Protokoll der Sitzung vom 28.01.2004

(Beifall des Abg. Klaus Dietz (CDU) – Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Nicht zuletzt hat gerade der Vertreter von Aventis deutlich gemacht, dass, wenn diese Politik so weitergeht, wenn für die Medikamente Zwangsrabatte erhoben werden, die forschende pharmazeutische Industrie in Deutschland wegen dieser vom Bund vorgenommenen Rahmenbedingungen auf Dauer keinen Platz mehr hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor ich auf wichtige Aktivitäten in der Regionalpolitik der Landesregierung im Einzelnen eingehe, möchte ich noch ein Handlungsfeld ansprechen, das Sie nicht erwähnt haben, das aber aus meiner Sicht von großer Bedeutung ist: die zentrale Erreichbarkeit Hessens und insbesondere des Rhein-Main-Gebietes aufgrund seiner guten wirtschaftsgeographischen Lage. Das gilt auch für die Erreichbarkeit anderer Wirtschaftszentren national und international. Die Landesregierung kann Punkt für Punkt belegen, wie sie gerade bei dieser technischen Infrastruktur Entscheidungen trifft, planerisch und umsetzungsmäßig.

Herr Walter, zur Wahrheit gehört dann aber auch, dass es diese Bundesregierung ist, die durch das Mautdebakel bei der Verkehrsinfrastruktur ein Chaos angerichtet hat, das dazu geführt hat, dass bei vielen Baumaßnahmen, auf die wir dringend warten, bis heute noch nicht einmal die Finanzierung zugesagt worden ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe der Abg. Norbert Schmitt (SPD) und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Deswegen muss der Bund gemeinsam mit dem Land die Verantwortung für den wichtigsten Bereich der Wirtschaftsförderung überhaupt übernehmen, nämlich für die Verkehrsinfrastruktur, damit diese Maßnahmen umgesetzt werden können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben die regionale Verfasstheit in der Region angesprochen. Die Hessische Landesregierung hat bereits vor mehr als drei Jahren auf den Handlungsbedarf in Sachen Regionalreform hingewiesen und durch In-Kraft-Setzen des eben bereits angesprochenen Ballungsraumgesetzes engagiert gehandelt.

Hiermit werden die Aufgaben definiert, die in der Region gemeinschaftlich erledigt werden sollen, damit diese zukunftsfähig bleibt. Dazu gehört auch das von Ihnen angesprochene Standortmarketing.

Als Nukleus bzw. Kern der Region Rhein-Main sollen in Zukunft 75 Städte und Gemeinden des Frankfurter Umlands gemeinsam die Planung des Raums in der modernen straffen Art eines regionalen Flächennutzungsplans vornehmen. Bei all dem, was wir hinsichtlich der Regionalpolitik an Vorschlägen unterbreiten und was durch das Gesetz, das verabschiedet wurde, an Grundlagen gelegt wurde, gilt: Die Landesregierung hat deutlich gemacht, dass sie dem Prinzip der Freiwilligkeit stets den Vorrang einräumt.

Es kann nicht angehen, dass einerseits von der Landesregierung Handeln gefordert wird – das Ballungsraumgesetz belegt das Handeln der Landesregierung –, aber auf der anderen Seite insbesondere die regional Verantwortlichen tatenlos bleiben. Das Land wird nicht tatenlos zu

sehen können, wenn der erwartete Fortschritt bei der regionalen Kooperation nicht zustande kommt. Das wissen alle Beteiligten. Es ist aber auch nicht nachvollziehbar und schlicht unsachlich, die derzeitigen regionalen Organisationsstrukturen im Ballungsraum Rhein-Main für die schlechte Entwicklung am Arbeitsmarkt verantwortlich zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Würde man eine solche Kausalität zugrunde legen, dann würden die gute Entwicklung und die gute Situation, die es im Lande bis in das Jahr 2002 hinein hinsichtlich des Arbeitsmarkts gegeben hat, ad absurdum geführt.

Wenngleich wir wissen, dass wir auf dem Weg, der das entwickeln soll, längst noch nicht am Ziel angekommen sind, sollten wir aber auch nicht so tun,als ob es hinsichtlich der Wirtschaftsförderung in der Region überhaupt keine Zusammenarbeit gäbe. Das Gegenteil ist richtig. Seit 1995 besteht der Wirtschaftsförderungsverein Region Frankfurt/Rhein-Main. Der Verein hat immerhin 245 Mitglieder. Darunter befinden sich etwa 200 Kommunen, das Regierungspräsidium Darmstadt,sieben Industrie- und Handelskammern, zwei Handwerkskammern, sieben Universitäten und Fachhochschulen und wichtige Großunternehmen, wie etwa Fraport. Die Schwerpunkte der Arbeit dieses Wirtschaftsförderungsvereins sind die regionale Gewerbeflächenbörse und die Funktion, als dezentrale Ansprechstelle für Standortfragen in der Region zu dienen. Die Mitglieder dieses Vereins werden im Jahre 2004 gemeinsam auf großen internationalen Messen auftreten. Das ist der nächste Schritt. Auch hier ist Weiterentwicklung geboten. Wichtige Schritte wurden aber eingeleitet. Die Region nimmt zunehmend ihre Verantwortung wahr.

Lassen Sie mich auf einen weiteren wichtigen Punkt zu sprechen kommen, der für eine gute wirtschaftliche Entwicklung eine unabdingbare Voraussetzung ist.Es handelt sich dabei um das Konzept zur Stärkung des Finanzplatzes. Die Landesregierung hat dazu in ihrem Regierungsprogramm eine klare Beschreibung ihrer Ziele vorgenommen. Herr Walter, es ist schon sehr verwunderlich, dass Sie in Ihrem Antrag nach diesem Konzept fragen. Das können Sie im Regierungsprogramm nachlesen.

Vieles wurde bereits in dieser kurzen Zeit auf den Weg gebracht. Beispielhaft möchte ich die Clearingstelle für Finanzdienstleistungsinstitutionen und den Gesetzentwurf der Landesregierung zur steuerlichen Begünstigung ausländischer Spitzenarbeitskräfte, die in diesem Bereich arbeiten, nennen. Daneben gab es eine Reihe anderer Initiativen, wie etwa die Schaffung des „Zukunftsforums Finanzplatz Frankfurt“. Dies gilt insbesondere auch für die Etablierung des „House of Finance“. Das hat als Aufgabe, den Austausch zwischen allen Beteiligten zu fördern. Mit alldem sind wir auf einem guten Weg.

Ich will auch dieses Beispiel hier nennen. In einem Wettbewerb zwischen 19 bundesdeutschen Hochschulen ist es gelungen, eine Forschungsprofessur für Betriebswirtschaft und Bankenwissenschaften an den Bankenplatz Frankfurt und damit an die Universität Frankfurt zu holen.In diesem Wettbewerb hat Frankfurt den Zuschlag erhalten. Das ist ein Beleg dafür, wie gut der Bankenplatz Frankfurt bundesweit und international eingeschätzt wird und wie insbesondere die wirtschaftspolitischen Aktivitäten dieser Landesregierung für den Bankenplatz Frankfurt eingeschätzt werden.

Herr Staatsminister, ich darf Sie darauf hinweisen, dass die vereinbarte Redezeit vorbei ist. Sie dürfen aber reden, so lange Sie wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird einiges zur Förderung innovativer und nachhaltiger Technologien unternommen. Beispielsweise werden innovationsfreundliche Rahmenbedingungen geschaffen, die Infrastruktur von für die Wirtschaft interessanten Technologien wird auf- und ausgebaut, und der Technologietransfer wird gefördert. Darüber hinaus werden entsprechende Innovationen finanziert. Daran kann man sehen, dass die Vorgaben und Vorhaben, die sich die Landesregierung für die Wirtschaftspolitik gesetzt hat, auf vielen Feldern konkret Tag für Tag und Stück für Stück abgearbeitet werden.

Wir sind hier in Hessen auf einem guten Weg. Wir sind in der Lage, unsere Position trotz der widrigen Umstände zu halten, die uns die Bundespolitik immer wieder liefert. Wir richten den Fokus unseres Interesses aber nicht nur auf den Ballungsraum Rhein-Main. Vielmehr wollen wir gerade auch den Regionen Entwicklungsperspektiven eröffnen, die jahrzehntelang zuvor sträflich vernachlässigt wurden. Dies gilt insbesondere für den Wirtschaftsraum und die Region Kassel. Die von dort vorliegenden Daten sprechen ihre Sprache. Dort wurden Maßnahmen eingeleitet. Wir wären schon gerne viel weiter. Das Stichwort dazu lautet:A 44.Aber in der Vergangenheit wurden viele Hindernisse aufgebaut.

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

Die Daten zeigen, dass Hessen auch in Zukunft in der Bundesrepublik und europaweit zum Wohle der Menschen und zum Erhalt ihres Lebensstandards vorne mitspielen wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Abg. Schönhut-Keil für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Rhiel, bei allem Respekt muss ich sagen, dass ich bei Ihrer Rede immer versucht war, an den neudeutschen Satz zu denken: Where is the beef? – Ich habe selten eine so substanzlose Grußwortrede zur Wirtschaftspolitik Hessens gehört wie heute Morgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich kann mich deshalb der Rede des Kollegen Wagner nur anschließen. Das hatte etwas von einem einschläfernden Priesterseminar und sagte wenig zu der Frage aus, wie es in Hessen mit der Wirtschaftspolitik weitergehen wird.

Herr Minister Rhiel, ich möchte Ihnen und allen anderen Kollegen Folgendes sagen: Es wird auch nichts helfen, dass Sie immer wieder mit dem Finger nach Berlin weisen.

Denn die Zahlen, die wir auf dem Tisch liegen haben, sprechen doch eine deutliche Sprache.

(Zuruf von der CDU: Das stimmt!)

In Hessen beträgt der Anstieg der Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vorjahr 7,9 %. Im Bundesdurchschnitt liegt er aber nur bei 2,2 %. Sie müssen erklären, woher es kommt, dass Hessen da so schlecht ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Nach dem Hören Ihrer Rede kann ich nur eines feststellen: Sie haben nicht mit einem Satz darüber gesprochen – und dazu auch keine Bewertung abgegeben –,welche Vorhaben und Maßnahmen Sie ergreifen wollen, damit die Rhein-Main-Region das bleibt, was sie bisher war, nämlich eine wirtschaftsstarke Region. Denn das ist das Problem, das wir im Moment angehen müssen. Ja, wir brauchen Wachstum. Das ist völlig richtig. Ohne Wachstum ist alles andere nichts.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Ich denke aber, dass jeder seine Hausaufgaben an dem Platz erledigen muss, an den er gewählt wurde. Es reicht nicht, dass die einen mit dem Finger nach Berlin und die anderen mit dem Finger in Richtung Landesregierung zeigen. Vielmehr muss es uns in diesem Parlament Hessens darum gehen, Perspektiven für die Bevölkerung zu entwickeln, die zu Recht Sorge um ihre Arbeitsplätze hat. Ich will dazu sagen, dass die SPD-Fraktion mit dem Antrag, den sie vorgelegt hat, die richtigen Fragen gestellt und auch die richtigen Konzepte vorgestellt hat. Denn wir müssen doch die Fragestellung klären, warum die sehr exportorientierte hessische Industrie nicht stärker vom weltwirtschaftlichen Aufschwung profitieren kann.

Wie können wir dem Finanzplatz Frankfurt helfen, die Krise der Banken zu überwinden? Diese Fragen sind nicht beantwortet.

Ich stimme Jürgen Walter zu, wenn er vorschlägt, wir brauchen eine professionelle Wirtschaftsförderung in der Trägerschaft der Region. In der Tat:Wir können dies nicht alleine der Stadt Frankfurt überlassen. Frankfurt gibt Jahr für Jahr Millionen für Wirtschaftsförderung und Standortmarketing aus, und damit repräsentiert Frankfurt z. B. auf internationalen Messen die gesamte Region. Ich frage mich, warum wir Frankfurt in dieser Frage alleine lassen. Was wir brauchen, das ist ein regionales Marketingkonzept für diese Region.Meine Damen und Herren,das sind Sie bislang schuldig geblieben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Den Finanzplatz Frankfurt kann die Politik insoweit unterstützen, als sie bei der Börsenaufsicht und z. B. bei der Strafverfolgung von Börsendelikten für die nötige Transparenz sorgt. Vertrauen in Bank und Börse ist ein unverzichtbarer Standortfaktor, um Kapitalanleger dauerhaft für sich zu gewinnen.

Aber das alles reicht nicht aus. Neben allen Einzelprojekten dürfen wir nicht vergessen, dass jede Art von Monokultur Gefahren mit sich bringt. Die Rhein-Main-Region konnte den unvermeidlichen Abbau industrieller Arbeitsplätze früher durch neue Stärken in der Finanzbranche ausgleichen – mehr als das. Aber genau wie in der Industrie ergeben sich nun auch bei den Bankendienstleistern weit reichende Möglichkeiten zur Rationalisierung und

zur Fusion. Auch die Banken müssen im internationalen Wettbewerb versuchen, bessere Leistungen mit immer weniger Mitarbeitern zu erbringen.

Die Rhein-Main-Region muss deshalb das Bestehende weiter pflegen, aber auch eine bunte Vielfalt von Neuem zulassen und fördern. Dazu hat sie exzellente Voraussetzungen, dies gerade auch durch ihre Offenheit und Internationalität und auch wegen der Mischung der Kulturen, was die Rhein-Main-Region insgesamt und international so attraktiv macht.

Meine Damen und Herren, eines ist auch klar. Diese Landesregierung hat es bislang überhaupt nicht geschafft,hier die richtigen Akzente zu setzen. Wie gesagt, ich bin der SPD dankbar dafür, dass sie einen Ansatz geliefert hat, an dem wir weiter arbeiten können.

Noch ein Letztes,Herr Kollege Boddenberg – wo ist er? –: Mich hat sehr geärgert, dass hier gesagt wurde, Hartz IV sei ein Hemmschuh, und Ziel sei doch gewesen, durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe eine Leistung aus einem Guss zu produzieren. – Sie wissen, dass wir das gewollt haben. Sie haben im Bundesrat das Optionsmodell hereinverhandelt, und Sie stellen sich jetzt hierhin und beklagen die Vielfalt der Möglichkeiten. Unredlicher geht es wirklich nicht mehr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Klemm, Fraktion der SPD.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Wir haben seit Monaten in Hessen, insbesondere im Rhein-Main-Gebiet, eine überproportional hohe Zunahme der Arbeitslosigkeit, gemessen an anderen vergleichbaren deutschen Regionen, an allen anderen deutschen Regionen. Darüber sind wir uns einig, das hat der Wirtschaftsminister hier auch eingeräumt.

Womit wir meines Erachtens nicht umgehen sollten, ist so ein Satz: Aber die Arbeitslosigkeit in Hessen liegt immer noch unter dem Durchschnitt der Bundesländer. – Das ist zu wenig.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das ist Durchfallen. Wir reden hier über die modernste, über die wettbewerbsfähigste Region der Bundesrepublik Deutschland. Wir reden bei Rhein-Main nicht nur über den Wachstumsmotor Hessens, sondern wir reden über den Wachstumsmotor Deutschlands. Eine Wirtschaftspolitik,die sich dann mit Durchschnitt begnügt,leistet nichts. Sie leistet nicht das, was sie leisten muss.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)