Protokoll der Sitzung vom 18.12.2003

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat der Kollege von Hunnius, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! An diesem wunderschönen kühlen Wintermorgen möchte ich mit Positivem beginnen. Ich finde es positiv, dass der Odenwald ins Gerede kommt, weil das dem Tourismus nur helfen kann. Ich finde es positiv, dass man Kunstwerke erhalten will. Ich finde es positiv, dass sich die Landesregierung darum kümmert. Das ist allerdings schon der Schluss des positiven Teils.

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP, dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Frank Gotthardt (CDU):Jetzt kannst du aufhören!)

Das möchtest du gerne, mache ich aber nicht, weil der Teil der Zumutbarkeit kommt.

(Frank Gotthardt (CDU): Es hätte eine so schöne Rede werden können!)

Es ist schlicht und ergreifend ein Zumutung, vom Haushaltsgesetzgeber zu erwarten, dass er aufgrund eines mündlichen Vortrags und eines CDU-Antrags 13,3 Millionen c freigibt.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gab Vorinformationen der Fraktionsspitzen – okay. Es gab eine Pressekonferenz.Anschließend gab es einen Antrag der CDU-Fraktion. Es gab mündliche Nachfragen. Aber es gibt bis heute noch keine schriftliche Vorlage der Landesregierung. So viel zum Thema Zumutbarkeit.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Erwartet wird, dass locker zusätzlich 7 Millionen c Neuverschuldung aufgenommen werden, in einer Situation, in der der Haushalt 2004 ohnehin verfassungswidrig ist, wie Sie wissen.

Jetzt kommt der Teil der Fragwürdigkeiten.Fragwürdig ist die Dringlichkeit. Zunächst schien sie gegeben, überzeugend argumentiert. Dann hat sie der Graf selber bestritten.Anschließend hat er sie in einer Presseerklärung wieder bejaht. Das lässt das Ganze in zweifelhaftem Licht erscheinen. Fragwürdig ist es auch, ob wir neben den Kunstwerken das ganze Schloss und weitere Grundstücke benötigen.

(Beifall bei der FDP)

Fragwürdig sind die Folgekosten. Dazu hat Minister Corts Ausführungen gemacht und gesagt, er will versuchen, sie möglichst gering zu halten. Das finde ich ganz toll – „wir halten sie gering“ –, aber ein bisschen genauer hätten wir im Vorhinein gern gewusst: Wie hoch sind die Kosten der Pflege? Wie hoch ist der Energieaufwand? Welche Kosten entstehen für das Land? Das muss man schon ein bisschen näher spezifizieren.

Fragwürdig ist das Dauerwohnrecht. Dieses Dauerwohnrecht ist vom Kollegen Kaufmann erwähnt worden. Es

gibt inzwischen einen Antrag der CDU-Fraktion, dieses nicht mehr in den Haushalt hineinzuschreiben. Nur haben wir gelernt, dass das Dauerwohnrecht dazugehört hat, damit der Preis geringer war, als er hätte sonst sein sollen. Trotzdem bleibt die komplette Summe von 13,3 Millionen c als Verpflichtungsermächtigung im Haushalt. Also ist es wohl die Absicht der CDU-Fraktion, ein Dauerwohnrecht zu gewähren. Oder will man zu wenig bezahlen? Wie ist das zu verstehen?

Die ganze Geschichte passt irgendwie nicht zusammen. Von der Seite scheint es wohl so zu sein, dass ein Dauerwohnrecht gewährt werden soll, und wir sollen das noch verkauft bekommen.

Fragwürdig ist die Finanzierung.Das ist der Punkt,der mir als haushaltspolitischer Sprecher am meisten Sorgen macht.

(Beifall bei der FDP)

Kann man im Ernst dem hessischen Steuerbürger zumuten, Jahr für Jahr zusätzlich 250.000 bis 300.000 c allein für Zinsen aufzuwenden,

(Beifall bei der FDP, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

damit der Graf zu Erbach in seinem Schloss bleiben kann und Hessen – zugegebenerweise – Kunstwerke erwirbt? – Wir haben einen Haushalt mit verfassungswidriger Verschuldung. Das ist schon schlimm genug. Der muss nicht noch schlimmer gemacht werden. Das Ganze ist den Bürgerinnen und Bürgern Hessens vor dem Umfeld sehr schmerzhafter Leistungskürzungen einfach nicht darstellbar.

(Beifall bei der FDP, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Nun kommt der letzte Punkt der Fragwürdigkeiten, und der betrifft die Schlüssigkeit des Handelns der CDUFraktion. Wir alle haben gelesen, dass der Ministerpräsident hat erklären lassen, er sei stinksauer. Er hat in der Fragestunde gesagt, dies treffe seine Empfindung exakt. Dann hat die CDU-Fraktion die Hacken zusammengeknallt und prompt gesagt: Es ist nicht mehr so dringend. Es geht auch ein Jahr später. Es reicht eine Verpflichtungsermächtigung aus. – Meine Damen und Herren, entweder ist es dringlich, und wir müssen ganz schnell handeln, um zu verhindern, dass Kunstwerke ins böse Ausland abwandern, oder es ist nicht dringlich. Es kann aber nicht in zwei Jahren dringlich sein. Das verstehe ich überhaupt nicht.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Oder ich weiß heute schon, es wird wahrscheinlich dringlich werden. Das ist jedenfalls kaum zu begründen. Aber die vorausschauende Annahme einer Dringlichkeit für das Jahr 2005 ist recht wenig überzeugend. Eine Verpflichtungsermächtigung ist weder sinnvoll, noch ist sie überhaupt nötig, um im Jahre 2005 aktiv zu werden. Das haben wir ausführlich besprochen.

Nun hat das Ganze eine positive Seite, der wir freudig zustimmen,denn die CDU-Fraktion hat bei der Gelegenheit beschlossen, die Verschuldung nicht um 7 Millionen c zu senken – das wäre der Betrag gewesen, der durch den Schlosskauf verursacht worden wäre –, sondern um 13 Millionen c. Da machen wir sofort freudig mit. Da ha

ben wir gleich zugestimmt. Das kann dem Land Hessen wirklich nur helfen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege von Hunnius, Sie müssen zum Schluss kommen.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Vielen Dank für den Hinweis. – Nach mündlichem Vortrag ungesicherter Fakten ist der Kauf vor dem Hintergrund einer unvertretbar hohen Verschuldung nicht zu verantworten, weder im Jahre 2004 noch 2005. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Schmitt, SPD-Fraktion.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Er wird jetzt die Position des Landrats vertreten!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben es mit einem weiteren Kapitel der so erfolgreichen Geschichte „Kauf und Verkauf hessischer Burgen und Schlösser“ zu tun. Nach der harschen Kritik der Sozialverbände an der Landesregierung, weil sie unbarmherzig kürzt, wurde kurz vor Weihnachten eine Gegenoffensive der Landesregierung gestartet: durch Schuldnerberatung vor Ort, und – übernommen vom Wissenschaftsminister – durch ein neues Programm „Sozialer Wohnungsbau im Schloss“. Man war sogar bereit, Menschen, die unter einer schweren Last leiden, den Ballast vom Buckel zu nehmen und gleichzeitig noch die Kohlen in den Keller zu schaffen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nicola Beer (FDP) – Zuruf des Abg. Gerhard Bökel (SPD))

Wir finden, dass es wirklich ein erfolgreiches Vorweihnachtsprogramm ist.

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Die Landesregierung wollte noch einmal beweisen, dass sie keineswegs über die Sorgen und Nöte der Menschen in Hessen hinweggeht, dass sie nicht kaltschnäuzig ist, sondern in der Tat auch bereit ist, Hilfe für verarmten Landadel zu leisten. Herr Corts hat sich als nebenberuflicher Immobilienmakler betätigt,hat sich nach seinen Aussagen das Schloss vom Keller bis zum Dachboden angesehen, hat einen Freundschaftspreis von schlappen 13,3 Millionen c ausgehandelt. Der Graf hat sich dann über den größten Deal, den seine Familie je gemacht hat, gefreut.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Gerhard Bö- kel (SPD): Der hat doch Recht!)

Er hat sich zu Recht gefreut. Er hat sich gefreut, dass er das Land über den Tisch gezogen hat. Ich glaube, das ist das Entscheidende an der Sache.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lebhafte Zurufe der Abg. Clemens Reif,Volker Hoff und Boris Rhein (CDU))

Herr Reif, da Sie dazwischenrufen: Nach dem, was Euer Merkwürden im Haushaltsausschuss geboten hat, muss man sagen: Das Land ist nicht nur über den Tisch gezogen worden, die Landesregierung hat sich über den Tisch geworfen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Der Graf hat in einer Presseerklärung deutlich zum Ausdruck gebracht, dass seit der absoluten CDU-Mehrheit die Interessen des Adels in Hessen endlich wieder angemessen vertreten werden.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Lachen über den Deal war vom Odenwald bis in die Staatskanzlei zu hören. Das hat dazu geführt, dass der Ministerpräsident,wie er in der Fragestunde noch einmal bereit war zu bestätigen, stinksauer war. Meine Damen und Herren, wir sind auch stinksauer.Wir sind stinksauer über lausige Verhandlungen.

(Clemens Reif (CDU): Sie sind laufend sauer!)

Wir sind stinksauer über fehlendes Fingerspitzengefühl, und wir sind stinksauer über die unzureichende rechtliche Klärung in diesem Zusammenhang.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nicola Beer (FDP) – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Meine Damen und Herren, die Bürger sind stinksauer, und zwar darüber, dass bei der Obdachlosenhilfe gekürzt wird,