Protokoll der Sitzung vom 27.11.2003

Der Hochschulpakt – das muss man denen erklären, die nicht jeden Tag mit Hochschulpolitik zu tun haben – sieht eine jährliche Steigerung des Etats bis zum Jahre 2005 vor. Diese Steigerung ist auch für das Jahr 2004 berechnet und auf die einzelnen Hochschulen verteilt worden. Von dieser erhöhten Basis erfolgte die Kürzung, sodass der Gesamtetat höher als im vergangenen Jahr ist. Die Kürzung – das ist mir an dieser Stelle wichtig – erfolgte im Einvernehmen mit den Präsidenten der Hochschulen.

(Nicola Beer (FDP): Nicht von allen!)

Sie wird von mir als Solidarbeitrag der Universitätspräsidenten in allgemein wirtschaftlich schwerer Lage gewertet. Ich bin sehr dankbar, dass dies im Einvernehmen mit den Präsidenten geschehen konnte.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Zusatzvereinbarung, die nun zwischen Hochschulen und Ministerium abgeschlossen worden ist, zeigt, dass alle Hochschulpräsidenten und die Landesregierung am Hochschulpakt festhalten. Deshalb stelle ich das hier noch einmal klar. Der Hochschulpakt steht und gilt. Ich kenne keinen Präsidenten, der das bestreiten würde.

(Beifall bei der CDU – Jürgen Walter (SPD): Wie Sie Herrn Postlep beschimpft haben, ist schon ein starkes Stück!)

Als Gegenleistung erwarten wir aber auch, dass sich die Studienbedingungen sichtbar verbessern und die Qualität zunimmt. Dazu gehören auch die Studienbedingungen – Frau Sorge hat es angesprochen –, die nicht optimal sind, die aber schon seit Jahren nicht optimal sind.

(Zurufe der Abg.Frank-Peter Kaufmann und Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Damit die Studienbedingungen besser werden können, haben wir ein neues System eingeführt. Mit überfüllten Hörsälen und schlechter Betreuung kann man keinen motivieren. Das führt auch nicht zu besseren Startchancen der jüngeren Generation. Nur die Veränderung der Bedingungen an den Hochschulen rechtfertigen aber auch, von den Bürgern zu verlangen, aus allgemeinen Steuermitteln Geld in die Hochschulen zu stecken. Das ist genau der Punkt, an dem wir arbeiten müssen. Deswegen ist es weiterhin unser Ziel,gemeinsam mit den Hochschulen die Zukunftsprojekte weiterzuentwickeln. Ich will nur zwei beispielhaft nennen: die Modellhochschule Darmstadt und den Aufbau einer virtuellen Hochschule, für die 380.000 c in den Haushalt eingestellt sind.

Ich will etwas zu den Änderungsanträgen der CDU sagen, die zum Haushalt eingebracht worden sind. Die brisante Wohnungssituation für Studenten hat uns zu einem Änderungsantrag veranlasst, der zur Verbesserung der Wohnungssituation, insbesondere im Ballungsgebiet, beitragen soll.Es soll ermöglicht werden,dass Erbbaurechte auf landeseigenen Grundstücken kostenlos für Zwecke des Studentenwohnheimbaus auch an private Investoren und Betreiber vergeben werden können.

Ein weiterer Änderungsantrag betrifft die außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Die ursprünglich 20-prozentige Kürzung bei der Hessischen Stiftung Friedensund Konfliktforschung beläuft sich nun gegenüber 2003 auf 8,3 %. Dieser Ansatz wird auf 2 Millionen c erhöht. Damit wird es der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung ermöglicht, in die so genannte Blaue Liste zu kommen.

Wir haben die Mittel für das Sigmund-Freud-Institut um 119.000 c erhöht. Es widmet sich der Forschung, der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Bereich der Psychoanalyse und unterhält eine psychoanalytischpsychotherapeutische Ambulanz. Da zurzeit ein neues Konzept erarbeitet wird und neue Forschungsschwerpunkte gesetzt werden sollen, wollen wir durch die Erhöhung gewährleisten, dass die neue Konzeption eine Chance auf Umsetzung erhält.

Ich komme nun zu dem Zukunftssicherungsgesetz,in dem das Studienguthabengesetz verankert ist und in dem die so genannten Langzeitstudiengebühren erhoben werden sollen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Meine erste Aussage:Es gibt weiterhin ein gebührenfreies Erststudium. Das ist eine ganz wichtige Feststellung. Ich glaube, dass es nach wie vor viele Studenten gibt, die nicht wissen, dass es ein gebührenfreies Erststudium gibt, und immer noch der Auffassung sind, dass Studiengebühren vom ersten Semester an bezahlt werden sollen.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Das Gesetz enthält die Aussage, dass maximal zwei Jahre auf die Regelstudienzeit hinzugegeben werden, bevor die Langzeitstudiengebühren erhoben werden – ohne weitere Begründung. Das ist aus unserer Sicht ein Zuschlag ohne besondere Gründe, in dem man das Studium durchaus beenden kann. Es gibt viele Ausnahmeregelungen in diesem Gesetz. Diese Ausnahmeregelungen führen dazu, dass mehr Gerechtigkeit herrscht. Es kann ein Antrag gestellt werden, dass das Studienguthaben aufgrund besonderer Gründe erweitert wird: wegen Beurlaubungen, Promotion, Kinderbetreuung und Ähnlichem mehr. – Frau Sorge, Sie haben gesagt, das stimme mit dem BAföG nicht überein. Das ist nicht Ziel des Gesetzes. Ziel des Gesetzes und der Verordnung ist es, dass es genau zusammenpasst

(Zurufe der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Nicola Beer (FDP))

und dass durch das Studienguthabengesetz sogar noch ein Guthaben über das BAföG hinaus erwächst. Es ist möglich,Gründe wie Kinderbetreuung für Kinder bis 18 Jahre, pflegebedürftige Angehörige und Ähnliches mehr anzugeben. Frau Sorge, ich gebe Ihnen aber Recht: Wenn es Unklarheiten gibt – und der Wille existiert –, dann bedarf es der Klarstellung dieser Regelungen.

Durch die Anhörung ist aus meiner Sicht deutlich geworden, dass es bei den Übergangsregelungen derer, die sich bereits im Studium befinden, noch Änderungsbedarf gibt.

Frau Sorge, wenn ich Sie anspreche, wäre es vielleicht gut, wenn Sie auch zuhören. Denn bei den Übergangsregelungen sind wir vielleicht nicht so weit auseinander. – In der Anhörung ist durch die Beispiele, insbesondere der Studenten, deutlich geworden, dass die im Studium Befindlichen anderer Regelungen bedürfen, damit sie das Studienguthaben in geeigneter Form geltend machen können.

An dieser Stelle möchte ich Ihnen sagen: Das, was Sie über die Präsentation des Ministers im Internet gesagt haben, Frau Sorge, ist eine schiere Unverschämtheit. Sie haben sich mit dieser Internetpräsentation Punkt für Punkt beschäftigt. Insofern denke ich, Sie haben allein durch die Beschäftigung damit widerlegt, dass es eine unsinnige Präsentation ist.

(Zuruf der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie haben gezeigt, wie viele Studenten sich damit beschäftigen und Aufklärung über einen solchen Weg suchen. Ich finde es vorbildlich, dass das Ministerium in diesem Bereich so etwas einstellt und damit für Aufklärung sorgt.Da viele ASten im Moment darüber nicht aufklären, ist es legitim, dass das Ministerium auf diesem Wege versucht, eine breite Zahl von Studierenden zu erreichen.

(Zurufe der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Gernot Grumbach (SPD))

Deswegen bin ich dem Minister an dieser Stelle ausgesprochen dankbar dafür, dass er diese Informationspolitik betreibt.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Weiterhin möchte ich zu den Langzeitstudiengebühren sagen, dass es wohl kaum zumutbar ist, dass die Allgemeinheit die Kosten für die selbst verschuldeten Lang

zeitstudenten trägt. Es ist durchaus zumutbar, dass jemand, der lange Zeit studiert, 500 c im ersten Semester, 700 c im zweiten Langzeitsemester und 900 c ab dem dritten Langzeitsemester auf sich nimmt.

Ferner ist auch in der Anhörung deutlich geworden, dass diejenigen Studenten, die infolge der schlechten Studienbedingungen nichts dafür können,dass ihr Studium länger dauert, nicht benachteiligt werden dürfen. Es muss eine Regelung gefunden werden, sodass jemand, der auf einer Warteliste steht und deswegen einen Schein nicht machen kann, nachweisen kann, dass er das Studium nicht in der ordnungsgemäßen Zeit durchziehen konnte. Derjenige muss auch Studienguthaben erlangen.

Frau Kühne-Hörmann, kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.

Zum Schluss will ich kurz noch Folgendes sagen: Was die Aussage des Kasseler Universitätspräsidenten, Herrn Postlep, anlangt, ist es durchaus so, dass sie so verstanden werden konnte, dass die Studenten aufgefordert werden, den Streik im öffentlichen Raum durchzuführen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Na, na, na! – Zurufe der Abg. Nicola Beer (FDP) und Michael Siebel (SPD))

Man konnte es auch so auffassen, dass dadurch die Studienbedingungen behindert werden. Ich meine, der Präsident hat ein Interesse daran, dafür zu sorgen, dass der Betrieb in seinem Bereich ordentlich läuft.Dann gibt es auch keine Drohungen in der Form, dass es Auswirkungen auf das Budget hat. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU – Lebhafte Zurufe von der SPD)

Als nächster Redner hat Herr Abg. Siebel für die SPDFraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mit einer guten Nachricht beginnen. Gestern stand unter anderem in der „Frankfurter Rundschau“:

An Hessens Hochschulen hat es noch nie so viele Studierende gegeben wie in diesem Wintersemester. Es seien 177.500 Studentinnen und Studenten eingeschrieben, 13.000 mehr als im vergangenen Wintersemester, teilte das Statistische Landesamt in Wiesbaden mit. Einen Höchststand hat demnach mit 46,4 % auch der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl der Studierenden erreicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir uns allerdings die Realität im Haushalt des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst anschauen, dann muss man den Eindruck haben, als hätte dieses Ministerium unglaublich viel Angst vor so vielen neuen Studierenden im Lande Hessen.

(Zuruf des Abg.Armin Klein (Wiesbaden) (CDU))

Sie haben offensichtlich Angst davor, dass 13.000 mehr junge Menschen eine akademische Karriere in diesem Land anstreben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie sind angetreten, das Land Hessen zum Bildungsland Nummer eins zu machen. Mit den Anträgen, die Sie im Einzelplan 15 und im Haushaltsentwurf realisiert haben, gehen Sie jetzt aber mit der Abrissbirne an einen Bereich, der unserer Ansicht nach dringend erweitert werden müsste.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Nicola Beer (FDP))

Deshalb will ich auch eine Bemerkung zu dem machen, was gestern der Ministerpräsident zu dem Kasseler Universitätspräsidenten gesagt hat. Gestern hat der Ministerpräsident dem Präsidenten der Universität Kassel gedroht,

(Beifall der Abg. Nicola Beer (FDP))

die Zuweisung der Mittel nicht mehr von den vereinbarten Parametern abhängig zu machen, sondern von dem Faktor Wohlverhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Nicola Beer und Dieter Posch (FDP))

Der Ministerpräsident hat demnach weder den Hochschulpakt noch die leistungsorientierte Mittelzuweisung verstanden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) und Nicola Beer (FDP))

Das scheint auch nicht das Problem zu sein. Denn der Hochschulpakt wurde ja gebrochen.Von daher ist es nicht so schlimm, dass der Ministerpräsident das nicht verstanden hat.