenden Forderungen ist, vom Aufwand her gesehen, überschaubar. In Anlehnung an das Verfahren in Großbritannien soll die Höhe des Mindestlohns von einer Kommission erarbeitet werden.Der Kommission sollen drei Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitgeber, drei Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmer und drei Sachverständige angehören. Die Kommission übermittelt ihre Vorschläge dem Bundesarbeitsminister. Die Entscheidung liegt letztlich bei den demokratisch legitimierten staatlichen Organen. Die von der Kommission vorgelegten Vorschläge dürfen aber nicht ohne eine gute Begründung abgelehnt werden. Das be
Wir haben in der letzten Woche Berichte aus dem Baugewerbe bekommen, dass es trotz des Bestehens eines Anspruchs auf einen Mindestlohn immer noch eine ganze Menge Menschen gibt, die zu Löhnen unterhalb dieses Mindestlohns arbeiten. Deshalb brauchen wir eine staatliche Kontrolle. Rheinland-Pfalz schlägt vor, diese Kontrolle solle von den Zollbehörden durchgeführt werden. Diese Kontrolle muss effektiv sein.
Ich finde, dass der Vorschlag von Rheinland-Pfalz gut und durchdacht ist. Er ist wirklich mit keinem großen bürokratischen Aufwand verbunden. Deshalb können wir ihm, so finde ich, alle zustimmen.
Es ist nicht so, dass es bei der CDU keine Bewegung gegeben hätte. Es gibt auch bei Ihnen eine ganze Reihe von Politikern, die sagen, sie könnten sich unter bestimmten Bedingungen die Einführung eines Mindestlohns vorstellen. Es gibt z. B. Herrn Wulff, der sagt: Mindestlöhne sind in einigen Branchen machbar. – Es gibt den Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, Herrn Scharf – der übrigens auch in der CDU-Grundsatzprogrammkommission sitzt –, der sagt: Wenn der Markt versagt, muss der Staat bereit sein, ein Mindestlohnniveau zu garantieren. Die meisten Länder haben einen Mindestlohn, und dort ist deswegen noch nicht der Sozialismus eingekehrt. – Sie sehen, dieser Mann hat keine Angst.
Und es gibt die CDA, Ihre Arbeitnehmerorganisation. Auch die ist für Mindestlöhne. Sie sagt z. B., dass sie sich vorstellen könnte, dass der Mindestlohn 1.500 c im Monat beträgt. Das ist sogar mehr als die 7,50 c pro Stunde, die der DGB haben will. Ich glaube, die CDA-Vertreter sind näher an den Bürgerinnen und Bürgern dran als Sie von der CDU-Fraktion.
Auch die Bürgerinnen und Bürger haben entdeckt,dass es so nicht weitergehen kann. Sie leiden unter den niedrigen Löhnen. 72 % der Bürgerinnen und Bürger sagen, sie seien für eine Einführung von Mindestlöhnen. Ein Drittel der Befragten ist dagegen. Eine Emnid-Umfrage hat ergeben, dass sogar 57 % der Unionsanhänger für die Einführung von Mindestlöhnen sind. Das bedeutet: Sie verstehen Ihre eigenen Anhänger nicht mehr.
Die Erkenntnis wächst also auch in der CDU, aber in der hessischen CDU-Fraktion wächst sie langsam oder gar nicht.
Meine Damen und Herren, wir wollen faire Löhne für gute Arbeit.Das sind wir den Menschen schuldig.Wir wollen, dass die Menschen, die den ganzen Tag arbeiten, sich und ihre Familien ernähren können. Wir wollen, dass sie nicht auf zusätzliche Leistungen vom Staat angewiesen sind. Wir wollen, dass sie ihre Würde behalten. Deshalb werden wir weiter für die Einführung eines Mindestlohns kämpfen. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Stimmen Sie der Bundesratsinitiative von Rheinland-Pfalz zu,damit an der
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ypsilanti, lassen Sie mich zunächst einmal feststellen, dass für dieses gesamte Haus gilt: Wir alle haben unstrittig ein gemeinsames Ziel, dass Menschen ein auskömmliches Einkommen haben müssen. Ich darf das einmal so nennen. Ich glaube, das ist unstrittig.
Sehr umstritten aber ist, und das haben Sie gerade deutlich gemacht, die Frage, welche Wege man dazu beschreitet und wie groß der Flurschaden ist, den man möglicherweise anrichtet, wenn man so verfährt, wie Sie es vorschlagen.
Damit das nicht im Raume stehen bleibt und ich es nachher vergesse,will ich zunächst einmal Folgendes sagen.Sie haben die Grundsatzkommission angesprochen. Jawohl, im Programmentwurf dieser Grundsatzkommission gibt es solche Formulierungen.
Der guten Ordnung halber sage ich, dass ich dieser Kommission angehört habe, ebenfalls einige weitere Kollegen aus diesem Hause. Das sage ich nur deswegen, weil das Grundsatzpapier der CDU von 60 Mitgliedern dieser Kommission erarbeitet worden ist. Es wurde darüber viel diskutiert, auch über solche Fragen – aber eben von 60 Persönlichkeiten aus allen Ebenen der Partei.
Demgegenüber wurde, wenn ich es richtig gehört habe, das Grundsatzpapier der SPD von drei oder vier Menschen im stillen Kämmerlein und unter Federführung des Generalsekretärs konzipiert und wird der Partei dann zur Abstimmung vorgelegt.
Ich will das nur deswegen sagen, weil nicht nur Sie, Frau Ypsilanti, heute, sondern auch Herr Scheer an ganz anderer Stelle und in ganz anderem Zusammenhang unterstellt haben, wir hätten dort einen Dissens.