Protokoll der Sitzung vom 13.11.2007

Wir haben nicht genügend Zeit,um Ihnen alles,sozusagen die Sache, darzulegen. Mir geht es einfach darum – das ist mir wichtig –: Es ist der Vorwurf erhoben worden, das ist wirklich etwas von Gewicht, es sei verfassungsrechtlich

höchst bedenklich. – Ich sage in voller Überzeugung: Dies ist grob falsch. Es kann nicht sein, dass eine Gewerkschaft mit anderen einen Vertrag abschließt und sagt: Wir versprechen euch, dass wir mit niemand anderem einen anderen Vertrag abschließen. – Was bleibt denn eigentlich von der Koalitionsfreiheit dieses Landes übrig? Es gibt negative und positive Koalitionsfreiheit.

Die Argumentation, wenn Sie es schon fachlich diskutieren wollen, kann doch nicht sein, dass uns eine Gewerkschaft erklärt- und das hätte ich gerne gewusst, auch von der FDP –: Entweder übernehmt ihr einen Tarifvertrag aller anderen, das ist die eine Variante,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Es gibt noch einen dritten Weg!)

oder aber wir kommen zu nichts. – Genau das ist das Dilemma, in dem sich die Gewerkschaften befunden haben. Das ist eine selbst verschuldete Gewerkschaftslinie, die wir beim besten Willen nicht zu verantworten haben. Wenn dort Bereitschaft gewesen wäre, über einen eigenständigen Tarifvertrag zu verhandeln, hätten wir dies selbstverständlich getan.

Deshalb kann ich nicht erkennen, dass hier von Verfassung wegen etwas zu besorgen sei.Im Übrigen finde ich es interessant, dass nicht ein einziger der Gutachter auf die Äußerung des ver.di-Rechtskommentators und Mitherausgebers des „Hessischen Bedienstetenrechts“, nämlich von Herrn Rothländer, eingeht, der am 24.08.2007 in der „FAZ“ wörtlich erklärt hat – das ist kein Bediensteter des Landes Hessen und schon gar kein von dieser Regierung beauftragter Gutachter –:Rein rechtlich handelt das Land korrekt. – Das ist der kompetenteste und berühmteste ver.di-Vertreter zu diesem Thema.

Herr Innenminister, ein freundlicher Hinweis: Die vereinbarte Redezeit der Fraktionen ist abgelaufen.

Ich komme zum Ergebnis. Warum beschließen wir überhaupt ein Gesetz? Doch nicht aus Arbeitsrechts- und Tarifrechtsgründen. Wir könnten aufgrund des Arbeitsrechts mit jedem Arbeitnehmer eine freiwillige Gehaltserhöhung vereinbaren. Das würde den Landtag nie berühren. Das ist reines Arbeitsrecht.

(Günter Rudolph (SPD): Das machen Sie permanent! – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie als Landesregierung!)

Wir machen es deshalb, damit wir eine haushaltsrechtliche Grundlage für die Auszahlung haben. Das ist der entscheidende Punkt.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wenn wir ein Haushaltsgesetz machen – das ist doch eine billige Drohung!)

Dieses Gesetzgebungsverfahren ist ausschließlich in der haushaltsrechtlichen Ermächtigung und mit sonst nichts anderem begründet. Weil alle diese wichtigen Gesichtspunkte in dem Gutachten überhaupt nicht behandelt wurden, ist es aus meiner Sicht fehlerhaft, jedenfalls nicht hinreichend. Ich bleibe dabei: Wir haben hier nicht zu befürchten, dass die Verfassung tangiert ist.

Im Übrigen ist jeder herzlich eingeladen, bei der Klagefreudigkeit einmal zu klagen, ob das wirklich so ist. Ich glaube es nicht. Entscheidend ist die haushaltsrechtliche Grundlage und nicht, wie das vorhin vorgetragen wurde, eine Abkehr von konstruktivem Dialog. Das weise ich in aller Form zurück.

Wir führen diesen Dialog. Wir führen ihn jetzt sogar weiter. Ich bin auch zuversichtlich, dass wir zu etwas kommen.Was aber mit dieser Landesregierung nicht machbar ist,ist,dass uns öffentlich mitgeteilt wird:Entweder macht ihr das, was wir mit anderen beschlossen haben, oder aber es geschieht gar nichts. – Dann nehmen diese Gewerkschaftsleute die 50.000 Bediensteten als Geisel. Denn das Argument wäre doch: Die kriegen nie mehr, solange wir nicht bereit sind,auf die Forderung von ver.di einzugehen. – Das kann doch nicht richtig sein.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD):Wer wen als Geisel nimmt, das ist hier die Frage!)

Ich bitte also das Haus in dieser Frage um Zustimmung und will mit einer Bemerkung abschließen. Kollege Frömmrich hat den Umgang mit dem Gesetzgeber, mit diesem Haus, gerügt. Sie waren so freundlich und haben mir das zur Verfügung gestellt. Ich zitiere jetzt wörtlich aus dem vom hessischen Ministerium des Innern am 31. Oktober 2007 herausgegebenen Runderlass: „Vorbehaltlich des laufenden Gesetzgebungsverfahrens ergehen im Vorgriff auf die zu erwartenden gesetzlichen Regelungen zu den Einmalzahlungen im Dezember 2007 folgende Hinweise.“

Meine Damen und Herren, das ist eine Verfahrensweise, die die Verwaltung seit ewigen Zeiten macht. Es ist auch klug. Wenn sie vorbehaltlich des laufenden Gesetzgebungsverfahrens, also vorbehaltlich der Beschlussfassung durch dieses Haus, so verfährt, dann ist das keine Missachtung dieses Landtags, sondern eine vernünftige verwaltungstechnische Vorabinformation. Es ist nicht zu kritisieren. Lieber Herr Frömmrich, deshalb können Sie das einpacken.

Unter dem Strich bleibt: 50.000 Menschen bekommen ihren Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung. Andererseits geben wir nicht nach, indem wir sagen, wir haben Steuergelder zurückhaltend ausgegeben. Es ist nicht unser Privatgeld.Wir wollen daran festhalten, dass wir Einmalzahlungen und maßvolle Tariferhöhungen machen. Das ist die hessische Tariflinie. Ich hoffe, dass wir davon auch die Gewerkschaften in anderen Zeiten überzeugen können. Ich bitte um Zustimmung.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Innenminister. – Nun hat sich Kollege Frömmrich für die GRÜNEN noch einmal zu Wort gemeldet.

(Günter Rudolph (SPD): Die tauschten die Unterlagen aus!)

Wir tauschen ganz kollegial die Unterlagen aus. Bei anderen werden die einfach genommen.

Herr Innenminister, ich will auf zwei Fragen eingehen, die Sie in diesem Zusammenhang gestellt haben. Erster Punkt: die Frage des Verfassungsorgans Hessischer Land

tag. Mit Sicherheit könnte man so argumentieren. Es ist eine Praxis, die man durchaus leisten kann, wenn ein Gesetz der Landesregierung eingebracht worden ist und dann sozusagen die Landesregierung im Vorgriff darüber informiert und damit in die Landesverwaltung hinein kommuniziert.

Aber es ist schon ein einmaliger Vorgang – Sie müssten einmal schauen, ob Sie einen Vorgang in gleicher Art finden, der schon einmal passiert ist – für ein Gesetzgebungsverfahren einer Landtagsfraktion. Diese Landtagsfraktion bringt ein Gesetz ein, und Sie machen als hessischer Minister des Innern einen Runderlass, indem Sie schon diesen Gesetzentwurf bewerten und die Regelungen hineinschreiben. Es ist im Prinzip schon etwas anderes, ob Sie das als Landtagsfraktion oder als Landesregierung machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn Sie weiter gelesen haben, was das Regierungspräsidium in Gießen geschrieben hat: Da wird einwandfrei schon kommentiert. Da wird nicht kommentiert, was im Gesetzentwurf steht, sondern wie sich andere – also Oppositionsfraktionen – zu diesem Gesetzentwurf verhalten. Da steht z. B., der eingebrachte Gesetzentwurf werde insbesondere politisch bzw. gewerkschaftlich heftig und kontrovers diskutiert, und deswegen müsse man erklären, worum es eigentlich geht.

Herr Innenminister, es ist ein einmaliger Vorgang, dass Sie, bevor ein Gesetz beschlossen ist, einen Gesetzesentwurf einer Landtagsfraktion schon in die Landesverwaltung hinein kommunizieren und gleichzeitig die Kommentare dafür liefern,wie argumentiert werden kann.Das ist einmalig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Zweiter Punkt: die gesetzliche Regelung, dass Sie gesagt haben,es sei im Prinzip nicht verfassungsrelevant,dass Sie eine gesetzliche Regelung treffen. Herr Innenminister, da wäre es gut gewesen, wenn Sie der durchaus interessanten Anhörung des Innenausschusses gefolgt wären, und zwar wenn Sie nicht nur den Punkten, die dort vorgetragen worden sind, zugehört hätten, sondern sich vielleicht auch die schriftlich eingereichten Stellungnahmen durchgelesen hätten. Da sagt z. B. ein durchaus angesehener Verfassungsrechtler, nämlich Prof. Dr. Wieland, Universität Frankfurt, dazu:

Eine gesetzliche Regelung des Arbeitsentgelts greift in die grundgesetzlich geschützte Rechtsstellung der Arbeitnehmer ein, weil ihnen der Staat nicht mehr länger allein als Arbeitgeber gegenübertritt,sondern einen Kernbereich der tarifvertraglich zu regelnden Beziehungen einseitig hoheitlich bestimmt.

Das ist der Punkt, auf den wir uns beziehen. Und das ist der Punkt, weswegen das, was Sie hier vortragen, nicht richtig ist. Deswegen glaube ich, dass es in der Tat so ist – da sollten Sie wirklich einmal in die Stellungnahmen hineinschauen –, dass die, die hier vortragen, es verstoße gegen Art. 9 Abs. 3 GG, richtig liegen. Herr Innenminister, Sie sollten vielleicht diese Punkte einmal durchlesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich. – Herr Kollege Beuth, noch einmal.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde die Krokodilstränen, die der Kollege Frömmrich vergossen hat, ziemlich unglaubwürdig. Das Verfassungsorgan Hessischer Landtag ist hier und heute versammelt, um die zweite Lesung zu machen, und wird nach dem Antrag des Kollegen Rudolph am Donnerstag in der dritten Lesung darüber debattieren.

Dass Vorsorge dafür getroffen wird, dass, wie zu erwarten, dieses Gesetz am Ende beschlossen wird,und sich die Verwaltung entsprechend darauf vorbereitet, daran ist überhaupt nichts Ehrenrühriges. Ich glaube, dass das völlig selbstverständlich ist.

Ich glaube im Übrigen, dass der Innenminister zeigt, dass er großes Vertrauen in die CDU-Fraktion hat,

(Günter Rudolph (SPD): Das ist ja rührend!)

und, wie ich das sagen darf, auch haben darf, weil die Gesetze, die wir in den vergangenen viereinhalb Jahren hier vorgelegt haben, in der Tat auch das Licht der Welt erblickt haben.

Herr Kollege Frömmrich, es bleibt dabei. Sie können bei der Koalitionsfreiheit und dem Art. 9 GG nicht alles völlig durcheinanderwerfen. Es bleibt am Ende dabei, dass der öffentliche Arbeitgeber Land Hessen, wenn er eine solche Regelung vorsieht, es auf der einen Seite per Tarifvertrag machen kann, aber auf der anderen Seite ganz unzweifelhaft – das ist in der Anhörung zum Ausdruck gekommen – per Gesetz machen kann.

Wenn Sie darüber Klarheit haben wollen, müssen Sie zum Staatsgerichtshof gehen. Sie – vielleicht war es auch der Kollege Rudolph; das weiß ich nicht mehr genau – haben sich hinreichend erkundigt, welche Möglichkeiten Ihnen bleiben.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie sind hoheitlich tätig!)

Zum Schluss möchte ich einen der Sachverständigen zitieren. Er hat an dieser Stelle die Werbung für Fisherman’s Friend in die Diskussion eingebracht.Er hat gesagt: Sind sie zu stark, bist du zu schwach. – Offensichtlich gilt Letzteres für die SPD und für die GRÜNEN in diesem Landtag.

(Beifall bei der CDU – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist das Niveau, auf dem ihr diskutiert!)

Vielen Dank, Herr Kollege Beuth. – Nun liegen mir wirklich keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind am Ende der Aussprache angelangt.

Eine dritte Lesung ist beantragt. Deswegen schlage ich vor, den Gesetzentwurf und den Änderungsantrag der CDU zur Vorbereitung der dritten Lesung an den Innenausschuss zu überweisen.

Ich komme zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Dringlichen Entschließungsantrag der Frak

tion der SPD betreffend Verletzung von Gewerkschaftsrechten und Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG durch die CDU-Fraktion, Drucks. 16/8081 zu Drucks. 16/7715. Wer dieser Beschlussempfehlung die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die CDU-Fraktion. – Gegenstimmen? – SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Enthaltungen? – Das ist die FDPFraktion. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.

Noch eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP betreffend Sonderprüfung der Auftragsvergabe des Projektes „Lehrer- und Schüler-Datenbank (LUSD)“, Drucks. 16/8204. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 78.

(Nicola Beer (FDP): Das könnte man mit dem Haushalt verbinden!)

Er soll mit dem Haushalt verbunden werden.Also wird er im Zusammenhang mit Einzelplan 04 auf die Tagesordnung gesetzt.