Protokoll der Sitzung vom 16.12.2003

Ich finde es schon ein bisschen seltsam, dass Sie hier zum wiederholten Mal darauf hingewiesen haben, dass wir keine soziale Komponente eingebaut hätten. Das haben wir. Das wissen Sie ganz genau. Das betrifft nämlich das Urlaubsgeld.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Ach, ja!)

Das ist noch nicht einmal beim Bund vorgesehen. Die GRÜNEN haben wortreich erklärt, sie hätten den Bund aufgefordert, hier Nachbesserungen vorzunehmen. Das ist aber nicht geschehen. Insofern sollten Sie bei dieser Frage den Mund nicht so voll nehmen.

Frau Zeimetz-Lorz, Herr Boddenberg möchte eine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie das?

(Birgit Zeimetz-Lorz (CDU):Aber natürlich!)

Frau Kollegin, Sie haben eben die Situation in den anderen Bundesländern angesprochen. Ist Folgendes richtig? Ich habe das erst gestern gehört. Ich wollte es erst gar nicht glauben. Zum Beispiel müssen in Nordrhein-Westfalen die Bediensteten der Polizei ähnlich, wie wir es jetzt in Hessen machen, mit Kürzungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld rechnen. Auch dort werden die Bediensteten wöchentlich mehr arbeiten müssen. Darüber hinaus wird dort die Altersregelung aber auch eine andere sein, als es bisher der Fall war. Dort soll eine Altersruhestandsregelung mit einem Eintrittsalter von generell 62 Jahren eingeführt werden. Ist das richtig?

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Herr Boddenberg sollte nachher selbst eine Rede halten!)

Lieber Herr Kollege Boddenberg, das ist richtig. Ich wäre darauf noch zu sprechen gekommen.

(Beifall des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP) – Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Ich finde das schon ein bisschen merkwürdig. Denn alle in diesem Haus wissen es. Es ist nachweisbar, dass die Regierung von Nordrhein-Westfalen nicht von der CDU geführt wird. Ich möchte an dieser Stelle betonen: Dies ist n o c h n i c h t der Fall. – In Nordrhein-Westfalen wird in der Tat noch darüber hinausgegangen. Davon haben wir hier in Hessen ausdrücklich Abstand genommen. Es geht da um die Frage der Verlängerung der Lebensarbeitszeit.

Auch darüber hätte man diskutieren können. Herr Rudolph hat das hier nicht angesprochen.

(Michael Boddenberg (CDU): Frau Kollegin, das hat er bestimmt vergessen, oder er weiß es nicht!)

Das ist unangetastet geblieben. Ich denke, dass wurde aus guten Gründen so gemacht.

Wir haben aber auch noch einen anderen wichtigen Bereich ausgeklammert. Herr Rudolph hat mit einem Nebensatz darauf hingewiesen. Das sind die Versorgungslasten. Natürlich betrifft dies auch die Lasten aufgrund der Beihilfe. Hessen ist, was die Leistungen der Beihilfe angeht, einsame Spitze. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf das bereits genannte Nachbarland NordrheinWestfalen hinweisen. Ich kann auch auf ein Nachbarland verweisen, das, von hier aus betrachtet, geographisch näher liegt als Nordrhein-Westfalen. Das ist RheinlandPfalz. Dort ist es zu ganz erheblichen Einschnitten bei der Beihilfe gekommen. Wir haben das nicht angetastet. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen.

Ich komme zu einem weiteren ganz wichtigen Punkt, der hier schon mehrfach angesprochen wurde.Es wird in Hessen keinen Beförderungstopp geben. Ich denke, auch das ist ein Stück weit für die zukünftige Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig.Wir machen es uns nicht so einfach und sagen: Wir sparen Geld, indem wir keine Beförderungen mehr vornehmen.– Wir wollen auch Beförderungen im Jahr 2004 vornehmen.

(Beifall des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, was Sie mit Ihrem vorliegenden Antrag verlangen. Ich habe es sehr oft gelesen. Ich bin trotzdem nicht schlau daraus geworden. Es erscheint mir ein Stück weit wie die Quadratur des Kreises.Auf der einen Seite wollen Sie die Arbeitszeitverlängerung der Beamtinnen und Beamten von 38,5 auf 42 Stunden aufgehoben haben.Auf der anderen Seite wollen Sie den Anstieg der Personalausgaben auf 1 % begrenzen. Das wollen auch wir mit der „Operation sichere Zukunft“ erreichen.Das werden wir mit der „Operation sichere Zukunft“ auch erreichen. Sie werden das mit Ihrem Antrag aber nicht erreichen. Ich will Ihnen das gern an dieser Stelle erläutern.

Man muss sich vor diesem Hintergrund vergegenwärtigen, dass es für uns in Hessen nicht beeinflussbare, zwangsläufig uns erreichende Mehrbelastungen gibt. Ich denke dabei z. B. an die letzte Tariferhöhung, an das Ergebnis der Tarifverhandlungen vom Anfang dieses Jahres. Es wurde eine Erhöhung um 2,4 % ausgehandelt. Das kostet das Land allein 440 Millionen c.Das heißt,die vom Land nicht beeinflussbaren Faktoren, also die, an denen wir überhaupt nichts ändern können, machen einen Anteil von 1,9 % aus. Wenn man dann ein bisschen rechnen kann und die Grundrechenarten ein Stück weit beherrscht, kommt man ganz schnell zu dem Schluss: Wenn ich den Anstieg der Personalausgaben auf 1 % begrenzen will, kann ich das nur erreichen, indem ich massiv, und zwar ganz massiv, Stellenabbau betreibe.

Wenn man Ihrem Antrag folgen würde und den Anstieg der Personalausgaben auf 1 % begrenzen würde, dann hätte man im Prinzip nur zwei Lösungsmöglichkeiten.Die eine wäre das Aussprechen betriebsbedingter Kündigungen, und zwar in einem ganz erheblichen Umfang. Nach Berechnungen aufgrund eines Modells müssten zur Reduzierung des Anstiegs der Personalausgaben auf 1 % mindestens für 1.500 Stellen zum 1. Januar 2004 Kündi

gungen ausgesprochen werden. Ich denke, das ist eine Lösung, die wir alle gemeinsam nicht haben wollen.Aber Ihr Antrag verlangt das im Prinzip.

Alternativ dazu käme die weitestgehende Vermeidung von Neueinstellungen externer Natur in Betracht. Dies hätte die Folge, dass der Einstellungsbedarf des Landes bis auf weiteres durch landesinterne Umsetzungen des Personals abgedeckt werden müsste. Sie haben sehr über die Personalvermittlungsstelle geschimpft. Das ist aber der Ansatz, für den wir uns entschieden haben.Wir wollen interne Umsetzungen. Das ist natürlich auch mit Zumutungen verbunden,die z.B.dahin gehen können,dass man einen längeren Anfahrtsweg zur Arbeit in Kauf nehmen muss.Ich sage es einmal so:Ich denke,wenn man die Wahl zwischen Pest und Cholera hat, ist ein längerer Anfahrtsweg das, was man bevorzugen sollte.

(Günter Rudolph (SPD): An beidem kann man sterben!)

Deswegen hat sich die Landesregierung für diese letztgenannte sozialverträgliche Variante entschieden.

(Norbert Schmitt (SPD): Die Cholera-Variante!)

Die Personalentwicklungsbörse soll demnach zu einer echten Personalvermittlungsstelle ausgebaut werden. Damit wird die Voraussetzung geschaffen, diesen Weg erfolgreich zu beschreiten.

Die Erhöhung der Arbeitszeit schafft auch einen wesentlichen Freiraum dafür, die Einstellungen externer Bewerber so gering wie möglich zu halten. Sie haben die Gefahr der Vergreisung der Verwaltung angesprochen. Die haben wir im Blick. Ich denke, es ist sinnvoll, einen Einstellungskorridor zu halten, selbst wenn dieser eng ist.

Wenn wir dem folgen würden, was Sie mit Ihrem Antrag fordern, würde es uns jetzt nichts helfen. Denn mit dem, was Sie in Ihrem Antrag fordern, verschieben Sie das Problem im Grunde genommen unabsehbar weit in die Zukunft. Sie haben einige Beispiele für Beschäftigungspakte genannt. Sie entstammten sinnigerweise alle der Privatwirtschaft.

(Günter Rudolph (SPD): Ja, und?)

Andere Bundesländer haben sich um ähnliche Beschäftigungspakte bemüht. Wenn mich meine Erinnerung und meine Beobachtung nicht trügen, gab es dort jahrelang Verhandlungen mit gigantisch schlechten Ergebnissen, oder die Verhandlungen scheiterten sogar.Insofern haben Sie sich wortreich darum herumgewunden, zu sagen, wie ein Problem, das jetzt ansteht und das jetzt einer Lösung zugeführt werden muss, jetzt auch gelöst werden kann.

Mit Ihrem Antrag werden Sie nicht zielführend sein. Natürlich sind wir bereit, das mit Ihnen zu diskutieren.Aber ich glaube nicht, dass das zu dem von uns als notwendig erachteten Ziel führt; denn die Haushaltssituation ist so, wie sie ist.

Frau Zeimetz-Lorz, Herr Kollege Schmitt von der SPDFraktion hätte gern eine Zwischenfrage gestellt. Gestatten Sie sie?

(Birgit Zeimetz-Lorz (CDU): Wenn ich noch Zeit habe!)

Wenn sie noch Zeit hat, also zunächst verschoben.

(Birgit Zeimetz-Lorz (CDU): Nein, wenn ich jetzt noch Zeit habe!)

Entschuldigung. – Herr Schmitt, Sie dürfen.

Frau Kollegin Zeimetz-Lorz, wenn Sie sagen, das klappe alles nicht, wie würden Sie dann die Eckdaten der Landesregierung zur Entwicklung der Landesfinanzen interpretieren, die eine Steigerung der Personalkosten in den Jahren 2005, 2006 und 2007 um jeweils 1 % vorsehen, also genau dasselbe, was wir mit unserem Antrag vorhaben?

Ich bestreite gar nicht, dass Sie vorhaben, die Steigerung der Personalausgaben auf 1 % zu reduzieren. Nur, Sie widersprechen sich ein Stück weit in Ihrem eigenen Antrag.Wir bezweifeln, dass Sie dieses Ziel, das Sie in Ihrem Antrag formuliert haben, mit dem Vorschlag erreichen können.Aber, wie gesagt, wir können gern darüber diskutieren. Ich gehe davon aus, dass dieser Antrag nicht direkt abgestimmt werden soll, sondern an den zuständigen Ausschuss überwiesen wird. Lassen Sie uns dort um den richtigen Weg ringen.

Nochmals: Herr Rudolph, man kann darüber streiten, was sinnvoll ist und was nicht sinnvoll ist. Nur, es hilft nichts, wenn man darüber schimpft, dass wir eine Personalvermittlungsstelle schaffen wollen und dass wir gezwungen sind, soundso viele Stellen in der Landesverwaltung abzubauen. Sie haben auf das Suchan-Papier hingewiesen; das ist heute schon mehrfach geschehen. Deshalb lassen Sie uns im Ausschuss in aller Ruhe über Ihren Antrag reden und ohne Schaum vor dem Mund gemeinsam nach Lösungen suchen. So, wie Sie es sich vorstellen, wird es nicht funktionieren. Aber wir werden das im Ausschuss einer näheren Betrachtung unterziehen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank.– Ich darf Herrn Frömmrich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Zeimetz-Lorz, man kann Ihnen ein Kompliment machen. Sie haben das sehr charmant vorgetragen.Aber deswegen wird das,was Sie hier so behauptet haben,nicht unbedingt wahrer.

(Minister Volker Bouffier: Na, na, na!)

Es geht nicht an – das haben wir von Herrn Grüttner gehört, das haben wir in der Vergangenheit von mehreren Mitgliedern der Landesregierung erlebt –, dass Sie immer dann, wenn es um Ihre „Operation düstere Zukunft“ geht, Beispiele aus anderen Bundesländern bemühen. Sie stehen hier im Hessischen Landtag und haben in Hessen gemachte Versprechen einzuhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Das Versprechen des Ministerpräsidenten war: Es wird keine Sonderopfer für Beamtinnen und Beamte geben. – An dem Versprechen werden wir Sie messen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Was machen die denn in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen? Kommen Sie einmal zur Sache!)

Vielleicht stellen wir Sie einmal ein bisschen leiser, dann kann man auch noch der Debatte folgen.

Der zweite Punkt, den Sie angesprochen haben – auch sehr charmant, wie ich meine –, war der Versuch, das Suchan-Papier ein bisschen beiseite zu schieben.

(Birgit Zeimetz-Lorz (CDU): Nein!)

Das haben Sie beiseite geschoben. Fakt ist, Frau Kollegin Zeimetz-Lorz: Wenn Sie in den letzten vier Jahren den Pfad, den Suchan in der Personalpolitik beschrieben hat, nicht verlassen hätten und nicht Personalkostenquoten von 48 % erreicht hätten, dann bräuchten wir heute nicht über diese düstere Zukunft zu reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)