Protokoll der Sitzung vom 17.12.2003

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich zum Abschluss sagen – wir brauchen es heute nicht unendlich auszudehnen –:Wir können mit der Entwicklung zufrieden sein, die wir in Hessen in diesem Jahr hatten. Die Nettoneuverschuldung sinkt gegenüber dem letzten Jahr deutlich. Sie wird im nächsten Jahr nach allem, was wir jetzt wissen, trotz allem, was wir morgen noch beschließen müssen, wiederum sinken. Das heißt, wir gehen in die richtige Richtung.

Wir sind aber noch nicht dort, wo wir hinwollen. Ich gebe durchaus zu, wir haben immer noch einen Nachtragshaushalt 2003 oberhalb der Verfassungsgrenze. Ob der Haushalt für 2004 im Vollzug verfassungswidrig sein wird, wird man noch sehen. Wir senken aber die Nettoneuverschuldung deutlich, und wir haben alles getan, damit wir in den nächsten Jahren wieder auf finanziell gesunden Füßen stehen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle abschließend allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Finanzministerium und den Mitarbeitern der Fraktionen danken, die hart arbeiten mussten, um die Anträge kurzfristig zu bearbeiten. Wir wissen, was wir ihnen zugemutet haben. Wir haben zum Ende dieses Jahres noch einen Haufen Arbeit vor uns, bis morgen der Haushalt 2004 verabschiedet ist. An dieser Stelle möchte ich aber schon einmal einen ganz herzlichen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung sagen, denen wir viel zugemutet haben.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abg. Wagner für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie auch schon im vergangenen Jahr beraten wir heute, wenige Tage vor Ende des Jahres, über den Nachtragshaushalt für das laufende Haushaltsjahr. Herr Kollege Milde, Sie haben ausdrücklich Recht: Der Finanzminister hat mit dem Nachtragshaushalt wieder „ganze“ Arbeit geleistet. Sieben Tage vor Heiligabend, 14 Tage vor dem Ende des Jahres hat er zum ersten Mal in diesem Haushaltsjahr einen annähernden Überblick darüber, wie die Einnahmen und Ausgaben zusammengebracht werden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Milde, dazu sagen wir Glückwunsch.Wir haben gedacht, er schafft es gar nicht mehr in diesem Jahr – aber 14 Tage vor Jahresende ist für eine seriöse Haushaltsplanung eigentlich ein bisschen spät.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist schon eine reife Leistung: kurz vor fiskalischem Toresschluss das Haushaltsist zum Haushaltssoll zu erklären, die Nettoneuverschuldung um mehrere Hundert Millionen € gegenüber dem Ansatz 2003 zu erhöhen. Der Kollege Milde vermittelt dem erstaunten Publikum, dass das gegenüber 2002 – wir erinnern uns, das war die Rekordneuverschuldung – eine Senkung der Neuverschuldung ist. Herr Kollege Milde, die Wahrheit ist: Sie sind mit der Verschuldung im Nachtragshaushalt verfassungswidrig. Sie haben im Nachtragshaushalt die Neuverschuldung um mehrere Hundert Millionen € erhöht. Das ist die Wirklichkeit – keine Absenkung der Neuverschuldung, sondern eine Erhöhung gegenüber dem Ansatz 2003.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wissen Sie, der Finanzminister und der Landeshaushalt, das kommt mir ungefähr so vor wie ein Fußballtrainer und seine Mannschaft. Herr Weimar steht am Spielfeldrand und sieht, das Spiel läuft nicht gut. Die Miene wird immer finsterer, es läuft auf dem Spielfeld wieder gar nichts zusammen.

(Armin Klein (Wiesbaden) (CDU):Wie in Berlin!)

Danke, dass jetzt dieser Zwischenruf kommt, ich gehe gleich darauf ein.

„Eichel ist schuld!“ oder – wie wir es gerade vom Kollegen gehört haben – „Berlin ist schuld!“-Rufe von der Trainerbank verhallen ungehört.Am schlechten Spiel auf dem Platz ändert sich nichts.Alle Rufe der Opposition werden ignoriert, an der Strategie wird unbeirrt festgehalten.

Zwischendurch werden Einnahmen aus Immobilienverkäufen vom Platz getragen:Sie sind unter den überhöhten Erwartungen wieder einmal völlig zusammengebrochen. Für die „Weimar, ans Telefon!“-Rufe vom linken Teil des Stadions hat der Trainer Weimar wieder nur ein abfälliges „Dummes Zeug!“ übrig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber kurz vor Spielende wird alles anders. Da wird noch einmal alles nach vorn in den Angriff geworfen.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Warten Sie es ab, Herr Kollege Reif. – Der finanzpolitische Stürmer Gottfried Milde betritt den Platz.

(Clemens Reif (CDU): Zum Schluss stehts 6 : 0!)

Hören Sie zu. – Er rennt nach vorn, wir haben es eben erlebt.

(Frank Gotthardt und Clemens Reif (CDU): Wir gewinnen mit 56 : 54!)

Er setzt sich durch, er trifft das Tor. – Herr Kollege Milde, leider war es das eigene, das Sie getroffen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind von der CDU-Fraktion einiges gewohnt,wie man die schlechten Leistungen dieser Landesregierung schönreden kann. Aber, Herr Kollege Milde, Ihr Vortrag heute hier und in der ersten und zweiten Lesung des Haushaltes hat schon eine eigene Qualität.Es ist ja nicht so,dass nicht schon bei der Aufstellung des Haushalts vor den Haushaltsrisiken gewarnt worden wäre. Schon bei der Verabschiedung des Haushalts 2002 haben wir Ihnen gesagt, dass Ihre Rechnungen alle nicht aufgehen. Damals war das alles „dummes Zeug“.

Im Mai haben wir Sie aufgefordert, einen Nachtragshaushalt vorzulegen – damals alles angeblich „dummes Zeug“.

Nach der Sommerpause haben wir Ihnen ein Defizit des Landeshaushalts von mehr als 500 Millionen € vorgerechnet – alles angeblich „dummes Zeug“.

Jetzt stellen Sie sich heute hierhin, verabschieden 14 Tage vor Jahresende einen Nachtragshaushalt, der das Ist zum Soll erklärt, die Neuverschuldung um mehrere Hundert Millionen € erhöht, und jetzt versuchen Sie, lieber Herr Kollege Milde, das als „Golden Goal“ zu verkaufen. So gehts nun wirklich nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Milde, Sie haben das eigene Tor getroffen. Dieser Nachtragshaushalt ist kein Golden Goal, er zeigt schlicht und einfach eines: das völlige Scheitern der Finanzpolitik dieses Ministers.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Oder lassen Sie es mich in Anlehnung an den berühmten Fußballökonomen Trappatoni sagen: Eine Opposition ist nicht eine Idiot. Eine Opposition sehen, was passieren in Platz. Was erlauben Weimar? Haben gespielt wie Flasche leer und wollen jetzt auch noch Applaus von Parlament. – So geht es wirklich nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Milde: Weimar hat fertig. – Das ist die schlichte Bilanz am Ende dieses Haushaltsjahres.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich stimme Ihnen zu: Die Steuereinnahmen haben sich nicht so entwickelt wie geplant. Das ist völlig unstrittig. Aber es erklärt nicht das Defizit, das Sie im ursprünglichen Entwurf des Nachtragshaushalts in Höhe von 700 Millionen € ausgebracht haben. Dieses Defizit wird dadurch eben nicht erklärt. Die Löcher in diesem Haushalt sind nicht erst im Vollzug entstanden, sondern sie waren von vornherein im Entwurf dieses Haushalts enthalten.

Beispiel eins: Jenseits aller Steuerausfälle im Haushaltsvollzug hatten Sie mit Steuermehreinnahmen von weit über 10 % gerechnet. Das war Ende letzten Jahres unrealistisch, und logischerweise ist es Ende dieses Jahres ebenfalls unrealistisch. Herr Kollege Milde, das war im Ansatz falsch, nicht im Vollzug.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Beispiel zwei: Bei den Erlösen aus den Immobilienverkäufen war es noch toller. Die sollten angeblich im Haushalt 2003 gegenüber dem Haushalt 2002 um über 1000 % steigen – 115 Millionen € wollte der Finanzminister erlösen.Am Ende dieses Jahres sind es gerade einmal 15 Millionen € geworden. Es fehlen 100 Millionen €. Das sind 100 Millionen €, für die einzig und allein Sie verantwortlich sind, nicht Berlin, nicht Herr Eichel. Herr Weimar ist dafür verantwortlich.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittes Beispiel – jetzt wird es etwas perfide –: der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst. Ende letzten Jahres haben wir Ihnen nachgewiesen, dass Sie im Haushalt dafür keinen einzigen Cent eingeplant haben. Jetzt kann man darüber streiten, ob der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst zu hoch war oder nicht. Was aber ausdrücklich nicht geht, ist, dass diese Landesregierung dafür keinen einzigen Cent eingeplant hat – und jetzt versucht, den Eindruck zu erwecken, der Tarifabschluss sei schuld an

den Haushaltsproblemen dieses Landes. Das geht nun wirklich nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es kommt noch viel schlimmer. Der Finanzminister stellt immer den Zusammenhang zwischen den Kürzungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld und diesem aus seiner Sicht unverantwortlich hohen Tarifabschluss her. Die schlichte Botschaft an die Beschäftigten ist: Ihr seid mit eurem Tarifabschluss selbst schuld.Um den zu finanzieren – weil wir keine Vorkehrungen getroffen haben –, streichen wir euch jetzt das Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

(Widerspruch des Abg. Armin Klein (Wiesbaden) (CDU))

Diese Argumentation ist wirklich ein bisschen perfide.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre eigenen Berechnungen und Presseerklärungen zum Nachtragshaushalt zeigen Ihr Problem. Der Finanzminister schreibt in seiner Presseerklärung zum Nachtragshaushalt vom Oktober – da hat er ihn vorgestellt –, man habe in Hessen Steuerausfälle von damals 669 Millionen €. Gleichzeitig wird die Neuverschuldung um 705 Millionen € erhöht.

Jetzt wundert man sich: Gab es im Mai nicht so etwas wie eine Haushaltssperre? Gab es da nicht eine Bewirtschaftungsregelung, in der genau auf die damals schon absehbaren Steuerausfälle reagiert wurde? Gab es da nichts? Was ist eigentlich das Ergebnis davon – wenn sich der Finanzminister am Ende des Jahres hinstellt und sagt, die Steuerausfälle müssen wir komplett über die Nettoneuverschuldung finanzieren? Was war denn dann mit der Haushaltssperre? Was ist denn mit der Bewirtschaftungsregelung?