Angesichts der offenbar groben Vertragsverletzungen durch das Betreiberkonsortium ist es geradezu abwegig, Herr Kollege, wenn Sie den Bundesverkehrsminister für das heillose Chaos verantwortlich machen und gar hier an diesem Pult seinen Rücktritt fordern.Das ist gerade so,als ob man den Käufer eines schönen nagelneuen Autos dafür verantwortlich machen will,
dass der Wagen entgegen den Vertragsbestimmungen vom Hersteller zu spät geliefert wird und dann auch noch stottert und nicht richtig fährt.
Dazu kann ich nur sagen, dass das grotesk ist. Wenn Sie die Medienberichte der letzten Tage verfolgen, dann werden Sie feststellen, dass offenbar viele Medien zum gleichen Ergebnis kommen wie die SPD-Fraktion. Zum Beispiel steht in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 08.10. unter der Überschrift „Blamierte Konzerne“ Folgendes. Ich zitiere: „Denn die deutsche Industrie hat sich mit gravierenden Folgen für das Image beim Thema Lastwagenmaut bis auf die Knochen blamiert.“
Der „Spiegel“ befasst sich diese Woche ebenfalls mit dem Geschäftsführer von Toll Collect und schreibt – ich zitiere –:
Dem Daimler-Manager wird nicht nur die verpatzte Einführung des Mautsystems angekreidet. Offenbar hat Rummel sogar versucht, das Verkehrsministerium und die Spediteure über den Zustand der Erfassungssysteme zu täuschen. Obwohl er von Zulieferfirmen wie T-Systems laut internen Vermerken sogar schriftlich darauf hingewiesen wurde, dass die Schnittstellen an den so genannten OnBoard-Units für die LKW noch nicht funktionsfähig seien, soll er den Einbau der Geräte angeordnet haben.
Diese Artikel sprechen eine eigene Sprache. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Sie belasten doch ganz offensichtlich nicht den Bundesverkehrsminister, sondern sie kritisieren die Betreiber. Selbst das Speditionsgewerbe hat von dem Mautchaos die Nase voll. Der Geschäftsführer des Berufsverbandes droht damit, den bereits angelaufenen Probebetrieb einzustellen.
Bei der letzten Befragung der Unternehmen funktionierte offenbar nur jedes 15. Mautgerät. Der Bundesverband hat daraufhin das Betreiberkonsortium aufgefordert, noch einmal neu zu planen.
Meine Damen und Herren, die Industrie hat ohne Zweifel eine ganz besondere Verantwortung. Sie ist jetzt in der Pflicht, und sie ist auch in der Pflicht, einen neuen Starttermin zu nennen.
Die Zeit drängt jedoch, insbesondere wegen der Einnahmeausfälle in Höhe von 163 Millionen c pro Monat – eine bittere Pille, die nur schwer zu schlucken ist.
Denn diese Einnahmeausfälle, die sich derzeit auf 380 Millionen c belaufen, dürfen auf keinen Fall auf dem Rücken der Steuerzahler abgeladen werden.
Wir fordern daher die Bundesregierung auf, die durch die Fehler des Betreiberkonsortiums entstandenen Einnahmeausfälle für die öffentliche Hand gegenüber den beteiligten Unternehmen geltend zu machen.Wir erwarten von der Bundesregierung,
dass sie in Verhandlungen mit dem Betreiber für die Millionenausfälle durch den verschobenen Start einen möglichst hohen Schadenersatz erreicht. Darüber hinaus muss endlich Klarheit über die Vertragsstrafen erzielt werden. Herr Dr. Lübcke, in dieser Frage agiert die Union in Berlin genauso unsolide und genauso unredlich wie hier im Hessischen Landtag.
Täglich setzen Sie neue Verdächtigungen, Halbwahrheiten und Unterstellungen über die angeblichen Inhalte des Betreibervertrags in die Welt. Herr Kollege, der Betreibervertrag ist noch nicht offen gelegt. Mich wundert sehr, dass Sie hier Hausnummern und Zahlen nennen. Es wird in den nächsten Wochen, so hoffen wir zumindest, der Fall sein, dass wir Klarheit über die Inhalte erhalten.
Wir begrüßen es daher sehr, dass zur Versachlichung der Debatte die SPD-Bundestagsfraktion inzwischen mit einem Antrag die Bundesregierung und das Betreiberkonsortium aufgefordert hat, den Vertrag dem Verkehrsausschuss und dem Haushaltsausschuss zur Verfügung zu stellen.
Schon im Vorfeld hat Bundesverkehrsminister Stolpe sein Interesse an einer umfassenden Information bekundet und daher auch einer Offenlegung bereits zugestimmt.
Die Betreiber sehen dies offenbar anders, Herr Kollege, insbesondere DaimlerChrysler. Sie sind lediglich zu einer mündlichen Erörterung bereit.
Das reicht uns jedoch nicht aus, da Zahlungsmodalitäten, Leistungsverpflichtungen, Schadenersatz- und Vertragsstrafenregelungen sowie auch Zeitpläne von besonderem Interesse sind. Die Ablehnung durch die Industrie ist nicht akzeptabel, und sie schürt zudem das Misstrauen, hier habe die Industrie etwas zu verbergen. Sie öffnet weiteren Spekulationen Tür und Tor. Wichtig für uns in Hessen ist allerdings, dass der Bundesverkehrsminister
erklärt hat, kein Verkehrsprojekt des Anti-Stau-Programms werde wegen der Einnahmeausfälle verschoben.
Die Projekte sind nach unseren Informationen gesichert, da die Mautausfälle durch globale Minderausgaben im
Meine Damen und Herren, bei allem Ärger über die Pannen bei der Einführung der Maut darf die Realisierung selbst nicht auf der Strecke bleiben und nicht scheitern.
Mit der Einführung werden vier Ziele verfolgt, zum einen die verursachergerechte Anlastung der Wegekosten. Das ist ein notwendiger Systemwechsel von der alleinigen Steuerfinanzierung und Vignettenfinanzierung hin zu einer Nutzerfinanzierung.
Wir brauchen gerechte Wettbewerbsbedingungen zwischen Schiene und Straße. Es werden zusätzliche Einnahmen für den Erhalt und den Ausbau von Verkehrswegen erzielt, da die öffentliche Hand vor dem Hintergrund der Verkehrsprognosen nicht mehr in der Lage ist, die Verkehrsinfrastruktur alleine zu finanzieren. Wir brauchen daher neue Finanzierungsmodelle
Nicht zuletzt wollen wir nach Beseitigung der aktuellen Schwierigkeiten mit der elektronischen Erhebung der Maut eine weltweite Vorreiterrolle in einem neuen Technologiebereich spielen. Die Bundesregierung hat dazu die erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen in Bund, Land und EU geschaffen. Die EU-Kommission hat der Einführung des Mautsystems in Deutschland in Gänze zugestimmt. Nicht zuletzt besteht zwischen Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat Einvernehmen, die Wettbewerbsbedingungen für das deutsche Transportgewerbe zu verbessern.
Meine Damen und Herren, mich wundert dann die Argumentation von Herrn Dr. Lübcke an dieser Stelle, der dies offenbar noch nicht zur Kenntnis genommen hat.
Schon mit der Steuerreform hat die Bundesregierung für das Transportgewerbe Entlastungen geschaffen. Weitere Entlastungen werden folgen, die Einstellung der Erhebung der Euro-Vignette in Deutschland, ein Mautermäßigungsverfahren und die Senkung der Kfz-Steuern auf das EU-Mindestniveau. Die Kommission hat im Juni das Beihilfeverfahren eröffnet, und noch in diesem Jahr soll eine Entscheidung ergehen.
Meine Damen und Herren, ebenfalls wichtig ist, dass die Bundesregierung mit der EU-Kommission vereinbaren konnte, dass zwischen Maut und Kompensation kein zwingender Zusammenhang besteht.