Protokoll der Sitzung vom 05.11.2003

Sie führen in diesem Zusammenhang immer den Bund an. Der Bund hat innerhalb dieses Zeitraums seine Ausgaben nur um 6,7 % gesteigert. Das zeigt deutlich, wie unterschiedlich die Ausgabenentwicklung war und wie Sie bei den Ausgaben zugelangt haben.

(Petra Fuhrmann (SPD): Unglaublich! – Michael Siebel (SPD): Der Ministerpräsident stört seit zehn Minuten! Das ist unglaublich! – Gerhard Bökel (SPD): Zuhören!)

Als Argument wird dann immer vorgebracht, dieser Ausgabenzuwachs – ich wiederhole es: von 1998 auf das Jahr 2003 wurden die Ausgaben um 1,38 Milliarden c gesteigert – habe vor allem mit den Personalkosten zu tun gehabt. Das ist aber nicht richtig. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal an die Zahl erinnern, die der Finanzminister gestern genannt hat. Er sagte, dass die Tarifsteigerungen vom Jahre 1998 auf das Jahr 2002 eine Steigerung der Ausgaben um 500 Millionen c ausgemacht hätten. Die Zahl für das Jahr 2003 kenne ich nicht. Ich stelle fest, dass eine Steigerung um fast 900 Millionen c nicht auf Tarifsteigerungen in diesem Zeitraum zurückzuführen ist. Vielmehr haben sie etwas mit Ihrer Ausgabenpolitik in diesem Land zu tun. Denn Sie haben die Höhe der Ausgaben nicht begrenzt. Vielmehr haben Sie versucht,Wohltaten unter das Volk zu streuen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Diese Steigerung der Ausgaben hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass an der Karriere des Ministerpräsidenten für Berlin gestrickt werden sollte. Das ist völlig klar. Aber die Stimmung kippt. Es gibt dazu die wunderschöne Aussage eines Bundestagsabgeordneten der CDU, die in der „Financial Times“ wiedergegeben wurde. Er sagte, die Kanzlerkandidatur könne aber sehr schnell im Schuldensumpf Hessens hängen bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, da haben die eigenen Parteifreunde die Entwicklung richtig beobachtet.

Dass der Ministerpräsident beim Aufstellen des Haushaltsplanentwurfs für das Jahr 2004 von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht hat,

(Michael Siebel (SPD): Deshalb sitzt er auch da hinten, nicht auf seinem Platz!)

war wirklich die Bescheinigung dafür, dass der Finanzminister unfähig ist.

(Gerhard Bökel (SPD): Deshalb sitzt der Ministerpräsident auch auf dem Platz des Finanzministers!)

Dass ein Ministerpräsident – einmalig in der Geschichte – von der Richtlinienkompetenz Gebrauch machen muss, damit ein Haushalt einigermaßen ordentlich erstellt werden kann,

(Beifall bei der SPD)

das ist wirklich unglaublich, weil der Finanzminister zum dritten Mal hintereinander nicht in der Lage war, einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen. Nach Vorlage der Haushaltszahlen 2004 muss aber festgestellt werden, nicht nur der Finanzminister hat seine Unfähigkeit gezeigt, sondern nachdem der Ministerpräsident von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht hat, muss man sagen, der Ministerpräsident hat auch finanzpolitisch seine Inkompetenz unter Beweis gestellt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der Haushalt 2004 ist die Entwicklung und das Ergebnis dessen, dass aufgrund fehlenden Weitblicks und politischer Verantwortungslosigkeit hemmungslos Ausgabenpolitik betrieben wurde, hemmungslos auf Pump Wohltaten finanziert werden. Kein anderes Land in Deutschland hat einen solchen Ausgabenanstieg wie Hessen.Das müsste Ihnen doch zu denken geben. Hessen ist zum Sanierungsfall geworden, weil sich die Landesregierung als unfähig erwiesen hat, eine effektive und nachhaltige Ausgabenbegrenzung in ihrem Haushalt umzusetzen.Nach den Ausgabensteigerungen von 1,9 % in diesem Jahr – übrigens alles nach Länderfinanzausgleich und nach Flutopferhilfe – verstoßen Sie eindeutig gegen die Festlegungen des Finanzplanungsrates zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien. Ich glaube, das ist klar, 1,9 % ist die Steigerung, 1 % war nach dem Finanzplanungsrat vorgesehen.

Ihr Problem ist: Weil Sie nicht rechtzeitig den Fuß vom Gaspedal genommen haben, sondern vier Jahre lang den Motor immer auf vollen Touren gedreht haben und immer munter auf Kredit getankt haben, werden Sie jetzt gezwungen, eine Vollbremsung hinzulegen. Und wie es eben bei Vollbremsungen ist, das ist nicht gut für die Insassen, und das ist nicht gut für das Material.

(Beifall bei der SPD)

Ein Blick in den Finanzplan macht Ihre ganze verfehlte Ausgabenphilosophie deutlich. Sie haben wieder erhebliche Luftbuchungen vorgenommen, die Risiken summieren sich pro Jahr auf etwa 1 Milliarde c. Da werden globale Minderausgaben und globale Mehrausgaben vorgenommen, da werden erhebliche Veräußerungen von Vermögen eingeplant und wieder einmal Steuermehreinnahmen durch Bundesregelungen: 585 Millionen c. Davon machen Koch/Steinbrück höchstens 150 Millionen c aus, 585 Millionen c erwarten Sie wiederum durch Mehreinnahmen aus bundespolitischen Regelungen. Das macht, wie ich glaube, alles deutlich. Entweder sind diese Zahlen unsolide, oder Sie haben schon mehr im Koffer, was Sie in Berlin planen.

Selbst wenn man diese Risiken außer Betracht lässt, ist dieser Finanzplan ein Zahlenwerk des Schreckens; denn obwohl die Landesregierung – das muss man sich einmal überlegen – wiederum von Steuermehreinnahmen ausgehen kann, von einer Steigerung der Steuereinnahmen von

2003 auf 2007 in Höhe von sage und schreibe 2,27 Milliarden c, obwohl also diese immense Steigerung im Finanzplan vorgesehen ist, schaffen Sie es, im Durchschnitt über 700 Millionen c Schulden im Jahresdurchschnitt zu machen. Das zeigt doch alles, auch Ihre verkehrte Philosophie, die Sie in diesem Finanzplan dokumentieren.

(Michael Boddenberg (CDU): Da haben Sie falsch gerechnet!)

Nein, da haben Sie falsch gerechnet.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Die haben gar nicht gerechnet!)

Die haben gar nicht gerechnet, Herr Irmer, das glaube ich. Dieser Zwischenruf war richtig.

Meine Damen und Herren, es ist interessant, in dieser Finanzplanung noch einmal auf die Ausgabenseite zu schauen, denn die Landesregierung plant schon wieder, nachdem sie 2004 absenkt, nachdem 2005 die Ausgaben in etwa in der Waage gehalten werden sollen, dann vor der Landtagswahl 2006 wieder richtig auf Touren zu drehen mit einer Steigerung des Haushalts um 1,7 % und 2007 mit einer weiteren Steigerung von 1,9 %. Ab 2006 soll also wieder in die Vollen gegangen werden, um die Wahlgeschenke vor der Landtagswahl zu finanzieren. Das hat doch mit solider Finanzplanung nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Was wären die Alternativen? Darauf warten Sie ja gespannt, und darauf will ich jetzt eingehen. Ich will noch einmal deutlich machen, was die Alternativen gewesen wären; denn Sie haben jetzt den Haushalt so an die Wand gefahren, dass Änderungen schwer möglich sind. Ich will nur einmal auf unsere Zeit verweisen, als Rot-Grün verantwortungsvolle Ausgabenpolitik in diesem Lande gemacht hat. Der Haushalt 1996 hatte unter Rot-Grün gegenüber 1995 ein Minus von 0,5 %. 1997 haben wir den Haushalt sogar um 0,6 % abgesenkt, und im Jahre 1998 wurde noch einmal um 0,8 % gekürzt.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Auch wir waren zum Sparen gezwungen, Herr Boddenberg, weil es zum Teil zurückgehende Steuereinnahmen gab und weil auf jeden Fall die Steuereinnahmen weit hinter den Prognosen zurückblieben. Aber wir haben gespart, manchmal sicherlich gegen Widerstände, manchmal gegen Egoismen in Fachressorts. Wir haben Bediensteten einiges zugemutet, die Jubiläumsprämie gestrichen, die Ministerialzulage abgeschmolzen, Beförderungsmöglichkeiten eingeschränkt. Meine Damen und Herren, das waren in der Tat Zumutungen für Mitarbeiter in den Behörden des Landes. Wir haben denen einiges abverlangt. Aber was machen Sie? Mehrarbeit für weniger Geld ist Ihr Motto. Sie nehmen den Beamtinnen und Beamten mit der Erhöhung ihrer Arbeitszeit auf immerhin 42 Stunden, mit der Kürzung des Weihnachtsgeldes und mit der Streichung des Urlaubsgeldes insgesamt mehr als 10 % weg. Das sind echte Zumutungen in diesem Lande.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie Zwischenfragen?

Ich bin ziemlich in Zeitnot, aber bitte schön.

Herr Kollege Boddenberg.

Herr Schmitt, können Sie uns vielleicht noch einmal darüber informieren,wie sich die Neuverschuldung des Landes Hessen in der Zeit von 1991 bis 1999 unter Ihrer Verantwortung entwickelt hat und ob Sie zum gleichen Zeitpunkt in den Bereichen Sicherheit, Schule, Verkehr, Straßenbau so investiert haben, wie Sie das hier dauernd vorgeben?

Das ist eine wunderschöne Frage. Lieber Kollege Boddenberg, Sie müssen gerade über Straßenbau reden. Haben Sie einmal in den Haushalt 2004 gesehen?

(Beifall bei der SPD)

Haben Sie einmal hineingeschaut – ich bin gerade bei diesem Punkt –, was Sie der Polizei zumuten?

(Beifall bei der SPD)

Wie kommt es denn dazu, Kollege Boddenberg – ich hatte schon gefragt, ob ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren darf –, dass der Beamtenbund, sicherlich keine sozialdemokratische Vorfeldorganisation, gestern zu Herrn Koch gesagt hat, er habe „ohne soziales Gewissen die hessischen Beamten beschissen“?

(Beifall bei der SPD)

Die haben mehrmals wiederholt: „Koch muss weg“. Das ist doch das Ergebnis. Das ist doch Ihre eigene Klientel, und die Menschen sind enttäuscht.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, jawohl, ich weiß, wie die Steigerungsraten in der Nettoneuverschuldung sind, aber es hat noch nie gegeben, was Sie zusammengebracht haben, nämlich viermal hintereinander einen verfassungswidrigen Haushalt vorzulegen. Das in der Tat hat noch keine Ihrer Vorgängerregierungen geschafft.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Frage nicht beantwortet!)

Meine Damen und Herren, die Leidtragenden dieser Politik von Roland Koch sind in der Tat die Bediensteten in diesem Lande.

(Zurufe von der CDU: Straßenbau!)

Der Staatssekretär aus dem Umweltministerium – jetzt muss ich nach einem Wort ringen – hat gesagt, dass möglicherweise sogar bei den Waldarbeitern betriebsbedingte Entlassungen vorgesehen sind. Als Alternative, hat er gesagt, könnten die Waldarbeiter ja in den Knast gehen und die Förster in die Schule.Meine Damen und Herren,diese Landesregierung ist wirklich mit ihren Vorschlägen am Ende.Anders kann man dieses nicht mehr kommentieren.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben den Bediensteten einiges zugemutet in unserer Zeit, völlig klar, Herr Boddenberg.

(Michael Boddenberg (CDU): Wann beantworten Sie eigentlich meine Frage?)