Protokoll der Sitzung vom 18.12.2003

Meine Damen und Herren, die Bürger sind stinksauer, und zwar darüber, dass bei der Obdachlosenhilfe gekürzt wird,

(Zuruf des Abg. Gerhard Bökel (SPD))

dass die Schuldnerberatung in Hessen zerschlagen wird, aber einem Grafen großzügig unter die Arme gegriffen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, das passt nicht zusammen – oder, wie die „FAZ“ zu Recht schreibt: „Es passt nicht zusammen, dass der Graf das große Los gezogen hat und bei den sozialen Initiativen gekürzt wird.“

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

„Es geht nicht“, schreibt der „Mannheimer Morgen“ zu Recht, „dass die Landesregierung mit dem Rotstift durch den Wissenschaftsetat und durch den Sozialetat geht, aber künftig stolzer Besitzer eines Barockschlosses in Hessen sein will.“ Meine Damen und Herren, das passt in der Tat nicht zusammen.

(Lebhafte Zurufe der Abg. Ruth Wagner (Darm- stadt) (FDP))

Ich denke, der Herr Ministerpräsident hat das Minus der „FAZ“ zu Recht verdient. Dort heißt es: „Roland Koch, Landgraf, verunsichert seine Untertanen.“ Über „Untertanen“ kann man streiten; so fühlen wir uns nicht. Aber die Sparbeschlüsse und nun der Schlosskauf, das zeugt nicht gerade von Sensibilität.Die „FAZ“ hat damit Recht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können uns auch nicht damit zufrieden geben, dass der Erbgraf, wie der „Wiesbadener Kurier“ titelt, nun miet- und sorgenfrei ist. Wir würden es viel lieber sehen, wenn Sie in den Haushaltsberatungen, die heute Mittag anstehen, endlich dazu beitragen würden, dass die sozialen Initiativen in Hessen in den nächsten Jahren wieder sorgenfrei leben können.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach den unsäglichen Äußerungen des Grafen im „Darmstädter Echo“ vom 16.12. heißt es jetzt aus Unionskreisen: „Die in Erbach müssen nun die Hosen herunterlassen“.

(Clemens Reif (CDU): Ja!)

„Ja“, rufen Sie. Meine Damen und Herren, ich bitte um einen etwas gewählteren Umgang mit unseren gräflichen Häusern in Hessen.Wenn Sie weiterhin so mit ihm umgehen, muss sich der Graf wirklich noch einmal überlegen, ob er sich angemessen von Ihnen vertreten fühlt.

(Beifall bei der SPD – Clemens Reif (CDU): Herr Schmitt, stellen Sie sich vor, Sie müssten die Hose herunterlassen! – Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

Herr Kollege Schmitt, Sie müssen zum Ende kommen.

Ich komme zum Schluss. – Herr von Hunnius hat Recht. Die Verpflichtungsermächtigung, die eingebracht werden soll, ist eine Täuschung der Öffentlichkeit. Der Vertrag soll in den nächsten Wochen abgeschlossen werden. Das Geld soll dann im Jahr 2005 fließen. Dieses neue Finanzierungsmodell für den sozialen Wohnungsbau, das Herr Corts entwickelt hat, ist ein falsches Modell.

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Es wird am Ende dazu führen, dass Hessen das Schloss und die Sammlung kauft, obwohl bisher die rechtlichen Fragen nicht geklärt sind. Das alles ist sozial unausgewogen. Meine Damen und Herren, es ist zum Teil sogar lächerlich, wenn nur über die Frage der männlichen Erbfolge und der Mietfreiheit nachgedacht wird. In der Tat muss man sagen: Dies ist ein völlig verfehlter Kauf und völlig unakzeptabel. Die Landesregierung hat an dieser Stelle wieder einmal gezeigt: Sie kann es eben nicht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Clemens Reif (CDU): Lassen Sie die Hose herunter!)

Das Wort hat Frau Kollegin Lannert.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass Sie in diese Frage eine üble Polemik hineinbringen, ist nicht überraschend. Das haben wir nicht anders erwartet.

(Beifall bei der CDU)

Ich bitte Sie aber: Kommen Sie wieder zu einer sachlichen Diskussion zurück. Hören Sie zu. Ich werde Sie informieren.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg.Gerhard Bökel (SPD))

Für die CDU-Fraktion war und ist es eine zwingende Voraussetzung, dass ein Kauf der Kunstsammlung und des Schlosses in Erbach nur dann zustande kommt, wenn der Nachweis einer Notlage des Grafenhauses erbracht wurde.

(Beifall bei der CDU – Lebhafte Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich müssen wir den provokanten und unzutreffenden Äußerungen des Grafen auf den Grund gehen. Aber an der Stelle muss auch ganz klar gesagt werden:Wir müssen und wir wollen uns nicht der Gefahr einer Verschleuderung von Kulturgütern von großer kulturhistorischer Bedeutung aussetzen.

(Lebhafte Zurufe von der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe das Mikrofon, ich kann lauter schreien.

(Beifall bei der CDU)

Das Adelshaus hat bereits seit geraumer Zeit den Wunsch geäußert, die Kunstgegenstände international versteigern zu dürfen. Die CDU vertritt die Auffassung, dass für den Erhalt der Sammlungen Eile in jedem Fall geboten ist. Es ist für den Fall vorzubeugen, dass ein Insolvenzantrag gestellt wird, das Fideikommiss-Gericht im Sinne des Grafen entscheidet und danach die Sammlungen in alle Winde zerstreut würden.

(Zuruf des Abg. Gerhard Bökel (SPD))

Für den Fall einer tatsächlichen Insolvenz ist eine Versteigerung nicht mehr zu verhindern. Hier will und muss das Land zumindest die Möglichkeit haben, tätig zu werden, um die einmalige Kunstsammlung zu erhalten und ihr im Odenwaldkreis und nicht irgendwo anders einen entsprechenden Rahmen zu geben.

(Beifall bei der CDU)

Der Ankauf der Kunstsammlung würde zur Stabilisierung der touristischen Attraktivität des Odenwaldes in großem Maße beitragen. Das Museum könnte auch mit dem Landesmuseum in Darmstadt wissenschaftlich zusammenarbeiten. Die CDU-Fraktion wird vor einem eventuellen Kauf des Erbacher Schlosses in jedem Fall die Notwendigkeit eingehend überprüfen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So wie bisher auch schon!)

Die ursprünglich im Haushalt 2004 angesetzten Mittel wurden gestrichen. Um einen Ankauf der Kunstsammlung mit oder ohne Schloss im Jahr 2005 nicht grundsätzlich auszuschließen, hat die CDU-Fraktion dem Landtag vorgeschlagen, die dafür benötigten Mittel als Verpflichtungsermächtigung für den Haushalt 2005 einzustellen, die dann untrennbar an eine erneute Zustimmung des Haushaltsausschusses vor einem möglichen Vertragsabschluss gebunden ist. Damit hat der Landtag das Verfahren in der Hand, und die Möglichkeit zum Handeln bleibt bestehen. Es wird nichts beschlossen, wovon der Landtag nicht informiert ist. Das Parlament hat die volle Kontrolle über einen zukünftigen möglichen Vertrag.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Wenn die Verhandlungen wieder aufgenommen werden, wird nach den irritierenden Äußerungen des Grafen Erbach der Verkaufspreis sicher noch einmal kritisch zu prüfen sein, da auch das mietfreie Wohnrecht der Grafenfamilie vom Tisch ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Der Odenwaldkreis, mit dem SPD-Landrat an der Spitze, engagiert sich als Träger des Schlossmuseums, um den Odenwäldern die Kunstschätze zu erhalten. Der Landrat sicherte zu, in Verbindung mit dem Tourismuszentrum und der Stadt Erbach der Bevölkerung die Exponate weiterhin zugänglich zu machen. Ansonsten wäre ein wichtiges Stück Odenwälder Identität verloren.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg.Gerhard Bö- kel (SPD))

Für den Ankauf hat sich neben dem Landrat auch Erbachs Bürgermeister eingesetzt. Die Stadt Erbach beteiligt sich an dieser wichtigen Touristeneinrichtung, die in Kombination mit dem in Erbach ansässigen Elfenbeinmuseum für den Odenwaldkreis von existenzieller Bedeutung ist. An dieser Stelle müssen natürlich weiterhin Verhandlungen geführt werden.

In der gestrigen Debatte sprach Herr Dr. Jürgens von den GRÜNEN davon, dass hier aus rein ideologischen Gründen gehandelt werde.

Da wundert mich eine Pressemeldung vom 11. Dezember des „Wiesbadener Tagblatts“, in der steht, dass auch die GRÜNEN keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Erhaltung des historischen Erbes haben.

(Lachen der Abg. Evelin Schönhut-Keil (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Nichts anderes als die hier von Ihnen vorgetragene Polemik haben wir von Ihnen erwartet, ich sagte es schon. In der gleichen Pressemeldung stand auch zu lesen, dass die SPD im Prinzip den Erhalt der Kunstsammlung befürwortet.

(Zurufe von der CDU:Aha!)

Ebenso steht die gesamte Odenwälder SPD – vom Landrat über Bundestags- und Landtagsabgeordnete bis hin zum Kreistagsvorsitzenden – öffentlich hinter dem Erhalt der Kunstsammlung im Odenwald.