Protokoll der Sitzung vom 05.11.2003

Meine Damen und Herren, Hessen soll zu einem Land des Südens werden.Es ist aber ein Land der Mitte,zu dem Offenheit, soziale Gerechtigkeit und Toleranz gehören. Dafür werden wir weiter kämpfen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Finanzpolitisch haben Sie Hessen allerdings nun zu einem südamerikanischen Land gemacht.

(Zuruf des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Denn dieser Haushalt,den Sie gestern eingebracht haben, ist zum vierten Mal hintereinander verfassungswidrig. 2001 war Ihr Haushalt verfassungswidrig, 2002 war er verfassungswidrig, 2003 ebenfalls. Das haben Sie gestern indirekt bestätigt. Auch 2004 werden Sie die Verfassungsgrenze überschreiten, weil Sie ganz erhebliche Luftbuchungen vorgenommen haben und die Zahlen geschönt sind.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Sie haben die Verfassungsgrenze der Nettoneuverschuldung zwar rechnerisch ganz knapp unterschritten, aber auch ohne die Ausfälle aus der aus unserer Sicht notwendigen Steuerreform wird die Neuverschuldung nicht unter der Verfassungsgrenze sein,sondern sie überschreiten.Ich will dies an ein paar Punkten deutlich machen. Sie planen z. B. die Veräußerung von Sachvermögen, also vor allem von Immobilien. Ich nehme an, dass der Finanzminister keinen Goldschatz hat.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Er hat eine Summe von 247 Millionen c vorgesehen. Das ist eine verhältnismäßig hohe Summe bei dem Posten Sachvermögen. Angesichts der Erfahrungen mit dem Finanzminister bei dem Verkauf der Burg Staufenberg oder seinen Versuchen, das Polizeipräsidium in Frankfurt zu verkaufen, runzeln angesichts dieser Haushaltsansätze selbst Ihnen geneigte Mitmenschen die Stirn.Weniger Ihnen Zugeneigte schlagen sich jetzt schon auf die Schenkel.

(Beifall bei der SPD)

Der eigentliche Hammer aber ist, dass Sie 390 Millionen c Steuermehreinnahmen aus – wie es so schön in einer Fußnote heißt – bundespolitischen Regelungen vorsehen. Das, was der Ministerpräsident mit Herrn Steinbrück ausgearbeitet hat, bringt 2004 etwa ein Entlastungsvolumen – wenn man es sehr, sehr gut mit Ihnen meint – in Höhe von 90 Millionen c.Es gibt Berechnungen,nach denen 2004 nur 10 Millionen c ankommen, weil sich die Leute die Freibeträge schon auf ihren Steuerkarten haben eintragen lassen. – Aber gehen wir davon aus, dass Sie Recht haben und dass durch die Vorschläge von Koch und Steinbrück im Jahr 2004 90 Millionen c eingespart werden können;dann bleibt die Zahl von 300 Millionen c,die aus bundespolitischen Regelungen erbracht werden müsste.

Meine Damen und Herren, entweder liegt wieder ein Fall von kreativer Buchführung vor – das haben wir bei der Schwarzgeldaffäre durch Herrn Koch schon erlebt –, oder Herr Koch plant schon ganz erhebliche Steuererhöhun

gen oder den weiteren Subventionsabbau ein, z. B. bei der Pendlerpauschale oder bei der Eigenheimpauschale, gegen deren Abschaffung er noch bis in die letzten Tage hinein polemisiert hat.

(Beifall bei der SPD – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Sie sagen, 300 Millionen c wären zu wenig!)

Herr Kollege Milde, wenn man über diese Zahlen redet, sollte man sich über eines klar sein. Eine Einsparung in Höhe von 300 Millionen c ist nur über ganz, ganz erhebliche Steuererhöhungen oder einen Subventionsabbau erreichbar,der deutlich über die Koch-Steinbrück-Liste hinausgeht.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Eichel redet von 100 Millionen c!)

Wenn man dies berechnet, muss man sagen: Ohne eine Mehrwertsteuererhöhung ist diese Zahl überhaupt nicht zu erbringen. Herr Ministerpräsident, hören Sie auf mit dieser Scheinheiligkeit, in Berlin denjenigen zu spielen, der immer gegen alles ist, der dagegen ist, dass Steuersubventionen an entscheidenden Punkten abgebaut werden, dass es in wichtigen Bereichen zu Steuererhöhungen kommt,nämlich z.B.bei der Vermögensteuer oder bei der Erbschaftsteuer. In Wirklichkeit bauen Sie schon die Mehreinnahmen in diesen hessischen Haushalt ein. Das ist eine unerträgliche Scheinheiligkeit.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir fordern Sie auf, hier und heute endlich einmal die Karten auf den Tisch zu legen und zu offenbaren, welche Steuererhöhungen Sie eingeplant haben und mit welchem Abbau von Steuervergünstigungen Sie diese Mehreinnahmen in Höhe von mindestens 300 Millionen c erzielen wollen. Herr Ministerpräsident, kommen Sie hier ans Pult, und sagen Sie, wie Sie dies alles erreichen wollen – 300 Millionen c Mehreinnahmen aus bundespolitischen Regelungen.

Interessant ist auch, dass Herr Koch zwar Mehreinnahmen aus bundespolitischen Regelungen einplant, jedoch das dringend notwendige Vorhaben der dritten Stufe der Steuerreform in seinem Haushaltsplan nicht berücksichtigt. Ich hätte noch ein gewisses Verständnis dafür, dass Sie in der angespannten finanziellen Situation des Bundes und der Länder sagen, dass das Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform nur durch zusätzliche Verschuldung aufgefangen werden kann. Ich sage das hier noch einmal ausdrücklich. Ich hätte ein gewisses Verständnis dafür, dass Sie sagen, dass das Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform – dies würde für Hessen immerhin einen Steuerausfall in Höhe von 440 Millionen c bedeuten – eine Summe ist, die nicht auf die Verfassungsgrenze angerechnet werden kann.

Man müsste dann aber gut begründen, warum das in Hessen nicht geleistet werden kann, während es in anderen Bundesländern wie Bayern und Baden-Württemberg möglich wäre.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In Rheinland-Pfalz wäre dies übrigens möglich. Ich hätte ein gewisses Verständnis, wenn Sie so argumentieren würden. Ich hielte es, volkswirtschaftlich gesehen, für unvernünftig, wenn man eine volle Gegenfinanzierung vornehmen würde. Das kann man nicht tun. Es ist nicht sinnvoll, den Menschen das, was man ihnen in der einen Tasche lässt, aus der anderen herauszuziehen. Das ist auch volks

wirtschaftlich gesehen unsinnig. Denn dann würde von der Steuerreform kein konjunktureller Impuls ausgehen. Ein solcher Impuls ist aber dringend notwendig. Deswegen muss man, wenn man eine Gegenfinanzierung machen will, ganz genau hingucken, dass sich diese, konjunkturpolitisch gesehen, nicht kontraproduktiv auswirkt.Wie bereits gesagt: Ich lasse deshalb bei der Frage, ob die nach der Verfassung zulässige Verschuldungsgrenze überschritten werden darf oder nicht, in der Tat die Steuerausfälle außer Acht, die durch das Vorziehen der Steuerreform entstehen würden. Denn eines ist auch klar: Das Vorziehen der Steuerreform ist notwendig, um für die Konjunktur in Deutschland den Impuls zu setzen, der jetzt notwendig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Ministerpräsident, gehen Sie von der Wachstumsbremse. Verhindern und blockieren Sie nicht länger die notwendige steuerliche Entlastung der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands. Herr Ministerpräsident, wenn Sie Ihre Blockadepolitik im Bundesrat nicht weiter verfolgen würden, dann könnten Sie auch in Hessen mit 1,7 % Wirtschaftswachstum rechnen. Möglicherweise wäre es sogar noch größer. Sie bräuchten dann nicht, wie Sie es in Ihrem Entwurf vorgesehen haben, die Prognose der Wachstumsrate für Hessen auf 1 % zu reduzieren. Allein dieses höhere Wirtschaftswachstum würde Steuermehreinnahmen von 100 Millionen c erbringen. Meine Damen und Herren, Sie verhinderten mit Ihrer Blockadepolitik und Ihrem Bremsen der Vorlagen im Bundesrat, dass es zu wichtigen Wachstumsimpulsen in Hessen und in der Bundesrepublik kommt, die notwendig sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wie bereits gesagt, auch wenn man die Steuerausfälle, die durch das Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform entstehen würden, nicht berücksichtigt, ist der Haushaltsentwurf, den Sie gestern vorgelegt haben, wiederum verfassungswidrig. Denn eines ist auch klar: Hessen hat ein Problem bei den Ausgaben. Es hat vor allen Dingen ein Problem bei den Ausgaben. – Natürlich haben alle Länder,der Bund und die Kommunen ganz erheblich mit dem Problem zu tun, dass die Steuereinnahmen hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind.

(Heinrich Heidel (FDP): Warum ist das denn so? – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU) – Weitere Zurufe)

Herr Kollege, für das Jahr 2004 geht diese Landesregierung von einem Zuwachs der bereinigten Gesamteinnahmen in Höhe von 7,7 % aus. Ich betone das noch einmal: Die bereinigten Gesamteinnahmen werden voraussichtlich um 7,7 % steigen. Davon geht diese Landesregierung aus. Das sind ihre eigenen Zahlen.

(Gerhard Bökel (SPD): Hört, hört!)

Trotzdem schafft es diese Landesregierung, dass auch der Haushalt des Jahres 2004 wieder verfassungswidrig sein wird. Dabei betreibt sie dann auch noch in Hessen den sozialen Kahlschlag.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Herr Kollege Milde, Sie sollten sich das anschauen. Ich habe die Zahlen parat. – Nach ihren eigenen Angaben wird die Landesregierung im Jahre 2004 rund 850 Millio

nen c nach Länderfinanzausgleich, also nach der Abgabe an andere Länder, mehr zur Verfügung haben als im Jahre 2003. Das muss man sich einmal überlegen. Es sind rund 850 Millionen c mehr. Im Vergleich zum Jahr 2002 sind es sogar 1,3 Milliarden c, die bei den bereinigten Gesamteinnahmen nach Länderfinanzausgleich mehr zur Verfügung stehen. Trotzdem schafft es diese Landesregierung, einen Haushaltsgesetzentwurf vorzulegen, der verfassungswidrig ist. Dabei nimmt sie in Hessen dann auch noch einen sozialpolitischen Kahlschlag vor. Das zeigt doch, wie verfehlt die Politik war, die Sie in Hessen in den vergangenen Jahren betrieben haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Herr Milde, dazu komme ich noch. Sie machen wieder beide Fehler.Was sagte der Finanzminister gestern noch? – Er sagte, er sei das rechnerische Mittel zwischen zwei Fehlern. Das ist wirklich richtig. So hat er sich selbst bezeichnet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das ist auch unser Vorwurf. Sie haben in Zeiten, in denen es in Hessen größere Zuwächse bei den Steuereinnahmen gegeben hat, als es jetzt der Fall sein wird, nicht gespart. Sie haben damals nichts auf die hohe Kante gelegt. Vielmehr haben Sie aus dem berühmten Grund, nämlich damit Sie bei der Wahl gut dastehen, das Geld mit vollen Händen ausgegeben.

(Armin Klein (Wiesbaden) (CDU): Quatsch!)

Herr Kollege Klein, Sie sind mir bisher nicht als Finanzpolitiker aufgefallen.Aber eines können Sie doch wirklich nicht bestreiten: Alleine das, was das Land aufgrund des Nachtragshaushalts an Zinsen wird zahlen müssen, ist ein Betrag, der so hoch ist, dass man damit auf alle sozialen Kürzungen in Hessen, die vorgenommen werden sollen, verzichten könnte. Es geht hier nur um die sich nunmehr erhöhenden Zinszahlungen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, Sie haben die Ausgaben immer weiter erhöht, um Wohltaten verteilen zu können. Das ist eine einfache Politik.Das ist wirklich eine einfache Politik. Sie sind hingegangen und haben Wohltaten verteilt. Da die Steuereinnahmen nicht ausgereicht haben, haben Sie einfach noch Kredite aufgenommen. Das ist eine sehr einfache Politik. Aber das hat doch mit verantwortungsvoller Politik nichts zu tun. Das hat mit vorausschauender Politik nichts zu tun. Das hat mit zukunftsgewandter Politik nichts zu tun. Zukunftsgewandte Politik zu betreiben bedeutet, sich anzuschauen, was sich in den nächsten Jahren entwickeln wird.Das Schlimme jetzt aber ist doch: Nach viereinhalb Jahren Regierungstätigkeit von Roland Koch steht Hessen vor dem finanzpolitischen Zusammenbruch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, warum mussten Sie denn das Sparpaket vorlegen? Das ist doch das Ergebnis der von Ihnen in den vergangenen vier Jahren betriebenen Politik.

Schauen wir uns doch einmal an, was Sie gemacht haben. Herr Kollege Milde, ich beschäftige mich immer noch mit der Ausgabenseite. Schauen wir uns das doch einmal an.

Sie haben die Ausgaben vom Jahr 2000 auf das Jahr 2001 um 500 Millionen c gesteigert. Innerhalb eines Jahres haben Sie also 500 Millionen c draufgesattelt. Dann haben Sie vom Jahr 2001 auf das Jahr 2002 die Ausgaben um weitere 300 Millionen c gesteigert. Damit Sie noch einmal vor der Landtagswahl so richtig in die Sahne langen konnten, haben Sie in dem ursprünglichen Haushaltsentwurf, der von der FDP noch mitgetragen wurde, für das Jahr 2003 eine Steigerung von über 500 Millionen c vorgenommen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist unglaublich!)

Sie haben die Ausgaben innerhalb von drei Jahren um 1,3 Milliarden c gesteigert. Mit dem Nachtrag wollen Sie die Ausgaben jetzt ein bisschen herabsetzen. Trotzdem bleiben ungeheuere Steigerungsraten. Es bleibt dabei, dass Sie um 1,38 Milliarden c gesteigert haben werden. Das stellt, wenn man die Jahre 1998 und 2003 vergleicht, einen Zuwachs um 9,2 % dar.

(Petra Fuhrmann (SPD):Wahnsinn!)

Sie führen in diesem Zusammenhang immer den Bund an. Der Bund hat innerhalb dieses Zeitraums seine Ausgaben nur um 6,7 % gesteigert. Das zeigt deutlich, wie unterschiedlich die Ausgabenentwicklung war und wie Sie bei den Ausgaben zugelangt haben.