Protokoll der Sitzung vom 17.12.2003

Es wird vorgeschlagen, diesen Antrag dem Innenausschuss zu überweisen. – Ich darf mir die persönliche Empfehlung erlauben, dazu als externe Experten Frau Dr. Happach-Kasan und Herrn Dr. Pinkwart einzuladen.

(Heiterkeit – Nicola Beer (FDP): Professor!)

Vielleicht können wir noch ein paar Experten finden,die uns zur politischen Wahrheit führen.

Meine Damen und Herren, ich rufe nun Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr zu dem Antrag der Fraktion der SPD betreffend Folgekosten bei Gefahrgutunfällen – Drucks. 16/460 zu Drucks. 16/299 –

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Riege das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag datiert vom 1. Juli dieses Jahres. Wer etwas Erinnerungsvermögen hat, wird wissen, dass damals ein Gefahrgutunfall auf der A 5 stattgefunden hat, der zwei Tage lang den Verkehr nahezu lahm gelegt hat.

Unser Begehr war, dass die Landesregierung dazu aufgefordert wird, dafür Sorge zu tragen, dass die Folgeschäden bei Unfällen im Zusammenhang mit Gefahrguttransporten den Verursachern in Rechnung gestellt werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Wirtschaftsausschuss hat sich damit beschäftigt und gesagt: Das ist alles schon geregelt, wir brauchen nichts zu machen. – Dem ist nicht so, und darauf wollte ich Sie als Verantwortliche für die öffentliche Ordnung in diesem Land noch einmal hinweisen. Es gibt eine materielle Rechtsgrundlage für Gefahrguttransporte auf der Straße, die auf einer europäischen Übereinkunft beruht, allerdings erst aus dem vergangenen Jahr, seit dem 1. Januar dieses Jahr in Kraft.

Diese Regelung wird alle zwei Jahre erneuert, und dahin geht mein Anliegen. Die Landesregierung ist daran beteiligt, alle zwei Jahre zu überprüfen, ob die materielle Rechtsgrundlage für Gefahrguttransporte noch den Gegebenheiten entspricht.

Nach unserem Eindruck – der verstärkt sich noch durch Berichte, die man in den Zeitungen lesen kann – ist dies nicht der Fall. Ich nenne Ihnen nur die Überschrift aus einer Zeitung vom 31. Oktober dieses Jahres, also nach unserer Beratung im Wirtschafts- und Verkehrsausschuss. Damals hat die Polizei Gefahrguttransporte auf der A 67 unter die Lupe genommen.Von elf kontrollierten Lastzügen sind neun beanstandet worden. Die Polizei teilt mit, dass mangelhafte Ladungssicherung, Lenkzeit-, Geschwindigkeitsüberschreitungen usw. festgestellt worden sind. Ich gehe davon aus, dass Sie mit mir einer Meinung sind, dass wir uns vor solchen Entwicklungen schützen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Der beste Schutz ist,die Höchstsumme,die in solchen Fällen zu zahlen ist, so weit heraufzusetzen, dass die jeweiligen Unternehmen über ihre Versicherungsprämie dazu gezwungen sind, sorgfältiger mit Gefahrguttransporten umzugehen.

Jeder von uns hört täglich im Radio Meldungen über verloren gegangene und schlecht gesicherte Ladungen. Ich bin davon überzeugt, dass das nicht damit zusammenhängt, dass wir zu wenig kontrollieren, sondern darauf zurückzuführen ist, dass es kein Eigeninteresse des transportierenden Gewerbes gibt, sich mehr um seine Ladungen zu kümmern.

Ich möchte Sie dazu auffordern, gemeinsam mit mir das Wirtschaftsministerium zu bitten, bei der nächsten Verhandlungsrunde, die in diesem Bereich ansteht, die Rechtsgrundlage für Gefahrguttransporte so zu verbessern, dass die Unternehmen aus eigenem Interesse dazu kommen,mehr für die Sicherheit ihrer Ladung zu tun.Dafür wäre ich Ihnen dankbar.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Riege. – Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Dr. Lübcke zu Wort gemeldet.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ohne Pinkwart, bitte!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Riege, wir können uns gut daran erinnern, dass die Behandlung des Antrags dreimal verschoben worden ist. Ich habe mich immer gefragt, worin die Wichtigkeit dieses Antrags besteht. Ich habe zunächst aus Spaß gedacht, sie meinten die Jahre 1998 und 2002, nämlich die Gefahrgutunfälle der Bundestagswahlen und die Schäden mit den Eurobeträgen, die sich heute daraus für uns in Hessen ergeben.Nach den Ausführungen,die Sie eben gemacht haben, habe ich aber eine gewisse Ernsthaftigkeit festgestellt.

Wir haben im Ausschuss darüber gesprochen. Der Unfall auf der A 5 in der Nähe von Friedberg, bei dem die Bundesautobahn zwei Tage lang gesperrt war, war Anlass Ihres Antrags.

Jetzt haben wir Glück, dass im Zuschauerraum gerade Leute aus Kassel sitzen, die Achsen produzieren und daher wissen, wie Autos gebaut werden. Ich glaube, dass es für die Zuhörer interessant ist, mitzuerleben, wie wir dieses Thema hier behandeln.

Herr Riege, bei der Beförderung gefährlicher Güter auf Straßen, Schienen, Wasserwegen und auch in der Luft – wir dürfen ja nicht nur die straßengebundenen Fahrzeuge sehen – hat der Verursacher eines Unfalls oder Zwischenfalls die entsprechenden Folgekosten zu übernehmen. Das ist in § 12a Straßenverkehrsgesetz geregelt. Der Unfall bei Friedberg hat uns gezeigt, dass es zu einem kontaminierten, d. h. einem verseuchten, Boden kommen kann. Dabei geht es nicht nur um das Ausbaggern, sondern auch um die Behandlung des Bodens durch entsprechende Maßnahmen. Die ausgehobene Erde muss aufbereitet und endgelagert werden. Dabei fallen hohe Kosten an.

Zur Gewährung der Zahlungsfähigkeit ist gesetzlich festgeschrieben, dass die Halter dieser Fahrzeuge eine Haftpflichtversicherung auch für Gefahrguttransporte haben müssen. Die Haftpflichtsummen sind zurzeit auf ca. 6 Millionen € festgelegt. Herr Riege, diese Summe hat bisher – auch in Friedberg – ausgereicht.

Eine Schwachstelle sehe ich darin – Sie sprechen das auch an –, dass von den kommunalen Gebietskörperschaften keine Rechnungen für die Folgeschäden durch den Erdaushub und die Verunreinigung der Gräben, Bäche und Flüsse gestellt werden. Es ist wichtig, dass die Bürgermeister bzw. die entsprechenden Verantwortlichen vor Ort das dem Verursacher auch in Rechnung stellen.

Die Hauptursachen für die Unfälle bei der Beförderung von Wasser gefährdenden Stoffen im Straßenverkehr liegen im Verhalten des Fahrzeugführers: Alkohol am Steuer, Müdigkeit, Überschreiten der zulässigen Fahrtzeiten – all das, was Sie angesprochen haben. Der Anteil der technischen Mängel ist Gott sei Dank zurückgegangen.

Sie haben sicherlich Recht, wenn Sie darauf hinwiesen, dass bei den Kontrollen in der letzten Zeit gerade bei der Befestigung der Ladung durch Spanngurte verstärkt Fehler festgestellt worden sind. Aber ich erinnere hier ganz bewusst daran, dass Hessen das Transitland Nummer eins

in Deutschland ist und dass wir hier insbesondere mit den Fahrzeugen aus dem Ostblock Schwierigkeiten haben. Da wünsche ich gute Verrichtung bei der Rechnungstellung. Man muss sich überlegen, ob man nicht die Fahrzeuge sicherstellt oder andere Maßnahmen ergreift. Das alles ist möglich.

(Beifall bei der CDU)

Herr Riege, ich habe mir über eine alle zwei Jahre stattfindende Prüfung – die Sie angesprochen haben – Gedanken gemacht. Sie sprechen wahrscheinlich das „Orange Book“ der Vereinten Nationen an. Wenn Sie in dem „Orange Book“ der Vereinten Nationen einmal genau nachschauen, stellen Sie fest, dass dort eine Empfehlung für den Transport gefährlicher Güter gegeben wird. Alle zwei Jahre sollen Schadstoffimmissionen überprüft werden.An eine Überprüfung der Höhe der Folgeschäden ist aber nicht gedacht. Hier geht es um die Immissionswerte der Güter, die transportiert werden. Das wird alle zwei Jahre gemacht. Seit 1956 wird hier eine Klassifizierung vorgenommen.

Herr Denzin, das Verursacherprinzip greift bei uns in Deutschland. In diesem Zusammenhang möchte ich daher einmal die Rettungsorganisationen erwähnen, die mit schweren Atemschutzgeräten bzw. mit Chemieschutzanzügen versehen zum Einsatz kommen. Man muss sich einmal bei unserem Innenministerium dafür bedanken, dass die Landesfeuerwehrschule entsprechende Lehrgänge vorhält, sodass die ehrenamtlich tätigen Organisationen diese Dienste auf sich nehmen können.

(Beifall bei der CDU)

Sie glauben gar nicht, was das für ein Arbeitsaufwand ist und welches Pensum zu absolvieren ist, bis sie ihre Arbeit leisten können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich glaube, in den Gesprächen mit den Güterkraftverkehrsunternehmen – mit den deutschen Güterkraftverkehrsunternehmen, auf die wir Einfluss haben – feststellen zu können, dass hier eine erhöhte Sensibilität vorhanden ist. Aufklärung und Prävention sind gerade bei Gefahrguttransporten wichtig.

Bitte schauen Sie noch einmal nach. Ihr Ansinnen an die Hessische Landesregierung ist ehrenwert. Sie wissen, wir haben eine leistungsstarke Landesregierung, die sich für unsere Belange in Berlin einsetzt und sie auch durchsetzt. Aber Sie sind in Berlin an der Regierung. Das Straßenverkehrsgesetz können Sie mit Ihrem Kollegen Eichel – Willi Eichel wirds schon richten – absprechen.

Abschließend: Ich bin der Meinung, dass wir in Hessen dank der Überprüfung durch das Bundesamt, dank der Überprüfung durch die Polizei und dank des hohen Ausbildungsstandards unserer Rettungsorganisationen dazu beitragen, dass die Folgeschäden nicht allzu groß werden. Ich bin auch dankbar, dass Sie das Thema hier angesprochen haben. Das gibt uns kurz vor Weihnachten die Möglichkeit, diesen Leuten einen entsprechenden Dank – auch in Ihrem Namen – abzustatten.– Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Lübcke. – Ich darf Herrn Wagner für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass es spätestens durch den Beitrag von Herrn Dr. Lübcke gelungen ist, von der doch etwas humorigen Debatte über Herrn Dr. Pinkwart, die wir bei der Beratung des vorigen Tagesordnungspunktes hatten, zu einem sehr ernsten Thema zu kommen.

Herr Kollege Riege, Sie haben es angesprochen: Der Anlass für Ihre Initiative war, dass es auf der A 5 einen Unfall mit schwersten Auswirkungen gegeben hat. Wenn es einen solchen Unfall gibt, müssen wir uns als Gesetzgeber im Hessischen Landtag immer fragen: Gibt es an den bestehenden Regelungen etwas, was wir verbessern können? Können wir einen Beitrag leisten, um solche Unfälle zu vermeiden oder die Gefahren,die durch solche Unfälle entstehen, zu reduzieren?

Herr Kollege Riege, in diesem Sinne verstehe ich Ihre Initiative. Wir haben im Ausschuss darüber geredet. Allerdings ist in den Ausschussberatungen nicht richtig klar geworden, welche Zielrichtung eine Neuregelung seitens der Landesregierung haben kann.

Herr Dr. Lübcke hat es angesprochen: Die Haftungsfragen sind in § 12a Straßenverkehrsgesetz geregelt. Darin sind auch die Grenzen der Haftung definiert.

Meine Frage an den Kollegen Riege bzw. an die SPDFraktion lautet:Soll die Änderung dahin gehend erfolgen, dass wir die Haftungsgrenzen nach oben setzen? Ohne Haftungsgrenzen werden wir es allerdings nicht regeln können, weil ein Gefahrguttransport schlicht und einfach nicht mehr versicherbar ist, wenn bei der Haftung keine Grenzen gezogen werden.

Im Moment liegt die Grenze bei 6 Millionen €. Die Frage ist: Zielt die Initiative darauf ab, die Haftungsgrenzen hinaufzusetzen? In diesem Fall müssen wir im Ausschuss noch einmal darüber reden.Oder geht es eher um die weiteren volkswirtschaftlichen Schäden – auch das hat Herr Dr. Lübcke schon angesprochen – und die Schäden, die die Anliegerkommunen durch solche Unfälle haben? Dieser Unfall hat auf der A 5, in der Nähe meiner Heimatgemeinde Friedrichsdorf stattgefunden. Die Zielrichtung der Initiative, so, wie sie jetzt vorliegt und wie wir sie im Ausschuss besprochen haben, ist uns nicht klar. Deshalb wird sich meine Fraktion der Stimme enthalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Wagner. – Herr Denzin, Sie haben das Wort für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Man fragt sich in der Tat, worauf der Antrag genau abzielt. In der Begründung heißt es, dass neben den direkten Schäden hohe Kosten für Folgeschäden entstehen, die bis jetzt noch die öffentliche Hand zu tragen habe.

Der Kollege Lübcke meinte, das sei ein Problem, das man rechtlich in den Griff bekommen müsse. Nein, das ist ein tatsächlich bestehendes Problem, kein rechtliches Problem. Die Gemeinden müssen sich das Geld zur Beseitigung der Folgeschäden bei den Verursachern besorgen. Die Verursacher sind gegen Schäden mit bis zu 6 Millio

nen € versichert. Herr Minister, soweit ich mich erinnere, haben Sie bei den Beratungen vorgetragen, dass wir noch nicht einen Fall hatten, wo die Schadenssumme von 6 Millionen € überschritten worden wäre. Insofern geht der Antrag ins Leere. Der Kollege Wagner hat zu diesem Betrag schon gesagt, was die andere Folgewirkung einer Erhöhung wäre.

Wir alle wissen, dass der Kollege Riege hier ein Problem anspricht, das uns – ich sage: Gott sei Dank – wahrscheinlich mehr erschreckt, als es tatsächlich auftritt – insbesondere bei Gefahrguttransporten.Wir müssen mit dem Problem aber sorgsam umgehen.Wir sind uns doch alle einig, dass wir im Bereich der präventiven Gefahrenabwehr und auch der präventiven Kontrollen sicherlich nicht zu viel machen und noch ein bisschen zulegen könnten. Ich kenne Strecken, da wird jede Woche kontrolliert. Das halte ich für in Ordnung, auch vom Personaleinsatz her. Ich glaube aber, dass ansonsten das, was aus der Begründung des Antrags als Zielsetzung herauszulesen ist, ins Leere geht und eine weitere Regelung nicht notwendig ist.